BGH: Notwendige Angaben für einen Kostenfestsetzungsbeschluss im Rahmen der Zwangsvollstreckung

Im Zwangsvollstreckungsverfahren entstehen regelmäßig zahlreiche Anwaltsgebühren und Auslagen, die oftmals für sich gesehen nicht sehr hoch sind. Um diese insgesamt erfolgreich zu vollstrecken, sind sie immer vollständig bei einem Vollstreckungsauftrag anzugeben. Dies ist mitunter recht mühsam und erfordert umständliche Rechen- und Zeitarbeit. In derartigen Fällen empfiehlt es sich, gelegentlich über alle bisher entstandenen Gebühren einen einheitlichen Kostenfestsetzungsbeschluss zu beantragen (§ 788 ZPO). Das hat den zusätzlichen Vorteil, dass diese Positionen dann – sozusagen – festgeschrieben werden.

So wollte auch der Gläubiger im hier zu besprechenden Fall (BGH v. 13.9.2018 – I ZB 16/18, MDR 2019, 127) verfahren. Er legte eine – nicht unterzeichnete – Aufstellung über die bisher entstandenen Vollstreckungskosten vor (Datum, Stichwort, Betrag) und fügte verschiedene Belege dafür bei. Den der gesamten Vollstreckung zugrundeliegenden Titel nannte er allerdings nicht. Der Antrag hatte in allen Instanzen keinen Erfolg.

Der begehrte Kostenfestsetzungsbeschluss ist ein Vollstreckungstitel (§ 794 Abs. 1 Nr. 2 ZPO), der in formeller und materieller Rechtskraft erwächst. Es muss sich daher aus dem Beschluss und damit auch schon aus dem Antrag ergeben, welche Positionen im Einzelnen Gegenstand desselben sind und aufgrund welchen Titels der Beschluss ergehen soll. Maßgeblich für die Bezeichnung ist § 10 Abs. 2 RVG. Diese Vorschrift lautet: „In der Berechnung sind die Beträge der einzelnen Gebühren und Auslagen, Vorschüsse, eine kurze Bezeichnung des jeweiligen Gebührentatbestands, die Bezeichnung der Auslagen sowie die angewandten Nummern des Vergütungsverzeichnisses und bei Gebühren, die nach dem Gegenstandswert berechnet sind, auch dieser anzugeben. Bei Entgelten für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen genügt die Angabe des Gesamtbetrags.“ Die in dieser Vorschrift enthaltenen Angaben müssen vorliegen. Auch muss die Berechnung aus sich heraus verständlich sein. Es ist nicht ausreichend, dass sich die Angaben aus den beiliegenden Vollstreckungsunterlagen ergeben. Einer solchen Möglichkeit stehen die § 103 Abs. 2 ZPO, § 10 Abs. 2 RVG entgegen. Darüber hinaus muss der Titel bezeichnet werden, der die Grundlage für den Kostenfestsetzungsbeschluss sein soll.

Die Entscheidung zeigt, dass die Voraussetzungen der § 103 Abs. 2 ZPO, § 10 Abs. 2 RVG auch für Kostenfestsetzungsbeschlüsse im Rahmen der Zwangsvollstreckung gelten. Auch hier muss der Gläubiger also ein Mindestmaß an Arbeit investieren, um zu seinem Ziel zu gelangen. Im alltäglichen Massengeschäft der Zwangsvollstreckung müssen gewisse Mindestformalien eingehalten werden. Der Entscheidung ist daher zuzustimmen. Wer sich an die gängigen Formulare und Musterempfehlungen hält, wird in aller keine Schwierigkeiten haben, einen schlüssigen Antrag zu stellen.

BGH: Kostenerstattung im Befangenheitsverfahren

Im Rahmen einer Erbstreitigkeit erstattete ein Sachverständiger ein Gutachten zur Testierfähigkeit der Erblasserin. Die Kläger lehnten den Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Die Beklagten nahmen Stellung. Das LG wies den Befangenheitsantrag zurück. Die von den Klägern gegen diesen Beschluss eingelegte sofortige Beschwerde wies das OLG zurück und legte den Klägern die Kosten des sofortigen Beschwerdeverfahrens auf.

Im Rahmen des Rechtsbeschwerdeverfahrens bezüglich des anschließenden Kostenfestsetzungsverfahrens stellte sich jetzt die Frage, ob die Beklagten von den Klägern die ihnen im sofortigen Beschwerdeverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten erstattet verlangen können. Dies ist nach Auffassung des BGH (Beschl. v. 7.11.2018 – IV ZB 13/18, MDR 2019, 189) der Fall.

