Lieferkettenrechtsreform in Permanenz

Das Lieferkettenrecht kommt nicht zur Ruhe, so dass obige Anleihe bei Wolfgang Zöllners bekanntem bon mot zulässig erscheint (vgl. Zöllner, Aktienrechtsreform in Permanenz – Was wird aus den Rechten der Aktionäre?, AG 1994, 336). Sowohl auf europäischer als auch auf nationaler Ebene schreiten die Arbeiten an einer Überarbeitung des Lieferkettenrechts voran. Für die zukünftige Gestalt des Lieferkettenregimes bundesdeutscher Unternehmen von besonderer Bedeutung sind insbesondere die gegenwärtig auf europäischer Ebene laufenden, nicht friktionsfreien Abstimmungen zur Positionierung des Europäischen Parlaments zum Omnibus-Rechtsakt der Kommission für eine Modernisierung bzw. Entschärfung der Lieferkettensorgfaltspflichten-Richtlinie (Corporate Sustainability Due Diligence Directive (EU) 2024/1760 – CS3D) sowie auf nationaler Ebene die Stellungnahme des Bundesrats zum Regierungsentwurf zur Änderung des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes – Entlastung der Unternehmen durch anwendungs- und vollzugsfreundliche Umsetzung (zum RegE des LkSG-Änderungsgesetzes vgl. Haug, GmbHR 2025, R292; Fitzer/Theusinger, DB 2025, 2622; Reich, AG 2025, R299). Im Folgenden wird ein Überblick über den aktuellen Stand der beiden Gesetzgebungsverfahren, der notwendig Momentaufnahme ist, gegeben und ein vorsichtiger Ausblick auf die weitere Entwicklung gewagt.

Europäisches Lieferkettenrecht / CS3D – Nachschärfungen des Rechtsausschusses durch EP (vorerst) abgelehnt

Während die CS3D bei ihrer Verabschiedung noch als historischer Erfolg gefeiert wurde, ist die Anfangseuphorie bekanntlich einer zunehmend nüchternen bis kritischen Haltung gewichen, wofür nicht zuletzt nicht unbegründete Zweifel an einer sinnvollen Aufwands-/Ertrags-Relation des komplexen CS3D-Regimes verantwortlich zeichnen. In Reaktion auf diese lauter werdende Kritik hat die Kommission bereits zu Beginn des Jahres ihre umfassenden Omnibus-Vorschläge vorgelegt, die im Interesse der Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen u.a. im Bereich der CS3D zum Teil signifikante Erleichterungen für die betroffenen Unternehmen vorsehen (vgl. hierzu etwa J. Schmidt, NZG 2025, 289; Jaspers, AG 2025, R107). Für das Europäische Parlament als zweiten wesentlichen Akteur des europäischen Trilogverfahrens hat unlängst zunächst dessen Rechtsausschuss die Omnibus-Vorschläge im Grundsatz begrüßt, gleichzeitig aber noch über die Pläne der Kommission hinausgehend weitere Erleichterungen für betroffene Unternehmen gefordert bzw. vorgeschlagen (vgl. EP – Sustainability reporting and due diligence: simpler rules for fewer companies, Press Release v. 13.10.2025), im Einzelnen:

