(Keine) Einbeziehung der Finanzbranche in die CS3D?

Am 14.12.2023 haben der Europäische Rat und das Europäische Parlament eine vorläufige Einigung über die Richtlinie über die Sorgfaltspflichten von Unternehmen im Hinblick auf Nachhaltigkeit (Corporate Sustainability Due Diligence Directive, „CS3D“) erzielt. Die formelle politische Einigung über die Richtlinie im Rat steht zwar noch aus, ein entsprechendes Draft Agreement wurde aber bereits veröffentlicht. Bis zuletzt war zwischen Parlament und Rat, aber auch unter den einzelnen EU-Mitgliedstaaten umstritten, ob bzw. inwieweit die CS3D die Finanzbranche einbeziehen soll. Während sich das Parlament für eine möglichst umfassende Regulierung einsetzte, plädierten die Mitgliedstaaten für Ausnahmen für Finanzakteure. Das Draft Agreement sieht nun eine Kompromisslösung vor.

Einbeziehung bestimmter regulierter Finanzunternehmen

Nach Art. 2 Abs. 7 Draft Agreement sind Alternative Investmentfonds (AIF) i.S.v. Art. 4 Abs. 1 RL 2011/61/EU, also etwa Hedgefonds, Private Equity- und Immobilienfonds, sowie Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW) i.S.v. Art. 1 Abs. 2 RL 2009/65/EG nun aus dem Anwendungsbereich der CS3D ausgenommen.

Eine Vielzahl regulierter Finanzunternehmen fällt jedoch weiterhin nach Art. 3 lit. a Ziff. iv Draft Agreement unter die Definition eines „Unternehmens“ i.S.d. CS3D und damit grundsätzlich in den Anwendungsbereich der CS3D. Sie sind dabei sogar unabhängig von ihrer Rechtsform erfasst, während sich der Adressatenkreis bei sonstigen Unternehmen auf bestimmte Rechtsformen beschränkt. Für regulierte Finanzunternehmen gelten die auch für sonstige Unternehmen vorgesehenen Umsatz- und Arbeitnehmerschwellen aus Art. 2 Draft Agreement. Das Draft Agreement zählt abschließend auf, welche Akteure die CS3D unter die Definition des „regulierten Finanzunternehmens“ fasst. Hierzu gehören etwa bestimmte Kreditinstitute, Wertpapierfirmen, Verwalter von AIF, Verwaltungsgesellschaften von OGAW, Finanzholdinggesellschaften und Zahlungsinstitute.

Reichweite der Sorgfaltspflichten

Anders als der ursprüngliche Kommissionsvorschlag verwendet das Draft Agreement nicht mehr den Begriff der Wertschöpfungskette, sondern stellt maßgeblich auf die Tätigkeit in der „Aktivitätskette“ des jeweiligen Unternehmens ab. Dabei schließt jedoch nur der vorgelagerte Abschnitt der Aktivitätskette („upstream“) die Erbringung von Dienstleistungen ein, nicht aber der nachgelagerte Abschnitt der Aktivitätskette (“downstream“), Art. 3 Abs. 1 lit. g Draft Agreemeent.

Diese Regelung bedeutet für die Finanzbranche, dass Finanzdienstleistungen, also die „downstream“-Aktivitätskette, aus dem Anwendungsbereich der CS3D ausgenommen sind. Für den vorgelagerten Teil ihrer Aktivitätskette unterliegen jedoch auch regulierte Finanzunternehmen den Sorgfaltspflichten der CS3D (vgl. Erwägungsgrund 19). In der Praxis dürfte die Ausnahme von Finanzdienstleistungen aus dem Anwendungsbereich der CS3D etwa dazu führen, dass sich die Sorgfaltspflichten von Banken nach der CS3D nicht auf deren Kunden beziehen.

Mit der Ausnahme der Erbringung von Dienstleistungen aus der nachgelagerten Aktivitätskette wurde eine Reihe von Ausnahmeregelungen, die zunächst zugunsten der Finanzbranche vorgesehen waren, obsolet und aus dem Entwurf gestrichen. Nach der Vorfassung mussten regulierte Finanzunternehmen etwa bei der Vergabe von Krediten und Darlehen keine tatsächlichen und potenziellen negativen Auswirkungen auf Nachhaltigkeitsbelange identifizieren und bewerten.