Das Ablehnungsverfahren bezüglich Richter und Sachverständige gehört für den Rechtsanwalt gemäß § 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 RVG zur Instanz. Im sofortigen Beschwerdeverfahren entsteht jedoch eine 0,5 Verfahrensgebühr nach Nr. 3500 VV RVG. Dies ist noch klar. Es wird allerdings darüber diskutiert, ob diese Gebühr zu den erstattungsfähigen notwendigen Kosten des Rechtsstreites zählt (§ 97, § 91 ZPO). Teilweise wird dies nur bejaht, wenn sich die Gegenpartei am sofortigen Beschwerdeverfahren auch tatsächlich beteiligt hatte. Der BGH geht hingegen – mit der h. M. – davon aus, dass grundsätzlich ein Erstattungsanspruch besteht. Für die Richterablehnung wurde dies bereits in einer Grundsatzentscheidung bejaht (Beschl. v. 6.4.2005 – V ZB 25/04, MDR 2005, 1016). Diese Entscheidung ist auf die hier vorliegende Fallgestaltung übertragbar. Das Befangenheitsverfahen berührt nicht nur die Interessen der ablehnenden Partei. Vielmehr kann auch der Gegner ein berechtigtes Interesse daran haben, dass die Feststellungen des Sachverständigen bestehen bleiben.

Der Umstand, dass bei einer erfolgreichen sofortigen Beschwerde umgekehrt kein Kostenerstattungsanspruch besteht, ändert daran nichts. Ob ein Rechtsanwalt die von ihm vertretene Partei darauf hinweisen muss, dass bei einer Vertretung im Rechtbeschwerdeverfahren gesonderte Gebühren entstehen (was wohl eher zu verneinen ist), ist eine Frage, die im hiesigen Zusammenhang der Kostenerstattung nicht relevant ist.

Der Anfall der Gebühr setzt im Übrigen lediglich eine Beauftragung für die Beschwerdeinstanz voraus. Davon ist regelmäßig auszugehen, wenn der Rechtsanwalt die Partei auch im Ausgangsverfahren vertritt. Die Entgegennahme der Beschwerdeschrift ist dabei ausreichend. Es ist nicht erforderlich, dass der Rechtsanwalt auch Stellung nimmt. Es kann vielmehr davon ausgegangen werden, dass der Rechtsanwalt nach der Entgegennahme der Beschwerdeschrift prüft, ob nunmehr etwas veranlasst werden muss, insbesondere ob eine Stellungnahme abgegeben werden muss oder nicht.

Für die Praxis ist diese Rechtsfrage nunmehr verbindlich entschieden: Die außergerichtlichen Kosten der Gegenpartei des erfolglosen Beschwerdeführers im Verfahren über die Ablehnung eines Sachverständigen gemäß § 406 ZPO gehören zu den erstattungsfähigen notwendigen Kosten des Rechtsstreits im Sinne von § 91 Abs. 1 1 i.V.m. § 97 Abs. 1 ZPO.

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Um eine umstrittene Frage aus dem Recht der Kostenerstattung geht es in dieser Woche.

Kosten eines freiwilligen Güteverfahrens als Prozesskosten
Beschluss vom 15. Januar 2019 –II ZB 12/17

Mit der Erstattungsfähigkeit von Anwaltskosten aus einem freiwilligen Güteverfahren in einem nachfolgenden Rechtsstreit befasst sich der II. Zivilsenat.

Der Kläger hatte den Beklagten als Gründungsgesellschafter von zwei Fondsgesellschaften auf Schadensersatz in Anspruch genommen. Vor Klageerhebung hatte er ein freiwilliges Güteverfahren vor einer anerkannten Gütestelle eingeleitet, das erfolglos blieb. Der nachfolgende Rechtsstreit endete mit einem Vergleich, in dem der Kläger 90 % und der Beklagte 10 % der Kosten des Rechtsstreits und des Vergleichs übernahmen. Im Kostenfestsetzungsverfahren begehrte der Beklagte unter anderem anteilige Erstattung der im Güteverfahren entstandenen Anwaltskosten (Nr. 2303 VV RVG). Das LG sah diese Kosten als nicht erstattungsfähig an. Die Beschwerde des Beklagten blieb erfolglos.