  1. Der Anwendungsbereich des europäischen Lieferkettenregimes soll deutlich beschränkt werden auf Unternehmen mit mehr als 5.000 (bisher 1.000) Mitarbeitern und einem Umsatz von mehr als EUR 1,5 Milliarden (bisher EUR 450.000.000). Erste Schätzungen gehen davon aus, dass unter Berücksichtigung dieser Schwellenwerte in der Bundesrepublik nur noch ca. 150 Unternehmen den europäischen Due Diligence-Pflichten unterliegen würden.
  2. Stärkung des risikobasierten Ansatzes der CS3D: Quasi im Sinne einer Fokussierung auf das Wesentliche sollen Unternehmen nur noch dann Prüfungspflichten gegenüber den Unternehmen in ihrer Liefer- bzw. Wertschöpfungskette treffen, wenn Anhaltspunkte für eine Verletzung elementarer, durch die CS3D geschützter Rechtsgüter vorliegen, das bisherige Regel- also zu einem bloß anlassbezogenen Reporting herabgestuft werden, was auch auf der Linie des RegE eines Änderungsgesetzes zum LkSG liegen würde (vgl. unten). Zusätzlich soll durch die neue Kategorie der reasonable available information der trickle down-Effekt reduziert werden.
  3. Das „Ob“ und die inhaltliche Ausgestaltung einer zivilrechtlichen Haftung von CS3D-pflichtigen Unternehmen wegen Verstoßes gegen ihre Due Diligence-Pflichten sollen den Mitgliedstaaten überlassen bleiben, was allerdings auch die Omnibus-Entwürfe durch die geplante Streichung von Art. 29 Abs. 1 CS3D bereits abbilden. Hinsichtlich einer möglichen zivilrechtlichen Haftung für Verstöße gegen die lieferkettenbezogenen Sorgfaltspflichten soll sich die Richtlinie nach Auffassung des Rechtsausschusses auf die Konturierung eines groben Rahmens beschränken. Konkret sollen insbesondere der Maximalbetrag einer zivilrechtlichen Haftung auf 5% des globalen Umsatzes beschränkt und im Übrigen den Mitgliedstaaten Handreichungen für die Bestimmung der Haftungshöhe im Einzelfall zur Verfügung gestellt werden
  4. Festhalten möchten die Vorschläge des Rechtsausschusses demgegenüber an der gleichfalls umstrittenen Verpflichtung CS3D-pflichtiger Unternehmen, einen Emissionsreduktionsplan in Übereinstimmung mit den Vorgaben des Übereinkommens von Paris zu erstellen (vgl. Art. 22 CS3D). Allerdings sieht der Rechtsausschuss drei signifikante Modifikationen der lex lata vor: (1) In Übereinstimmung mit den Omnibus-Vorschlägen soll klargestellt werden, dass Art. 22 CS3D keine unmittelbare Verpflichtung zur Umsetzung der Maßnahmen des Emissionsreduktionsplans begründet, (2) soll die aktuelle best efforts zu einer reasonable efforts-Verpflichtung herabgestuft werden, was insbesondere auch Gelegenheit für eine Nachschärfung der unglücklichen deutschen Sprachfassung („alles in ihrer Macht stehende“) geben würde und (3) soll Referenz nicht das 1,5 Grad-Ziel des Pariser Abkommens sein, sondern das Pariser Abkommen an sich sein, das auch alternative, weniger ambitionierte Zielwerte kennt.

Trotz im Regelfall faktisch verbindlicher Vorabstimmung zwischen den Fraktionen und einer vermeintlichen Mehrheit der informellen Koalition aus EVP, S&D und Liberalen hat allerdings das Europäische Parlament den Vorschlägen seines Rechtsausschusses die Gefolgschaft versagt und diese am 22.10.2025 mit 318 zu 309 Stimmen abgelehnt. Dem Vernehmen nach sollen bei dieser überraschenden Entscheidung nicht nur inhaltliche Erwägungen, sondern auch Unstimmigkeiten über die Verhandlungsführung zwischen den Fraktionen eine Rolle gespielt haben (vgl. van Rinsum, TAZ v. 22.10.2025). Es bleibt insoweit abzuwarten, ob das Plenum des Europäischen Parlaments, das zumindest in der Vergangenheit ein besonders vehementer Befürworter einer strengen Lieferkettenregulierung war, den Plänen des Rechtsausschusses in einer erneuten Befassung im November doch noch zustimmt oder aber diese erneut verwirft und möglicherweise aus dem Plenum eigenständige Alternativen zum Omnibus-Entwurf in den Trilogverhandlungen präsentiert werden.

