Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um Ansprüche auf Entschädigung wegen Nutzungsausfall bei Beschädigung eines Leasingfahrzeugs.

Entschädigung für Nutzungsausfall bei Leasingfahrzeugen
BGH, Urteil vom 7. Oktober 2025 – VI ZR 246/24

Der VI. Zivilsenat befasst sich mit der Anrechnung von Vorteilen, die einem Geschädigten von dritter Seite zufließen.

Die klagende GmbH verlangt Entschädigung für Nutzungsausfall nach der Beschädigung eines Fahrzeugs bei einem Unfall, für dessen Folgen die Beklagte vollständig einzustehen hat. Die Klägerin hatte das beschädigte Fahrzeug – einen Porsche 911 – geleast und ihrem Geschäftsführer zur dienstlichen und privaten Nutzung überlassen. Bei dem Unfall entstand wirtschaftlicher Totalschaden. Die Leasinggeberin stellte der Klägerin bis zur Beschaffung eines Ersatzfahrzeugs für 30 Tage einen Citroen DS3 Cross zur Verfügung. Die für die Miete dieses Fahrzeugs entstandenen Kosten hat die Leasinggeberin der Beklagten in Rechnung gestellt. Diese erkannte eine Mietzeit von 15 Tagen an und zahlte dafür 286,66 Euro. Die Klägerin machte zunächst weitere Mietwagenkosten geltend, verlangte dann aber eine Nutzungsausfallentschädigung für 23 Tage in Höhe von 175 Euro pro Tag, abzüglich der gezahlten Betrags. Sowohl die Leasinggeberin als auch der Geschäftsführer der Klägerin haben ihnen zustehende Ansprüche gegen die Beklagte an die Klägerin abgetreten.

Das AG hat die auf Zahlung von 3.738,34 Euro gerichtete Klage abgewiesen. Das LG hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt.

Der BGH stellt das Urteil des AG wieder her.

Der BGH stellt klar, dass die Klage lediglich auf abgetretene Ansprüche des Geschäftsführers gestützt ist. Das LG durfte die Verurteilung deshalb nicht auf abgetretene Ansprüche der Leasinggeberin stützen. Eine entsprechende Erweiterung der Klage in der Revisionsinstanz ist schon deshalb unzulässig, weil die Klägerin keine Anschlussrevision eingelegt hat.

Dem Geschäftsführer, auf dessen Ansprüche die Klage gestützt ist, steht als Nutzungsberechtigtem ein eigener Anspruch gegen die Beklagte wegen Beschädigung des Fahrzeugs zu. Dieser Anspruch umfasst grundsätzlich auch eine Entschädigung wegen Nutzungsausfall.

Ein Anspruch auf Entschädigung für Nutzungsausfall kann auch dann bestehen, wenn ein Dritter dem Geschädigten im betreffenden Zeitraum ein anderes Fahrzeug zur Verfügung gestellt hat und der daraus entstandene Vorteil nach dem Sinn der schadensrechtlichen Vorschriften den Schädiger nicht entlasten soll. An der zuletzt genannten Voraussetzung fehlt es, wenn der Dritte wegen der Beschaffung des Ersatzfahrzeugs einen eigenen Anspruch gegen den Schädiger hat.

Im Streitfall stand der Leasinggeberin ein eigener Anspruch gegen die Beklagte zu, weil sie Eigentümerin des beschädigten Fahrzeugs war. Damit sind Entschädigungsansprüche des zur Nutzung berechtigten Geschäftsführers ausgeschlossen. Die Nutzung eines verfügbaren Ersatzfahrzeugs war dem Geschäftsführer nicht deshalb unzumutbar, weil er diesem Fahrzeug ein geringeres Prestige oder ein anderes Fahrgefühl beimaß (dazu BGH, Urteil vom 11.10.2022 – VI ZR 35/22, MDR 2023, 31 Rn. 13).

Praxistipp: Wenn Ansprüche alternativ auf abgetretenes Recht verschiedener Personen gestützt werden sollen, muss dies aus dem Klagevorbringen hinreichend deutlich hervorgehen. Ferner muss die Reihenfolge angegeben werden, in der das Gericht die Ansprüche beurteilen soll.

BGH: Rechtliches Gehör vor der Verwerfung eines Rechtsmittels

Der entschiedene Fall (BGH, Beschl. v. 23.7.2025 – XII ZB 156/25) betraf eine Betreuungssache, die Entscheidung ist jedoch für alle Rechtsgebiete maßgeblich. Ein Amtsgericht hatte die Unterbringung eines Betroffenen genehmigt. Das Landgericht hatte die sofortige Beschwerde des Beklagten verworfen. Begründung: Ein Schreiben des Betroffenen könne bereits deswegen nicht als Beschwerde ausgelegt werden, da es vor Erlass des entsprechenden Beschlusses eingegangen sei. Bei einer rechtzeitig nach Erlass des Beschlusses eingegangenen E-Mail mit einer angehängten Bilddatei habe die Unterschrift des Betroffenen gefehlt. Auf ein weiteres Schreiben des Betroffenen, das sich in der Akte befand, war das Landgericht nicht eingegangen.

