Anwaltsblog 24/2024: Versäumung einer Rechtsmittelfrist bei unrichtiger Rechtsmittelbelehrung

War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung fehlerhaft ist (§ 233 Satz 2 ZPO). Mit dem beschränkten Anwendungsbereich dieser Vermutung im Anwaltsprozess hatte sich der BGH zu befassen (BGH, Beschluss vom 28. März 2024 – AnwZ (Brfg) 3/24):

 

Der Kläger, der im Jahr 1999 auf seine Zulassung zur Rechtsanwaltschaft verzichtet hatte, beantragte 2022 seine Wiederzulassung. Die Anwaltskammer lehnte den Antrag ab. Die daraufhin mit dem Ziel der Wiederzulassung erhobene Klage hat der Bayerische Anwaltsgerichtshof mit dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 11. Dezember 2023 zugestellten Urteil abgewiesen. Die Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Urteils lautet auszugsweise: „Die Beteiligten können die Zulassung der Berufung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils […] beantragen […]. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.“ Mit am 8. Januar 2024 per Boten beim Bayerischen Anwaltsgerichtshof eingegangenem Schriftsatz hat der Kläger die Zulassung der Berufung gegen das Urteil beantragt.

Der BGH als Berufungsgericht verwirft den Antrag als unzulässig, weil der Kläger ihn nicht fristgemäß formgerecht gestellt hat. Nach § 112e Satz 2 BRAO iVm. § 125 Abs. 1 Satz 1, § 55d Satz 1 VwGO sind vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen – wie der Antrag auf Zulassung der Berufung -, die durch einen Rechtsanwalt eingereicht werden, als elektronisches Dokument zu übermitteln. Dem genügte die Einreichung per Boten am 8. Januar 2024 nicht. Die Frist zur Beantragung der Zulassung der Berufung ist durch die Zustellung des vollständigen Urteils in Gang gesetzt worden. Dem Fristanlauf stand insbesondere nicht die vom Kläger gerügte Passage der Rechtsmittelbelehrung entgegen, wonach dem Zulassungsantrag vier Abschriften beigefügt werden sollen. Eine Rechtsbehelfsbelehrung ist u.a. dann unrichtig, wenn sie einen nicht erforderlichen Zusatz enthält, der fehlerhaft oder irreführend ist und dadurch generell geeignet ist, bei dem Betroffenen einen Irrtum über die formellen und materiellen Voraussetzungen des in Betracht kommenden Rechtsbehelfs hervorzurufen und ihn dadurch abzuhalten, den Rechtsbehelf überhaupt, rechtzeitig oder in der richtigen Form einzulegen. Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben. Der vom Kläger gerügte Zusatz zum notwendigen Inhalt der Rechtsbehelfsbelehrung ist im Grundsatz dem § 81 Abs. 2 VwGO entnommen, nach dem der Klage und allen Schriftsätzen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden sollen. Der Zusatz ist zwar insofern unrichtig, als die Vorschrift im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument nach § 55a Abs. 5 Satz 3 VwGO keine Anwendung findet. Diese Unrichtigkeit ist aber ihrer Art nach nicht geeignet, die Stellung des Antrags auf Zulassung der Berufung zu erschweren. Der beanstandete Zusatz gibt die Beifügung von Abschriften nicht als Zwang aus, dessen Nichtbeachtung auf die formelle Wirksamkeit des Zulassungsantrags von Einfluss ist, sondern lediglich als dringende Bitte. Unter diesen Umständen ist nicht ersichtlich, wie der Zusatz irrige Vorstellungen über die formellen Voraussetzungen eines Antrags auf Zulassung der Berufung hervorrufen und dadurch die Rechtsmitteleinlegung erschweren könnte.

Dem Kläger war auch nicht Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, weil er nicht ohne Verschulden an der formwirksamen Einlegung des Zulassungsantrags gehindert war. Verschuldet ist eine Fristversäumung, wenn der Beteiligte nicht die Sorgfalt hat walten lassen, die für einen gewissenhaften, seine Rechte und Pflichten sachgerecht wahrnehmenden Beteiligten geboten und ihm nach den gesamten Umständen zuzumuten ist. Dabei steht das Verschulden des Prozessbevollmächtigten dem Verschulden des Beteiligten gleich. Nach diesen Maßstäben hat der Kläger die Fristversäumung verschuldet. Der Prozessvertreter des Klägers hätte wissen können und müssen, dass der Antrag auf Zulassung der Berufung als elektronisches Dokument einzureichen ist. Die vom Kläger erfolglos gerügte Passage der Rechtsmittelbelehrung begründete bereits keinen Anlass, von der formgerechten Einreichung des Antrags auf Zulassung der Berufung als elektronisches Dokument abzusehen.

