Anwaltsblog 44/2024: Bauvertrag – Wann liegt eine Anordnung nach § 2 Abs. 5 VOB/B vor?

Der BGH hatte zu entscheiden, ob bei einer Verzögerung der Bauausführung die Mitteilung des Auftraggebers an den Auftragnehmer von der dadurch bedingten Störung des Vertrags als Anordnung im Sinne des § 2 Abs. 5 VOB/B mit der Rechtsfolge der Vereinbarung eines neuen Preises unter Berücksichtigung der Mehr- oder Minderkosten gewertet werden kann (BGH, Urteil vom 19. September 2024 – VII ZR 10/24):

 

Der Beklagte hatte die Klägerin nach öffentlicher Ausschreibung unter Einbeziehung der VOB/B mit Leistungen des Gewerks „Starkstromanlagen an dem Bauvorhaben Umsetzung museale Neukonzeption“ beauftragt. In den Besonderen Vertragsbedingungen des Beklagten waren ein Ausführungsbeginn am 19. Juni 2018 und eine abnahmereife Fertigstellung der Arbeiten der Klägerin am 10. Januar 2019 vorgesehen. Am 23. August 2018 übergab der Beklagte der Klägerin einen Bauablaufplan, der den Bauablauf ab dem 28. August 2018 abbilden und Grundlage für die weitere Bauausführung der beteiligten Gewerke sein sollte. Wesentliche Leistungen der Klägerin waren danach erst im Jahr 2019 zu erbringen, wobei die Abnahme für den 17. September 2019 geplant war. Am 31. Januar 2019 übermittelte der Beklagte der Klägerin einen korrigierten Bauablaufplan für die weitere Bauausführung; dieser sah nunmehr eine Verschiebung der Abnahme auf den 29. Oktober 2019 vor. Nach Abnahme ihrer Arbeiten im November 2019 machte die Klägerin Mehrkosten von insgesamt 56.729,59 € für Personal und Baucontainer wegen Verlängerung der Bauzeit und wegen gestiegener Tariflöhne ab dem Jahr 2019 geltend. Der Beklagte beglich diesen Betrag nicht. LG wie OLG haben die Zahlungsklage abgewiesen.

Die Revision der Klägerin hat keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat einen Mehrvergütungsanspruch der Klägerin gemäß § 2 Abs. 5 VOB/B wegen Verlängerung der Bauzeit zu Recht verneint. Es hat rechtsfehlerfrei angenommen, dass die Übermittlung der Bauablaufpläne am 23. August 2018 und am 31. Januar 2019 an die Klägerin keine Anordnung des Beklagten im Sinne des § 2 Abs. 5 VOB/B darstellt. Gemäß § 2 Abs. 5 VOB/B ist für den Fall, dass durch Änderung des Bauentwurfs oder andere Anordnungen des Auftraggebers die Grundlagen des Preises für eine im Vertrag vorgesehene Leistung geändert werden, ein neuer Preis unter Berücksichtigung der Mehr- oder Minderkosten zu vereinbaren. Kommt eine solche Vereinbarung nicht zustande, kann der Auftragnehmer den sich aus § 2 Abs. 5 VOB/B ergebenden Vergütungsanspruch im Wege der Klage geltend machen. Voraussetzung für einen Mehrvergütungsanspruch gemäß § 2 Abs. 5 VOB/B ist danach eine Anordnung des Auftraggebers zur Änderung des Bauentwurfs oder eine andere Anordnung. § 2 Abs. 5 VOB/B ist dahin auszulegen, dass eine solche Anordnung eine rechtsgeschäftliche Erklärung des Auftraggebers erfordert, mit der einseitig eine Änderung der Vertragspflichten des Auftragnehmers herbeigeführt werden soll. Für die Änderung des Bauentwurfs, die der Auftraggeber gemäß § 1 Abs. 3 VOB/B anordnen darf, liegt dies auf der Hand. Mit ihr sollen im Vertrag vereinbarte Leistungspflichten des Auftragnehmers betreffend den „Bauentwurf“ geändert werden. Diese Befugnis des Auftraggebers begründet im Gegenzug den Mehrvergütungsanspruch des Auftragnehmers gemäß § 2 Abs. 5 VOB/B, wenn hierdurch die Grundlagen des Preises geändert werden. Für die „andere Anordnung“ im Sinne des § 2 Abs. 5 VOB/B kann insoweit nach Wortlaut, Systematik sowie Sinn und Zweck der Regelung nichts anderes gelten. Von der Anordnung iSd. § 2 Abs. 5 VOB/B sind nach der Systematik der VOB/B Störungen des Vertrags aufgrund von Behinderungen abzugrenzen, die faktisch zu Bauzeitverzögerungen führen. Derartige Störungen können nicht als Anordnung im Sinne des § 2 Abs. 5 VOB/B gewertet werden. Störungen aufgrund von Behinderungen führen nach der Systematik der VOB/B daher nicht zu einem Mehrvergütungsanspruch nach § 2 Abs. 5 VOB/B, sondern zu Schadensersatz- und Entschädigungsansprüchen, wenn der Auftraggeber vertragliche Verpflichtungen oder ihm obliegende Mitwirkungshandlungen nicht erfüllt.