Mit seiner Rechtsbeschwerde rügte der Betroffene die Verletzung des rechtlichen Gehörs. Damit hatte die Rechtsbeschwerde Erfolg! Nach ständiger Rechtsprechung ist dem Rechtsmittelführer nämlich vor der Verwerfung des Rechtsmittels rechtliches Gehör zu gewähren. Dies steht zwar nicht ausdrücklich in der ZPO, die nur in manchen Spezialfällen eine Verpflichtung zum rechtlichen Gehör anordnet, z. B. in § 91a Abs. 2 S. 2 ZPO. Die Verpflichtung hierzu ergibt sich jedoch direkt aus Art. 103 Abs. 1 GG. Da der BGH zur Auffassung gelangt, ein weiteres Schreiben des Betroffenen könne unter Umständen als rechtzeitige Beschwerde angesehen werden, ist es auch – was ausreichend ist – möglich, dass das Beschwerdegericht bei einer erneuten Würdigung aller Umstände zu einer anderen Entscheidung gelangt. Der Verwerfungsbeschluss des Landgerichts wurde daher aufgehoben und die Sache wieder dorthin zurückverwiesen.

Wird vor einer Verwerfung eines Rechtsmittels somit kein rechtliches Gehör gewährt, kann eine Rechtsbeschwerde gegen den entsprechenden Beschluss mit einer Verfahrensrüge daher durchaus Erfolg haben! Dementsprechend sollten Gerichte nicht versäumen, in derartigen Fällen stets – nachweisbar – rechtliches Gehör zu gewähren.

Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um die Postulationsbefugnis bei Ansprüchen aus der Datenschutz-Grundverordnung

Anwaltszwang bei Ansprüchen wegen Datenschutzverstößen
BGH, Beschluss vom 15. September 2025 – I ZB 36/25

Der I. Zivilsenat befasst sich mit dem Verhältnis zwischen § 78 ZPO und Art. 80 DSGVO.

Die Klägerin wendet sich gegen die Verarbeitung von personenbezogenen Daten zur Erstellung eines familienpsychologischen Gutachtens, das der Beklagte im Auftrag des Gerichts in einem anderen Verfahren erstellt hat, an dem die hiesige Klägerin als Beklagte beteiligt ist.

Die im vorliegenden Verfahren erhobene, auf Art. 79 DSGVO gestützte Klage ist vor dem AG ohne Erfolg geblieben. Dagegen hat die Klägerin, vertreten durch einen Verein, dessen Tätigkeit auf den Schutz personenbezogener Daten gerichtet ist, Berufung eingelegt. Das LG hat das Rechtsmittel als unzulässig verworfen, weil es nicht durch einen Rechtsanwalt eingelegt worden ist.

Der BGH lehnt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für ein Rechtsbeschwerdeverfahren ab.

Das LG hat die Berufung zu Recht verworfen, weil die Klägerin entgegen § 78 Abs. 1 Satz 1 ZPO im Berufungsverfahren nicht anwaltlich vertreten war.

Aus Art. 80 Abs. 1 DSGVO ergibt sich keine abweichende Beurteilung. Nach dieser Vorschrift hat eine betroffene Person das Recht, eine gemeinnützige Einrichtung, die zum Schutz von personenbezogenen Daten tätig ist, mit der Einreichung von Beschwerden und der Wahrnehmung von Rechten aus Art. 77, 78, 79 und 82 DSGVO zu beauftragen. Daraus ergibt sich nicht, dass eine solche Einrichtung Rechtsbehelfe selbst einlegen kann. Die Anforderungen an die Postulationsfähigkeit ergeben sich auch im Anwendungsbereich von Art. 80 Abs. 1 DSGVO aus § 78 ZPO.

Praxistipp: Nach § 522 Abs. 1 Satz 4 und § 544 Abs. 2 Satz 2 ZPO kann die Verwerfung einer Berufung als unzulässig unabhängig vom Streitwert mit der Rechtsbeschwerde (gegen einen verwerfenden Beschluss) bzw. der Nichtzulassungsbeschwerde (gegen ein verwerfendes Urteil) angefochten werden. Das Rechtsmittel muss gemäß § 78 Abs. 1 Satz 3 ZPO durch einen beim BGH zugelassenen Rechtsanwalt eingelegt und begründet werden.

Online-Dossier: Digitalisierung im Prozessrecht – Videokonferenztechnik, Elektronischer Rechtsverkehr, Online-Verfahren

Neue Gesetze im deutschen Prozessrecht – das Gesetz zur Förderung des Einsatzes von Videokonferenztechnik in der Zivilgerichtsbarkeit und Fachgerichtsbarkeiten, aber auch das Gesetz zur weiteren Digitalisierung der Justiz – befördern den modernen und überfälligen Digitalisierungsprozess in den Gerichten. Einen noch größeren Schritt in die Zukunft unternimmt das BMJ mit der Entwicklung und Erprobung eines vereinfachten, digital unterstützten Verfahren für Zahlungsklagen bis zu 5.000 € an bestimmten Amtsgerichten. Alle Neuregelungen sorgen einerseits für zeitgemäße Verfahrensweisen; andererseits stellen sich neue Fragen bzw. bleiben Probleme ungeklärt. Die Gerichte stehen vor erheblichen Veränderungen und die Anwaltschaft vor neuen Herausforderungen. In unserem stetig anwachsenden Online-Dossier finden Sie zahlreiche Aufsätze und wertvolle Kommentierungen zu den neuen Vorschriften sowie praxisnahe Hilfestellungen und bleiben bei allen Entwicklungen auf den neuesten Stand.

