Montagsblog: Neues vom BGH

In Anlehnung an die sog. Montagspost beim BGH berichtet der Montagsblog wöchentlich über ausgewählte aktuelle Entscheidungen.

Hemmung der Verjährung durch öffentliche Zustellung der Klage
Urteil vom 3. Mai 2016 – II ZR 311/14

Dass die öffentliche Zustellung einer Klage nicht immer ein geeignetes Mittel zur Hemmung der Verjährung darstellt, zeigt eine Entscheidung des II. Zivilsenats.

Der Beklagte war im Jahr 2006 durch Versäumnisurteil zur Zahlung von Schadensersatz wegen Nichtabführens von Arbeitnehmeranteilen zur Sozialversicherung verurteilt worden. Klage und Urteil waren öffentlich zugestellt worden, nachdem eingeholte Auskünfte beim Einwohnermeldeamt, beim Bundeszentralregister und bei Creditreform ergeben hatten, dass der Beklagte mit unbekannter Anschrift nach Bosnien-Herzegowina verzogen war. Ende 2013 legte der Beklagte Einspruch gegen das Versäumnisurteil ein. Das LG hielt den Einspruch für verfristet. Das OLG sah den Rechtsbehelf als zulässig an, weil bei Erlass des Versäumnisurteils entgegen § 339 Abs. 2 ZPO keine Einspruchsfrist bestimmt worden war. In der Sache erhielt es das Versäumnisurteil aufrecht, weil es den Klageanspruch als begründet und nicht verjährt ansah.

Der BGH verweist die Sache an das OLG zurück. Er hält die Feststellungen zum vorsätzlichen Handeln des Beklagten und zur Hemmung der Verjährung für unzureichend. Zu letzterem knüpft er an seine Rechtsprechung an, wonach eine öffentliche Zustellung keine Fristen in Lauf setzt, wenn die Voraussetzungen des § 185 ZPO nicht erfüllt sind und dies für das anordnende Gericht erkennbar ist. Hieraus leitet er ab, dass unter den genannten Voraussetzungen auch eine Hemmung der Verjährung nicht eintritt.

Die von der Klägerin angestellten Nachforschungen zur Ermittlung des neuen Aufenthaltsorts des Beklagten hält der BGH für nicht ausreichend. Die Klägerin hätte weitere mögliche Erkenntnisquellen nutzen müssen, etwa durch Nachfragen beim Insolvenzverwalter des früheren Arbeitgebers, beim früheren Vermieter, bei früheren Nachbarn und bei eventuellen Nachmietern. In der neu eröffneten Berufungsinstanz muss das OLG klären, ob der Aufenthaltsort des Beklagten auf diesem Wege zu ermitteln gewesen wäre.

Praxistipp: Bevor eine öffentliche Zustellung beantragt wird, sollte jede auch nur entfernt in Betracht kommende Informationsquelle genutzt werden, um den Aufenthaltsort des Beklagten in Erfahrung zu bringen.

Beschwer durch nicht vollstreckbare Verurteilung zur Vorlage  von Belegen
Beschluss vom 11. Mai 2016 – XII ZB 12/16

Mit der Frage, wie der Wert der Beschwer bei einer Verurteilung zur Auskunft und zur Vorlage von Belegen zu berechnen ist, befasst sich der XII. Zivilsenat.

Im Rahmen eines Scheidungsverfahrens verurteilte das AG die Ehefrau dazu, Auskunft über ihr gesamtes Vermögen zu geben und „Bestätigungen vorzulegen, insbesondere Bescheinigungen der Banken und anderer Träger der geführten Vermögenswerte“. Das OLG verwarf das dagegen eingelegte Rechtsmittel wegen Nichterreichens des Beschwerdewerts als unzulässig. Den Aufwand für die die Zusammenstellung der Auskünfte schätzte es auf 435 Euro. Ein Geheimhaltungsinteresse, das werterhöhend zu berücksichtigen wäre, sah es als nicht gegeben an. Der Verurteilung zur Vorlage von Belegen maß es keine zusätzliche Beschwer bei, weil der Titel insoweit mangels Bestimmtheit nicht vollstreckbar sei.

