KG: Beendigung und zur Kostenentscheidung im selbständigen Beweisverfahren

Mit einem etwas merkwürdig gelaufenen selbständigen Beweisverfahren musste sich das KG (Beschl. v. 11.7.2025 – 7 W 11/25) beschäftigen. Das erste Gutachten wurde teurer als gedacht, auch hatte das LG keinen ausreichenden Vorschuss angefordert. Alsdann sollte ein weiteres Gutachten eingeholt werden. Dafür wurde der angeforderte Vorschuss hingegen gezahlt. Dieser Vorschuss wurde jedoch auf die offenen Kosten für das erste Gutachten verrechnet. Ein weiterer Vorschuss wurde von dem LG angefordert, jedoch nicht gezahlt. Dann geschah erst einmal nichts mehr. Das LG stellte die Beendigung des Verfahrens fest. Schließlich beantragte die Antragsgegnerin, der Antragstellerin die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens analog § 269 ZPO aufzuerlegen. Dem kam das LG nach. Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin, die Erfolg hatte.

§ 269 ZPO ist in einem selbständigen Beweisverfahren nur dann anzuwenden, wenn der Antrag zurückgenommen wird oder wenn der Antragsteller erkennen lässt, dass er das Verfahren tatsächlich für beendet hält. Daran fehlt es hier. Der Vorschuss für das zweite Gutachten wurde gezahlt. In einem solchen Fall muss es dann auch eingeholt werden. Es besteht keine Rechtsgrundlage dafür, die Einholung des Ergänzungsgutachtens davon abhängig zu machen, dass die Restkosten für ein erstes Gutachten gezahlt werden. Der Vorschuss für das Ergänzungsgutachten wurde gezahlt, mithin ist es einzuholen. Das selbständige Beweisverfahren ist mitnichten beendet, vielmehr ist es fortzusetzen. Demgemäß gibt es auch keine Grundlage dafür, § 269 ZPO hier analog anzuwenden. Außerhalb des § 494a ZPO ist eine Kostenentscheidung im selbständigen Beweisverfahren ohnehin nur in besonderen Fällen zu treffen, für deren Vorliegen hier eben nichts ersichtlich ist. Somit war der Kostenbeschluss des LG aufzuheben. Das Verfahren ist fortzusetzen. Die Feststellung der Beendigung hat lediglich eine deklaratorische Wirkung und bedarf keiner gesonderten Aufhebung.

Das KG lässt ausdrücklich offen, ob eine Kostenentscheidung analog § 269 ZPO dann möglich ist, wenn der Vorschuss für ein Gutachten von vornherein gar nicht gezahlt wird. Man sieht daher: Die Frage, wann ein selbständiges Beweisverfahren beendet ist, ist nicht immer leicht zu beantworten. Es bedarf stets einer sorgfältigen Prüfung des Einzelfalls.

Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um die Voraussetzungen für eine Rüge der Verletzung von Verfahrensgrundrechten im Rahmen einer Rechtsbeschwerde.

Grundsatz der materiellen Subsidiarität
BGH, Beschluss vom 29. Juli 2025 – VI ZB 31/24

Der VI. Zivilsenat bekräftigt seine ständige Rechtsprechung zur Zulässigkeit einer auf das Grundgesetz gestützten Verfahrensrüge in dritter Instanz.

Die Klägerin hat den Beklagten in einem Vorprozess wegen fehlerhafter zahnärztlicher Behandlung in Anspruch genommen. Ihre Klage ist erfolglos geblieben.

Nunmehr verlangt die Klägerin vom Beklagten Schadensersatz wegen Verfälschung der Behandlungsdokumentation. Das LG hat die Klage abgewiesen, weil der Streitgegenstand mit demjenigen des Vorprozesses identisch sei. Ergänzend hat es ausgeführt, die unzulässige Klage wäre auch unbegründet.

Nach Eingang der Berufungsbegründung hat das OLG die Klägerin darauf hingewiesen, es fehle an einer ordnungsgemäßen Begründung des Rechtsmittels, weil die Klägerin sich nur gegen die Erwägungen des Landgerichts zur Rechtskraft des Urteils aus dem Vorprozess wende, nicht aber gegen die Ausführungen zur Begründetheit der neuen Klage. Die Klägerin hat daraufhin geltend gemacht, ihre Berufung sei zulässig, und ihre Ausführungen zur Rechtskraft des früheren Urteils weiter vertieft. Das OLG hat die Berufung als unzulässig verworfen.

Die Rechtsbeschwerde der Klägerin bleibt schon aus formellen Gründen ohne Erfolg.