 

1. Aufsätze

  • Otte/Richter, Reformkommission „Zivilprozess der Zukunft“, MDR 2025, 553
  • Greger, Neue Regeln für elektronische Schriftsätze – Wie persönliche und rechtsgeschäftliche Erklärungen zu übermitteln sind, MDR 2024, 1013
  • Bacher, Gerichtsverhandlung per Videokonferenz — Neuregelungen durch das Gesetz zur Förderung des Einsatzes von Videokonferenztechnik, MDR 2024, 945
  • Beck, Der Referentenentwurf eines Gesetzes zur Entwicklung und Erprobung eines Online-Verfahrens in der Zivilgerichtsbarkeit, MDR 2024, R161
  • Odrig, Der zivilprozessuale Öffentlichkeitsgrundsatz im Zeitalter digitaler Kommunikation, MDR 2024, 877
  • Dötsch, Das digitale Präsidium, MDR 2024, 11
  • Vanetta/Vogt, Künstliche Intelligenz in der Zivilgerichtsbarkeit – Perspektiven und Herausforderungen, DB 2025, 2148
  • Grothaus/Schmitt/Bär, Rechtsentwicklungen 2024: Rechtsentwicklungen im Verfahrensrecht 2024, DB 2024, 66
  • Schläfke/Hustede, Online-Verfahren in der Zivilgerichtsbarkeit, DB 2024, 3016
  • Huneke/Hörner, Digitalisierung: Anpassung des Prozessrechts, DB 2024, M4
  • Bayreuther, Gesetz zur weiteren Digitalisierung der Justiz (§ 46h ArbGG, § 130e ZPO): Renaissance der Schriftsatzkündigung?, DB 2024, 1820
  • vom Stein, Die Strukturierung des Prozessstoffs in der digitalen Prozesswelt, GVRZ 2025, 15
  • Beck, Die virtuelle Verhandlung, GVRZ 2023, 6

 

2. Literatur

 

Zöller, Zivilprozessordnung ZPO
Kommentar

— Gesetz zur Förderung des Einsatzes von Videokonferenztechnik in der Zivilgerichtsbarkeit und in den Fachgerichtsbarkeiten —

Komplettaustausch der Kommentierung:

Zu den anderen zahlreichen geänderten Normen finden Sie den neuen Gesetzestext unter dem bisherigen Normtext und Annotationen an Ort und Stelle in den Kommentierungen selbst:

 

— Gesetz zur weiteren Digitalisierung der Justiz —

Komplettaustausch der Kommentierung:

Annotationen:

 

Hinzu kommt eine Reihe von regelmäßigen Annotationen, vor allem zu wichtiger neuer Rechtsprechung, u.a. auch zum elektronischen Rechtsverkehr:

 

3. Aktuelle Rechtsprechung

  • BVerfG, Beschl. v. 15.1.2024 – 1 BvR 1615/23: Videoverhandlung: Verwendung nur einer Kamera ohne Zoomfunktion, MDR 2024, 320,
  • BFH, Beschl. v. 30.6.2023 – V B 13/22: Videokonferenz: Erfordernis der Sichtbarkeit aller Richter, MDR 2023, 1131,
  • BFH, Beschl. v. 30.6.2023 – V B 13/22: Videokonferenz: Erfordernis der Sichtbarkeit aller Richter, MDR 2023, 1570 (Greger),

 

4. Blog-Beiträge

Bericht über die 11. Prozessrechtstagung

Vom 5. bis 6. September 2025 fand in Tübingen die 11. Prozessrechtstagung unter dem Generalthema „Gesellschaft im Wandel – Verfahrensrecht im Wandel?!“ statt. Sie wurde von Jun.-Prof. Dr. Jennifer Grafe, LL.M., Lukas Häberle (beide Universität Tübingen), Annalena Lederer von der Universität Augsburg und Anna Leoni Groteclaes von der Universität Heidelberg organisiert. In der bewährten Tradition der Veranstaltung wurde das Prozessrecht rechtsgebietsübergreifend beleuchtet.

Nach einleitenden Worten des Organisationsteams folgten Begrüßungsworte von Prof. Dr. Dr. h.c. Bernd Heinrich zur Geschichte des Universitätsstandorts Tübingen und dem imposanten denkmalgeschützten Tagungsort, der Alten Aula der Universität, sowie zum rechtshistorischen Umgang mit der Frage der Einheitlichkeit eines Prozessrechts unabhängig von heute fest etablierten Fachsäulen.