 

Fazit: Eine Anordnung iSd. § 2 Abs. 5 VOB/B erfordert eine rechtsgeschäftliche Erklärung des Auftraggebers, mit der einseitig eine Änderung der Vertragspflichten des Auftragnehmers herbeigeführt werden soll. Liegt eine Störung des Vertrags aufgrund einer Behinderung vor, die faktisch zu einer Bauzeitverzögerung führt, und teilt der Auftraggeber dem Auftragnehmer den Behinderungstatbestand und die hieraus resultierende Konsequenz mit, dass die Leistungen derzeit nicht erbracht werden können, liegt keine Anordnung iSd. § 2 Abs. 5 VOB/B vor.

Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um die Verteilung der Darlegungslast zwischen dem Besteller eines Werks und einem für die Erstattung von Vorauszahlungen haftenden Bürgen.

Darlegungslast nach Kündigung eines Pauschalpreisvertrags über Werkleistungen
BGH, Urteil vom 11. Juli 2024 – VII ZR 127/23

Der VII. Zivilsenat bestätigt seine Rechtsprechung zu den Anforderungen an die Darlegung eines Saldoüberschusses und ergänzt sie für den Fall, dass anstelle des Werkunternehmers ein Bürge am Prozess beteiligt ist.

Die Beklagte hatte mit einem inzwischen insolventen Bauunternehmen im Februar 2017 einen Generalunternehmervertrag über die schlüsselfertige Erstellung eines Lebensmittelmarkt für einen Pauschalpreis geschlossen. Der Vertrag sah unter anderem eine Vorauszahlung in Höhe von 400.000 Euro vor. Für Ansprüche auf Rückgewähr dieser Zahlung übernahm die Klägerin eine selbstschuldnerische Bürgschaft auf erstes Anfordern.

Die Beklagte erbrachte die vereinbarte Vorauszahlung. Nach der Insolvenz der Werkunternehmerin erwirkte sie gegen die Klägerin ein Urteil auf Zahlung der gesamten Bürgschaftssumme. Die Klägerin klagte in einem Folgeprozess erfolgreich auf Rückzahlung eines Teilbetrags von rund 90.000 Euro. Den restlichen Betrag von rund 310.000 Euro verlangt sie im vorliegenden Rechtsstreit zurück.

Das LG hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Das OLG hat die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen.

Der BGH verweist die Sache an das OLG zurück.

Im Ansatz zu Recht sind die Vorinstanzen davon ausgegangen, dass in einem Rechtsstreit über die Rückforderung einer aufgrund einer Bürgschaft auf erstes Anfordern erbrachten Zahlung dieselbe Darlegungs- und Beweislast gilt wie in einem Rechtsstreit über die Geltendmachung einer gewöhnlichen Bürgschaftsforderung. Im Streitfall trägt deshalb grundsätzlich die Beklagte die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass ihr ein Anspruch auf Erstattung der an das Bauunternehmen geleisteten Vorauszahlung zustand.

Ebenfalls zu Recht sind die Vorinstanzen davon ausgegangen, dass der Besteller in solchen Fällen darlegen muss, in welcher Höhe der erbrachten Vorauszahlung ein endgültiger Vergütungsanspruch des Unternehmers gegenübersteht. Bei einem Pauschalpreisvertrag muss der Besteller hierzu vortragen, welche Leistungen der Unternehmer erbracht hat und welche Vergütung dafür anzusetzen ist. Die hierfür maßgeblichen Preise müssen aus der dem Vertrag zugrunde liegenden Kalkulation abgeleitet werden.