Die Rechtsbeschwerde des Beklagten bleibt ebenfalls ohne Erfolg. Nach § 91 Abs. 3 ZPO gehören zu den Kosten des Rechtsstreits zwar auch die Gebühren eines Güteverfahrens, wenn dieses nicht mehr als ein Jahr vor Klageerhebung beendet worden ist. Diese Vorschrift erfasst aber nur die Gebühren der Gütestelle, nicht aber die im Güteverfahren entstandenen Anwaltskosten. Letztere sind auch nicht als Vorbereitungskosten nach § 91 Abs. 1 ZPO erstattungsfähig. Ein Güteverfahren dient grundsätzlich nicht der Vorbereitung, sondern der Vermeidung eines Rechtsstreits. Ob etwas anderes gilt, wenn die Zulässigkeit einer Klage von der vorherigen Durchführung eines Güteverfahrens abhängt (etwa aufgrund eines Landesgesetzes auf der Grundlage von § 15a EGZPO), lässt der BGH offen.

Praxistipp: Außergerichtliche Kosten sind nach verbreiteter Auffassung festsetzungsfähig, wenn die Parteien in einem Prozessvergleich ausdrücklich vereinbart haben, dass sie erstattet werden sollen.

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Eine in Rechtsprechung und Literatur umstrittene Frage zur Kostenfestsetzung beantwortet der IV. Zivilsenat.

Erstattung außergerichtlicher Kosten im Beschwerdeverfahren über die Ablehnung eines Sachverständigen
Beschluss vom 7. November 2018 – IV ZB 13/18

Der IV. Zivilsenat billigt dem Gegner einer erfolglosen Beschwerde im Verfahren über die Ablehnung eines Sachverständigen die Erstattung der entstandenen Anwaltskosten zu.

In einer erbrechtlichen Auseinandersetzung hatte das LG die Einholung eines Gutachtens zur Frage der Geschäftsfähigkeit der Erblasserin bei Erteilung einer Vorsorgevollmacht angeordnet. Die Kläger lehnten den gerichtlichen Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Das LG wies das Gesuch zurück. Die Beschwerde der Kläger blieb erfolglos. Die anwaltlich vertretenen Beklagten, die im Beschwerdeverfahren keine Stellungnahme abgegeben hatten, beantragten die Festsetzung ihrer in der Beschwerdeinstanz entstandenen Anwaltskosten. Das LG setzte die Kosten antragsgemäß fest. Die dagegen eingelegte Beschwerde der Kläger hatte keinen Erfolg.

Die Rechtsbeschwerde der Kläger bleibt ebenfalls erfolglos. Der BGH nimmt Bezug auf eine frühere Entscheidung, wonnach die in einem Beschwerdeverfahren wegen der Ablehnung eines Richters entstehenden außergerichtlichen Kosten gemäß § 91 ZPO erstattungsfähig sind, und kommt zu dem Ergebnis, dass für die Ablehnung eines Sachverständigen dasselbe gilt. Der in Literatur und Instanzrechtsprechung zum Teil vertretenen Auffassung, ein solches Verfahren habe keinen kontradiktorischen Charakter, erteilt der BGH eine Absage. Zwar besteht kein gesetzlicher Anspruch auf die Bestellung eines bestimmten Sachverständigen. Dennoch berührt die Entscheidung über die Person des Sachverständigen beide am Rechtsstreit beteiligten Parteien. Im Beschwerdeverfahren entstandene Anwaltskosten gehören deshalb zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von § 91 Abs. 1 ZPO. Ob der Anwalt im Beschwerdeverfahren eine Stellungnahme gegenüber dem Gericht abgegeben hat, ist unerheblich. Es genügt, dass er mit der Tätigkeit im Beschwerdeverfahren beauftragt wurde. Von letzterem ist grundsätzlich auszugehen, wenn sich der Anwalt bereits als Prozessbevollmächtigter in der Hauptsache bestellt hat.

Praxistipp: Die Kosten einer erfolgreichen Beschwerde bilden einen Teil der Kosten der Hauptsache und sind von der Partei zu tragen, die im Rechtsstreit unterliegt.

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Um die Erstattungsfähigkeit von Anwaltskosten in der Berufungsinstanz geht es in dieser Woche.

Anwaltsbestellung nach Berufungsrücknahme
Beschluss vom 10. April 2018 – VI ZB 70/16

Der VI. Zivilsenat beurteilt die Erforderlichkeit von Anwaltskosten anhand des jeweiligen Kenntnisstands der Partei.