Überprüfungsklausel

Die Entscheidungen zur Einbeziehung der Finanzbranche in den Anwendungsbereich der CS3D sollen teilweise zu einem späteren Zeitpunkt einer Evaluation unterzogen – und dann gegebenenfalls revidiert – werden. Die Kommission ist nach Art. 29 Abs. 1 Draft Agreement verpflichtet, zum frühestmöglichen Zeitpunkt nach Inkrafttreten der CS3D, spätestens jedoch zwei Jahre danach, dem Europäischen Parlament und dem Rat einen Bericht dazu vorzulegen, inwiefern zusätzliche Sorgfaltspflichten für regulierte Finanzunternehmen in Bezug auf die Erbringung von Finanzdienstleistungen und Anlagetätigkeiten notwendig sind (vgl. dazu auch Erwägungsgrund 70 des Draft Agreement). Gegenstand eines weiteren Prüfberichts der Kommission, der spätestens sechs Jahre nach Inkrafttreten der CS3D an das Parlament und den Rat zu erstatten ist, soll nach Art. 29 Abs. 2 lit. d Draft Agreement die Definition der nachgelagerten Aktivitätskette aus Art. 3 Abs. 1 lit. g Draft Agreement sein. Damit stünde auch die Ausnahme von Finanzdienstleistungen auf dem Prüfstand.

Ausblick

Es bleibt abzuwarten, ob die im Draft Agreement vorgesehenen Regelungen in dieser Form in Kraft treten und wie die Mitgliedstaaten sie in diesem Fall in nationales Recht umsetzen werden. Angesichts der frühen Evaluation, die teilweise bereits zum Ende der Umsetzungsfrist von zwei Jahren nach Inkrafttreten der CS3D anstünde, dürfte die Einbeziehung der Finanzbranche weiter intensiv diskutiert werden.

EU-Lieferkettengesetz – Einigung im Trilog zwischen Rat und Parlament über die Richtlinie über die Sorgfaltspflichten von Unternehmen im Bereich der nachhaltigen Entwicklung (Corporate Sustainabilty Due Diligence Directive – CSDDD)

Nach dem Vorbild einzelner Mitgliedstaaten (Frankreich, Niederlande, Bundesrepublik Deutschland) hat die EU-Kommission bereits am 23.2.2022 einen Vorschlag für eine große, sektorübergreifende Richtlinie über die Sorgfaltspflichten von Unternehmen im Bereich der Nachhaltigkeit vorgelegt (Vorschlag für eine Richtlinie des Parlaments und des Rates über die Sorgfaltspflichten von Unternehmen im Hinblick auf Nachhaltigkeit und zur Änderung der Richtlinie (EU) 2019/1937, COM(2022) 71 final), der einerseits deutlich über die nationalen Vorbilder wie das deutsche Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten zur Vermeidung von Menschenrechtsverletzungen in Lieferketten (LkSG) hinausging und deshalb auf ein überaus kritisches Echo aus den Reihen der Wirtschaft gestoßen ist, andererseits aber großen Teilen des Europäischen Parlaments und den in Brüssel durchaus einflussreichen „Akteuren der Zivilgesellschaft“ zu unambitioniert erschien. Die damit notwendigen Trilog-Verhandlungen zwischen Europäischem Rat, Kommission und Parlament, die sich zunächst durchaus zäh gestalteten, sind nunmehr am 14.12.2023 mit einer vorläufigen Einigung erfolgreich abgeschlossen worden (knappe Pressemitteilung des Rates „Corporate Sustainability Due Diligence: Council and Parliament strike deal to protect environment and human rights“; zusätzliche Informationen in der gemeinsamen Pressekonferenz von Lara Wolters, Berichterstatterin für das Parlament, Justizkommissar Didier Reynders, und dem Spanischen Staatssekretär Gonzalo García Andrés).

Im Folgenden werden nach einem kurzen Überblick über Ziele und Mechanik der CSDDD die wesentlichen Parameter der Trilog-Einigung vorgestellt.