Wie bereichernd der Blick auf „das Prozessrecht“ von verschiedenen Positionen aus sein kann, zeigte sich im nachfolgenden Auftakt. Auf einen Impulsvortrag zum Annahmeverfahren des Bundesverfassungsgerichts von Stefan Edenharder und Simon Schlicksupp folgte eine Podiumsdiskussion mit den beiden Referenten und Dr. Stefan Drechsler, Jun.-Prof. Dr. Tobias Lutzi, LL.M., M.Jur. sowie RA Dr. Wolfgang Staudinger. Moderiert von Jun.-Prof. Dr. Jennifer Grafe, LL.M., diskutierte die Gruppe verschiedene Facetten der Thematik vom Standpunkt des Zivil,- Straf- und Öffentlichen Rechts mit wertvollen Einblicken aus Wissenschaft und Praxis.

Es folgte ein Vortrag von Dr. Jonas Botta zur Reform der Videoverhandlung im Verwaltungsprozess und den Herausforderungen und Chancen eines digitalisierten Verfahrens. Im Anschluss referierte Dr. Stefan Drechsler zum Verfahren der Unionsgerichte und ihren Entwicklungen im Hinblick auf den gesellschaftlichen Wandel des 21. Jahrhunderts.

Erstmals wurde die Tagung um ein Schwerpunktthema ergänzt, das sich in diesem Jahr antidiskriminierungs- und prozessrechtlichen Wechselwirkungen widmete. Dabei befasste sich Carolin Heinzel mit der prozessualen Stellung der Gleichstellungsbeauftragten. Chris Ambrosi, LL.M. untersuchte im Anschluss die Beweislastverteilung des § 22 AGG. Parallel erörterte Philipp Roller die verfahrensrechtlichen Neuerungen durch die Entgelttransparenzrichtlinie, worauf ein Vortrag von Dr. Lisa Hahn zur Rolle der Verfahrenslotsen im Antidiskriminierungsrecht folgte.

Der erste Tagungstag endete mit einer Live-Ausgabe des Podcasts „Grundgesetzlich“ der Gesellschaft für Freiheitsrechte e.V., der an das Schwerpunktthema anknüpfte.  Podcast-Host Janina Zillekens-McFadden unterhielt sich mit Maria Seitz über den Grundsatz „Equal Pay“.

Der zweite Tagungstag widmete sich vormittags dem Insolvenzrecht. Nach einer Darstellung der Geschichte der Insolvenzzwecke „von der Zerschlagung zur Sanierung“ von Dr. Ansgar Kalle, folgte ein praxisnaher Blick ins europäische Insolvenzrecht und der Abgrenzung von Haupt- und Sekundärinsolvenzverfahren von RAin Dr. Inga Hogrefe. Den Abschluss des insolvenzrechtlichen Vormittags bildete der Vortrag von Jannik Heine zu den Parteien des Adhäsionsverfahrens, der besonders anschaulich illustrierte, wie die verschiedenen Verfahrensordnungen rechtsgebietsübergreifend untersucht werden können.

Im Anschluss referierte Dr. Elena Waigel über die Bedeutung der Umweltprüfung im Verwaltungsverfahren.

Darauf folgte eine Darstellung der Umsetzung der Anti-SLAPP-Richtlinie ins deutsche Prozessrecht von Jun.-Prof. Dr. Tobias Lutzi, LL.M., M.Jur.

Anschließend wurden in einem zivil- und einem strafprozessualen Panel aktuelle Herausforderungen und Chancen eines potenziellen verfahrensrechtlichen Wandels diskutiert.

Im Strafrecht bildete ein Vortrag von RA Dr. Wolfgang Staudinger zu Digitalisierung und Protokollierung im Strafprozess den Auftakt. Im Anschluss trug Dr. Annina Eckrich zu einer notwendigen Erweiterung der Zeugnisverweigerungsrechte in modernen Familienformen vor. Sodann präsentierte Dr. Nils Hauser den Einspruch gegen den Strafbefehl im elektronischen Rechtsverkehr de lege lata und de lege ferenda.

Das zeitgleich stattfindende zivilprozessuale Panel begann mit einem Vortrag von Jun.-Prof. Dr. Markus Lieberknecht, LL.M. zur europarechtlichen Disclosure. Daraufhin referierte Christine Heidbrink rechtsvergleichend zum Grundsatz der Gewaltenteilung und strategischen Klimaklagen in Deutschland und den USA. Dr. Karin Arnold hielt im Anschluss einen zwangsvollstreckungsrechtlichen Vortrag zur Intransparenz und Flüchtigkeit des Vermögens im 21. Jahrhundert.

Umrahmt wurden die Vorträge von gewinnbringenden Diskussionen. Es zeigte sich, wie fruchtbar ein fachsäulenübergreifender Austausch im Prozessrecht in Anbetracht vielfältiger Herausforderungen des modernen, effizienten Verfahrens und einer „Gesellschaft im Wandel“ ist.  In welcher Form und Intensität das Prozessrecht jenen gesellschaftlichen Wandel wiederum aufnehmen, bewirken oder gar vorantreiben kann und ob es dies überhaupt sollte, lässt sich in den nächsten beiden Ausgaben der GVRZ detailliert nachlesen.

