LG Hagen: Zur Ersatzfähigkeit eines Internetausfalls

Nachdem der BGH grundsätzlich einen Schaden durch die Nichtverfügbarkeit eines Internetzugangs anerkannt hat (BGH Urteil vom 24. Januar 2013 Az.: III ZR 98/12) mit dem Argument, dass die Nutzbarkeit des Internets ein Wirtschaftsgut sei, dessen ständige Verfügbarkeit seit längerer Zeit auch im privaten Bereich für die eigenwirtschaftliche Lebenshaltung typischerweise von zentraler Bedeutung ist. Klassisches Beispiel für einen solchen Ausfallschaden ist der Nutzungsausfall eines PKW nach einem Unfall, der ebenfalls im Falle der Nichtinanspruchnahme eines Mietwagen ersatzfähig ist.

Vor dem Landgericht Hagen ging es nunmehr um einen Fall, in dem ein Smartphone einen Defekt aufwies, sodass der mobile Internetzugang nicht mehr nutzbar war. Gleichzeitig war ein ortsgebundener Internetzugang aber noch möglich. Einen Nutzungsausfallschaden hat das Landgericht Hagen verneint. Hierbei wird darauf verwiesen, dass sämtliche Entfaltungsmöglichkeiten auch noch durch den stationären Internetzugang möglich gewesen wären, wenn auch mit zeitlicher Verzögerung. Die Nutzung zu Kommunikationszwecken sei durch ein Ersatztelefon mit (ausschließlich) einer Telefonfunktion gewährleistet gewesen.

Diese Entscheidung kann nachvollzogen werden, so wird auch die Nutzungsausfallentschädigung für ein Motorrad verneint, wenn durch einen noch vorhandenen PKW die Mobilität weiter möglich ist ( LG Dortmund, Urt. v. 7. 12. 2011 – 21 S 33/11 NZV 2014, 41).

 

LG Hagen Urteil vom 09.02.2017 Az.: 7 S 70/16

Montagsblog: Neues vom BGH

Beweislastumkehr bei grober Pflichtverletzung
Urteil vom 11. Mai 2017 – III ZR 92/16

In einer für BGHZ vorgesehenen Entscheidung, die auch Aufmerksamkeit in der Tagespresse gefunden hat, wendet der III. Zivilsenat eine aus dem Arzthaftungsrecht bekannte Beweislastregel auf einen Hausnotrufvertrag an.

Der im Laufe des Rechtsstreits verstorbene, im Zeitpunkt des Vertragsschlusses 75 Jahre alte, allein lebende und pflegebedürftige frühere Kläger hatte mit der Beklagten einen Hausnotrufvertrag geschlossen. Zu den Pflichten der Beklagten gehörte die unverzügliche Vermittlung einer angemessenen Hilfeleistung im Falle eines Notrufs. Zwei Jahre nach Vertragsschluss betätigte der Kläger den Notruf. Am Telefon konnte er sich nicht artikulieren, sondern nur ein Stöhnen von sich geben. Ein zur Wohnung entsandter Mitarbeiter der Beklagten fand den Kläger am Boden liegend auf. Mit Hilfe eines hinzugerufenen Kollegen setzte er ihn auf die Couch und verließ die Wohnung. Zwei Tage später fanden Mitarbeiter des Pflegedienstes den Kläger mit einer halbseitigen Lähmung am Boden liegend auf. Im Krankenhaus wurde ein ein bis drei Tage zurückliegender Schlaganfall diagnostiziert, von dem sich der Kläger bis zu seinem Tod rund drei Jahre später nicht mehr erholte. Die Klage auf Ersatz materieller und immaterieller Schäden blieb in den ersten beiden Instanzen erfolglos.