Enthält der Pauschalvertrag kein Preisverzeichnis und ist dem Besteller die zugrundeliegende Kalkulation auch nicht aus anderer Quelle bekannt, liegt es jedoch am Unternehmer, zur Kalkulation vorzutragen.

Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen gelten diese Grundsätze uneingeschränkt auch im Rechtsstreit zwischen dem Besteller und einem Bürgen. Wenn der Besteller die Kalkulation nicht kennt, liegt es deshalb am Bürgen, die betreffenden Informationen beim Unternehmer einzuholen. Das diesbezügliche Risiko kann er nicht auf den Besteller abwälzen.

Praxistipp: Eine vorangegangene Teilklage (hier: auf Rückzahlung von 90.000 Euro) steht einer nachfolgenden Klage auf Zahlung des Restbetrags (hier: rund 310.000 Euro) grundsätzlich nicht entgegen – es sei denn, der Restanspruch ist verjährt.

Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um die Höhe einer Bauhandwerkersicherung.

Kriterien für die Höhe einer Bauhandwerkersicherung
BGH, Urteil vom 17. August 2023 – VII ZR 228/22

Der VII. Zivilsenat bekräftigt seine Rechtsprechung zu § 650f BGB.

Der Beklagte beauftragte die Klägerin im Jahr 2020 mit Bauarbeiten für ein neues Gemeindezentrum gegen eine Vergütung von rund 4,75 Millionen Euro. Im März 2021 verlangte die Klägerin eine Sicherheit in Höhe von rund 5 Millionen Euro. Ende April 2021 erhob sie Klage hinsichtlich eines Teilbetrags von 2 Millionen Euro. Die Beklagte kündigte den Bauvertrag daraufhin wegen unberechtigter Errichtung einer Bodenplatte auf einem angrenzenden Grundstücksteil. Die Klägerin erklärte ihrerseits die Kündigung des Bauvertrags gemäß § 650f Abs. 5 Satz 1 BGB.

Das LG hat die Beklagte zu einer Sicherheitsleistung in Höhe von rund 1,2 Millionen Euro verurteilt. Das OLG hat die Höhe der zu leistenden Sicherheit auf knapp 1,1 Millionen Euro reduziert und die weitergehende Berufung der Beklagten zurückgewiesen.

Die Revision der Beklagten bleibt ohne Erfolg.

Zutreffend hat das OLG angenommen, dass die fristlose Kündigung der Beklagten schon wegen Fristversäumung unwirksam ist und deshalb der zu sichernde Vergütungsanspruch nicht gemäß § 648a Abs. 5 BGB auf den bis zur Kündigung erbrachten Teil des Werks beschränkt ist. Ebenfalls zu Recht ist das OLG davon ausgegangen, dass sich die Klägerin aufgrund ihrer eigenen Kündigung gemäß § 650f Abs. 5 Satz 2 BGB ersparte Aufwendungen und Vorteile aus anderweitigem Einsatz von Arbeitskraft auf den Klageanspruch anrechnen lassen muss.

Rechtsfehlerhaft ist die Entscheidung zur Höhe der Sicherheitsleistung nur insoweit, als das OLG den Klageanspruch im Hinblick auf weitergehende Einsatzmöglichkeiten für das freigesetzte Personal der Klägerin um 20 % gekürzt hat. Nach der Rechtsprechung des BGH ist die gemäß § 650f BGB geschuldete Sicherheitsleistung nach einer Kündigung grundsätzlich auf der Grundlage des schlüssigen Klägervortrags zur Höhe der zu sichernden Vergütung zu bemessen. Vom Bauherrn geltend gemachte Abzüge sind nur dann zu berücksichtigen, wenn hierüber ohne Verzögerung des Rechtsstreits nach Maßgabe von § 286 ZPO entschieden werden kann. Sofern diese Voraussetzung nicht vorliegt, dürfen keine Abzüge vorgenommen werden. Für eine Schätzung gemäß § 287 ZPO ist insoweit kein Raum.