Die 12. Prozessrechtstagung wird in Augsburg stattfinden.

KG: Selbstwiderlegung der Dringlichkeit im einstweiligen Verfügungsverfahren

Die Verfügungsklägerin hatte, nachdem das erstinstanzliche Verfahren übereinstimmend für erledigt erklärt wurde, sofortige Beschwerde gegen die Kostenentscheidung des LG eingelegt. Neben ausführlichen Darlegungen zum Verfügungsanspruch, auf die hier nicht einzugehen ist, hat das KG (Beschl. v. 30.6.2025 – 7 W 3/25) auch keinen Verfügungsgrund gesehen. Es hat vorliegend die Fallgruppe „Selbstwiderlegung der Dringlichkeit durch dinglichkeitsschädliches Verhalten“ für einschlägig gehalten.

Hierbei können sowohl Verhaltensweisen vor Antragstellung als auch Verhaltensweisen während des Verfahrens herangezogen werden. Nach Antragstellung geht es insbesondere um das zögerliche Betreiben des Verfahrens durch die Verfahrensbevollmächtigten. Dies muss sich der Verfügungskläger nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen. Der Verfahrensbevollmächtigte muss die Bearbeitung des einstweiligen Verfügungsverfahrens vorrangig erledigen. Dabei kann er sich in der Regel weder auf eine anderweitige starke Inanspruchnahme noch auf Urlaub berufen. Daraus folgt wiederum, dass Fristverlängerungs- und Terminsverlegungsanträge regelmäßig als dringlichkeitsschädlich anzusehen sind, wenn sie von einem noch nicht gesicherten Antragsteller gestellt werden. Im konkreten Fall wurde ein Antrag auf Fristverlängerung von vier Tagen schon als Selbstwiderlegung der Dringlichkeit angesehen!

Zwar wird diese Frage in der Rechtsprechung nicht einheitlich beurteilt, jedoch muss man als Rechtsanwalt dieses Problem immer im Hinterkopf haben, wenn es um den einstweiligen Rechtsschutz geht. Ansonsten besteht ohne weiteres die Gefahr, das man nur wegen einer geringfügigen Verzögerung unterliegt. Auch die vertretene Partei muss von Anfang an darauf hingewiesen werden, dass jegliche Verzögerungen zu einem Unterliegen im Verfahren führen können, weil dadurch die Eilbedürftigkeit entfällt.

Interessant war bei dieser Entscheidung noch folgender Gesichtspunkt: Der Verfügungsbeklagte wurde vor der Entscheidung nicht angehört. Die Entbehrlichkeit der Anhörung folgte daraus, dass er durch die Entscheidung nicht beschwert war. Bereits das LG hatte die Kosten dem Verfügungskläger auferlegt. Die Zurückweisung der Beschwerde durch das OLG bringt dem Verfügungsbeklagten somit keinen Nachteil.

KG: Beendigung und zur Kostenentscheidung im selbständigen Beweisverfahren

Mit einem etwas merkwürdig gelaufenen selbständigen Beweisverfahren musste sich das KG (Beschl. v. 11.7.2025 – 7 W 11/25) beschäftigen. Das erste Gutachten wurde teurer als gedacht, auch hatte das LG keinen ausreichenden Vorschuss angefordert. Alsdann sollte ein weiteres Gutachten eingeholt werden. Dafür wurde der angeforderte Vorschuss hingegen gezahlt. Dieser Vorschuss wurde jedoch auf die offenen Kosten für das erste Gutachten verrechnet. Ein weiterer Vorschuss wurde von dem LG angefordert, jedoch nicht gezahlt. Dann geschah erst einmal nichts mehr. Das LG stellte die Beendigung des Verfahrens fest. Schließlich beantragte die Antragsgegnerin, der Antragstellerin die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens analog § 269 ZPO aufzuerlegen. Dem kam das LG nach. Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin, die Erfolg hatte.

§ 269 ZPO ist in einem selbständigen Beweisverfahren nur dann anzuwenden, wenn der Antrag zurückgenommen wird oder wenn der Antragsteller erkennen lässt, dass er das Verfahren tatsächlich für beendet hält. Daran fehlt es hier. Der Vorschuss für das zweite Gutachten wurde gezahlt. In einem solchen Fall muss es dann auch eingeholt werden. Es besteht keine Rechtsgrundlage dafür, die Einholung des Ergänzungsgutachtens davon abhängig zu machen, dass die Restkosten für ein erstes Gutachten gezahlt werden. Der Vorschuss für das Ergänzungsgutachten wurde gezahlt, mithin ist es einzuholen. Das selbständige Beweisverfahren ist mitnichten beendet, vielmehr ist es fortzusetzen. Demgemäß gibt es auch keine Grundlage dafür, § 269 ZPO hier analog anzuwenden. Außerhalb des § 494a ZPO ist eine Kostenentscheidung im selbständigen Beweisverfahren ohnehin nur in besonderen Fällen zu treffen, für deren Vorliegen hier eben nichts ersichtlich ist. Somit war der Kostenbeschluss des LG aufzuheben. Das Verfahren ist fortzusetzen. Die Feststellung der Beendigung hat lediglich eine deklaratorische Wirkung und bedarf keiner gesonderten Aufhebung.