Der BGH verweist die Sache an das OLG zurück. Abweichend von den Vorinstanzen bejaht er eine Pflichtverletzung der Beklagten. Diese hätte aufgrund der bekannten Vorerkrankungen und der fehlenden Artikulationsfähigkeit unverzüglich nach Eingang des Notrufs den Rettungsdienst alarmieren müssen. Die Beweislast dafür, dass es dann nicht zu den schwerwiegenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen gekommen wäre, legt der BGH der Beklagten auf. Er sieht deren Verhalten als grobe Pflichtverletzung an und leitet daraus – entsprechend den für grobe ärztliche Behandlungsfehler entwickelten Grundsätzen – eine Umkehr der Beweislast ab. Entscheidend dafür ist, dass der Notrufvertrag gerade dazu diente, den Kläger vor Gefahren für Körper und Gesundheit zu bewahren, und dass die Beweissituation des Klägers durch das pflichtwidrige Verhalten der Beklagten erheblich verschlechtert wurde.

Praxistipp: Eine Umkehr der Beweislast hinsichtlich der Kausalitätsfrage kommt in Betracht, wenn der Schuldner eine besondere Berufs- oder Organisationspflicht zum Schutz von Leben und Gesundheit grob vernachlässigt hat.

Persönlich eingelegtes Rechtsmittel und Antrag auf Prozesskostenhilfe
Beschluss vom 14. März 2017 – VI ZB 36/16

Mit einer nicht selten auftretenden Verfahrensfrage befasst sich der VI. Zivilsenat.

Das AG hatte den Beklagten wegen einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung zur Zahlung von 1.318,36 Euro verurteilt. Hiergegen legte der Beklagte mit einem von ihm selbst unterzeichneten Schreiben fristgerecht Berufung ein. Zugleich reichte er einen Antrag auf Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren ein, dem alle erforderlichen Unterlagen beigefügt waren. Das LG lehnte die Bewilligung von Prozesskostenhilfe wegen fehlender Erfolgsaussicht ab und verwarf die Berufung als unzulässig. Gegen letzteres wendete sich der Beklagte mit der Rechtsbeschwerde.

Der BGH verweist die Sache an das LG zurück. Die vom Beklagten persönlich eingelegte Berufung war zwar unzulässig. Das LG hätte dem Beklagten nach der Zurückweisung des Antrags auf Prozesskostenhilfe aber Gelegenheit geben müssen, das Rechtsmittel durch einen Anwalt erneut einlegen zu lassen und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu beantragen. Ein solches Wiedereinsetzungsgesuch hatte Aussicht auf Erfolg, weil der Beklagte davon ausgehen durfte, dass die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe erfüllt sind.

Praxistipp: Wenn das Berufungsgericht zutreffend verfährt und die betroffene Partei nach Versagung von Prozesskostenhilfe anwaltliche Hilfe in Anspruch nimmt, muss die Frist für die Stellung eines Wiedereinsetzungsantrags beachtet werden. Diese beträgt, wenn es um die Einlegung der Berufung geht, gemäß § 234 Abs. 1 Satz 1 ZPO zwei Wochen nach Zugang des Beschlusses über die Versagung von Prozesskostenhilfe.

BGH: Widerruf muss nicht als solcher bezeichnet werden

Alter Wein in neuen Schläuchen. Eine neue Entscheidung des BGH (Urt. v. 12.1.2017 Az.: I ZR 198/15) zu „falsa demonstratio non nocet„.

In einem Fall zum alten Widerrufsrecht im Fernabsatz („ewiges Widerrufsrecht“) erklärte ein Verbraucher vor Gericht, er würde den geschlossenen Maklervertrag anfechten. Das Gericht wertet dies auch als die Erklärung eines Widerrufs:

Mit Erfolg macht die Revision geltend, der Beklagte zu 2 habe dadurch den Widerruf des Maklervertrags erklärt, dass er in der Klageerwiderung vom 8.11.2013 die Vertragserklärung wegen arglistiger Täuschung angefochten habe. Er habe damit deutlich gemacht, er wolle einen etwaigen Vertragsschluss von Anfang an nicht gelten lassen.