Der vom Bundesverfassungsgericht für Verfassungsbeschwerden entwickelte Subsidiaritätsgrundsatz fordert, dass ein Beteiligter über das Gebot der Erschöpfung des Rechtswegs im engeren Sinne hinaus alle nach Lage der Sache zur Verfügung stehenden prozessualen Möglichkeiten ergreifen muss, um eine Korrektur der geltend gemachten Grundrechtsverletzung zu erwirken oder eine solche zu verhindern. Der BGH wendet diesen Grundsatz seit längerem auch in Verfahren über Revisionen, Nichtzulassungsbeschwerden und Rechtsbeschwerden an.

In Anwendung dieses Grundsatzes lässt der BGH im Streitfall offen, ob die in dem Hinweis des OLG geäußerte Einschätzung zur Zulässigkeit der Berufung zutrifft. Die Klägerin darf eine aus einer diesbezüglichen Fehleinschätzung resultierende Verletzung ihrer Ansprüche auf rechtliches Gehör und wirkungsvollen Rechtsschutz schon deshalb nicht mehr geltend machen, weil sie in ihrer Stellungnahme zu dem Hinweis nicht auf die nach Auffassung des OLG ausschlaggebende Frage eingegangen ist, ob das Landgericht seine Entscheidung auf zwei selbständige Erwägungen gestützt hat.

Praxistipp: Die Entscheidung führt nochmals deutlich vor Augen, wie wichtig es ist, einem nach § 522 Abs. 1 oder 2 ZPO erteilten Hinweis des Berufungsgerichts hinsichtlich aller relevanten Aspekte entgegenzutreten, wenn die zu erwartende Entscheidung in dritter Instanz angefochten werden soll.

Streitwertreform – ein kleiner Wurf, der in der Praxis groß knirschen wird

Die geplante Anhebung der Streitwertgrenze auf 10.000 € (§ 23 Nr. 1 GVG im Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Änderung des Zuständigkeitsstreitwerts der Amtsgerichte, zum Ausbau der Spezialisierung der Justiz in Zivilsachen sowie zur Änderung weiterer prozessualer Regelungen) ist überfällig. Sie trägt der Inflation Rechnung und soll die Landgerichte entlasten. Gleichzeitig werden neue ausschließliche sachliche Zuständigkeiten beim Landgericht geschaffen. Aber wer meint, damit sei die Ziviljustiz schon auf Kurs gebracht, greift zu kurz. Aus der Praxis nur einige Punkte – nicht abschließend:

  1. Geringfügige Forderungen bis 5.000 €

Die EU hat es vorgemacht: Das europäische Verfahren für geringfügige Forderungen (VO [EU] 861/2007 in der Fassung VO (EU) 2015/2421) gilt inzwischen für Streitwerte bis 5.000 €. Auch national wäre eine solche Grenze folgerichtig und überlegenswert.

Zudem: Nicht alle Heilbehandlungssachen, die künftig streitwertunabhängig beim Landgericht anfallen sollen, sind komplex oder schwierig. Es gibt zweifellos Arzthaftungsprozesse, die beim Landgericht gut aufgehoben sind. Daneben gibt es zahlenmäßig eine ganze Reihe von Klein- und Kleinstforderungen – etwa Laborrechnungen oder Streitigkeiten um den Ansatz einzelner GOÄ-/GOZ-Ziffern. Solche Verfahren betreffen Selbstzahler, die überhöhte oder gar nicht erbrachte Rechnungspositionen entdecken, oder Versicherte, denen die Kosten von den Krankenversicherern nicht erstattet wurden. Die blinde Zuweisung aller dieser Prozesse an das Landgericht (mit Anwaltszwang) bläht den Aufwand für die Parteien auf, ohne dass dies der Spezialisierung nutzen dürfte.

Bei einer allgemeinen Zuweisung von geringfügigen Forderungen („Bagatellgrenze“) an das Amtsgericht, die auch alle „Spezialsachen“ bei diesem belässt, geht es nicht um eine „Massenvermehrung“ kleiner Verfahren, sondern um Gleichlauf mit Europa: Wenn europaweit bis 5.000 € vereinfachte Verfahrensregeln gelten, könnte das auch innerhalb der deutschen Ziviljustiz so sein. Auch für die Entwicklung und Erprobung eines Online-Verfahrens in der Zivilgerichtsbarkeit (RegE), die bei den Amtsgerichten erfolgen soll, erscheint es hilfreich, einen möglichst weiten thematischen Bereich von Zivilsachen abzudecken.