LkSG – Bundesrat für weitere Erleichterungen im Gesetz zur Änderung des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes

Anfang September 2025 hat zudem die Bundesregierung den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Lieferkettengesetzes – Entlastung der Unternehmen durch anwendungs- und vollzugsfreundliche Umsetzung beschlossen, das erkennbar einen Kompromiss zwischen der in der letzten Legislaturperiode geforderten vollständigen Abschaffung des LkSG und dessen unmodifizierter Fortgeltung darstellt. Die beabsichtigte Entlastung LkSG-pflichtiger Unternehmen soll einerseits durch Entfall der Berichtspflichten über die Einhaltung der Sorgfaltspflichten und andererseits durch deutliche Reduzierung der Bußgeldtatbestände des LkSG erreicht werden. Im Einzelnen sieht das LkSG-Änderungsgesetz zunächst eine Streichung des Berichts nach § 10 Abs. 2-4 LkSG vor, die rückwirkend auch Berichtszeiträume ab dem 1.1.2023 erfassen soll. In Konsequenz der Streichung der Berichtspflicht entfallen auch die §§ 12, 13 LkSG (= Abschnitt 4, Unterabschnitt 1 LkSG), die die behördliche Kontrolle der Einhaltung der Berichtspflichten zum Gegenstand haben. Bestehen bleiben sollen demgegenüber die lieferkettenbezogenen Dokumentationspflichten nach § 10 Abs. 1 LkSG.

Zweiter Schwerpunkt des Regierungsentwurfs ist eine signifikante Ausdünnung des Bußgeldkatalogs des § 24 LkSG. Von den bisher 13 Bußgeldtatbeständen sollen lediglich vier beibehalten werden: Das Unterlassen oder verspätete Ergreifen von Präventions- bzw. Abhilfemaßnahmen in Bezug auf menschenrechtliche Risiken, die nicht rechtzeitige Erstellung oder Umsetzung eines menschenrechtlichen Konzepts sowie Verstöße gegen die Verpflichtung zur Einrichtung eines unternehmenseigenen Beschwerdeverfahrens nach § 8 Abs. 1 Satz 1, § 9 Abs. 1 LkSG. Unter anderem Versäumnisse bei Risikomanagement und -analyse würden damit nicht mehr als Ordnungswidrigkeiten geahndet. Im Hintergrund steht die Überlegung der Bundesregierung, dass die Bebußung ultima ratio sein und deshalb nur bei schwerwiegenden Verstößen gegen zentrale Sorgfaltspflichten des LkSG verhängt werden sollte (vgl. RegE LkSG-Änderungsgesetz, S. 9), In Übereinstimmung mit dem Koalitionsvertrag sollen allein schwerste Menschenrechtsverletzungen als schwerwiegende LkSG-Verstöße gelten (vgl. Verantwortung für Deutschland, Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD, S. 60). Praktisch bedeutet dies vor allem, dass Verstöße gegen umweltbezogene Sorgfaltspflichten nach LkSG nicht mehr als Ordnungswidrigkeit geahndet werden könnten.

Rezeption des RegE und Stellungnahme des Bundesrats

Wie bei einem politisch schon im Grundsätzlichen äußerst umstrittenen Gesetz wie dem LkSG nicht anders zu erwarten, sind die Vorschläge auf ein geteiltes Echo gestoßen. Während von Unternehmensseite die Änderungen zwar begrüßt, aber in Teilen als viel zu oberflächlich kritisiert wurden („große Chance zum Bürokratieabbau und für betriebliche Entlastung verpasst“, Stellungnahme BDA, S. 2), sind die Entschärfungen bei Umwelt- und Sozialverbänden und in Reihen der „grünen Wirtschaft“ auf scharfe Kritik gestoßen („inakzeptabler Rückschritt für Menschenrechte und Umweltschutz in globalen Lieferketten“, Stellungnahme Bundesverband Nachhaltige Wirtschaft, S. 2). Vor diesem Hintergrund darf daher auch die jüngst veröffentlichte Stellungnahme des Bundesrats mit einem geteilten und pointierten Echo rechnen (Stellungnahme des Bundesrates zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes v. 17.10.2025, BR-Drucks. 422/25). Die Länderkammer begrüßt einerseits die grundsätzliche Stoßrichtung, die Lieferkettenregulierung zu begrenzen, hält aber andererseits die Vorschläge des Regierungsentwurfs mit Teilen der Wirtschaft für nicht ausreichend. Wohl unter Orientierung an den Plänen des Rechtsausschusses des EP schlägt der Bundesrat insbesondere die folgenden Maßnahmen vor:

  1. Die Anwendungsbereiche von CS3D und LkSG sollen durch Anpassung von § 1 LkSG an Art. 2 CS3D harmonisiert werden, was auf Grundlage der Vorschläge des Rechtsausschusses des EP eine Begrenzung auf Unternehmen mit mehr als 5.000 Mitarbeitern und mehr als EUR 1,5 Mrd. Umsatz, anderenfalls auf Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitern und einem Umsatz von mehr als EUR 450.000.000 bedeuten würde (aktuell erfasst das LkSG Unternehmen mit im Durchschnitt mehr als 1.000 Arbeitnehmern im Inland, § 1 LkSG).
  2. Nach dem Vorbild der (Pläne zur) CS3D soll der risikobasierte Ansatz auch im LkSG spürbar aufgewertet bzw. ausgebaut werden. Insbesondere wenn Unternehmen der Lieferkette in „unproblematischen“ Sitzstaaten ansässig sind, erwartet man sich hiervon eine spürbare Reduktion der laufenden bzw. anlassunabhängigen Due Diligence-Pflichten der LkSG-pflichtigen Unternehmen.

Ausblick

Auch wenn sich Gegner und Befürworter der Lieferkettenregulierung nach wie antagonistisch gegenüberstehen, zeichnet sich ab, dass weitgehende Forderungen nach einer kompletten Abschaffung der Lieferkettengesetze zumindest bis auf Weiteres keine Aussicht auf Erfolg im politischen Raum haben. Vielmehr ist damit zu rechnen, dass sowohl auf nationaler wie auch der mittelfristig entscheidenden europäischen Ebene die Lieferkettenregulierung in Teilen zurückgenommen bzw. für die betroffenen Unternehmen abgemildert, in ihren Grundzügen aber Bestand haben wird. Über das finale Ausmaß der Korrekturen – insbesondere der weitreichenden CS3D – wird nicht zuletzt entscheiden, ob der aktuelle Widerstand des Europäischen Parlaments gegen die Vorschläge seines Rechtsausschusses primär prozessualen Unstimmigkeiten geschuldet ist oder ob weite Teile des Parlaments auch in seiner neuen Zusammensetzung weiterhin grundsätzliche Anhänger eines möglichst umfassenden und strengen Ansatzes sind. Unabhängig von der politischen Positionierung sollte zumindest daran festgehalten werden, einen weitgehenden Gleichlauf von CS3D und LkSG bzw. zukünftigem Umsetzungsgesetz anzustreben. Differierende Standards und Anforderungen in den einzelnen Mitgliedstaaten würden bei dieser notwendig grenzüberschreitenden Regulierung zu einem exponentiellen Anstieg des Aufwands für die betroffenen Unternehmen schon im Gebiet des gemeinsamen Binnenmarktes führen, ohne dass dem ein sichtbarer Mehrwert gegenüberstehen würde.

(Keine) Einbeziehung der Finanzbranche in die CS3D?

Am 14.12.2023 haben der Europäische Rat und das Europäische Parlament eine vorläufige Einigung über die Richtlinie über die Sorgfaltspflichten von Unternehmen im Hinblick auf Nachhaltigkeit (Corporate Sustainability Due Diligence Directive, „CS3D“) erzielt. Die formelle politische Einigung über die Richtlinie im Rat steht zwar noch aus, ein entsprechendes Draft Agreement wurde aber bereits veröffentlicht. Bis zuletzt war zwischen Parlament und Rat, aber auch unter den einzelnen EU-Mitgliedstaaten umstritten, ob bzw. inwieweit die CS3D die Finanzbranche einbeziehen soll. Während sich das Parlament für eine möglichst umfassende Regulierung einsetzte, plädierten die Mitgliedstaaten für Ausnahmen für Finanzakteure. Das Draft Agreement sieht nun eine Kompromisslösung vor.

Einbeziehung bestimmter regulierter Finanzunternehmen

Nach Art. 2 Abs. 7 Draft Agreement sind Alternative Investmentfonds (AIF) i.S.v. Art. 4 Abs. 1 RL 2011/61/EU, also etwa Hedgefonds, Private Equity- und Immobilienfonds, sowie Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW) i.S.v. Art. 1 Abs. 2 RL 2009/65/EG nun aus dem Anwendungsbereich der CS3D ausgenommen.