Der BGH verweist die Sache an das OLG zurück. Nach seiner Auffassung führt auch die Verurteilung zur Vorlage von Belegen zu einer Beschwer. Insoweit ist zwar mangels hinreichender Bestimmtheit des Titels eine Vollstreckung nicht zulässig. Die Ehefrau ist aber der Gefahr ausgesetzt, dass sie sich gegen Vollstreckungsversuche des Ehemanns zur Wehr setzen und hierzu einen Anwalt beauftragen muss. Je nach Gegenstandswert kann dies dazu führen, dass der Gesamtwert der Beschwer die maßgebliche Grenze von 600 Euro übersteigt. Das OLG muss deshalb klären, wie hoch der Gegenstandswert und die sich daraus ergebende Anwaltsvergütung ist.

Praxistipp: Wenn unklar ist, ob eine Verurteilung hinreichend bestimmt ist, sollte bei der Darlegung des Beschwerdewerts vorsorglich aufgezeigt werden, welche Kosten für die Abwehr von Vollstreckungsversuchen entstehen.

BGH: Für Auf-Dach-Photovoltaikanlagen kann 5-jährige Mängelverjährungsfrist anwendbar sein

In einer aktuellen Entscheidung hatte der BGH zu prüfen, welche Verjährungsfrist für eine auf einem Dach montierte Photovoltaikanlage gilt. Der Kläger war der Ansicht, die 5-jährige Frist aus § 634a Abs. 1 Nr. 2 BGB käme zur Anwendung, da es sich um ein Bauwerk im Sinne der Norm handele. Der BGH bejahte dies im vorliegenden Fall:

 

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gilt die lange Verjährungsfrist „bei Bauwerken“, wenn das Werk in der Errichtung oder grundlegenden Erneuerung eines Gebäudes besteht, das Werk in das Gebäude fest eingefügt wird und dem Zweck des Gebäudes dient. Diese Voraussetzungen liegen vor. Die Photovoltaikanlage wurde durch die Vielzahl der verbauten Komponenten so mit der Tennishalle verbunden, dass eine Trennung von dem Gebäude nur mit einem erheblichen Aufwand möglich ist. Darin liegt zugleich eine grundlegende Erneuerung der Tennishalle, die einer Neuerrichtung gleich zu achten ist. Schließlich dient die Photovoltaikanlage dem weiteren Zweck der Tennishalle, Trägerobjekt einer solchen Anlage zu sein.

Für Anlagenbetreiber sollte dies aber keine übereilte Freude auslösen. Der Kläger hatte in dem Verfahren vor dem BGH ausweislich der Pressemitteilung detailliert die umfangreichen Arbeiten zur Installation der Anlage dargelegt. Tatsächlich bestand der Aufwand in mehr, als nur „Module anschrauben und Kabel einstecken„. So waren im konkreten Fall Grabungsarbeiten, und wasserdichte Verbindungen der Module mit der bestehenden Dachdeckung erforderlich. Der Pressemittelung ist zu entnehmen, darin läge zugleich eine grundlegende Erneuerung der Tennishalle, die einer Neuerrichtung gleich zu achten sei. Insbesondere für selbst montierte Module dürfte es in der Regel bei der 2-jährigen Gewährleistungsfrist bleiben.

Die verlängerten Gewährleistungsfristen müssen sowohl von Anlagenbetreibern, als auch Werkunternehmern zukünftig bei der Kalkulation berücksichtigt werden, wenn umfangreiche Installationsarbeiten in Verbindung mit der bestehenden Bausubstanz Vertragsgegenstand werden.

BGH, Urteil vom 2. Juni 2016 Az.: VII ZR 348/13 (Pressemitteilung)

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In Anlehnung an die sog. Montagspost beim BGH berichtet der Montagsblog wöchentlich über ausgewählte aktuelle Entscheidungen.

Streitgegenstand und einheitlicher Lebenssachverhalt
Beschluss vom 3. März 2016 – IX ZB 33/14

Die nicht immer einfach zu beantwortende Frage, ob mehrere tatsächliche Vorgänge einen einheitlichen Lebenssachverhalt bilden, behandelt der IX. Zivilsenat in einem insolvenzrechtlich eingekleideten Fall.

Auf Antrag eines Sozialhilfeträgers wurde ein Unterhaltsanspruch der früheren Ehefrau des Insolvenzschuldners als Forderung aus unerlaubter Handlung zur Tabelle festgestellt. Der Unterhaltsanspruch war schon geraume Zeit zuvor rechtskräftig tituliert worden. Später war der Insolvenzschuldner in einem Strafverfahren rechtskräftig wegen vorsätzlicher Verletzung der Unterhaltspflicht verurteilt worden. Auf das Rechtsmittel des Insolvenzschuldners wies das OLG den Antrag der Behörde dennoch ab, soweit er auf die Feststellung gerichtet war, dass die Forderung auf einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung beruht. Nach Auffassung des OLG bilden der titulierte Anspruch auf Unterhalt und der Anspruch auf Schadensersatz wegen vorsätzlicher Verletzung dieser Pflicht zwei unterschiedliche Streitgegenstände. Deshalb hielt es den zuletzt genannten Anspruch für verjährt.