Praxistipp: Nach einer Kündigung gemäß § 648 BGB sind ersparte Aufwendungen auch dann anzurechnen, wenn sie nicht Bestandteil der Preiskalkulation waren (BGH, Urteil vom 1. August 2023 – X ZR 118/22). Dies dürfte auch für die insoweit wortgleiche Regelung in § 650f Abs. 5 BGB gelten.

Montagsblog: Neues vom BGH

Grenzen der Rechtskraft
Urteil vom 30. Juni 2017 – V ZR 134/16

Mit grundlegenden Fragen zur Rechtskraft und zum Verhältnis zwischen Rücktritt und Schadensersatz bei Mängeln der Kaufsache befasst sich der V. Zivilsenat.

Der Beklagte hatte vom Kläger ein Wohnhaus gekauft. Später hatte er den Rücktritt vom Vertrag erklärt, weil für die Terrasse keine Baugenehmigung vorlag, und den Kläger in einem vorangegangenen Rechtsstreit erfolgreich auf Rückzahlung des Kaufpreises und Ersatz eines Teils seiner Aufwendungen in Anspruch genommen. Nunmehr verlangte der Kläger Nutzungsersatz für die gesamte Dauer des Besitzes. Das LG verurteilte den Beklagten antragsgemäß. Das OLG wies die Klage ab, soweit es um die Zeit bis zur letzten mündlichen Verhandlung im Vorprozess geht.

Der BGH verweist die Sache auf die Revision des Klägers an das OLG zurück. Entgegen der Vorinstanz kommt er zu dem Ergebnis, dass die Rechtskraft des Urteils aus dem Vorprozess der Klageforderung nicht entgegensteht. Der Kläger wäre zwar an der Geltendmachung von Ansprüchen auf Nutzungsersatz gehindert, wenn diese im Vorprozess im Wege der Saldierung oder der Vorteilsausgleichung auf die dort eingeklagten Ansprüche hätten angerechnet werden müssen. Eine Saldierung findet aber nur bei der Rückabwicklung eines Vertrags nach Bereicherungsrecht statt, nicht bei der Rückabwicklung nach erklärtem Rücktritt. Eine Anrechnung im Wege der Vorteilsausgleichung war nach dem bis Ende 2001 geltenden Kaufrecht geboten, wenn der Käufer den so genannten großen Schadensersatz begehrte, den er nach altem Recht nur anstelle des Rücktritts geltend machen konnte. Nach dem neuen Schuldrecht kann der Käufer Rücktritt und Schadensersatz nebeneinander geltend machen. Daraus zieht der BGH nunmehr die Schlussfolgerung, dass sich der Käufer die von ihm erlangten Nutzungsvorteile nicht automatisch auf seinen Schadensersatzanspruch anrechnen lassen muss. Hinsichtlich der Ansprüche des Verkäufers auf Nutzungsersatz hätte es im Vorprozess deshalb nur dann zur Rechtskraft kommen können, wenn diese Ansprüche im Wege der Widerklage oder Aufrechnung geltend gemacht worden wären und das Gericht über sie inhaltlich entschieden hätte.

Praxistipp: Um mögliche Verjährungsprobleme zu vermeiden, kann es sich dennoch anbieten, Ansprüche auf Nutzungsersatz bereits im ersten Prozess geltend zu machen.

Konkludente Beschaffenheitsvereinbarung beim Werkvertrag
Urteil vom 31. August 2017 – VII ZR 5/17

Mit der beiderseits interessengerechten Auslegung eines Werkvertrags befasst sich der VII. Zivilsenat.

Der Beklagte erwog, in der Produktionshalle einer Großbäckerei Malerarbeiten vornehmen zu lassen. Hierzu ließ er die Klägerin eine Probefläche mit der Farbe „schneeweiß“ streichen. Nach Besichtigung dieser Fläche beauftragte er die Klägerin mit dem Anstrich der Halle. Schon vor Fertigstellung der Arbeiten, die aufgrund von Differenzen für einige Monate unterbrochen wurden, beanstandete der Beklagte, die bereits bearbeiteten Flächen seien vergilbt und wiesen Flecken auf. Das LG wies die auf Zahlung des vereinbarten Werklohns gerichtete Klage als derzeit unbegründet ab. Das OLG erklärte den Klageanspruch dem Grunde nach für gerechtfertigt.