  1. Kleinstverfahren bis 1.000 €

Nach § 495a ZPO wird das Verfahren bei Streitverfahren bis 600 € nach billigem Ermessen geführt. Der Gedanke einer Inflationsbereinigung legt nahe, diese Grenze auf 1.000 € zu erhöhen, was dann auch für den Berufungsstreitwert gelten sollte. Zu überlegen wäre weiter, ob der Anspruch auf eine mündliche Verhandlung nur noch dann gegeben ist, wenn auch dies sachdienlich ist. Die Amtsgerichte werden dieses Kriterium mit Augenmaß handhaben, wenn Naturalparteien „gehört“ werden wollen und dies einen Erkenntnismehrwert verspricht. Im gleichzeitig unterbreiteten Vorschlag eines künftigen § 1127 ZPO-E (Regierungsentwurf zur Entwicklung und Erprobung eines Online-Verfahrens in der Zivilgerichtsbarkeit) wird dies für Onlineverfahren schon vorgeschlagen, sollte aber allgemein gelten.

  1. Spezialisierung nutzen – aber mit Maß

Der Entwurf verlagert sämtliche Heilbehandlungs-, Vergabe- und Veröffentlichungssachen streitwertunabhängig ans Landgericht. Daneben verbleibt es bei den überkommenen ausschließlichen Zuständigkeiten in § 72 GVG. Gleichzeitig entzieht der Entwurf den Landgerichten die in § 72a GVG streitwertabhängigen Spezialsachen, indem die Streitwertgrenze mit 10.000 € deutlich erhöht wird (z.B. bei Insolvenzsachen, Bausachen). Das passt nicht zusammen.

Verlagert man streitwertunabhängig Verfahren ans Landgericht, steigen für diese Aufwand und Kosten: Kein § 495a, Anwaltszwang nach § 78 ZPO, regelmäßige mündliche Verhandlung vor der Kammer. Für Parteien bedeutet das: häufig zahlen, auch wenn sie im Recht sind – weil für Kleinstbeträge kaum ein Anwalt zu finden ist und das Kostenrisiko abschreckt. Bürgernähe sieht anders aus.

Die Lösung: Die bestehenden ausschließlichen Zuständigkeiten des Landgerichts nach § 72 Abs. 2 ZPO sollten überprüft und nach Möglichkeit in die Bestimmung des § 72a GVG überführt werden; neue ausschließliche sachliche Zuständigkeiten beim Landgericht sind zu unterlassen. Für die Verfahren, die in eine Spezialzuständigkeit nach § 72a GVG fallen, sollte es bei geringfügigen Streitigkeiten (also bis 5.000 €) bei der Zuständigkeit des Amtsgerichts verbleiben. Kleine Heilbehandlungs-, Bau- und Insolvenzsachen (usw.) verbleiben damit beim Amtsgericht sowie alle sonstigen Verfahren bis 10.000 €, für die keine Spezialzuständigkeit nach § 72a GVG vorgesehen ist. Die Landgerichte behalten „ihre“ Verfahren im Anwendungsbereich ihrer Spezialisierung (was ein stetiges Fallaufkommen auch bei kleineren Landgerichten sicherstellt), gleichzeitig werden sie von allgemeinen Eingängen merklich entlastet. Daneben bedarf es keines Pflasters in Form der ausschließlichen Zuständigkeit des Amtsgerichts für nachbarrechtliche Ansprüche. Für diese gilt schlicht der Wert der Sache.

  1. Naturalparteien und die richterliche Fürsorgepflicht

Mit der Anhebung der Streitwertgrenze auf 10.000 € dürfte die Zahl der Naturalparteien steigen. Das klingt bürgerfreundlich – bedeutet in der Praxis aber mehr Aufgaben für das Gericht.

Denn nach § 139 ZPO trifft den Richter eine Hinweis- und Fürsorgepflicht: Sachvortrag ordnen, rechtliche Lücken aufzeigen, auf sachdienliche Anträge hinwirken. Wo Anwälte diese Filter- und Strukturarbeit nicht mehr übernehmen, muss am Amtsgericht der Richter diese Tätigkeit wohl vermehrt leisten, will man die rechtsschutzsuchenden Bürger nicht vor den Kopf stoßen.

Gerade deshalb braucht es Puffer: Entweder durch vereinfachte Verfahren mit geringeren Regeln (§ 495a ZPO reloaded) oder – als Alternative – durch einen Anwaltszwang ab 5.000 € auch vor dem Amtsgericht (was aber sehr gut überlegt sein sollte).

  1. Digitalisierung hilft – ersetzt aber nichts

Die eAkte ist vielerorts Realität, der elektronische Rechtsverkehr etabliert. Digitalisierung beschleunigt und erleichtert manche Abläufe – aber sie ersetzt nicht die Unmittelbarkeit der mündlichen Verhandlung.

Im Saal zeigt sich regelmäßig ein anderes Bild als in der Akte: Naturalparteien, die Struktur brauchen; Anwälte, die im Rechtsgespräch überzeugen, das Schaffen einer befriedigenden Lösung, die erst im persönlichen Austausch gelingt. Eine Videoverhandlung nach § 128a ZPO entfaltet nicht zuverlässig denselben Effekt, sie steht bei Lichte betrachtet dem schriftlichen Verfahren näher als der mündlichen Verhandlung. Die Vorstellung, die Digitalisierung würde den Zivilprozess retten, erscheint naiv.