Diese Anfechtungserklärung bezieht sich zwar auf eine nach Behauptung der Klägerin von dem Beklagten zu 2 unterzeichnete schriftliche Bestätigung, nach der sich dieser verpflichtet haben soll, ihr eine Käuferprovision bei Abschluss eines Kaufvertrags über das Objekt zu zahlen.(2) Diese Erklärung ist jedoch dahingehend auszulegen, der Beklagte zu 2 wolle einen etwa mit der Klägerin geschlossenen Maklervertrag widerrufen. Wird eine auf einen bestimmten Vertrag gerichtete Erklärung durch die Vertragspartei wegen arglistiger Täuschung angefochten, wird damit hinreichend deutlich gemacht, dass der Anfechtende einen etwaigen Vertrag nicht gegen sich gelten lassen will (BGH, Urt. v. 2.5.2007 – XII ZR 109/04, MDR 2007, 1004, NJW 2007, 2110 Rn. 28; insoweit zutreffend OLG Karlsruhe, NJW-RR 1998, 1438, 1439). Da zwischen den Parteien nur ein einziges Vertragsverhältnis in Streit steht, muss die Anfechtungserklärung des Beklagten dahin verstanden werden, dass er an einem etwa mit der Klägerin zustande gekommenen Maklervertrag nicht festgehalten werden will.

Auf den ersten Blick eine sehr verbraucherfreundliche Entscheidung, die den Eindruck erweckt, eine einseitige Parteiergreifung des Gerichtes sei zulässig.

Andererseits ist es durchaus begrüßenswert, dass das Gericht den wahren Willen des Erklärenden ermittelt (keine Bindung von Anfang an) und die rechtlichen Schlüsse daraus zieht (wo wir heute schon dabei sind: iura novit curia). Dass die Erklärung hier von einem Rechtsanwalt stammte, der BGH dennoch großzügig auslegt, verwundert im Lichte einer früheren Entscheidung des BGH (Urt. v. 4.6.1996 – IX ZR 51/95, NJW 1996, 2648) in der ein hoher Maßstab an Rechtsanwälte angelegt wird:

„Auslegung setzt erst ein, wenn der Wortlaut einer Erklärung zu Zweifeln überhaupt Anlass gibt; dazu darf es der Rechtsanwalt regelmäßig gar nicht kommen lassen.“

Hinweis: Für die Praxis dürfte es in Zukunft ratsamer sein, möglichst weite Formulierungen zu finden, wenn es um die Beseitigung der Rechtswirkungen von Verträgen geht, sollte nicht ein ganz bestimmter Rechtsbehelf aufgrund seiner Rechtsfolgen gewünscht sein. Fraglich bleibt auch, welche Gestaltungserklärung ein Gericht durchgreifen lässt, wenn mehrere Gestaltungserklärungen einen teilweise identischen Erfolg, aber darüber hinaus noch unterschiedliche Rechtsfolgen hervorbringen (z.B. Wertersatz bei einem Widerruf oder Schadensersatz bei einer Anfechtung).

Auch offensichtlich unzulässige Anhörungsrüge muss durch den zuständigen Spruchkörper entschieden werden

Das BVerfG hat in einem Nichtannahmebeschluss klargestellt, dass auch eine offensichtlich unzulässige Anhörungsrüge durch den zuständigen Spruchkörper entschieden werden muss (Beschl. v. 13.04.2017 – 1 BvR 2496/16). Es begegne verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn eine solche Anhörungsrüge lediglich durch den Vorsitzenden des Spruchkörper mit den Worten beantwortet werde, dass ein Rechtsmittel gegen den Prozesskostenhilfe versagenden Beschluss nicht zulässig und damit das Verfahren abgeschlossen sei. Vielmehr hätte es einer förmlichen Entscheidung (Beschluss) bedurft, die durch den gesamten Spruchkörper hätte getroffen werden müssen.

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Darlegung der Wiedereinsetzungsgründe
Beschluss vom 25. April 2017 – VI ZB 45/16

Dass ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sich als haftungsträchtig erweisen kann, zeigt eine Entscheidung des VI. Zivilsenats.