Der BGH verweist die Sache an das OLG zurück. Abweichend von der Vorinstanz sieht er das Werk nicht schon deshalb als vertragsgerecht an, weil die eingesetzte Farbe für den Einsatz in einer Großbäckerei geeignet und eine dauerhafte Farbstabilität bei weißen Farbtönen in dieser Umgebung generell nicht realisierbar ist. Nach dem Grundsatz der beiderseits interessengerechten Vertragsauslegung ist der Werkvertrag zwischen den Parteien dahin auszulegen, dass der Beklagte mangels eines abweichenden Hinweises davon ausgehen durfte, die eingesetzte Farbe werde über längere Zeit hinweg farbstabil bleiben. Nach Zurückverweisung wird das OLG zu klären haben, ob und in welcher Weise die Klägerin vor oder bei Vertragsschluss auf das Risiko des Vergilbens hingewiesen hat.

Praxistipp: Sofern die Möglichkeit besteht, sollte ein Mandant darauf aufmerksam gemacht werden, dass die Erteilung und der Inhalt eines vor Vertragsschluss erteilten Hinweises möglichst deutlich dokumentiert werden sollte – am besten durch ausdrückliche Aufnahme in das schriftliche Vertragsangebot.

Nebenpflicht des Werkunternehmers zum Hinweis auf mögliche Folgekosten
Urteil vom 14. September 2017 – VII ZR 307/16

Einen weiteren Aspekt der Pflichten eines Werkunternehmers behandelt der VII. Zivilsenat in einer zwei Wochen später ergangenen Entscheidung.

Der Kläger suchte wegen atypischer Motorgeräusche an seinem Auto die Werkstatt der Beklagten auf. Das Fahrzeug war zu diesem Zeitpunkt sechseinhalb Jahre alt und hatte eine Laufleistung von über 200.000 km. Die Beklagte stellte einen Defekt an den Einspritzdüsen fest. Der Kläger ließ diese für rund 1.700 Euro auswechseln. Dies führte nicht zur Beseitigung der atypischen Geräusche. In einem selbständigen Beweisverfahren stellte sich heraus, dass bereits bei Erteilung des Auftrags auch die Pleuellager des Motors beschädigt waren. Der Aufwand für deren Austausch überstieg den Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs. Die auf Rückzahlung der gezahlten Reparaturkosten gerichtete Klage hatte in den beiden ersten Instanzen Erfolg.

Der BGH weist die Revision der Beklagten zurück. Mit den Vorinstanzen ist er der Auffassung, dass die Beklagte vor der Reparatur darauf hätte hinweisen müssen, dass weitere Motordefekte vorliegen können. Diese Pflicht besteht auch dann, wenn die in Betracht kommenden anderen Ursachen zwar nicht häufig auftreten, aber auch nicht als völlig entfernte und deshalb vernachlässigenswerte Möglichkeit anzusehen sind. Nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen des Berufungsgerichts hätte der Kläger den Reparaturauftrag im Falle eines pflichtgemäßen Hinweises nicht erteilt. Deshalb muss die Beklagte die Reparaturkosten zurückzahlen.

Praxistipp: Auch diese Entscheidung belegt, dass eine hinreichende Dokumentation bereits im Zeitpunkt des Vertragsschlusses für den Ausgang des Rechtsstreits von zentraler Bedeutung sein kann.

Die Bauvertragsrechtsreform zwischen Euphorie und Kritik

Ab dem 1.1.2018 gilt für alle neu geschlossenen Werkverträge das BGB in der durch das Gesetz zur Reform des Bauvertragsrechts geänderten Fassung. Bisher kannte das Gesetz nur ein allgemeines Werkvertragsrecht. Für den Bauvertrag gab es keine speziellen Sondernormen. Damit wurde der Bauvertrag rechtlich nicht anders behandelt als z.B. die Reparatur eines defekten Kfz in einer Werkstatt oder die Maßanfertigung eines Anzugs durch einen Schneider.