Soweit sich der Prozessbevollmächtigte des Klägers außerdem darauf beruft, die Geschäftsstelle des Anwaltsgerichtshofs habe auf seine telefonische Rückfrage hin mitgeteilt, der Antrag könne dort abgegeben werden und seiner Bitte, den Empfang zu quittieren, könne ebenfalls nachgekommen werden, wären diese Umstände schon deshalb nicht geeignet, eine unrichtige Vorstellung über die an die Form der Rechtsmitteleinlegung zu stellenden Anforderungen hervorzurufen, weil mit dem behaupteten bloßen Einverständnis mit der vom Prozessvertreter gewünschten Form der Schriftsatzeinreichung keine Aussage über etwaige Formerfordernisse getroffen wurde. Selbst wenn man das Einverständnis der Geschäftsstelle des Anwaltsgerichtshofs mit der vom Prozessbevollmächtigten des Klägers gewünschten Vorgehensweise bei der Schriftsatzeinreichung als Auskunft verstehen wollte, dass diese Form der Einreichung keinen Bedenken begegne, wäre diese Auskunft erkennbar fehlerhaft. Denn sie stünde in offenkundigem Widerspruch zur Gesetzeslage. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hätte sich deshalb nicht darauf verlassen dürfen.

 

Fazit: Nach § 233 Satz 2 ZPO wird ein Fehlen des Verschuldens zwar vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist. Dabei darf auch ein Rechtsanwalt grundsätzlich auf die Richtigkeit einer durch das Gericht erteilten Rechtsbehelfsbelehrung vertrauen. Gleichwohl muss von ihm erwartet werden, dass er die Grundzüge des Verfahrensrechts und das Rechtsmittelsystem in der jeweiligen Verfahrensart kennt. Das Vertrauen in die Richtigkeit einer Rechtsbehelfsbelehrung kann er deshalb nicht uneingeschränkt, sondern nur in solchen Fällen in Anspruch nehmen, in denen die inhaltlich fehlerhafte Rechtsbehelfsbelehrung zu einem unvermeidbaren, zumindest aber zu einem nachvollziehbaren und daher verständlichen Rechtsirrtum des Rechtsanwalts geführt hat. Die Fristversäumung ist mithin auch in den Fällen einer unrichtigen Rechtsbehelfsbelehrung nicht unverschuldet, wenn diese offenkundig falsch gewesen ist und deshalb – ausgehend von dem bei einem Rechtsanwalt vorauszusetzenden Kenntnisstand – nicht einmal den Anschein der Richtigkeit zu erwecken vermochte (BGH, Beschluss vom 25. November 2020 – XII ZB 256/20 –, MDR 2021, 252).

Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um eine materiellrechtliche und eine prozessuale Frage.

Grundstückskauf trotz Schwarzgeldabrede wirksam
BGH, Urteil vom 15. März 2024 – V ZR 115/22

Der V. Zivilsenat zeigt die unterschiedlichen Zielsetzungen des Tatbestands der Steuerhinterziehung und des Verbots der Schwarzarbeit auf.

Die Klägerin hat von der Beklagten eine Eigentumswohnung gekauft. Die Parteien hatten einen Kaufpreis von 150.000 Euro vereinbart. Hiervon zahlte die Klägerin schon vor Beurkundung einen Teilbetrag von 30.000 Euro in bar. Im notariellen Vertrag ist der Kaufpreis mit 120.000 Euro angegeben. Die Klägerin zahlte auch diesen Betrag und wurde als Eigentümerin im Grundbuch eingetragen.

Nach einer Selbstanzeige des Beklagten führten die Parteien Gespräche über die Wirksamkeit des Kaufvertrags. Die Klägerin bewilligte die Eintragung eines Widerspruchs gegen ihre Eintragung als Eigentümerin. Der Beklagte überwies 120.000 Euro auf das Treuhandkonto eines Notars. Dieser zahlte den Betrag auftragswidrig an die Klägerin aus. Im Laufe des Rechtsstreits erstattete er dem Beklagten diesen Betrag gegen Abtretung etwaiger Ansprüche gegen die Klägerin.

Die Klägerin begehrt die Zustimmung zur Löschung des Widerspruchs. Das LG hat die Klage abgewiesen. Das OLG hat den Beklagten antragsgemäß verurteilt.

Die Revision des Beklagten bleibt ohne Erfolg.