Eine Vielzahl regulierter Finanzunternehmen fällt jedoch weiterhin nach Art. 3 lit. a Ziff. iv Draft Agreement unter die Definition eines „Unternehmens“ i.S.d. CS3D und damit grundsätzlich in den Anwendungsbereich der CS3D. Sie sind dabei sogar unabhängig von ihrer Rechtsform erfasst, während sich der Adressatenkreis bei sonstigen Unternehmen auf bestimmte Rechtsformen beschränkt. Für regulierte Finanzunternehmen gelten die auch für sonstige Unternehmen vorgesehenen Umsatz- und Arbeitnehmerschwellen aus Art. 2 Draft Agreement. Das Draft Agreement zählt abschließend auf, welche Akteure die CS3D unter die Definition des „regulierten Finanzunternehmens“ fasst. Hierzu gehören etwa bestimmte Kreditinstitute, Wertpapierfirmen, Verwalter von AIF, Verwaltungsgesellschaften von OGAW, Finanzholdinggesellschaften und Zahlungsinstitute.

Reichweite der Sorgfaltspflichten

Anders als der ursprüngliche Kommissionsvorschlag verwendet das Draft Agreement nicht mehr den Begriff der Wertschöpfungskette, sondern stellt maßgeblich auf die Tätigkeit in der „Aktivitätskette“ des jeweiligen Unternehmens ab. Dabei schließt jedoch nur der vorgelagerte Abschnitt der Aktivitätskette („upstream“) die Erbringung von Dienstleistungen ein, nicht aber der nachgelagerte Abschnitt der Aktivitätskette (“downstream“), Art. 3 Abs. 1 lit. g Draft Agreemeent.

Diese Regelung bedeutet für die Finanzbranche, dass Finanzdienstleistungen, also die „downstream“-Aktivitätskette, aus dem Anwendungsbereich der CS3D ausgenommen sind. Für den vorgelagerten Teil ihrer Aktivitätskette unterliegen jedoch auch regulierte Finanzunternehmen den Sorgfaltspflichten der CS3D (vgl. Erwägungsgrund 19). In der Praxis dürfte die Ausnahme von Finanzdienstleistungen aus dem Anwendungsbereich der CS3D etwa dazu führen, dass sich die Sorgfaltspflichten von Banken nach der CS3D nicht auf deren Kunden beziehen.

Mit der Ausnahme der Erbringung von Dienstleistungen aus der nachgelagerten Aktivitätskette wurde eine Reihe von Ausnahmeregelungen, die zunächst zugunsten der Finanzbranche vorgesehen waren, obsolet und aus dem Entwurf gestrichen. Nach der Vorfassung mussten regulierte Finanzunternehmen etwa bei der Vergabe von Krediten und Darlehen keine tatsächlichen und potenziellen negativen Auswirkungen auf Nachhaltigkeitsbelange identifizieren und bewerten.

Überprüfungsklausel

Die Entscheidungen zur Einbeziehung der Finanzbranche in den Anwendungsbereich der CS3D sollen teilweise zu einem späteren Zeitpunkt einer Evaluation unterzogen – und dann gegebenenfalls revidiert – werden. Die Kommission ist nach Art. 29 Abs. 1 Draft Agreement verpflichtet, zum frühestmöglichen Zeitpunkt nach Inkrafttreten der CS3D, spätestens jedoch zwei Jahre danach, dem Europäischen Parlament und dem Rat einen Bericht dazu vorzulegen, inwiefern zusätzliche Sorgfaltspflichten für regulierte Finanzunternehmen in Bezug auf die Erbringung von Finanzdienstleistungen und Anlagetätigkeiten notwendig sind (vgl. dazu auch Erwägungsgrund 70 des Draft Agreement). Gegenstand eines weiteren Prüfberichts der Kommission, der spätestens sechs Jahre nach Inkrafttreten der CS3D an das Parlament und den Rat zu erstatten ist, soll nach Art. 29 Abs. 2 lit. d Draft Agreement die Definition der nachgelagerten Aktivitätskette aus Art. 3 Abs. 1 lit. g Draft Agreement sein. Damit stünde auch die Ausnahme von Finanzdienstleistungen auf dem Prüfstand.