Die in erster Instanz unterlegene Klägerin hatte zunächst Berufung eingelegt, das Rechtsmittel aber rund eine Woche später wieder zurückgenommen. Einen Tag nach Zustellung der Rücknahmeerklärung ging beim Gericht ein Schriftsatz ein, in dem der Anwalt des Beklagten die Zurückweisung des Rechtsmittels beantragte. Im Kostenfestsetzungsverfahren begehrte der Beklagte den Ansatz einer Verfahrensgebühr für die Berufungsinstanz. Das LG wies den Antrag zurück, das OLG gab ihm statt.

Die Rechtsbeschwerde des Klägers bleibt erfolglos. Der BGH hält die Kosten für erforderlich im Sinne von § 91 Abs. 1 ZPO, weil der Anwalt des Beklagten seine Tätigkeit zu einem Zeitpunkt aufnahm, als er von der (bereits bei Gericht eingegangenen, aber noch nicht zugestellten) Rücknahme noch nichts wusste. In dieser Situation durfte der Beklagte die Beauftragung eines Anwalts (noch) für sachdienlich erachten. Dass die Tätigkeit aus „objektiver“ Sicht nicht notwendig war, steht dem nicht entgegen.

Praxistipp: Um unnötige Kosten zu vermeiden, bietet es sich an, den Gegner möglichst umgehend auf direktem Weg über die Rücknahme eines Rechtsmittels zu informieren.

OLG Düsseldorf: Niederschlagung entstandener Gerichtskosten wegen unrichtiger Sachbehandlung

Ein Einzelrichter des LG hatte sich einer Mindermeinung angeschlossen. Dies führte dazu, dass eine Partei mehr Gerichtskosten zahlen musste als es nach der absolut herrschenden Meinung der Fall gewesen wäre. Das Anfallen des Gebührentatbestandes war offenbar nicht mehr rückgängig zu machen (leider war hierzu im veröffentlichten Teil der Entscheidung nichts Näheres dazu lesen).

Demgemäß stellte die betroffene Partei (der Kostenschuldner) den Antrag, die entstandenen Gerichtskosten wegen unrichtiger Sachbehandlung niederzuschlagen. § 21 GKG spricht allerdings nicht von „Niederschlagung“ der Kosten, sondern von einer Nichterhebung derselben. In der Praxis wird jedoch überwiegend von einer Niederschlagung gesprochen. Das Verfahren diesbezüglich richtet sich – wie die Erinnerung und Beschwerde gegen eine Kostenrechnung – nach § 66 GKG. Nachdem dann das LG die Nichterhebung abgelehnt hatte, gelangte die Frage über die Beschwerde nach § 66 Abs. 2 GKG zum OLG.

Das OLG (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 1.2.2018 – I-10 W 26/18) lehnt eine Nichterhebung gleichfalls ab. Eine unrichtige Sachbehandlung liegt vor, wenn offensichtliche schwere Verfahrensfehler oder eine offensichtliche, eindeutige Verkennung des Rechts vorliegen. Wenn sich aber ein Richter aufgrund seiner persönlichen Überzeugung dazu entschließt, von einer gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung abzuweichen, ist dies jedenfalls dann keine unrichtige Sachbehandlung, wenn der eingenommene Standpunkt juristisch als noch vertretbar erscheint. Lediglich wenn Entscheidungen oder Maßnahmen getroffen werden, die den breiten richterlichen Handlungs- und Entscheidungsspielraum eindeutig überschreiten, kommt eine Nichterhebung wegen unrichtiger Sachbehandlung in Betracht. Diese Voraussetzungen lagen im konkreten Fall jedoch nicht vor.

Gemäß § 66 Abs. 8 GKG werden in diesem Verfahren keine Kosten erstattet, Gebühren fallen gleichfalls keine an.

Nachdem doch mitunter herrschende Meinungen als Mindermeinungen anfangen, bevor sie zur herrschenden Meinung mutieren, kann man dies schwerlich anders sehen. Beim Kostenschuldner wird allerdings eine gewisse Verärgerung wohl zurückbleiben.

BGH zur Erstattungfähigkeit von anwaltlichen Reisekosten oder: Kennen Sie die Insel Neuwerk?

Kennen Sie die Insel Neuwerk? Ein beschauliches Stückchen Land in der Elbe- und Wesermündung, ca. 12 Kilometer vor der Küste Cuxhavens und auch zu Fuß über das Watt zu erreichen. War sie einst Zufluchtsort für einen großen Viehdieb, was 1535 zu einer Erstürmung der Insel führte (mehr zur Geschichte der Insel), könnte Sie nun ganz anderen Personen Unterschlupf gewähren: Rechtsanwälten im Rahmen der Reisekostenabrechnung oder genauer gesagt: Den von Ihnen vertretenen Parteien.