Der BGH tritt dieser Beurteilung bei. Er stützt sich dabei auf seine ständige Rechtsprechung, wonach der Streitgegenstand bestimmt wird durch die vom Kläger in Anspruch genommene Rechtsfolge (den Antrag) und den Lebenssachverhalt, aus dem diese Rechtsfolge hergeleitet wird (den Anspruchsgrund). Im Streitfall sieht er den Sachverhalt, aus dem sich ein Unterhaltsanspruch ergibt (Verwandtschaft oder Ehe, Bedürftigkeit des Schuldners und Leistungsfähigkeit des Gläubigers), und den Sachverhalt, aus dem sich ein Schadensersatzanspruch gemäß § 823 Abs. 2 BGB und § 170b Abs. 1 StGB ergibt (Nichterfüllung, Gefährdung des Lebensbedarfs, Vorsatz, Schaden), als unterschiedlich an. Deshalb konnte die gerichtliche Geltendmachung und Titulierung des einen Anspruchs die Verjährung des anderen nicht hemmen.

Praxistipp: Wenn eine vorsätzliche Verletzung der Unterhaltspflicht in Betracht kommt, sollte ein zivilrechtlicher Antrag auf Unterhaltszahlung vorsorglich auch auf § 823 Abs. 2 BGB und § 170b Abs. 1 StGB gestützt werden. Hierzu sind die zur Verwirklichung des Straftatbestands erforderlichen Tatsachen vollständig vorzutragen. Ob sich das Gericht damit befasst, wenn sich die Zahlungspflicht bereits aus dem Unterhaltsrecht ergibt, steht auf einem anderen Blatt.

Anwaltskosten für außergerichtliche Mahnung
Urteil vom 25. Februar 2016 –X ZR 35/15 und X ZR 36/15

Mit einer immer wieder diskutierten Frage befasst sich der X. Zivilsenat in Zusammenhang mit einem Anspruch auf Ausgleichsleistung nach der Fluggastrechteverordnung.

Ein vom beklagten Luftverkehrsunternehmen durchgeführter Flug hatte eine Ankunftsverzögerung von mehr als drei Stunden. Nach den Bestimmungen der Fluggastrechteverordnung (VO (EG) Nr. 261/2004) und der hierzu ergangenen Rechtsprechung des EuGH stand den Passagieren, zu denen die Klägerin gehörte, deshalb eine pauschale Ausgleichsleistung in Höhe von 250 Euro zu. Diesen Anspruch ließ die Klägerin durch einen Rechtsanwalt außergerichtlich geltend machen. Die Beklagte reagierte nicht. Im nachfolgenden Rechtsstreit erkannte sie die Hauptforderung an, wandte sich aber gegen den Anspruch auf Ersatz der Anwaltskosten für die vorgerichtliche Mahnung. Insoweit blieb das Klagebegehren in zwei Instanzen erfolglos.

Der BGH weist die Revision der Klägerin zurück. Mit den Vorinstanzen verneint er einen Anspruch aus § 286 BGB, weil der dafür erforderliche Schuldnerverzug erst durch die Mahnung eingetreten ist. Der Argumentation der Klägerin, aus der Fluggastrechteverordnung sei ein sofortiger Verzugseintritt abzuleiten, tritt er nicht bei. Anders als die Vorinstanzen hält der BGH zwar auch einen vom Eintritt der Verzugsvoraussetzungen unabhängigen Schadensersatzanspruch wegen nicht ordnungsgemäßer Erfüllung der Beförderungspflicht für möglich. Im konkreten Fall hält er eine sofortige Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe jedoch nicht für erforderlich, weil die in der Fluggastrechteverordnung vorgesehene Informationspflicht gerade dem Zweck dient, dem Passagier die (erstmalige) Geltendmachung seiner Ansprüche zu ermöglichen, und die Beklagte nach den Feststellungen des LG ihrer Informationspflicht nachgekommen war.