Die Klägerin nahm den Beklagten nach einem Verkehrsunfall auf Schadensersatz in Höhe von knapp 30.000 Euro in Anspruch. Das LG sprach ihr nur 1.750 Euro zu und wies die Klage im Übrigen ab. Die dagegen eingelegte Berufung der Klägerin war an das LG adressiert und ging erst nach Ablauf der Rechtsmittelfrist beim OLG ein. In seinem Antrag auf Wiedereinsetzung legte der Anwalt des Klägers dar, er habe bei der Unterzeichnung des Schriftsatzes handschriftlich vermerkt, dass dieser an das OLG versandt und hierzu die erste Seite ausgetauscht werden müsse. Seine Mitarbeiterin habe die erste Seite nochmals ausgedruckt, die Adresse aber nicht geändert. Das OLG wies den Wiedereinsetzungsantrag zurück und verwarf die Berufung als unzulässig.

Der BGH weist die Rechtsbeschwerde der Klägerin zurück. Mit dem OLG geht er davon aus, dass der Anwalt der Klägerin darauf vertrauen durfte, dass eine zuverlässige Kanzleikraft die handschriftliche Weisung ausführen werde, und dass er deshalb nicht gehalten war, den Schriftsatz nach der Korrektur nochmals zu überprüfen. Dennoch hat das OLG Wiedereinsetzung zu Recht versagt, weil der Anwalt nicht dargelegt hatte, dass und weshalb er die eingesetzte Mitarbeiterin als zuverlässig ansehen durfte.

Praxistipp: Um der Darlegungslast zu genügen, sind detaillierte Ausführungen zur Ausbildung und zur bisherigen Tätigkeit der eingesetzten Kanzleikraft erforderlich; vgl. dazu etwa BGH, B. v. 14.10.2014 – XI ZB 13/13.

Nachweis fristgerechten Eingangs
Beschluss vom 26. April 2017 – XII ZB 33/17

Mit den Anforderungen an die Pflicht des Gerichts zur Aufklärung des Sachverhalts befasst sich der VI. Zivilsenat.

Der Beklagte war vom AG zur Zahlung von 787,50 Euro verurteilt worden. Das LG hatte die Frist zur Begründung der Berufung bis Freitag, 4. November 2016 verlängert. Die eingereichte Berufungsbegründung war auf diesen Tag datiert, trug aber den Eingangsstempel vom darauf folgenden Montag. Der Anwalt des Beklagten legte dar, seine langjährige und stets außerordentlich zuverlässige Kanzleiangestellte habe den Schriftsatz am Tag des Fristablaufs gegen 12:30 Uhr in den Nachtbriefkasten eingelegt. Zur Glaubhaftmachung legte er eine eidesstattliche Versicherung seiner Mitarbeiterin vor. Das LG verwarf die Berufung als unzulässig.

Der BGH verweist die Sache an das LG zurück. Eine eidesstattliche Versicherung ist zwar nur in Ausnahmefällen geeignet, die rechtzeitige Einreichung eines Schriftsatzes zu beweisen, weil sie grundsätzlich nur der Glaubhaftmachung dient, die Beweiskraft des Eingangsstempels gemäß § 418 Abs. 2 ZPO aber nur durch einen Vollbeweis entkräftet werden kann. Wenn das LG die eidesstattliche Versicherung nicht als ausreichend ansah, musste es dem Anwalt aber durch einen entsprechenden Hinweis  Gelegenheit geben, ergänzend Zeugenbeweis anzutreten.

Praxistipp: Wenn eidesstattliche oder anwaltliche Versicherungen vorgelegt werden, sollte zur Sicherheit stets auch die Vernehmung der betreffenden Personen als Zeugen angeboten werden.