Fazit:

Die 10.000-€-Grenze ist ein Schritt – aber kein großer Wurf. Ohne eine Bagatellgrenze (5.000 €), ohne Korrektur bei echten Kleinstverfahren (1.000 €) und ohne ehrliche Nutzung einer Spezialisierung wird die anstehende Reform mehr Lasten schaffen als sie beseitigt.

Bürgernähe heißt: einfach, wo es geht; spezialisiert, wo es nötig ist; unmittelbar, wo es zählt.

Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um die formellen Voraussetzungen einer Nichtzulassungsbeschwerde.

Beschwer bei vollständiger Abweisung einer Stufenklage mit Mindestbetrag
BGH, Beschluss vom 15. Mai 2025 – VI ZR 217/24

Der VI. Zivilsenat fasst die Rechtsprechung des BGH zusammen und zeigt die daraus resultierenden Folgen im Zusammenhang mit § 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO auf.

Die Klägerin begehrt im Wege der Stufenklage Auskunft über den Umfang der Speicherung und Weitergabe von personenbezogenen Daten und Zahlung von Ersatz für aus diesen Handlungen entstandene immaterielle Schäden in einer in das Ermessen des Gerichts gestellten Höhe, mindestens jedoch 19.500 Euro. Das LG hat die Klage insgesamt abgewiesen. Die Berufung der Klägerin blieb ohne Erfolg.

Der BGH verwirft die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin als unzulässig, weil der Wert der geltend zu machenden Beschwer den nach § 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO maßgeblichen Schwellenwert von 20.000 Euro nicht übersteigt.

Nach der Rechtsprechung des BGH bemisst sich die Beschwer bei der vollständigen Abweisung einer Stufenklage nach dem Wert des Hauptanspruchs. Dieser beträgt im Streitfall 19.500 Euro.

Die in den vorgelagerten Stufen geltend gemachten Ansprüche sind nicht werterhöhend zu berücksichtigen, weil sie nur vorbereitenden Charakter haben (BGH, B. v. 26.11.2020 – V ZR 87/20, Rn. 9 ff.).

Im Streitfall liegt eine Stufenklage vor, weil die Klägerin die Ansprüche auf Auskunft nur zur Vorbereitung des Schadensersatzanspruchs geltend gemacht hat. Dass sie ihr Begehren auf Art. 15 DSGVO gestützt hat und Ansprüche auf dieser Grundlage auch eigenständig geltend gemacht werden können, führt nicht zu einer abweichenden Beurteilung. Dasselbe gilt für den Umstand, dass die Klägerin einen vom Ergebnis der Auskunft unabhängigen Mindestbetrag verlangt hat.

Praxistipp: Ein Beschwerdeführer, der in den Vorinstanzen einen 20.000 Euro nicht übersteigenden Betrag als Streitwert vorgeschlagen oder einer entsprechenden Festsetzung nicht entgegengetreten ist, darf in der Revisionsinstanz grundsätzlich nicht geltend machen, seine Beschwer übersteige diesen Betrag.

OLG Nürnberg: Streitwert eines Tatbestandsberichtigungsverfahrens in Beschwerdeinstanz

Nach Erlass eines nicht angefochtenen Urteils durch ein LG beantragten die beiden Beklagten die Berichtigung des Tatbestandes (§ 320 ZPO). Der Antrag wurde vom LG zurückgewiesen. Die dagegen erhobene sofortige Beschwerde wurde vom OLG Nürnberg (Beschl. v. 14.3.2025 – 8 W 332/25) auf die Kosten der Beklagten (§ 97 I ZPO) verworfen. Die Klägervertreter beantragten daraufhin die Festsetzung des Gegenstandswertes für ihre anwaltliche Tätigkeit im Beschwerdeverfahren. Das OLG Nürnberg setzte diesen auf 10 % der Klageforderung fest.

Für die Gerichtskosten war die Festsetzung eines Gegenstandswertes entbehrlich (§ 63 Abs. 2 GKG), da insoweit eine Festgebühr für eine erfolglose Beschwerde zu erheben ist (Anlage 1 Nr. 1812 GKG). Der Antrag rechtfertigt sich jedoch nach § 33 Abs. 1, 23 Abs. 2 S. 1, Abs. 3 S. 2 RVG. Bei der Tatbestandsberichtigung ist das Änderungsinteresse zu schätzen. Da eine Tatbestandsberichtigung nicht zu einer Änderung des Urteils führt (§ 320 Abs. 4 ZPO), kann nur auf einen Bruchteil der Hauptsache abgestellt werden. Da das Urteil rechtskräftig geworden ist, sind die Auswirkungen der begehrten Tatbestandsberichtigung auf die Beklagten als gering einzuschätzen. Damit kann das Interesse der Beklagten auf 10 % der Beschwer aus dem Urteil geschätzt werden. N.B.: Bei einem Tatbestandsberichtigungsverfahren, das in der Instanz verbleibt, fallen keine weiteren Anwaltskosten an, da ein solches Verfahren zur Instanz gehört (§ 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 RVG).