Durch das „Gesetz zur Reform des Bauvertragsrechts, zur Änderung der kaufrechtlichen Mängelhaftung, zur Stärkung des zivilprozessualen Rechtsschutzes und zum maschinellen Siegel im Grundbuch- und Schiffsregisterverfahren“ vom 28.4.2017 (BGBl. I 2017, 969; eine Synopse zu den Änderungen, s. hier) werden zukünftig als besondere Vertragstypen des Werkvertragsrechts

  • der Bauvertrag (s. Schwenker/Wessel, MDR 2017, 1096, Heft 19)
  • der Architekten- und Ingenieurvertrag (s. Schwenker/Wessel, MDR Heft 20 – erscheint am 20.10.2017)
  • der Verbraucherbauvertrag und der Bauträgervertrag  (s. Schwenker/Wessel, MDR Heft 21- erscheint am 3.11.2017)

näher geregelt.

Neben diesen Neuregelungen sind im allgemeinen Werkvertragsrecht wichtige Änderungen vorgenommen worden (s. Schwenker/Wessel, MDR 2017, 1093, Heft 19).

Die Reaktionen auf das Gesetz sind gemischt. Der Präsident des Deutschen Baugerichtstags e.V. lässt seine Freude darüber verlauten, „ein schon fast verloren gegangenes Vertrauen in funktionierende parlamentarische und ministerielle Entscheidungsmechanismen wieder gefunden“ zu haben. In der Literatur wird dagegen der „autoritäre, bevormundende Geist des Gesetzes“ beklagt: „Vorschriften statt Vertragsfreiheit, Anordnungsrechte, Terminbestimmungsrechte, der Gesetzgeber will sogar darauf Einfluss nehmen, wann Personen Verträge abschließen und hinterher zur Not durch Dritte bestimmen lassen, was deren Inhalte sind.“ (Deckers, ZfBR 2017, 545).

Fazit: Zu Euphorie besteht kein Anlass. Dem Gesetzgeber darf konstatiert werden, eine Vielzahl überflüssiger und in sich inkonsistenter Vorschriften geschaffen zu haben. Der anwaltlichen und gerichtlichen Praxis wird es wieder einmal überlassen bleiben, dem neuen Bauvertragsrecht eine ihren Bedürfnissen gerecht werdende Auslegung zukommen zu lassen. So ist es ihm gelungen, trotz aller gegenteiligen Beteuerungen den Verbraucherschutz zu reduzieren. Denn bisher musste der Erbauer eines Einfamilienhauses dem Unternehmer keine Bauhandwerkersicherheit stellen. Nach neuem Recht gilt das Verbraucherprivileg nur für den Verbraucherbauvertrag, der aber den „Bau eines neuen Gebäudes“ verlangt. Bei Einzelvergaben muss der Verbraucher zukünftig (ihn finanziell belastende) Sicherheiten stellen. Davon ist er aber befreit, wenn er Mehrfamilienhäuser baut! Mehr als eine gesetzgeberische Fehlleistung ist es auch, wenn § 650p BGB unter „Vertragstypischen Pflichten aus Architekten- und Ingenieurverträgen“ lediglich die Pflichten des Planer beschreibt, die Vergütungspflicht des Bestellers aber vollständig vergisst. Diese muss über die Verweisungsnorm des § 650q Abs. 1 BGB aus § 631 Abs. 1 BGB hergeleitet werden, was den nicht rechtskundigen Nutzer des Gesetzes überfordern dürfte.

Montagsblog: Neues vom BGH

In Anlehnung an die sog. Montagspost beim BGH berichtet der Montagsblog regelmäßig über ausgewählte aktuelle Entscheidungen.

Vertragliches Abtretungsverbot und Unternehmensverschmelzung
Urteil vom 22. September 2016 – VI ZR 298/14

Mit der Reichweite von § 399 Fall 2 BGB befasst sich der VII. Zivilsenat.

Der klagende Insolvenzverwalter machte Ansprüche auf restlichen Werklohn für Bauarbeiten geltend. Der zugrunde liegende Werkvertrag war von einer Gesellschaft geschlossen worden, deren Vermögen später im Wege der Verschmelzung auf die Insolvenzschuldnerin übergegangen war. Der Beklagte berief sich unter anderem auf Werkmängel und auf ein im Vertrag vereinbartes Abtretungsverbot. Die Klage hatte in erster und zweiter Instanz zum überwiegenden Teil Erfolg.