Zu Recht ist das OLG zu dem Ergebnis gelangt, dass die Schwarzgeldabrede im Streitfall nicht zur Unwirksamkeit des Kaufvertrags nach § 134 oder § 138 BGB führt. Dies gilt erst recht für die Einigung über den Übergang des Eigentums.

Der Verstoß gegen das Formgebot aus § 313b Abs. 1 BGB ist durch vollständige Erfüllung des Kaufvertrags geheilt worden.

Die Schwarzgeldabrede war zwar auf die Hinterziehung von Grunderwerbsteuer (im Streitfall: in Höhe von 1.500 Euro) gerichtet. Anders als ein Verstoß gegen das Gesetz zur Bekämpfung der Schwarzarbeit führt ein solcher Gesetzesverstoß aber nicht ohne weiteres zur Nichtigkeit des Vertrags gemäß § 134 BGB. Zur Bekämpfung der Schwarzarbeit ist nach dem Gesetzeszweck jeglicher Leistungsaustausch zwischen den Vertragspartnern eines Werk- oder Dienstvertrags zu unterbinden. Der Straftatbestand der Steuerhinterziehung steht der Durchführung eines Grundstückkaufvertrags demgegenüber nur dann entgegen, wenn die Steuerhinterziehung den Hauptzweck des Vertrags bildet. Letzteres hat das OLG im Streitfall rechtsfehlerfrei verneint.

Der BGH lässt offen, ob die Schwarzgeldabrede für sich gesehen unwirksam ist. Selbst wenn diese Frage zu bejahen wäre, hätte dies im Streitfall nicht die Unwirksamkeit des gesamten Vertrags zur Folge. Das OLG ist rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass die Klägerin die Wohnung unstreitig auch dann erworben hätte, wenn der gesamte Kaufpreis von 150.000 Euro beurkundet worden wäre.

Praxistipp: Wenn in Betracht kommt, dass nur der Kaufvertrag unwirksam ist, nicht aber die Übereignung, empfiehlt sich zur vorläufigen Sicherung neben der Eintragung eines Widerspruchs gegen die Eigentumsumschreibung ergänzend die Eintragung einer Vormerkung zur Sicherung des Anspruchs auf Rückübertragung.

Rücknahme eines vermeintlich zu früh eingelegten Rechtsmittels
BGH, Beschluss vom 6. März 2024 – XII ZB 408/23

Der XII. Zivilsenat befasst sich mit einer ungewöhnlichen und zugleich haftungsträchtigen Situation.

Das AG hat mit Beschluss vom 4. April 2023 die Ehe der Beteiligten geschieden, den Versorgungsausgleich durchgeführt und den Antragsteller zur Zahlung von nachehelichem Unterhalt und Zugewinnausgleich verpflichtet. Am 6. April 2023 hat es dem Antragsteller eine beglaubigte Abschrift des Beschlusses zugestellt, die mit einem umfassenden Rechtskraftvermerk versehen war. Noch am gleichen Tag bat der Antragsteller, den Vermerk dahin zu berichtigen, dass nur der Scheidungsausspruch rechtskräftig ist. Drei Wochen später bat das AG um Rücksendung der zugestellten Abschriften zum Zwecke der erneuten Zustellung. Zugleich wies es darauf hin, es liege eine schwerwiegende Abweichung von der Urschrift vor, die zur Unwirksamkeit der Zustellung führe.

Am Montag, 8. Mai 2023 legte der Antragsteller Beschwerde gegen die Verpflichtung zur Zahlung nachehelichen Unterhalts ein. Zugleich behielt er sich vor, die Beschwerde im Hinblick auf die unwirksame Zustellung zurückzunehmen, und bat um einen entsprechenden Hinweis des Gerichts. Noch am gleichen Tag teilte das AG mit, die erneute Zustellung des Beschlusses werde veranlasst, sobald alle fehlerhaften Ausfertigungen zurückgelangt seien. Daraufhin nahm der Antragsteller die Beschwerde zurück.

Nach erneuter Zustellung des Beschlusses legte der Antragsteller wiederum Beschwerde ein und beantragte vorsorglich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Das OLG hat die Wiedereinsetzung versagt und die Beschwerde als unzulässig verworfen.

Die Rechtsbeschwerde des Antragstellers bleibt ohne Erfolg.

Die Beschwerdefrist hat bereits mit der ersten Zustellung am 6. April 2023 zu laufen begonnen. Diese Zustellung war wirksam, weil der Inhalt der zugestellten Abschrift mit dem Inhalt der Urschrift übereinstimmt. Der fehlerhafte Rechtskraftvermerk steht der Wirksamkeit der Zustellung nicht entgegen. Die Beschwerde vom 8. Mai 2023 ist rechtzeitig eingelegt worden, hat ihre Wirksamkeit aber durch Rücknahme verloren. Die später eingelegte Beschwerde ist verfristet.