Das KG lässt ausdrücklich offen, ob eine Kostenentscheidung analog § 269 ZPO dann möglich ist, wenn der Vorschuss für ein Gutachten von vornherein gar nicht gezahlt wird. Man sieht daher: Die Frage, wann ein selbständiges Beweisverfahren beendet ist, ist nicht immer leicht zu beantworten. Es bedarf stets einer sorgfältigen Prüfung des Einzelfalls.

Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um die Voraussetzungen für eine Rüge der Verletzung von Verfahrensgrundrechten im Rahmen einer Rechtsbeschwerde.

Grundsatz der materiellen Subsidiarität
BGH, Beschluss vom 29. Juli 2025 – VI ZB 31/24

Der VI. Zivilsenat bekräftigt seine ständige Rechtsprechung zur Zulässigkeit einer auf das Grundgesetz gestützten Verfahrensrüge in dritter Instanz.

Die Klägerin hat den Beklagten in einem Vorprozess wegen fehlerhafter zahnärztlicher Behandlung in Anspruch genommen. Ihre Klage ist erfolglos geblieben.

Nunmehr verlangt die Klägerin vom Beklagten Schadensersatz wegen Verfälschung der Behandlungsdokumentation. Das LG hat die Klage abgewiesen, weil der Streitgegenstand mit demjenigen des Vorprozesses identisch sei. Ergänzend hat es ausgeführt, die unzulässige Klage wäre auch unbegründet.

Nach Eingang der Berufungsbegründung hat das OLG die Klägerin darauf hingewiesen, es fehle an einer ordnungsgemäßen Begründung des Rechtsmittels, weil die Klägerin sich nur gegen die Erwägungen des Landgerichts zur Rechtskraft des Urteils aus dem Vorprozess wende, nicht aber gegen die Ausführungen zur Begründetheit der neuen Klage. Die Klägerin hat daraufhin geltend gemacht, ihre Berufung sei zulässig, und ihre Ausführungen zur Rechtskraft des früheren Urteils weiter vertieft. Das OLG hat die Berufung als unzulässig verworfen.

Die Rechtsbeschwerde der Klägerin bleibt schon aus formellen Gründen ohne Erfolg.

Der vom Bundesverfassungsgericht für Verfassungsbeschwerden entwickelte Subsidiaritätsgrundsatz fordert, dass ein Beteiligter über das Gebot der Erschöpfung des Rechtswegs im engeren Sinne hinaus alle nach Lage der Sache zur Verfügung stehenden prozessualen Möglichkeiten ergreifen muss, um eine Korrektur der geltend gemachten Grundrechtsverletzung zu erwirken oder eine solche zu verhindern. Der BGH wendet diesen Grundsatz seit längerem auch in Verfahren über Revisionen, Nichtzulassungsbeschwerden und Rechtsbeschwerden an.

In Anwendung dieses Grundsatzes lässt der BGH im Streitfall offen, ob die in dem Hinweis des OLG geäußerte Einschätzung zur Zulässigkeit der Berufung zutrifft. Die Klägerin darf eine aus einer diesbezüglichen Fehleinschätzung resultierende Verletzung ihrer Ansprüche auf rechtliches Gehör und wirkungsvollen Rechtsschutz schon deshalb nicht mehr geltend machen, weil sie in ihrer Stellungnahme zu dem Hinweis nicht auf die nach Auffassung des OLG ausschlaggebende Frage eingegangen ist, ob das Landgericht seine Entscheidung auf zwei selbständige Erwägungen gestützt hat.

Praxistipp: Die Entscheidung führt nochmals deutlich vor Augen, wie wichtig es ist, einem nach § 522 Abs. 1 oder 2 ZPO erteilten Hinweis des Berufungsgerichts hinsichtlich aller relevanten Aspekte entgegenzutreten, wenn die zu erwartende Entscheidung in dritter Instanz angefochten werden soll.

Streitwertreform – ein kleiner Wurf, der in der Praxis groß knirschen wird

Die geplante Anhebung der Streitwertgrenze auf 10.000 € (§ 23 Nr. 1 GVG im Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Änderung des Zuständigkeitsstreitwerts der Amtsgerichte, zum Ausbau der Spezialisierung der Justiz in Zivilsachen sowie zur Änderung weiterer prozessualer Regelungen) ist überfällig. Sie trägt der Inflation Rechnung und soll die Landgerichte entlasten. Gleichzeitig werden neue ausschließliche sachliche Zuständigkeiten beim Landgericht geschaffen. Aber wer meint, damit sei die Ziviljustiz schon auf Kurs gebracht, greift zu kurz. Aus der Praxis nur einige Punkte – nicht abschließend:

  1. Geringfügige Forderungen bis 5.000 €

Die EU hat es vorgemacht: Das europäische Verfahren für geringfügige Forderungen (VO [EU] 861/2007 in der Fassung VO (EU) 2015/2421) gilt inzwischen für Streitwerte bis 5.000 €. Auch national wäre eine solche Grenze folgerichtig und überlegenswert.