Grundsätzlich (mit Ausnahmen) gilt: der Gegner muss nur die Reisekosten des eigenen Anwalts im Obsiegensfalle erstatten, wenn dieser entweder am Gerichtsort oder am Wohnsitz der eigenen Partei ansässig ist.  Eine weitere Ausnahme gilt bei Wettbewerbsverbänden. Hier seien Besprechungen zwischen Verband und Rechtsanwalt regelmäßig nicht erforderlich, lediglich ein im Gerichtsbezirk ansässiger Rechtsanwalt sei ersatzfähig.

Neu ist nun, dass fiktiv eine Prüfung erfolgt, welche Reisekosten im Gerichtsbezirk maximal hätten anfallen können, bis zu dieser Höhe könne eine Erstattung verlangt werden:

Tatsächlich angefallene Reisekosten eines auswärtigen Rechtsanwalts sind insoweit notwendig im Sinne von § 91 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 ZPO und damit erstattungsfähig, als sie auch dann entstanden wären, wenn die obsiegende Partei eine Rechtsanwältin mit Niederlassung am weitest entfernt gelegenen Ort innerhalb des Gerichtsbezirks beauftragt hätte.

Aus der Hüfte geschossen dürfte eine längere Recherche zur größtmöglichen Entfernung am Amtsgericht Berlin-Mitte eher wenig lohnenswert sein. Eine Spezialität dürfte sich aber für die Gerichte ergeben, die in Hamburg-Mitte angesiedelt sind. Zum Bezirk Hamburg-Mitte gehört nämlich auch die Insel Neuwerk. Je nach Verkehrslage ist die kürzeste Entfernung nach Cuxhaven-Sahlenburg 127 – 220 km, dazu kommen dann noch 10 km Wattweg zur Insel Neuwerk.

Dieses ziemlich schräge Bild passt auch in die ansonsten an der Entscheidung des BGH geübte Kritik z.B. vom Kollegen Christian Franz

Das Landgericht Pinneberg ist übrigens für die Insel Helgoland zuständig, wobei eine Anreise ohne Boot oder Flugzeug schwierig erscheint.

BGH, Beschl. v. 9.5.2018 – I ZB 62/17
Update: Die Lösung ist da! https://gerichtsbezirke.de/

 

LG Braunschweig / LG Bochum: Zur Verjährung bei Nachforderung der Umsatzsteuer auf Abmahnkosten

Der BFH hat die Praxis geschüttelt: Die Kosten einer Abmahnung seien umsatzsteuerrechtlich eine Entgeltforderung und damit umsatzsteuerbar. Seitdem gibt es viele unterhaltsame Problemchen, die in der Praxis für Freude sorgen, gerade auch auf Passivseite.

Für Altfälle hat die Veröffentlichung der Entscheidung des BFH im April 2017 noch einmal für Aufregung gesorgt, da man davon ausging, dass ab dem Zeitpunkt die (bei Wettbewerbssachen sehr kurze 6-monatige) Verjährungsfrist für die Nachforderung der Umsatzsteuer läuft.

Nein, sagt das LG Braunschweig. Alle Tatsachen waren bekannt, aufgrund einer Entscheidung des bereits im Jahr 2003 habe der BFH aber ähnlich entschieden, diese Entscheidung wurde mit der jüngst veröffentlichten Entscheidung unverändert „bestätigt“. Die Verjährungsfrist konnte also frühestens im Jahr 2003 beginnen, spätestens aber mit dem Entstehen des Anspruchs.

Update: Doch, sagt das LG Bochum. Die bis zur Veröffentlichung herrschende Meinung (wohl unter Außerachtlassung der alten BFH-Entscheidung) sei eindeutig gewesen, sodass die Kenntnis vom Bestehen des Anspruchs erst frühestens mit Urteilsveröffentlichung im Frühjahr 2017 begonnen haben kann.

Praxistipp:

Derzeit noch rechtshängige Verfahren zur Geltendmachung der Abmahnkosten drohen im Lichte der erkennbar ersten Entscheidungen zu diesem Thema erfolglos zu verlaufen. unvorhersehbar zu verlaufen.