Terminsgebühr nur, wenn bei Beginn der Besprechung noch keine Einigkeit bestand

Nach Teil 3 Vorbemerkung 3 Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 VV RVG verdient der Rechtsanwalt die Terminsgebühr auch durch die Mitwirkung an einer auf die Erledigung des Verfahrens gerichteten Besprechung ohne Beteiligung des Gerichts. Die Mitwirkung des Rechtsanwalts setzt nach Auffassung des BGH (v. 09.05.2017 – VIII ZB 55/16) voraus, dass bei Beginn des Gesprächs, das den genannten Gebührentatbestand auslösen soll, eine Einigung noch nicht erzielt worden ist. Die Besprechung müsse auf die (zukünftige) Erledigung des Verfahrens gerichtet sein.

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Windkraftanlage als Scheinbestandteil eines Grundstücks
Beschluss vom 7. April 2017 – V ZR 52/16

Eine sachenrechtliche Frage aus dem Umfeld der Energiewende beantwortet der V. Zivilsenat.

Die Parteien stritten über das Eigentum an einer Windkraftanlage auf einem dem Kläger gehörenden Grundstück. Die Anlage war vom Ehemann der früheren Eigentümerin errichtet worden. Über die Fläche, auf der die Anlage stehen sollte, hatten die Eheleute einen Pachtvertrag geschlossen. Später hatte die Beklagte das Windrad vom Ehemann erworben und mit der Ehefrau einen Pachtvertrag geschlossen. Wiederum einige Jahre später veräußerte die Ehefrau das Grundstück an den Kläger. Dieser machte geltend, er sei zugleich Eigentümer der Windkraftanlage geworden, weil diese einen wesentlichen Bestandteil des übereigneten Grundstücks bilde. Die auf Feststellung seines Eigentums gerichtete Klage blieb in den ersten beiden Instanzen erfolglos.

Der BGH weist die Revision des Klägers zurück. Mit den Vorinstanzen sieht er die Windkraftanlage nicht als wesentlichen Bestandteil des Grundstücks an, sondern nur als „Scheinbestandteil“ im Sinne von § 95 Abs. 1 S. 1 BGB, weil sie nur zu einem vorübergehenden Zweck mit dem Grund und Boden verbunden ist. Ausschlaggebend dafür ist, dass sich die Eheleute bei Errichtung darüber einig waren, dass der Ehemann die Anlage nach Ende der Nutzungsdauer zu entfernen hat, und dass dieser Wille durch den Pachtvertrag nach außen dokumentiert wurde. Die in Instanzrechtsprechung und Literatur umstrittene Frage, ob eine Sache auch dann einen bloßen Scheinbestandteil im Sinne von § 95 Abs. 1 S. 1 BGB bilden kann, wenn sie während ihrer gesamten Nutzungsdauer mit dem Grundstück verbunden bleiben soll, bejaht der BGH mit ausführlicher Begründung.

Praxistipp: Eine Anlage, die bei ihrer Errichtung zu einem wesentlichen Teil des Grundstücks geworden ist, kann in einen Scheinbestandteil umgewandelt und separat veräußert werden, indem der Eigentümer und der Erwerber vereinbaren, dass die Verbindung nur noch zu einem vorübergehenden Zweck bestehen soll (BGH, Urteil vom 2. Dezember 2005 – V ZR 35/05 – BGHZ 165, 184 = MDR 2006, 921).

Keine Verjährungshemmung vor Verjährungsbeginn
Urteil vom 25. April 2017  – VI ZR 386/16

Eine grundlegende Frage des Verjährungsrechts beantwortet der VI. Zivilsenat.

Die Kläger verlangte Ersatz von Schäden aus einem Verkehrsunfall, der sich im Jahr 2011 ereignet hatte. Noch im gleichen Jahr hatten die Parteien Verhandlungen über die Höhe des ersatzfähigen Schadens geführt. Ende September 2011 hatte die Beklagte mitgeteilt, mit den erteilten Abrechnungen sei der Schaden aus ihrer Sicht abschließend reguliert. AG und LG wiesen die im Februar 2015 erhobene Zahlungsklage wegen Verjährung ab.