Gegenstand

Wie französisches loi de vigilance und deutsches LkSG zielt auch die CSDDD darauf ab, nachhaltiges und verantwortungsbewusstes unternehmerisches Verhalten zu fördern und Menschenrechts- und Umweltaspekte in der Geschäftstätigkeit und Unternehmensführung von Unternehmen (stärker) zu verankern. Unternehmen sollen potenzielle negative Auswirkungen ihres Handelns berücksichtigen, insbesondere auch in ihren Lieferketten innerhalb und außerhalb Europas. Wie in den nationalen Lieferkettengesetzen liegt der Schwerpunkt der CSDDD damit in der Inpflichtnahme von Unternehmen für die Sicherstellung menschenrechtskonformen und umweltverträglichen Handelns nicht nur innerhalb ihres eigenen unmittelbaren Verantwortungsbereichs, sondern auch auf Ebene ihrer Lieferanten. Der ordnungspolitische Gleichlauf von Haftung und Herrschaft wird also bewusst suspendiert. Hierzu legt die CSDDD Pflichten großer Unternehmen hinsichtlich tatsächlicher und potenzieller negativer Auswirkungen auf die Umwelt und die Menschenrechte für ihre Lieferkette fest. Auf Drängen des Parlaments erstrecken sich die Sorgfaltspflichten dabei nicht allein auf die Lieferkette (supply chain) im engeren Sinne, also praktisch die Beschaffungsseite, sondern teilweise auch auf nachgelagerte Aktivitäten des Unternehmens, etwa Recycling sowie auch vor allem den Vertrieb. Die Instrumente, mit denen diese Zielsetzungen umgesetzt werden (sollen), entsprechen im Ausgangspunkt denen des deutschen LkSG, also die Statuierung von Sorgfaltspflichten, deren Einhaltung insbesondere durch Risikoanalyse und Lieferketten-Risikomanagement realisiert werden soll.

Erfasste Unternehmen, Ausklammerung des Finanzsektors

Zu den zwischen Rat und Parlament, aber auch in der allgemeinen politischen Debatte besonders kontrovers diskutierten Punkten gehörte von Beginn an die Reichweite bzw. der Anwendungsbereich der anspruchsvollen Richtlinie. Nach dem Trilog-Kompromiss sind die neuen Pflichten grundsätzlich von EU/EWR-Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern und einem Umsatz von über 150 Mio. € zu beachten, womit der allgemeine Schwellenwert des ursprünglichen Kommissionsentwurfs übernommen wird (Art. 2 Abs. 1 lit. a) CSDDD-E). Unternehmen aus Drittstaaten unterliegen den Vorgaben hingegen (nur) dann, wenn sie EU/EWR-weite Umsätze von 300 Mio. € realisiert haben. Noch weitergehenden Forderungen nach einer Ausdehnung des Anwendungsbereichs der CSDDD, der bereits in der Kompromissfassung deutlich über den des LkSG hinausreicht, haben sich Kommission und Rat mit der Erwägung verschlossen, kleinere und mittlere Unternehmen (KMU) von den voraussichtlich nicht unerheblichen Bürokratiekosten einer Einbeziehung in den Anwendungsbereich der Richtlinie freizuhalten. Soweit KMU mittelbar – d.h. als Teile der Lieferkette CSDDD-verpflichteter großer Unternehmen – mit den weitreichenden Sorgfaltspflichten konfrontiert sind, hat die Kommission zudem angekündigt, durch Guidance – etwa in Form von Technical Standards – unterstützen zu wollen.

Nach der allerdings etwas uneinheitlichen Kommunikation von Rat und Parlament bis auf Weiteres ausgeklammert bleiben soll der Finanzsektor. Dies bedarf der Konkretisierung. Für die eigene, typischerweise wirtschaftlich nicht zentrale Lieferkette im eigentlichen Sinne („upstream“) haben auch Unternehmen des Finanzsektors bei Überschreiten der Größenkriterien die entsprechenden Sorgfaltspflichten zu erfüllen. Womit sich das Parlament hingegen vorläufig nicht durchzusetzen vermocht hat, ist die „Wertschöpfungskette“ (value chain) des Finanzsektors insgesamt, d.h. auch „downstream“ zu erfassen, also praktisch Kredit- und Portfolioentscheidungen gleichfalls dem Pflichtenregime der CSDDD zu unterstellen. Das Parlament betont in diesem Zusammenhang allerdings, dass auch für den Finanzsektor die Verpflichtung gilt, einen Emissionsreduktionsplan aufzustellen und umzusetzen, wovon man sich ersichtlich zumindest mittelbare Effekte für Kreditvergabe und Asset Management erhofft.

Schädliche Umweltauswirkungen

Nach Art. 7 Abs. 1 CSDDD i.d.F. des Kommissionsentwurfes haben die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass die erfassten Unternehmen geeignete Maßnahmen ergreifen, um potenzielle negative Auswirkungen auf die Menschenrechte und die Umwelt zu vermeiden oder, falls sie nicht oder nicht unmittelbar vermieden werden können, zumindest angemessen abzuschwächen. Hinsichtlich des bis zuletzt umstrittenen Begriffs der schädlichen Umweltauswirkungen sieht die Einigung nunmehr vor, dass unter Umweltauswirkung in diesem Sinne jede messbare Umweltverschlechterung wie schädliche Bodenveränderungen, Wasser- oder Luftverschmutzung, schädliche Emissionen oder übermäßiger Wasserverbrauch oder andere Auswirkungen auf die natürlichen Ressourcen zu verstehen ist.