Für andere Rechtsgebiete mit regelmäßiger 3-jähriger Verjährungsfrist könnte ein erneuter Blick in den Fristenkalender lohnen: Der 31.12.2020 ist, die Richtigkeit der Entscheidung des LG Braunschweig unterstellt – nur dann verjährungsrelevant, wenn der Anspruch im Jahr 2017 entstanden ist. Vorsorglich sind Fristen daher ggf. früher zu notieren.

LG Braunschweig, Urt. v. 23.05.2018 Az.: 2 O 2167/17

LG Bochumg, Urt. v. 03.08.2017 Az.: I-14 O 119/17

Änderungsvorschläge zum RVG


Die BRAK und der DAV haben „Vorschläge zur regelmäßigen Anpassung, strukturellen Änderung
und Ergänzung und Klarstellung des RVG“ (März 2018) vorgestellt. Der Katalog ist über https://www.brak.de/fuer-journalisten/pressemitteilungen-archiv/2018/presseerklaerung-09-2018/ ansteuerbar.

Vorgeschlagen werden

– eine Erhöhung der Rechtsanwaltsgebühren,

– strukturelle Änderungen und Ergänzungen des RVG,

– Klarstellungen im RVG.

Einer der Vorschläge betrifft die Zusatzgebühr Nr. 1010 VV RVG, die ohne Relevanz für die anwaltliche Praxis geblieben sein soll. Für diese Gebühr wird vorgeschlagen, dass diese unabhängig von der Durchführung einer Beweisaufnahme bei der Teilnahme an mehr als zwei gerichtlichen Terminen mit einer Gesamtdauer von insgesamt mehr als zwei Stunden (120 Minuten) entsteht soll.

 

 

 

 

 

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Um die Erstattungsfähigkeit von Rechtsanwaltskosten nach § 91 ZPO geht es in dieser Woche.

Erstattungsfähigkeit von Rechtsanwaltskosten
Beschluss vom 24. Januar 2018 – VII ZB 60/17

Der VII. Zivilsenat befasst sich mit der Erstattungsfähigkeit von Anwaltskosten, die auf einer Vergütungsvereinbarung und einer Haftpflichtversicherung für Vermögensschäden beruhen.

Die Beklagten begehrten nach Abweisung der Klage im Kostenfestsetzungsverfahren unter anderem Ersatz von Anwaltskosten, die entstanden waren, weil ihr Prozessbevollmächtigter ihnen zusätzlich zu den im Gesetz vorgesehenen Gebühren vereinbarungsgemäß eine an die Haftpflichtversicherung gezahlte Prämie in Rechnung gestellt hatte. Diese Prämie war angefallen, weil der Anwalt die Deckungssumme seiner Versicherung von 2 Millionen auf den dem Streitwert des Verfahrens entsprechenden Betrag von 3,5 Millionen Euro hatte anpassen lassen. Das Begehren blieb in den beiden ersten Instanzen erfolglos.

Der BGH weist die Rechtsbeschwerde der Beklagten zurück. Er zeigt anhand der Gesetzgebungsgeschichte auf, dass zu den nach § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO zu erstattenden gesetzlichen Gebühren und Auslagen nur die im Gesetz vorgesehenen Regelsätze gehören, nicht aber ein aufgrund einer Honorarvereinbarung geschuldeter höherer Betrag. Ein Anspruch auf Erstattung der Versicherungsprämie kann deshalb nicht auf den Umstand gestützt werden, dass sich die Beklagten gegenüber ihrem Anwalt vertraglich zur Tragung dieser Kosten verpflichtet haben. Nach dem Gesetz (Nr. 7007 RVG-VV) kann der Anwalt zusätzlich zu den Gebühren Ersatz von Auslagen für eine Haftpflichtversicherung verlangen, soweit die Prämie auf Haftungsbeträge von mehr als 30 Millionen Euro entfällt. Daraus ist zu folgern, dass kein gesetzlicher Anspruch auf Auslagenersatz besteht, soweit die Prämie auf geringere Haftungsbeträge entfällt.

Praxistipp: Eine Vergütungsvereinbarung, in der sich ein Anwalt die Erstattung von Prämien für die Erhöhung der Deckungssumme auf einen 30 Millionen Euro nicht übersteigenden Betrag zusagen lässt, muss nach § 3a Abs. 1 Satz 3 RVG den Hinweis enthalten, dass die gegnerische Partei, ein Verfahrensbeteiligter oder die Staatskasse im Falle der Kostenerstattung diesen Betrag regelmäßig nicht erstatten muss.