Ausblick

Es bleibt abzuwarten, ob die im Draft Agreement vorgesehenen Regelungen in dieser Form in Kraft treten und wie die Mitgliedstaaten sie in diesem Fall in nationales Recht umsetzen werden. Angesichts der frühen Evaluation, die teilweise bereits zum Ende der Umsetzungsfrist von zwei Jahren nach Inkrafttreten der CS3D anstünde, dürfte die Einbeziehung der Finanzbranche weiter intensiv diskutiert werden.

EU-Lieferkettengesetz – Einigung im Trilog zwischen Rat und Parlament über die Richtlinie über die Sorgfaltspflichten von Unternehmen im Bereich der nachhaltigen Entwicklung (Corporate Sustainabilty Due Diligence Directive – CSDDD)

Nach dem Vorbild einzelner Mitgliedstaaten (Frankreich, Niederlande, Bundesrepublik Deutschland) hat die EU-Kommission bereits am 23.2.2022 einen Vorschlag für eine große, sektorübergreifende Richtlinie über die Sorgfaltspflichten von Unternehmen im Bereich der Nachhaltigkeit vorgelegt (Vorschlag für eine Richtlinie des Parlaments und des Rates über die Sorgfaltspflichten von Unternehmen im Hinblick auf Nachhaltigkeit und zur Änderung der Richtlinie (EU) 2019/1937, COM(2022) 71 final), der einerseits deutlich über die nationalen Vorbilder wie das deutsche Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten zur Vermeidung von Menschenrechtsverletzungen in Lieferketten (LkSG) hinausging und deshalb auf ein überaus kritisches Echo aus den Reihen der Wirtschaft gestoßen ist, andererseits aber großen Teilen des Europäischen Parlaments und den in Brüssel durchaus einflussreichen „Akteuren der Zivilgesellschaft“ zu unambitioniert erschien. Die damit notwendigen Trilog-Verhandlungen zwischen Europäischem Rat, Kommission und Parlament, die sich zunächst durchaus zäh gestalteten, sind nunmehr am 14.12.2023 mit einer vorläufigen Einigung erfolgreich abgeschlossen worden (knappe Pressemitteilung des Rates „Corporate Sustainability Due Diligence: Council and Parliament strike deal to protect environment and human rights“; zusätzliche Informationen in der gemeinsamen Pressekonferenz von Lara Wolters, Berichterstatterin für das Parlament, Justizkommissar Didier Reynders, und dem Spanischen Staatssekretär Gonzalo García Andrés).

Im Folgenden werden nach einem kurzen Überblick über Ziele und Mechanik der CSDDD die wesentlichen Parameter der Trilog-Einigung vorgestellt.

Gegenstand

Wie französisches loi de vigilance und deutsches LkSG zielt auch die CSDDD darauf ab, nachhaltiges und verantwortungsbewusstes unternehmerisches Verhalten zu fördern und Menschenrechts- und Umweltaspekte in der Geschäftstätigkeit und Unternehmensführung von Unternehmen (stärker) zu verankern. Unternehmen sollen potenzielle negative Auswirkungen ihres Handelns berücksichtigen, insbesondere auch in ihren Lieferketten innerhalb und außerhalb Europas. Wie in den nationalen Lieferkettengesetzen liegt der Schwerpunkt der CSDDD damit in der Inpflichtnahme von Unternehmen für die Sicherstellung menschenrechtskonformen und umweltverträglichen Handelns nicht nur innerhalb ihres eigenen unmittelbaren Verantwortungsbereichs, sondern auch auf Ebene ihrer Lieferanten. Der ordnungspolitische Gleichlauf von Haftung und Herrschaft wird also bewusst suspendiert. Hierzu legt die CSDDD Pflichten großer Unternehmen hinsichtlich tatsächlicher und potenzieller negativer Auswirkungen auf die Umwelt und die Menschenrechte für ihre Lieferkette fest. Auf Drängen des Parlaments erstrecken sich die Sorgfaltspflichten dabei nicht allein auf die Lieferkette (supply chain) im engeren Sinne, also praktisch die Beschaffungsseite, sondern teilweise auch auf nachgelagerte Aktivitäten des Unternehmens, etwa Recycling sowie auch vor allem den Vertrieb. Die Instrumente, mit denen diese Zielsetzungen umgesetzt werden (sollen), entsprechen im Ausgangspunkt denen des deutschen LkSG, also die Statuierung von Sorgfaltspflichten, deren Einhaltung insbesondere durch Risikoanalyse und Lieferketten-Risikomanagement realisiert werden soll.