Zudem: Nicht alle Heilbehandlungssachen, die künftig streitwertunabhängig beim Landgericht anfallen sollen, sind komplex oder schwierig. Es gibt zweifellos Arzthaftungsprozesse, die beim Landgericht gut aufgehoben sind. Daneben gibt es zahlenmäßig eine ganze Reihe von Klein- und Kleinstforderungen – etwa Laborrechnungen oder Streitigkeiten um den Ansatz einzelner GOÄ-/GOZ-Ziffern. Solche Verfahren betreffen Selbstzahler, die überhöhte oder gar nicht erbrachte Rechnungspositionen entdecken, oder Versicherte, denen die Kosten von den Krankenversicherern nicht erstattet wurden. Die blinde Zuweisung aller dieser Prozesse an das Landgericht (mit Anwaltszwang) bläht den Aufwand für die Parteien auf, ohne dass dies der Spezialisierung nutzen dürfte.

Bei einer allgemeinen Zuweisung von geringfügigen Forderungen („Bagatellgrenze“) an das Amtsgericht, die auch alle „Spezialsachen“ bei diesem belässt, geht es nicht um eine „Massenvermehrung“ kleiner Verfahren, sondern um Gleichlauf mit Europa: Wenn europaweit bis 5.000 € vereinfachte Verfahrensregeln gelten, könnte das auch innerhalb der deutschen Ziviljustiz so sein. Auch für die Entwicklung und Erprobung eines Online-Verfahrens in der Zivilgerichtsbarkeit (RegE), die bei den Amtsgerichten erfolgen soll, erscheint es hilfreich, einen möglichst weiten thematischen Bereich von Zivilsachen abzudecken.

  1. Kleinstverfahren bis 1.000 €

Nach § 495a ZPO wird das Verfahren bei Streitverfahren bis 600 € nach billigem Ermessen geführt. Der Gedanke einer Inflationsbereinigung legt nahe, diese Grenze auf 1.000 € zu erhöhen, was dann auch für den Berufungsstreitwert gelten sollte. Zu überlegen wäre weiter, ob der Anspruch auf eine mündliche Verhandlung nur noch dann gegeben ist, wenn auch dies sachdienlich ist. Die Amtsgerichte werden dieses Kriterium mit Augenmaß handhaben, wenn Naturalparteien „gehört“ werden wollen und dies einen Erkenntnismehrwert verspricht. Im gleichzeitig unterbreiteten Vorschlag eines künftigen § 1127 ZPO-E (Regierungsentwurf zur Entwicklung und Erprobung eines Online-Verfahrens in der Zivilgerichtsbarkeit) wird dies für Onlineverfahren schon vorgeschlagen, sollte aber allgemein gelten.

  1. Spezialisierung nutzen – aber mit Maß

Der Entwurf verlagert sämtliche Heilbehandlungs-, Vergabe- und Veröffentlichungssachen streitwertunabhängig ans Landgericht. Daneben verbleibt es bei den überkommenen ausschließlichen Zuständigkeiten in § 72 GVG. Gleichzeitig entzieht der Entwurf den Landgerichten die in § 72a GVG streitwertabhängigen Spezialsachen, indem die Streitwertgrenze mit 10.000 € deutlich erhöht wird (z.B. bei Insolvenzsachen, Bausachen). Das passt nicht zusammen.

Verlagert man streitwertunabhängig Verfahren ans Landgericht, steigen für diese Aufwand und Kosten: Kein § 495a, Anwaltszwang nach § 78 ZPO, regelmäßige mündliche Verhandlung vor der Kammer. Für Parteien bedeutet das: häufig zahlen, auch wenn sie im Recht sind – weil für Kleinstbeträge kaum ein Anwalt zu finden ist und das Kostenrisiko abschreckt. Bürgernähe sieht anders aus.

Die Lösung: Die bestehenden ausschließlichen Zuständigkeiten des Landgerichts nach § 72 Abs. 2 ZPO sollten überprüft und nach Möglichkeit in die Bestimmung des § 72a GVG überführt werden; neue ausschließliche sachliche Zuständigkeiten beim Landgericht sind zu unterlassen. Für die Verfahren, die in eine Spezialzuständigkeit nach § 72a GVG fallen, sollte es bei geringfügigen Streitigkeiten (also bis 5.000 €) bei der Zuständigkeit des Amtsgerichts verbleiben. Kleine Heilbehandlungs-, Bau- und Insolvenzsachen (usw.) verbleiben damit beim Amtsgericht sowie alle sonstigen Verfahren bis 10.000 €, für die keine Spezialzuständigkeit nach § 72a GVG vorgesehen ist. Die Landgerichte behalten „ihre“ Verfahren im Anwendungsbereich ihrer Spezialisierung (was ein stetiges Fallaufkommen auch bei kleineren Landgerichten sicherstellt), gleichzeitig werden sie von allgemeinen Eingängen merklich entlastet. Daneben bedarf es keines Pflasters in Form der ausschließlichen Zuständigkeit des Amtsgerichts für nachbarrechtliche Ansprüche. Für diese gilt schlicht der Wert der Sache.