Der BGH weist die Revision des Klägers zurück. Mit den Vorinstanzen gelangt er zu dem Ergebnis, dass die Verjährung Ende 2014 abgelaufen ist und durch die erst einige Woche später erhobene Klage nicht mehr gehemmt werden konnte. Auf die exakter Dauer der im Jahr 2011 geführten und noch im gleichen Jahr beendeten Verhandlungen kommt es hierbei nicht an, weil die Verjährungsfrist erst mit dem Jahr 2012 begann und ein davor liegender Sachverhalt entgegen einer in Teilen von Literatur und Instanzrechtsprechung vertretenen Auffassung nicht zu einer Hemmung führen kann.

Praxistipp: Wenn bereits aufgenommene Verhandlungen über den Zeitpunkt des Verjährungsbeginns hinweg andauern, so tritt die Hemmungswirkung immerhin im Zeitraum zwischen dem Beginn der Verjährung und dem Ende der Verhandlungen ein.

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Unrichtige Rechtsmittelbelehrung in Wohnungseigentumssache
Beschluss vom 9. März 2017  – V ZB 18/16

Mit einer potentiell haftungsträchtigen Frage befasst sich der V. Zivilsenat.

Die Kläger hatten die Beklagten vor dem AG auf Rückschnitt einer Thujahecke in Anspruch genommen. Der zunächst mit der Sache befasste, für allgemeine Zivilsachen zuständige Richter gab das Verfahren an die für Wohnungseigentumssachen zuständige Kollegin ab. Diese verurteilte die Beklagten antragsgemäß. In der Rechtsmittelbelehrung wurde als zuständiges Berufungsgericht das LG bezeichnet, zu dessen Bezirk das AG gehört. Der Rechtsanwalt der Beklagten legte bei diesem Gericht fristgerecht Berufung ein. Das angerufene Gericht wies auf seine Unzuständigkeit hin. Die daraufhin – nach Ablauf der Berufungsfrist – eingelegte Berufung bei dem für Wohnungseigentumssachen zuständigen LG am Sitz des OLG wurde wegen nicht rechtzeitiger Einlegung als unzulässig verworfen.

Der BGH verweist die Sache an das LG zurück. Abweichend von der Vorinstanz hält er den gestellten Wiedereinsetzungsantrag für begründet, weil der Irrtum über das zuständige Berufungsgericht als unverschuldet anzusehen ist. Der Anwalt der Beklagten hätte zwar bei einer rechtlichen Überprüfung feststellen können, dass für Berufungen in Wohnungseigentumssachen gemäß § 72 Abs. 2 S. 1 GVG eine Sonderregelung gilt und dass das betroffene Land von der gesetzlichen Ermächtigung, durch Rechtsverordnung eine andere Regelung zu treffen, keinen Gebrauch gemacht hat. Er durfte aber darauf vertrauen, dass die vom AG erteilte Rechtsmittelbelehrung zutreffend ist, und hatte deshalb keinen Anlass, eine eigene Überprüfung vorzunehmen.

Praxistipp: In Fällen, in denen eine Sonderzuständigkeit nach § 72 Abs. 2 S. 1 GVG in Betracht kommt, sollte die Berufung grundsätzlich auch dann bei dem in der Rechtsmittelbelehrung benannten Gericht eingelegt werden, wenn der Berufungskläger ein anderes Gericht für zuständig hält. Fehlt es an einer Rechtsmittelbelehrung, so sollte das Rechtsmittel in Zweifelsfällen bei beiden in Frage kommenden Gerichten innerhalb der Frist eingereicht werden.

Besitzverhältnisse bei Probefahrt
Urteil vom 17. März 2017  – V ZR 70/16

Dass vermeintlich einfache alltägliche Situationen immer wieder schwierige Rechtsfragen aufwerfen können, belegt eine andere Entscheidung des V. Zivilsenats.