Daraus folgt: Wenn ein Rechtsmittel gegen das Urteil eingelegt wurde, wird das Interesse regelmäßig höher als mit 10 % zu bewerten sein; jedenfalls mit 20 %. In allen Fällen aber gilt: Der Streitwert für ein in die Beschwerdeinstanz gelangtes Tatbestandsberichtigungsverfahren beträgt nur einen Bruchteil der Hauptsache.

Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um prozessuale Aspekte der Schadensberechnung bei Ansprüchen auf Ersatz von Reparaturkosten.

Abrechnung auf Gutachtenbasis und Feststellung der Ersatzpflicht für weitere Schäden
BGH, Urteil vom 8. April 2025 – VI ZR 25/24
BGH, Urteil vom 25. März 2025 – VI ZR 277/24

Der VI. Zivilsenat räumt dem Unfallgeschädigten eine weitreichende Wahlmöglichkeit ein – und zeigt deren Grenzen auf.

In beiden Fällen begehrte die jeweils klagende Partei nach einem Verkehrsunfall Ersatz von Reparaturkosten auf der Grundlage eines Sachverständigengutachtens. Ergänzend beantrage sie jeweils die Feststellung, dass die Beklagte zum Ersatz weiterer Schäden verpflichtet ist. Die Zahlungsklagen hatten im Wesentlichen Erfolg. Die Feststellungsanträge blieben in der Berufungsinstanz erfolglos.

Der BGH gibt der Klägerin im ersten Fall recht. Im zweiten Fall weist er die Revision zurück.

Nach allgemeinen Grundsätzen ist eine Klage auf Feststellung der Pflicht zum Ersatz weiterer Schäden nach Verletzung eines absoluten Rechts zulässig, wenn die Möglichkeit besteht, dass solche Schäden eintreten. An dieser Möglichkeit fehlt es nur dann, wenn aus Sicht des Klägers bei verständiger Würdigung kein Grund besteht, mit dem Eintritt eines weiteren Schadens wenigstens zu rechnen.

Ein Geschädigter, der auf Ersatz von Reparaturkosten für ein beschädigtes Fahrzeugt klagt, kann seinen Schaden wahlweise auf der Grundlage eines Sachverständigengutachtens oder auf der Grundlage der tatsächlich aufgewendeten Kosten berechnen. Nur im zuletzt genannten Fall kann er auch Ersatz angefallener Umsatzsteuer begehren.

Wenn der Geschädigte seinen Schaden auf Basis eines Gutachtens abgerechnet hat, ist er innerhalb der Verjährungsfrist nicht gehindert, später auf Basis der tatsächlich angefallenen Kosten abzurechnen und den Schädiger wegen eines sich daraus ergebenden Differenzbetrags in Anspruch zu nehmen.

Vor diesem Hintergrund hat ein Kläger, der Ersatz auf Grundlage eines Gutachtens begehrt, grundsätzlich ein Interesse an der Feststellung der Pflicht zum Ersatz künftiger Schäden. Anders als bei der Wahl zwischen großem und kleinem Schadensersatz in Dieselfällen (dazu BGH, Urt. v. 5.10.2021 – VI ZR 136/20, MDR 2021, 1457 Rn. 18 ff.) muss sich der Geschädigte in solchen Fällen bei Klageerhebung nicht endgültig auf eine Berechnungsart festlegen.

Unzulässig ist ein Feststellungsantrag in der Konstellation der beiden Streitfälle nur dann, wenn aus Sicht des Geschädigten bei verständiger Würdigung kein Grund besteht, mit einer Reparatur wenigstens zu rechnen.

Im ersten der beiden Fälle (Urteil vom 8.4.2025) war dieser Ausnahmetatbestand nicht erfüllt. Der von der Beklagten geltend gemachte Umstand, dass das beschädigte Fahrzeug bereits dreizehn Jahre alt ist und eine Laufleistung von mehr als 250.000 Kilometer aufweist, schließt eine Reparatur nicht aus.

Anders lagen die Dinge im zweiten Fall (Urteil vom 25.3.2025). Dort hatte der Kläger das beschädigte Fahrzeug im Laufe des Rechtsstreits veräußert. Dass vor Veräußerung eine Reparatur durchgeführt worden war, konnte er nicht beweisen.

Praxistipp: Veräußert der Kläger das Fahrzeug während des Rechtsstreits in nicht repariertem Zustand, sollte der Feststellungsantrag zur Vermeidung von Kostennachteilen für erledigt erklärt werden.