Die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sind nicht erfüllt. Der Antragsteller durfte die Ankündigung des AG, dass der Beschluss erneut zugestellt werde, nicht als Anregung verstehen, das vorsorglich eingelegte Rechtsmittel wieder zurückzunehmen. Er musste vielmehr den sichersten Weg wählen und das fristgerecht eingelegte Rechtsmittel innerhalb der dafür maßgeblichen Frist begründen.

Praxistipp: Solange auch nur die geringste Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass die erste Zustellung einer Entscheidung trotz Fehlern wirksam ist, müssen die Fristen für die Einlegung und Begründung eines Rechtsmittels an dieser Zustellung ausgerichtet werden.

Montagsblog: Neues vom BGH

Mit dem Beginn von Rechtsmittelfristen und mit der Nutzungsausfallentschädigung für Motorräder befassen sich die beiden Entscheidungen aus dieser Woche.

Zustellung einer beglaubigten Abschrift reicht aus
Urteil vom 15. Februar 2018 – V ZR 76/17

Der V. Zivilsenat bekräftigt, dass eine Rechtsmittelfrist seit der am 1.7.2014 in Kraft getretenen Änderung von § 317 ZPO mit der Zustellung einer beglaubigten Abschrift der Entscheidung beginnt.

Die Klägerin machte Schadensersatzansprüche aus einem Kaufvertrag über eine Eigentumswohnung geltend. Die Klage hatte in erster Instanz Erfolg. Das OLG wies sie ab. Ausweislich des Empfangsbekenntnisses wurde dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin eine beglaubigte Abschrift des Berufungsurteils zugestellt. Knapp vier Wochen später wurde ihm auf Antrag eine Ausfertigung erteilt. Innerhalb eines Monats nach Erhalt der Ausfertigung, aber nahezu zwei Monate nach Zustellung der beglaubigten Abschrift legte die Klägerin Nichtzulassungsbeschwerde ein.

Der BGH verwirft das Rechtsmittel als unzulässig. Nach der früheren Rechtsprechung begann eine Rechtsmittelfrist zwar grundsätzlich erst mit Zustellung einer Ausfertigung zu laufen. Nach der seit 1.7.2014 geltenden Fassung von § 317 Abs. 2 Satz 1 ZPO werden Ausfertigungen aber nur noch auf Antrag erteilt. Deshalb beginnt eine Rechtsmittelfrist nunmehr bereits mit Zustellung einer beglaubigten Abschrift (ebenso bereits BGH, B. v. 27.1.2016 – XII ZB 684/14, MDR 2016, 667). Mit ihrem Einwand, ihr sei abweichend vom Empfangsbekenntnis nur eine nicht beglaubigte Abschrift zugestellt worden, dringt die Klägerin nicht durch – unter anderem deshalb, weil sie entgegen einer Aufforderung des BGH das zugestellte Dokument nicht im Original, sondern nur als schlecht lesbare Kopie vorgelegt hatte.

Praxistipp: Vor der Erteilung eines Empfangsbekenntnisses sollte sorgfältig geprüft werden, ob die zugestellte Abschrift den erforderlichen Beglaubigungsvermerk enthält.

Nutzungsausfallentschädigung für ein Motorrad
Urteil vom 23. Januar 2018 – VI ZR 57/17

Der VI. Zivilsenat bejaht einen Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung auch für Motorräder.

Das Motorrad des Klägers war bei einem Verkehrsunfall beschädigt worden. Der von der Haftpflichtversicherung des Beklagten beauftragte Sachverständige erstattete sein Gutachten erst sechs Wochen später. Die Klage auf Nutzungsausfallentschädigung für diesen Zeitraum blieb in den beiden ersten Instanzen erfolglos.

Der BGH verweist die Sache an das LG zurück. Er bekräftigt seine Rechtsprechung, wonach der Verlust der Nutzungsmöglichkeit eines Kraftfahrzeugs als wirtschaftlicher Schaden zu werten sein kann, und entscheidet, dass dies auch für Motorräder gilt. Wie bei Pkw ist dafür grundsätzlich Voraussetzung, dass der Geschädigte über kein anderes Fahrzeug verfügt. Dass ein Motorrad nicht bei jeder Witterung benutzt wird, ist allenfalls für die Schadenshöhe von Bedeutung. Das LG wird deshalb nach Zurückverweisung zu prüfen haben, an welchen Tagen das Wetter eine Nutzung zuließ.