Praxistipp: Reisende, die Ansprüche aus der Fluggastrechteverordnung geltend machen wollen und ein Informationsblatt ausgehändigt erhalten haben, sollten sich zunächst ohne anwaltliche Hilfe an die Fluggesellschaft wenden. Hierzu genügt ein Formschreiben nach einem der von verschiedener Seite im Internet angebotenen Muster. Erst wenn dieser Versuch erfolglos bleibt, sollte ein Anwalt mit der weiteren Geltendmachung der Ansprüche betraut werden.

Montagsblog: Neues vom BGH

Der BGH stellt seinen Richtern wöchentlich eine Sammlung aller Leitsatzentscheidungen zur Verfügung, die in der vorangegangenen Woche veröffentlicht worden sind. Dieser Beitrag bildet den Auftakt einer Serie, mit der in Anknüpfung an diese sog. Montagspost wöchentlich über – ausgewählte – aktuelle Entscheidungen des BGH berichtet wird.

Anforderungen an die Klageschrift: Bezugnahme auf behördliche Akten
Urteil vom 17. März 2016 – III ZR 200/15

Mit den aus § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO resultierenden Anforderungen an die bestimmte Angabe von Gegenstand und Grund der Klage befasst sich der III. Zivilsenat in einem nicht alltäglichen Fall.

Eine am letzten Tag der maßgeblichen Frist eingereichte Klageschrift, in der Ansprüche auf Entschädigung für strafrechtliche Ermittlungsmaßnahmen  geltend gemacht wurden, enthielt als Begründung im Wesentlichen einen Verweis auf die Akten des vorangegangenen Verwaltungsverfahrens.

Der BGH sieht dies ebenso wie die Vorinstanzen als unzureichend an. Zwar darf auch zur Bestimmung von Gegenstand und Grund der Klage auf Unterlagen außerhalb der Klageschrift Bezug genommen werden. Diese Unterlagen müssen aber exakt bezeichnet werden. Soll mit der Einreichung der Klage eine Frist gewahrt werden, müssen sie dem Gericht (und nicht nur dem Beklagten) vor Ablauf der Frist vorliegen. Im Anwaltsprozess darf zudem nur auf Unterlagen Bezug genommen werden, die von einem postulationsfähigen Rechtsanwalt unterschrieben sind.

Praxistipp: Auch bei akuter Zeitnot sollten alle nach § 253 Abs. 2 ZPO erforderlichen Angaben in die Klageschrift aufgenommen werden.

Werkmangel und Hinweispflicht
Urteil vom 25. Februar 2016 – VII ZR 210/13

Mit einer grundlegenden Frage des werkvertraglichen Mängelrechts befasst sich der VII. Zivilsenat.

Der Kläger machte Gewährleistungsansprüche wegen nach seiner Auffassung mangelhafter Fliesenarbeiten der Beklagten geltend. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts kamen für den als mangelhaft gerügten Zustand der Fugen drei Ursachen in Betracht: die Verwendung nicht geeignete Fugenmaterials, eine unzureichende Bearbeitung durch die Beklagte oder eine unsachgemäße Reinigung durch Dritte nach Fertigstellung und Abnahme des Werks. Das Berufungsgericht ließ offen, welche dieser Umstände tatsächlich kausal geworden war. Es nahm an, der Beklagte habe jedenfalls darauf hinweisen müssen, dass ein geeignetes Reinigungsmittel zu verwenden sei, und bejahte deshalb auch für die dritte in Frage kommende Konstellation einen Werkmangel.

Der BGH hebt das Berufungsurteil auf und verweist die Sache an das OLG zurück. Die Frage, ob ein Werk mangelhaft ist, kann im Einzelfall zwar davon abhängen, ob der Unternehmer eine Prüf- oder Hinweispflicht verletzt hat. Dies gilt aber nur in Konstellationen, in denen das Werk nicht die vereinbarte oder nach dem Vertrag vorausgesetzte Funktionalität aufweist. In solchen Konstellationen ist der Unternehmer von der an sich eintretenden Mängelhaftung frei, wenn die Ausführung auf Vorgaben des Bestellers entspricht und der Unternehmer ordnungsgemäß auf bestehende Bedenken hingewiesen hat. Weist das Werk im Zeitpunkt der Abnahme hingegen die geschuldete Funktionalität auf, kann die Verletzung einer Hinweispflicht eine (verschuldensunabhängige) Mängelhaftung nicht begründen. In der hier zu beurteilenden Konstellation könnte ein Mangel allenfalls dann vorliegen, wenn die Fugen nach dem Vertrag so ausgestaltet sein mussten, dass sie mit dem eingesetzten Reinigungsmittel behandelt werden können.