Anwaltsblog 27/2024: Wiedereinsetzung bei Störung des Intermediärs der Justiz

Ob einer Partei Wiedereinsetzung zu gewähren ist, wenn die elektronische Einreichung am Tage des Fristablaufs wegen einer technischen Störung auf Seiten des Gerichts nicht möglich war, hatte das OLG Celle zu entscheiden (OLG Celle, Beschluss vom 03.06.2025 – 14 U 226/24):

 Für die Beklagte und Berufungsklägerin lief die Frist zur Berufungsbegründung am 20.02.2025 ab. Ihr Prozessbevollmächtigter versuchte an diesem Tag vergeblich um 21:56 Uhr, 22:36 Uhr, 23:06 Uhr, 23:50 Uhr und 23:58 Uhr, die Berufungsbegründung mittels beA an das OLG zu übersenden. Der Intermediär des OLG war zwischen dem 20.02.2025 um 21:56 Uhr und 13:08 Uhr am 21.02.2025 nicht erreichbar. Der Prozessbevollmächtigte erhielt die Nachricht: „Oberlandesgericht Celle (29221 Celle) F001 Die Nachricht konnte nicht an den Intermediär des Empfängers übermittelt werden Fehlerhaft“ Eine beA-Störung des EGVP-Servers des OLG wurde auf keinem der üblichen Portale ausgewiesen, der Prozessbevollmächtigte konnte am Abend des Fristablaufs weitere beA-Nachrichten bei anderen Gerichten erfolgreich einreichen. Ausweislich der vorgelegten Ausdrucke wurde die Störung der Justiz-IT bei dem OLG Celle erst seit dem 21.02.2025 ausgewiesen; dort hieß es: „ACHTUNG: Eingeschränkte Erreichbarkeit der Justiz in Niedersachsen seit 20.02.2025, 20:44 Uhr – Ursache: Störung der Justiz-IT – Seit 20.02.2025, 20:44 Uhr treten Einschränkungen beim Versand an Gerichte und Behörden in Niedersachsen auf.“ Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten musste an dem in Rede stehenden Abend Schriftsätze mit Umfängen von 75 Seiten bzw. 112 Seiten übermitteln. Da die übliche Fax-Zeit 30 sec. pro Seite betrage, sei ihm eine Ersatzeinreichung per Telefax nicht fristwahrend möglich gewesen, nachdem auch um 23:06 Uhr die Einreichung per beA aufgrund der Störung unmöglich war.

 Der Beklagten ist Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist zu gewähren, weil sie gemäß § 233 Satz 1 ZPO ohne ihr Verschulden daran gehindert war, die Berufungsbegründungsfrist einzuhalten. Die Störung des Intermediärs der Niedersächsischen Justiz am Abend des 20.02.2025 stellte eine Verhinderung des fristgerechten Zugangs dar, der dem Verantwortungsbereich des Gerichts zuzuordnen ist. Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten war daher nicht in der Lage, gemäß § 130d S. 1 ZPO den relevanten Schriftsatz fristgereicht einzureichen. Zwar normiert § 130d S. 2 ZPO, dass in diesen Fällen die Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften zulässig bleibt – eine gesetzliche Pflicht zur fristgemäßen Ersatzeinreichung bei Vorliegen einer vorübergehenden technischen Störung lässt sich daraus jedoch dann nicht ableiten, wenn die Störung – wie hier – nicht der Partei des Rechtsstreits, sondern dem Gericht zuzurechnen ist. Ist wegen einer technischen Störung auf Seiten der Justiz keine Kommunikation mit dem Gericht möglich, besteht wegen einer darauf beruhenden Fristversäumnis ein Wiedereinsetzungsgrund. Der Absender muss dann auch keine andere Art der Einreichung wählen. Ob eine Ersatzeinreichung möglich, zumutbar und deshalb geboten ist, ist nach dem Verschuldensmaßstab des § 233 ZPO und den Umständen des jeweiligen Einzelfalles zu beurteilen. Zudem sind die Gerichte nach dem aus Art. 2 Abs 1 GG iVm dem Rechtsstaatsprinzip verbürgten Recht auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes gehalten, bei der Anwendung der Vorschriften über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand die Anforderungen an das, was der Betroffene zur Fristwahrung veranlasst haben muss, nicht zu überspannen. Vorliegend resultierte die Störung eindeutig aus dem Bereich des Gerichts. Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten hat nach seinem glaubhaft gemachten Vortrag noch bis zum Ablauf der Berufungsbegründungsfrist versucht, den relevanten Schriftsatz auf dem gesetzlich vorgeschriebenen, elektronischen Wege über das beA einzureichen. Er war auch nicht gehalten, frühzeitig eine Ersatzeinreichung iSd. § 130d S. 2 ZPO zu beginnen, denn zum einen durfte er die Rechtsmittelbegründungsfrist bis zum Ende ausschöpfen, zum anderen durfte er darauf vertrauen, dass die Störung der gerichtlichen Erreichbarkeit bis zum Ablauf der Frist behoben sein würde. Ferner ist in die Betrachtung einzubeziehen, dass die Störung des Intermediärs noch nicht auf den üblichen Portalen gemeldet war – dies erfolgte erst am Folgetag bei Anhalten der technischen Störung – und es daher für den Parteivertreter offen war, ob er das Vorliegen der nur vorübergehenden technischen Störung im Verantwortungsbereich des Gerichts würde beweisen können, was für die Zulässigkeit einer wirksamen Ersatzeinreichung nach § 130 d S. 2 ZPO erforderlich gewesen wäre. Bei einer ex-ante-Betrachtung aller Umstände des hier zu betrachtenden Einzelfalls war daher von einem unverschuldeten Versäumen der Frist auszugehen, sodass der Beklagten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren war.