  1. Naturalparteien und die richterliche Fürsorgepflicht

Mit der Anhebung der Streitwertgrenze auf 10.000 € dürfte die Zahl der Naturalparteien steigen. Das klingt bürgerfreundlich – bedeutet in der Praxis aber mehr Aufgaben für das Gericht.

Denn nach § 139 ZPO trifft den Richter eine Hinweis- und Fürsorgepflicht: Sachvortrag ordnen, rechtliche Lücken aufzeigen, auf sachdienliche Anträge hinwirken. Wo Anwälte diese Filter- und Strukturarbeit nicht mehr übernehmen, muss am Amtsgericht der Richter diese Tätigkeit wohl vermehrt leisten, will man die rechtsschutzsuchenden Bürger nicht vor den Kopf stoßen.

Gerade deshalb braucht es Puffer: Entweder durch vereinfachte Verfahren mit geringeren Regeln (§ 495a ZPO reloaded) oder – als Alternative – durch einen Anwaltszwang ab 5.000 € auch vor dem Amtsgericht (was aber sehr gut überlegt sein sollte).

  1. Digitalisierung hilft – ersetzt aber nichts

Die eAkte ist vielerorts Realität, der elektronische Rechtsverkehr etabliert. Digitalisierung beschleunigt und erleichtert manche Abläufe – aber sie ersetzt nicht die Unmittelbarkeit der mündlichen Verhandlung.

Im Saal zeigt sich regelmäßig ein anderes Bild als in der Akte: Naturalparteien, die Struktur brauchen; Anwälte, die im Rechtsgespräch überzeugen, das Schaffen einer befriedigenden Lösung, die erst im persönlichen Austausch gelingt. Eine Videoverhandlung nach § 128a ZPO entfaltet nicht zuverlässig denselben Effekt, sie steht bei Lichte betrachtet dem schriftlichen Verfahren näher als der mündlichen Verhandlung. Die Vorstellung, die Digitalisierung würde den Zivilprozess retten, erscheint naiv.

Fazit:

Die 10.000-€-Grenze ist ein Schritt – aber kein großer Wurf. Ohne eine Bagatellgrenze (5.000 €), ohne Korrektur bei echten Kleinstverfahren (1.000 €) und ohne ehrliche Nutzung einer Spezialisierung wird die anstehende Reform mehr Lasten schaffen als sie beseitigt.

Bürgernähe heißt: einfach, wo es geht; spezialisiert, wo es nötig ist; unmittelbar, wo es zählt.

Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um die formellen Voraussetzungen einer Nichtzulassungsbeschwerde.

Beschwer bei vollständiger Abweisung einer Stufenklage mit Mindestbetrag
BGH, Beschluss vom 15. Mai 2025 – VI ZR 217/24

Der VI. Zivilsenat fasst die Rechtsprechung des BGH zusammen und zeigt die daraus resultierenden Folgen im Zusammenhang mit § 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO auf.

Die Klägerin begehrt im Wege der Stufenklage Auskunft über den Umfang der Speicherung und Weitergabe von personenbezogenen Daten und Zahlung von Ersatz für aus diesen Handlungen entstandene immaterielle Schäden in einer in das Ermessen des Gerichts gestellten Höhe, mindestens jedoch 19.500 Euro. Das LG hat die Klage insgesamt abgewiesen. Die Berufung der Klägerin blieb ohne Erfolg.

Der BGH verwirft die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin als unzulässig, weil der Wert der geltend zu machenden Beschwer den nach § 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO maßgeblichen Schwellenwert von 20.000 Euro nicht übersteigt.

Nach der Rechtsprechung des BGH bemisst sich die Beschwer bei der vollständigen Abweisung einer Stufenklage nach dem Wert des Hauptanspruchs. Dieser beträgt im Streitfall 19.500 Euro.

Die in den vorgelagerten Stufen geltend gemachten Ansprüche sind nicht werterhöhend zu berücksichtigen, weil sie nur vorbereitenden Charakter haben (BGH, B. v. 26.11.2020 – V ZR 87/20, Rn. 9 ff.).

Im Streitfall liegt eine Stufenklage vor, weil die Klägerin die Ansprüche auf Auskunft nur zur Vorbereitung des Schadensersatzanspruchs geltend gemacht hat. Dass sie ihr Begehren auf Art. 15 DSGVO gestützt hat und Ansprüche auf dieser Grundlage auch eigenständig geltend gemacht werden können, führt nicht zu einer abweichenden Beurteilung. Dasselbe gilt für den Umstand, dass die Klägerin einen vom Ergebnis der Auskunft unabhängigen Mindestbetrag verlangt hat.

Praxistipp: Ein Beschwerdeführer, der in den Vorinstanzen einen 20.000 Euro nicht übersteigenden Betrag als Streitwert vorgeschlagen oder einer entsprechenden Festsetzung nicht entgegengetreten ist, darf in der Revisionsinstanz grundsätzlich nicht geltend machen, seine Beschwer übersteige diesen Betrag.