Praxistipp: Um den Einwand des Mitverschuldens auszuschließen, sollte der Geschädigte frühzeitig darauf hinweisen, dass er über kein weiteres Fahrzeug verfügt.

Montagsblog: Neues vom BGH

In Anlehnung an die sog. Montagspost beim BGH berichtet der Montagsblog wöchentlich über ausgewählte aktuelle Entscheidungen.

Teilunwirksamkeit und Erlöschen eines formnichtigen Angebots
Urteil vom 13. Mai 2016 – V ZR 265/14

Dass die berühmte Problematik der „Doppelwirkungen im Recht“ nach wie vor aktuell ist, belegt eine Entscheidung des V. Zivilsenats.

Der Kläger gab in notarieller Urkunde ein befristetes Angebot zum Kauf einer Eigentumswohnung ab. In den vorformulierten Angebotsbedingungen war vorgesehen, dass das Angebot auch nach Ablauf der festgelegten Bindefrist gültig bleiben sollte. Der Verkäufer nahm das Angebot nach Ablauf der Bindefrist in notarieller Urkunde an. Nach der Eintragung des Eigentumswechsels im Grundbuch verlangte der Kläger die Rückabwicklung des Vertrags. LG und OLG verurteilten die Beklagte antragsgemäß, mit der Begründung, der Vertrag sei nicht wirksam zustande gekommen.

Der BGH bestätigt die Vorinstanzen. Wie diese sieht er den Vertrag als unwirksam an, weil der Verkäufer das Angebot des Klägers entgegen § 148 BGB erst nach Ablauf der Bindefrist angenommen hat und die in den vorformulierten Angebotsbedingungen vorgesehene Verlängerung der Bindefrist auf unbestimmte Zeit gemäß § 308 Nr. 1 BGB unwirksam ist. Den Einwand der Beklagten, alle Willenserklärungen seien schon gemäß § 117 und § 125 BGB nichtig gewesen, weil der notariell beurkundete Text nicht den gesamten Vertragsinhalt enthalten habe und die auf den Abschluss des eigentlich gewollten Vertrags gerichteten Erklärungen nicht in der nach § 311b BGB erforderlichen Form abgegeben worden seien, hält der BGH für unerheblich. Auch ein nichtiges Angebot könne nur innerhalb der darin bestimmten Frist angenommen werden und unterliege der AGB-Kontrolle. Dies gebiete der Zweck des § 148 BGB und der §§ 305 ff. BGB.

Praxistipp: Wenn die Annahme eines notariell beurkundeten Angebots trotz Ablaufs der darin bestimmten Frist möglich bleiben soll, muss mit dem Vertragspartner zumindest mündlich eine Verlängerung der Bindefrist vereinbart werden. Bei Grundstücksverträgen ist die mündliche Verlängerungsvereinbarung zwar unwirksam. Sie wird – ebenso wie sonstige mündliche Nebenabreden – aber gemäß § 311b Abs. 1 S. 2 BGB wirksam, wenn der Eigentumswechsel im Grundbuch eingetragen ist.

Zustellung einer Entscheidung an Anwalt und Mandant
Beschluss vom 11. Mai 2016 – XII ZB 582/15

Mit der Frage, welche Zustellung für den Beginn der Rechtsmittelfrist maßgeblich ist, befasst sich der XII. Zivilsenat.

Das AG hatte eine Entscheidung zur Verfahrenskostenhilfe sowohl dem Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers als auch – einen Tag später – dem Antragsteller persönlich zugestellt. Das OLG verwarf das gegen die Entscheidung eingelegte Rechtsmittel des Antragstellers, weil es einen Tag nach Ablauf der – vom Tag der Zustellung an den Verfahrensbevollmächtigten an berechneten – Frist eingelegt worden war.

Der BGH bestätigt die Entscheidung des OLG. Er stützt diese Beurteilung auf § 172 Abs. 1 ZPO, wonach Zustellungen an den für den Rechtszug bestellten Bevollmächtigten zu erfolgen haben. Eine entgegen dieser Vorschrift erfolgte Zustellung ist unwirksam und setzt Rechtsmittelfristen nicht in Gang. Dies gilt auch dann, wenn die Ingangsetzung einer solchen Frist im Einzelfall für die Partei günstig wäre.

Praxistipp: Wenn eine Entscheidung mehrfach an dieselbe Partei zugestellt wird, sollte als Ausgangspunkt für die Rechtsmittelfrist vorsichtshalber stets das Datum der ersten Zustellung gewählt werden.