Fazit: Ist wegen einer technischen Störung auf Seiten der Justiz keine Kommunikation mit dem Gericht möglich, besteht wegen einer darauf beruhenden Fristversäumnis ein Wiedereinsetzungsgrund. Der Absender muss dann auch keine andere Art der Einreichung wählen. Eine gesetzliche Pflicht zur fristgemäßen Ersatzeinreichung bei Vorliegen einer vorübergehenden technischen Störung lässt sich aus § 130 d S. 2 ZPO jedenfalls dann nicht ableiten, wenn die Störung – wie hier – nicht der Partei des Rechtsstreits, sondern dem Gericht zuzurechnen ist.

Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um die Statthaftigkeit eines Einspruchs gegen ein Versäumnisurteil im schriftlichen Vorverfahren.

Einspruch gegen Versäumnisurteil im schriftlichen Vorverfahren
BGH, Urteil vom 11. Juni 2025 – IV ZR 83/24

Der IV. Zivilsenat entscheidet eine bislang umstrittene Rechtsfrage.

Der Kläger macht als Insolvenzverwalter gegen die Beklagte aus übergegangenem Recht einen Deckungsanspruch aus einer Vermögensschadenhaftpflichtversicherung für Geschäftsführer (D&O-Versicherung) in Höhe von 2 Millionen Euro geltend. Das LG hat das schriftliche Vorverfahren angeordnet und nach Ablauf der Frist für die Anzeige der Verteidigungsbereitschaft ein Versäumnisurteil erlassen. Dieses ist dem Kläger am 17. und der Beklagten am 19. Februar 2021 zugestellt worden. Am 18. Februar 2021 hat die Beklagte Einspruch „gegen ein möglicherweise bereits ergangenes Versäumnisurteil eingelegt. Am 4. Mai 2021 hat sie Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und erneut Einspruch eingelegt. Das LG hat das Versäumnisurteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Das OLG hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt.

Der BGH verweist die Sache an das OLG zurück.

Entgegen der Auffassung des OLG war der am 18. Februar 2021 eingelegte Einspruch statthaft. Ein im schriftlichen Verfahren ergangenes Versäumnisurteil wird zwar erst dann wirksam, wenn es allen Parteien zugestellt ist. Ein Einspruch gegen ein solches Urteil ist aber jedenfalls vom Zeitpunkt der ersten Zustellung an statthaft. Von diesem Zeitpunkt an kann das Gericht seine Entscheidung nicht mehr abändern. Spätestens dann gibt es keinen zureichenden Grund mehr, einer durch das Urteil beschwerten Partei die Einlegung eines Rechtsmittels zu verwehren.

Praxistipp: Trotz der Entscheidung des BGH sollte ein „auf Verdacht“ eingelegter Einspruch umgehend wiederholt werden, sobald das Versäumnisurteil der Partei zugestellt worden ist – und die Partei gebeten werden, die Zustellung sofort mitzuteilen. Ergänzende Ermittlungen, ob und zu welchem Zeitpunkt das Urteil den anderen Parteien zugestellt wurde, sind hingegen nicht erforderlich.

BGH: Wert der Beschwer für die Berufungsinstanz

Die Parteien sind Nachbarn. An Sylvester schoss der Kläger auf seinem Grundstück Böller ab. Die Beklagte sorgte sich um ihre Tiere (Pferde und Hunde) und fertigte Videoaufnahmen des Klägers an. Der Kläger erhob anschließend Klage und beantragte u. a., die Beklagte zu verurteilen, die aufgenommenen Bilder zu löschen und nicht zu verbreiten sowie es zukünftig zu unterlassen, Bilder des Klägers auf dessen Privatgrundstück anzufertigen. Darüber hinaus verlangte er Rechtsanwaltskosten aus einem Wert in Höhe von 5.000,00 Euro. Die Klage hatte Erfolg. Die Beklagte legte Berufung ein. Diese wurde von dem LG verworfen, weil die Beklagte nicht mit mehr als 500 Euro beschwert sei, weil der Wert des Löschungsanspruch diesen Wert nicht überschreite.