Emissionsreduktionsplan (Climate Transition Plan)

Ersichtlich ein Alleinstellungsmerkmal der CSDDD ist die weitere Verpflichtung erfasster Unternehmen, einen Emissionsreduktionsplan aufzustellen und umzusetzen, der sicherstellen soll, dass Geschäftsmodell und Unternehmensstrategie mit dem Übergang zu einer nachhaltigen Wirtschaft und der Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius gemäß dem Übereinkommen von Paris vereinbar sind (Art. 15 Abs. 1 CSDDD-E). In diesem Zusammenhang soll auch die Vergütung der Mitglieder der Geschäftsleitungsorgane u.a. davon abhängen, ob ein entsprechender Emissionsreduzierungsplan aufgestellt und umgesetzt wird.

Sanktionen

Praktisch nach dem mittlerweile bekannten Sanktionsmodell der Europäischen Union sieht die Trilog-Einigung für Verstöße gegen die Richtlinie zunächst am Umsatz orientierte Bußgelder vor, die eine Höhe von maximal 5% des Nettoumsatzes des Unternehmens erreichen können. Wie der Rekurs auf den Begriff des Unternehmens offenbart, ist Berechnungsgrundlage dabei der Umsatz der Gruppe und nicht etwa der Einzelgesellschaft, die für einen bußgeldbewährten Verstoß verantwortlich zeichnet. Mit 5% des Nettoumsatzes geht die Richtlinie deutlich über die umsatzbezogenen Bußgelder gem. § 24 Abs. 3 LkSG (bis zu 2%) hinaus.

Anders als das LkSG sieht die CSDDD zudem ausdrücklich zivilrechtliche Ansprüche gegen Unternehmen vor. „Betroffene“ können innerhalb einer Frist von fünf Jahren zivilrechtliche Ansprüche geltend machen. Einigermaßen fragwürdig ist, dass als Betroffene nicht nur Gewerkschaften, sondern – hinreichend unspezifisch – auch „Organisationen der Zivilgesellschaft“ klagebefugt sein sollen. Die traditionellen und durchaus nicht unbegründeten Vorbehalte gegen Popularklagen scheint man in Brüssel ersichtlich nicht (mehr) zu teilen. Auch bei der Darlegungs- und Beweislast will der Trilog-Kompromiss „Anwälten der Öffentlichkeit“ deutlich entgegenkommen.

Als weitere Sanktion können Verstöße gegen die Sorgfaltspflichten gemäß CSDDD schließlich mit einem Ausschluss von öffentlichen Vergabeverfahren geahndet werden. Dies spiegelt letztlich § 22 LkSG, der gleichfalls bei Verstößen einen Ausschluss bei der Berücksichtigung öffentlicher Aufträge vorsieht.

Stakeholder-Beteiligung

Von der CSDDD erfasste Unternehmen sollen zudem verpflichtet werden, als Bestandteil des Due-Diligence-Prozesses eine sinnvolle Beteiligung (meaningful engagement), einschließlich eines Dialogs und einer Konsultation mit den „betroffenen Interessengruppen“ durchzuführen. Dies dürfte in der Praxis darauf hinauslaufen, dass Unternehmen neben ihren Arbeitnehmern im Einzelfall auch mehr oder weniger legitimierte NGO – wie etwa „environmental defenders“ (Lara Wolters) – konsultieren müssen.

Ausblick

Da die Trilog-Verhandlungen als informelles Verständigungsverfahren keine unmittelbare Bindungswirkung entfalten, müssen die Institutionen im nächsten Schritt die Ergebnisse des Kompromisses formell annehmen. Im Anschluss sind die Mitgliedstaaten zur Überführung in nationales Recht verpflichtet, wobei der Kommissionsentwurf hierfür zwei Jahre nach dem Inkrafttreten der CSDDD einräumt (vgl. Art. 30 CSDDD-E). Ob das europäische Lieferkettenregime den großen Erwartungen seiner Befürworter gerecht zu werden vermag oder sich in einer schematisch ablaufenden Auditierungsübung („check the box“ mittels Länder-Clustern etc.) erschöpfen wird, wird erst die Zukunft zeigen. Der Vorschlag der Kommission ist insoweit recht großzügig und sieht eine Evaluierung des neuen Regimes erst sieben Jahre nach Inkrafttreten und damit fünf Jahre nach Umsetzung in nationales Recht vor.