Praxistipp: Wenn nicht auszuschließen ist, dass kein Mangel, sondern nur die Verletzung einer Prüf- oder Aufklärungspflicht vorliegt, sollten die Klageansprüche vorsorglich auch auf § 280 Abs. 1 BGB gestützt werden. Hierzu sind Ausführungen zum Verschulden des Unternehmers unerlässlich.

Darlegungs- und Beweislast für die einschlägige Verjährungsfrist
Urteil vom 24. Februar 2016 – VIII ZR 38/15

Mit einer interessanten Frage zur Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen der Verjährung befasst sich der VIII. Zivilsenat.

Der Kläger nahm die Beklagte wegen behaupteter Mängel von Maschinenbauteilen in Anspruch. Der Kläger verwendete die von der Beklagten gelieferten Teile zur Herstellung von Walzen, die für den Bau einer Trocknungsanlage für Klärschlamm bestimmt waren. Zwischen den Parteien war unter anderem streitig, ob es sich bei der Trocknungsanlage um ein Bauwerk handelte, was gemäß § 438 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b BGB eine Verlängerung der Verjährungsfrist von zwei auf fünf Jahre zur Folge hätte. Das Berufungsgericht hatte die Darlegungs- und Beweislast insoweit bei der Klägerin gesehen, weil die zweijährige Frist den Regelfall darstelle.

Der BGH sieht dies anders und verweist die Sache an das OLG zurück. Grundsätzlich trägt für den Eintritt von rechtsvernichtenden oder rechtshindernden Einwendungen derjenige die Darlegungs- und Beweislast, der daraus eine ihm günstige Rechtsfolge ableiten will, in der Regel also der Gläubiger. Dieser Grundsatz gilt auch dann, wenn unterschiedlich lange Verjährungsfristen in Betracht kommen. Der Gläubiger, der sich auf eine kurze Verjährungsfrist beruft, trägt also die Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen, unter denen diese Frist zur Anwendung kommt.

Praxistipp: Wer sich auf Verjährung beruft, sollte stets darauf achten, zu allen Tatbestandsvoraussetzungen der einschlägigen Verjährungsvorschrift vorzutragen und Beweis anzubieten.

Realofferte: Lieferung von Strom und Gas
Urteil vom 25. Februar 2016 – IX ZR 146/15

Mit der nicht immer leicht zu beantwortenden Frage, ob und mit wem durch den Bezug von Strom oder Gas ein Liefervertrag zustande kommt, befasst sich der IX. Zivilsenat im Zusammenhang mit einem Verbraucherinsolvenzverfahren.

Der klagende Energieversorger hatte auf der Grundlage eines mit dem Vermieter geschlossenen Sonderkundenvertrags ein Mietgrundstück mit Strom und Gas beliefert. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Vermieters teilte die Klägerin diesem mit, sie beliefere das Grundstück nunmehr im Rahmen der Grund- beziehungsweise Ersatzversorgung. Nach Auszug des letzten Mieters verlangte die Klägerin vom Vermieter die Zahlung des tariflichen Entgelts für die nach Insolvenzeröffnung erfolgten Lieferungen.

Der BGH weist die Klage – abweichend von der Vorinstanz – ab, weil durch die weitere Belieferung nach Insolvenzeröffnung zwar ein Vertrag zustande gekommen, der Vermieter aber nicht Partei dieses Vertrags geworden ist. Unter Bezugnahme auf frühere Rechtsprechung sieht der Senat in dem Leistungsangebot des Versorgers eine Realofferte. Diese richtet sich nach Insolvenzeröffnung aber nicht (mehr) an den Insolvenzschuldner, sondern entweder an den Insolvenzverwalter oder an die Mieter. Der Mitteilung an den Vermieter über die Belieferung im Wege der Grund- oder Ersatzversorgung kommt keine Bedeutung zu, weil sie lediglich deklaratorischen Charakter hat.

Praxistipp: Die in der konkreten Entscheidung nicht relevante Frage, ob der Vertrag mit dem Insolvenzverwalter oder aber mit Mieter zustande kommt, kann ebenfalls große Schwierigkeiten bereiten. Alle Beteiligten sollten sich deshalb um eine möglichst frühzeitige Klärung bemühen – bevor hohe Rückstände auflaufen, für die niemand geradestehen will.