Die Beklagte legte die diesbezüglich stets zulässige (§ 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) Nichtzulassungsbeschwerde ein und hatte damit Erfolg. Die Sicht des LG verletzt die Beklagten in ihrem Verfahrensgrundrecht auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutz, da es den Zugang zu einer grundsätzlich eingeräumten zweiten Instanz in nicht zu rechtfertigender Weise erschwert. Das LG hat das Rechtsschutzziel der Beklagten nicht vollständig berücksichtigt. Es hat vorliegend lediglich den Anspruch auf Löschung berücksichtigt und diesen mit weniger als 500,00 Euro bewertet. Zu dem gleichzeitig geltend gemachten Anspruch auf Unterlassung hat es nichts gesagt. Deshalb kann es nicht ausgeschlossen werden, dass das LG, hätte es diesen Anspruch berücksichtigt, zu einer höheren Beschwer der Beklagten als die erwähnten 500 Euro gekommen wäre. Der BGH (Beschl. v. 25.3.2025 – VI ZB 32/24, MDR 2025, 879) setzte schließlich den Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren auf 1.000 Euro fest. Daraus folgt wohl, dass er den Unterlassungsanspruch in derselben Höhe bewerten möchte wie den Löschungsanspruch.

Obiter weist der BGH noch auf Folgendes hin: Da das AG die § 708 Nr. 11 und § 711 S. 1 ZPO bei der vorläufigen Vollstreckbarkeit angewendet hatte, musste das LG davon ausgehen, dass das AG nicht über die Zulässigkeit der Berufung entschieden hat (§ 511 Abs. 4 ZPO), weil es davon ausging, die Entscheidung unterliege ohnehin der Berufung. In einem solchen Fall muss das Rechtsmittelgericht nach ständiger Rechtsprechung vor einer Verwerfung des Rechtsmittels die Zulassungsprüfung nachholen. Dies allein rechtfertigt jedoch noch nicht eine unzumutbare Erschwerung des Zugangs zu der Berufungsinstanz. Notwendig hierfür wäre vielmehr, dass tatsächlich ein Zulassungsgrund vorliegt. Ein solcher war aber hier nicht ersichtlich und wurde auch von der Rechtsbeschwerde nicht dargelegt.

Fazit: Bei der Festsetzung des Streitwertes sowie auch des Wertes einer Beschwer sind stets alle Anträge zu berücksichtigen!

LG Frankfurt a. M.: E-Mail-Kommunikation mit dem Mandanten

Bei einer Entscheidung des LG Frankfurt a. M. (Beschl. v. 3.4.2025 – 2-13 T 21/25)  ging es obiter um eine Wiedereinsetzungsfrage im Zusammenhang mit einer Beschlussanfechtungsklage nach dem WEG, vgl. § 45 S. 2 WEG. Die Frist war versäumt worden. Der Rechtsanwalt hatte dem Mandanten rechtzeitig eine Mail mit der gerichtlichen Vorschussrechnung geschickt und darauf hingewiesen, dass der Vorschuss rechtzeitig einzuzahlen ist. Diese Mail war jedoch in dem SPAM-Ordner des Mandanten gelandet und blieb deshalb unbeachtet. Dies wurde erst zu spät im Rahmen eines Gesprächs zwischen Rechtsanwalt und Mandanten bemerkt.

Das LG Frankfurt a. M. erinnert in diesem Zusammenhang im Rahmen einer Beschwerdeentscheidung an die Rechtsprechung des BGH (Beschl. v. 18.11.2021 – I ZR 125/21, MDR 2022, 788), wonach der Versand einer einfachen E-Mail an den Mandanten nicht ausreicht, um bei fristgebundenen Nachrichten der Pflicht des Rechtsanwalts zu genügen. Vielmehr muss die Kenntnisnahme derartiger Nachrichten sichergestellt werden. Es muss also entweder eine Lesebestätigung angefordert werden oder bei dem Mandanten nachgefragt werden.

Im konkreten Fall sieht es daher für die beantragte Wiedereinsetzung schlecht aus. Wegen Besonderheiten des WEG-Verfahrens konnte diese Frage allerdings im konkreten Fall in der Beschwerdeinstanz unentschieden bleiben.

Fazit: Der Rechtsanwalt sollte sich somit bewusst sein, dass die heute übliche E-Mail-Kommunikation mit dem Mandanten in manchen Fällen durchaus besondere Haftungsrisiken mit sich bringt.