Der BGH weist die Revision des Beklagten zurück. Er tritt der Auffassung des OLG bei, dass ein in einem Bauvertrag vereinbartes Abtretungsverbot dem Übergang der dem Auftragnehmer gegen den Auftraggeber gerichteten Zahlungsansprüche aufgrund einer gesellschaftsrechtlichen Verschmelzung nicht entgegensteht. Die dafür angeführten Gründe dürften auf andere Verträge und andere Formen der unternehmensrechtlichen Gesamtrechtsnachfolge in gleicher Weise zutreffen.

Praxistipp: In einschlägigen Fällen ist sorgfältig zu prüfen, ob der Übergang des Vermögens im Wege der Gesamtrechtsnachfolge stattgefunden hat oder durch Einzelübertragung der dem übertragenden Rechtsträger gehörenden Vermögensgegenstände. Die vorliegende Entscheidung betrifft nur die zuerst genannte Konstellation.

Neues Vorbringen und Entscheidung nach § 522 Abs. 2 ZPO
Beschluss vom 14. Juli 2016 – V ZR 258/15

Mit dem Verhältnis zwischen § 529, § 531 und § 522 Abs. 1 ZPO befasst sich der V. Zivilsenat.

Der Kläger nahm die Beklagten auf Rückabwicklung eines Kaufvertrags über eine als Kapitalanlage erworbene Wohnung in Anspruch. Das LG verurteilte die Beklagten im Wesentlichen antragsgemäß. In der Berufungsinstanz machten die Beklagten unter anderem geltend, bestimmte Mieteinnahmen, die dem Kläger nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung in erster Instanz zugeflossen seien, müssten anspruchsmindernd berücksichtigt werden. Das OLG wies die Berufung durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurück und ließ dabei das neue Vorbringen unberücksichtigt.

Der BGH verweist die Sache, soweit es um die zusätzlich angefallenen Mieteinnahmen geht, an das OLG zurück. Abweichend vom OLG ist er der Auffassung, dass der Umfang, in dem neues Vorbringen in der Berufungsinstanz zu berücksichtigen ist, nicht davon abhängt, ob das Berufungsgericht durch Urteil oder durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO entscheidet. Im Streitfall war das ergänzende Vorbringen schon deshalb zulässig, weil die betreffenden Tatsachen erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung in erster Instanz entstanden waren. Das Berufungsgericht musste diesen Vortrag auch bei einer Entscheidung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO berücksichtigen.

Praxistipp: Wenn das neue Vorbringen Geschehen aus der Zeit vor der letzten mündlichen Verhandlung in erster Instanz betrifft, muss die vortragende Partei, um eine Präklusion nach § 531 Abs. 2 ZPO zu vermeiden, stets darlegen, weshalb der Vortrag nicht schon in erster Instanz erfolgt ist.

Beweiswürdigung nach Versterben eines Zeugen
Urteil vom 16. August 2016 – X ZR 96/14

Mit einer nicht alltäglichen Situation befasst sich der X. Zivilsenat – als Berufungsgericht – in einer Patentnichtigkeitssache.

Das in erster Instanz zuständige Bundespatentgericht hatte ein Patent für nichtig erklärt und diese Entscheidung unter anderem auf die Aussage eines Zeugen gestützt, der angegeben hatte, ein Datenblatt, das die Erfindung offenbare, sei der Öffentlichkeit schon vor dem Prioritätstag zugänglich gewesen. Mit der Berufung – über die in Patentnichtigkeitssachen der BGH zu entscheiden hat – griff die Patentinhaberin diese Würdigung an. Eine erneute Vernehmung des Zeugen war nicht möglich, weil dieser in der Zwischenzeit verstorben war.

Der BGH weist die Nichtigkeitsklage ab. Nach seiner Einschätzung ergeben sich aus dem Vernehmungsprotokoll erhebliche Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Zeugen und an der Glaubhaftigkeit von dessen Aussage. Nach den insoweit maßgeblichen Regelungen der ZPO darf ein Berufungsgericht eine solche Schlussfolgerung zwar grundsätzlich nicht ziehen, ohne den Zeugen erneut zu vernehmen. Dies gilt aber nicht, wenn der Zeuge nach der erstinstanzlichen Vernehmung verstorben ist.

Praxistipp: Die Partei, zu deren Gunsten der Zeuge ausgesagt hat, sollte nach dessen Versterben alle in Betracht kommenden Anstrengungen unternehmen, um andere Beweismittel an die Hand zu bekommen.