Erfasste Unternehmen, Ausklammerung des Finanzsektors

Zu den zwischen Rat und Parlament, aber auch in der allgemeinen politischen Debatte besonders kontrovers diskutierten Punkten gehörte von Beginn an die Reichweite bzw. der Anwendungsbereich der anspruchsvollen Richtlinie. Nach dem Trilog-Kompromiss sind die neuen Pflichten grundsätzlich von EU/EWR-Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern und einem Umsatz von über 150 Mio. € zu beachten, womit der allgemeine Schwellenwert des ursprünglichen Kommissionsentwurfs übernommen wird (Art. 2 Abs. 1 lit. a) CSDDD-E). Unternehmen aus Drittstaaten unterliegen den Vorgaben hingegen (nur) dann, wenn sie EU/EWR-weite Umsätze von 300 Mio. € realisiert haben. Noch weitergehenden Forderungen nach einer Ausdehnung des Anwendungsbereichs der CSDDD, der bereits in der Kompromissfassung deutlich über den des LkSG hinausreicht, haben sich Kommission und Rat mit der Erwägung verschlossen, kleinere und mittlere Unternehmen (KMU) von den voraussichtlich nicht unerheblichen Bürokratiekosten einer Einbeziehung in den Anwendungsbereich der Richtlinie freizuhalten. Soweit KMU mittelbar – d.h. als Teile der Lieferkette CSDDD-verpflichteter großer Unternehmen – mit den weitreichenden Sorgfaltspflichten konfrontiert sind, hat die Kommission zudem angekündigt, durch Guidance – etwa in Form von Technical Standards – unterstützen zu wollen.

Nach der allerdings etwas uneinheitlichen Kommunikation von Rat und Parlament bis auf Weiteres ausgeklammert bleiben soll der Finanzsektor. Dies bedarf der Konkretisierung. Für die eigene, typischerweise wirtschaftlich nicht zentrale Lieferkette im eigentlichen Sinne („upstream“) haben auch Unternehmen des Finanzsektors bei Überschreiten der Größenkriterien die entsprechenden Sorgfaltspflichten zu erfüllen. Womit sich das Parlament hingegen vorläufig nicht durchzusetzen vermocht hat, ist die „Wertschöpfungskette“ (value chain) des Finanzsektors insgesamt, d.h. auch „downstream“ zu erfassen, also praktisch Kredit- und Portfolioentscheidungen gleichfalls dem Pflichtenregime der CSDDD zu unterstellen. Das Parlament betont in diesem Zusammenhang allerdings, dass auch für den Finanzsektor die Verpflichtung gilt, einen Emissionsreduktionsplan aufzustellen und umzusetzen, wovon man sich ersichtlich zumindest mittelbare Effekte für Kreditvergabe und Asset Management erhofft.

Schädliche Umweltauswirkungen

Nach Art. 7 Abs. 1 CSDDD i.d.F. des Kommissionsentwurfes haben die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass die erfassten Unternehmen geeignete Maßnahmen ergreifen, um potenzielle negative Auswirkungen auf die Menschenrechte und die Umwelt zu vermeiden oder, falls sie nicht oder nicht unmittelbar vermieden werden können, zumindest angemessen abzuschwächen. Hinsichtlich des bis zuletzt umstrittenen Begriffs der schädlichen Umweltauswirkungen sieht die Einigung nunmehr vor, dass unter Umweltauswirkung in diesem Sinne jede messbare Umweltverschlechterung wie schädliche Bodenveränderungen, Wasser- oder Luftverschmutzung, schädliche Emissionen oder übermäßiger Wasserverbrauch oder andere Auswirkungen auf die natürlichen Ressourcen zu verstehen ist.