Die Kläger hatte einen ihr gehörenden Audi A6 einem Herrn P. zur Nutzung überlassen. Dieser hatte den Beklagten, der eine Kfz-Werkstatt betreibt, mit dem Einbau eines Austauschmotors beauftragt. Nach Abschluss der Arbeiten unternahm Herr P. zusammen mit dem Sohn des Beklagten eine Probefahrt. Nach deren Abschluss kam es zum Streit über angeblich noch ausstehende Zahlungen. Die Begegnung endete damit, dass der Sohn des Beklagten in das Fahrzeug einstieg und davonfuhr. In der Folgezeit baute der Beklagte den Austauschmotor wieder aus. Das LG verurteilte den Beklagten antragsgemäß auf Herausgabe des Fahrzeugs und des Austauschmotors. Das OLG wies die Klage hinsichtlich des Austauschmotors ab, weil dieser im Eigentum des Beklagten verblieben sei und ein Anspruch aus § 861 ZPO mangels verbotener Eigenmacht nicht bestehe.

Der BGH weist die Revision des Klägers zurück. Mit dem OLG gelangt er zu dem Ergebnis, dass der Sohn des Beklagten keine verbotene Eigenmacht begangen hat, weil Herr P. durch die Überlassung des Fahrzeugs zur Probefahrt nicht dessen unmittelbarer Besitzer geworden war. Abweichend vom Berufungsgericht sieht der BGH einen Auftraggeber, der ein Fahrzeug nach einer Reparatur zur Probefahrt erhält, allerdings nicht als Besitzdiener des Werkunternehmers an. Er verneint einen Besitzerwerb durch Herrn P. aber deshalb, weil der Besitz des Werkunternehmers durch eine Probefahrt, die in seinem Beisein stattfindet, nur gelockert wird. In gleichem Sinne hatte bereits das Reichsgericht im Jahre 1908 entschieden.

Praxistipp: Die Entscheidung befasst sich nur mit den Besitzverhältnissen bei einem Werkvertrag. Die in Rechtsprechung und Literatur umstrittene Frage, ob ein Kaufinteressent, der eine Probefahrt durchführt, als Besitzdiener des potentiellen Verkäufers anzusehen ist, hat der BGH ausdrücklich offengelassen

Distanzierender Zusatz in Berufungsbegründung
Beschluss vom 14. März 2017  – VII ZB 34/16

Mit den Voraussetzungen für die Einhaltung des Anwaltszwangs befasst sich der VII. Zivilsenat.

Der Kläger nahm die Beklagten wegen fehlerhafter ärztlicher Behandlung auf Schadensersatz in Anspruch. Das Landgericht wies die Klage ab. Am letzten Tag der Begründungsfrist reichte der Rechtsanwalt des Klägers eine Berufungsbegründung ein, in der einleitend mitgeteilt wurde, der Kläger habe keinen Anwalt gefunden, der zur Einreichung einer Berufungsbegründung bereit sei, und habe deshalb ausdrücklich Weisung erteilt, den vorliegenden Schriftsatz einzureichen. Der Text der Begründung war in Anführungszeichen und in anderer Schriftart gesetzt als der Rest des Schriftsatzes. Er wurde eingerahmt durch die Worte: „Der Kläger lässt vortragen:“ und den abschließenden Hinweis, der in der Begründung geäußerte Verdacht einer Straftat beruhe auf einer Schlussfolgerung aus Indizientatsachen. Das OLG verwarf die Berufung als unzulässig, weil der Rechtsanwalt für den Schriftsatz nicht die volle Verantwortung übernommen habe.

Der BGH weist die Rechtsbeschwerde des Klägers zurück. Mit seinen distanzierenden Zusätzen und der optischen Kennzeichnung der vom Kläger stammenden Passagen hat der Anwalt zweifelsfrei zu erkennen gegeben, dass er für den Inhalt des Schriftsatzes nicht die Verantwortung übernimmt.

Praxistipp: Wenn weder die Ablehnung des Mandats noch eine Einreichung ohne distanzierende Zusätze in Betracht kommt, sollte der Mandant zur Vermeidung von Haftungsrisiken zumindest in unmissverständlicher und nachweisbarer Weise darauf hingewiesen werden, dass das Rechtsmittel aufgrund der distanzierenden Zusätze aller Voraussicht nach schon aus formellen Gründen erfolglos bleiben wird.