Emissionsreduktionsplan (Climate Transition Plan)

Ersichtlich ein Alleinstellungsmerkmal der CSDDD ist die weitere Verpflichtung erfasster Unternehmen, einen Emissionsreduktionsplan aufzustellen und umzusetzen, der sicherstellen soll, dass Geschäftsmodell und Unternehmensstrategie mit dem Übergang zu einer nachhaltigen Wirtschaft und der Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius gemäß dem Übereinkommen von Paris vereinbar sind (Art. 15 Abs. 1 CSDDD-E). In diesem Zusammenhang soll auch die Vergütung der Mitglieder der Geschäftsleitungsorgane u.a. davon abhängen, ob ein entsprechender Emissionsreduzierungsplan aufgestellt und umgesetzt wird.

Sanktionen

Praktisch nach dem mittlerweile bekannten Sanktionsmodell der Europäischen Union sieht die Trilog-Einigung für Verstöße gegen die Richtlinie zunächst am Umsatz orientierte Bußgelder vor, die eine Höhe von maximal 5% des Nettoumsatzes des Unternehmens erreichen können. Wie der Rekurs auf den Begriff des Unternehmens offenbart, ist Berechnungsgrundlage dabei der Umsatz der Gruppe und nicht etwa der Einzelgesellschaft, die für einen bußgeldbewährten Verstoß verantwortlich zeichnet. Mit 5% des Nettoumsatzes geht die Richtlinie deutlich über die umsatzbezogenen Bußgelder gem. § 24 Abs. 3 LkSG (bis zu 2%) hinaus.

Anders als das LkSG sieht die CSDDD zudem ausdrücklich zivilrechtliche Ansprüche gegen Unternehmen vor. „Betroffene“ können innerhalb einer Frist von fünf Jahren zivilrechtliche Ansprüche geltend machen. Einigermaßen fragwürdig ist, dass als Betroffene nicht nur Gewerkschaften, sondern – hinreichend unspezifisch – auch „Organisationen der Zivilgesellschaft“ klagebefugt sein sollen. Die traditionellen und durchaus nicht unbegründeten Vorbehalte gegen Popularklagen scheint man in Brüssel ersichtlich nicht (mehr) zu teilen. Auch bei der Darlegungs- und Beweislast will der Trilog-Kompromiss „Anwälten der Öffentlichkeit“ deutlich entgegenkommen.

Als weitere Sanktion können Verstöße gegen die Sorgfaltspflichten gemäß CSDDD schließlich mit einem Ausschluss von öffentlichen Vergabeverfahren geahndet werden. Dies spiegelt letztlich § 22 LkSG, der gleichfalls bei Verstößen einen Ausschluss bei der Berücksichtigung öffentlicher Aufträge vorsieht.

Stakeholder-Beteiligung

Von der CSDDD erfasste Unternehmen sollen zudem verpflichtet werden, als Bestandteil des Due-Diligence-Prozesses eine sinnvolle Beteiligung (meaningful engagement), einschließlich eines Dialogs und einer Konsultation mit den „betroffenen Interessengruppen“ durchzuführen. Dies dürfte in der Praxis darauf hinauslaufen, dass Unternehmen neben ihren Arbeitnehmern im Einzelfall auch mehr oder weniger legitimierte NGO – wie etwa „environmental defenders“ (Lara Wolters) – konsultieren müssen.

Ausblick

Da die Trilog-Verhandlungen als informelles Verständigungsverfahren keine unmittelbare Bindungswirkung entfalten, müssen die Institutionen im nächsten Schritt die Ergebnisse des Kompromisses formell annehmen. Im Anschluss sind die Mitgliedstaaten zur Überführung in nationales Recht verpflichtet, wobei der Kommissionsentwurf hierfür zwei Jahre nach dem Inkrafttreten der CSDDD einräumt (vgl. Art. 30 CSDDD-E). Ob das europäische Lieferkettenregime den großen Erwartungen seiner Befürworter gerecht zu werden vermag oder sich in einer schematisch ablaufenden Auditierungsübung („check the box“ mittels Länder-Clustern etc.) erschöpfen wird, wird erst die Zukunft zeigen. Der Vorschlag der Kommission ist insoweit recht großzügig und sieht eine Evaluierung des neuen Regimes erst sieben Jahre nach Inkrafttreten und damit fünf Jahre nach Umsetzung in nationales Recht vor.