 

Schwurgericht des LG München I ohne Geschäftsverteilungsplan

§ 21g GVG regelt, dass innerhalb eines mit mehreren Richtern besetzten Spruchkörpers vor Beginn des Geschäftsjahres für dessen Dauer die Geschäfte durch Beschluss aller dem Spruchkörper angehörenden Berufsrichter zu verteilen sind. Wie für die allgemeine gerichtsinterne Geschäftsverteilung gilt auch für die kammerinterne Geschäftsverteilung das Jährlichkeitsprinzip, nach dem die Regelung der Geschäftsverteilung mit dem Ablauf des Geschäftsjahres, das mit dem Kalenderjahr übereinstimmt, ohne weiteres außer Kraft tritt.

 

Das Schwurgericht bei dem Landgericht München I hatte sich 2014 keinen kammerinternen Geschäftsverteilungsplan für das Jahr 2015 gegeben. Auch zum Zeitpunkt des Eingangs einer Anklage lag ein kammerinterner Geschäftsverteilungsplan noch nicht vor.

 

Der BGH hat das spätere Urteil des Gerichts aufgehoben, weil es die Anforderungen an das Gebot des gesetzlichen Richters aus Art. 101 S. 2 GG nicht eingehalten habe (BGH v. 08.02.2017 – 1 StR 493/16).

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GbR als Verbraucher
Urteil vom 30. März 2017  – VII ZR 269/16

Mit dem Begriff des Verbrauchers im Sinne von § 13 BGB befasst sich der VII. Zivilsenat.

Die klagende GbR, die aus einer Freiberuflerin und einer GmbH bestand, war Bauherrin eines Einfamilienhauses, das von der Gesellschafterin und deren Ehemann als Familienheim und Büro genutzt werden sollte. Die Klägerin beauftragte die Beklagte, eine Architekten-GbR mit der Planung. Nach Errichtung des Gebäudes nahm die Klägerin die Beklagte wegen Mangeln an der Glasfassade in Anspruch. Die Beklagte berief sich unter anderem auf eine formularmäßig vereinbarte Beschränkung ihrer Haftung auf einen Höchstbetrag. Das LG stellte antragsgemäß fest, dass die Beklagten die aufgrund des Mangels entstandenen Schäden in voller Höhe zu tragen haben. Die Berufung der Beklagten blieb erfolglos. Das OLG sah in der vereinbarten Haftungsbeschränkung eine unwirksame Allgemeine Geschäftsbedingung. Dabei ließ es offen, ob die Klausel für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert war. Es sah die Klägerin als Verbraucherin an und hielt eine Inhaltskontrolle deshalb gemäß § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB auch für den Fall für zulässig, dass die Klausel nur für einen Vertrag vorformuliert wurde.

Der BGH verweist die Sache an das OLG zurück. Nach seiner Auffassung kann die klagende GbR schon deshalb nicht als Verbraucher angesehen werden, weil zu ihren Gesellschaftern eine juristische Person gehört. Deshalb ist unerheblich, zu welchem Zweck der Architektenvertrag geschlossen wurde.  Die Rechtsprechung des VIII. Zivilsenats, wonach eine Wohnungseigentümergemeinschaft schon dann als Verbraucher anzusehen ist, wenn ihr mindestens eine natürliche Person angehört, die ein Rechtsgeschäft zu nicht gewerblichen Zwecken abschließt, hält der BGH für nicht einschlägig, weil der Gesellschafter einer GbR anders als ein Wohnungseigentümer grundsätzlich selbst entscheiden kann, mit wem er sich zusammenschließt.

Praxistipp: Die Entscheidung ist zu der bis 12.6.2014 geltenden Fassung von § 13 BGB ergangen. Sie dürfte aber uneingeschränkt auch für die neue Fassung gelten. Diese stellt lediglich klar, dass es bei Verträgen mit gemischter Zwecksetzung auf den überwiegenden Zweck ankommt.