Anwaltsblog 6/2024: Wie weit geht das Bankgeheimnis, wenn die Fälschung von Unterschriften im Raume steht?

Darf sich ein Bankinstitut unter Berufung auf das Bankgeheimnis weigern, Original-Urkunden einem Schriftsachverständigen vorzulegen, wenn ein als Bürge Inanspruchgenommener geltend macht, seine Frau habe seine Unterschriften gefälscht? Diese Frage hatte der BGH zu klären (BGH, Beschluss vom 29. November 2023 – XII ZB 141/22):

Getrenntlebende Eheleute sind gemeinsam mit der Mutter des Ehemanns Miteigentümer eines von ihnen bewohnten Anwesens. Auf Antrag der Ehefrau ist das Scheidungsverfahren anhängig. Der Ehemann hat beantragt, von der Durchführung des Versorgungsausgleichs nach § 27 VersAusglG (Wegfall wegen grober Unbilligkeit) abzusehen. Dazu hat er vorgetragen, die Ehefrau habe unberechtigt seine Unterschriften auf einer Bürgschaftsurkunde und einer Eigentümererklärung angebracht. Hiervon habe er erstmals erfahren, als die Bausparkasse ihn auf Zahlung von rund 19.500 € für ein Darlehen des volljährigen Sohnes in Anspruch genommen habe. Zum Beweis der behaupteten Fälschung seiner Unterschriften hat der Ehemann die Einholung eines Schriftsachverständigengutachtens beantragt sowie zu diesem Zweck die an die Bausparkasse gerichtete gerichtliche Anordnung, die in ihrem Besitz befindlichen Originale der in Kopie vorliegenden Bürgschaftsurkunde und Eigentümererklärung vorzulegen, begehrt. Die Bausparkasse hat die Vorlage der beiden Original-Urkunden unter Bezugnahme auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht aus § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO verweigert, da die Unterlagen ein Darlehensverhältnis zwischen ihr und einer dritten, am gerichtlichen Verfahren nicht beteiligten Person beträfen, die ihr ausdrücklich die Herausgabe der Unterlagen untersagt habe.

Die Bausparkasse muss die Original-Urkunden vorlegen. Nach § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO sind Personen, denen kraft ihres Gewerbes Tatsachen anvertraut sind, deren Geheimhaltung durch ihre Natur oder durch gesetzliche Vorschrift geboten ist, in Betreff der Tatsachen, auf welche die Verpflichtung zur Verschwiegenheit sich bezieht, zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigt. Die Vorschrift, die auch für die Vorlegung von Urkunden durch Dritte Anwendung findet, begründet ein Zeugnisverweigerungsrecht für die dem zivilrechtlichen Bankgeheimnis unterfallenden Tatsachen. Dieses Bankgeheimnis gilt jedoch nicht grenzenlos. So sieht bereits das Gesetz selbst Durchbrechungen vor (vgl. etwa § 840 ZPO). Darüber hinaus kann es zu einer Kollision des Bankgeheimnisses mit Aufklärungs- oder Auskunftsansprüchen eines anderen Kunden oder eines Dritten kommen, die im Einzelfall durch eine Interessen- und Güterabwägung zu lösen ist. Insbesondere in Fällen von Kreditsicherheiten eines Dritten für eine fremde Darlehensschuld wie bei einer Bürgschaft oder Grundschuld kann im Einzelfall eine Aufklärungs- oder Informationspflicht bestehen, die dem Bankgeheimnis vorgeht. Daher ist die Bausparkasse nicht berechtigt, unter Berufung auf das Bankgeheimnis die Vorlage der Originale der Bürgschaftsurkunde und der Eigentümererklärung zu verweigern.

Denn dem als Drittsicherungsgeber in Anspruch genommenen Ehemann steht gegenüber der Bausparkasse ein Einsichtsrecht nach § 810 Alt. 2 BGB zu, hinter dem das Bankgeheimnis zurücktreten muss. Nach § 810 Alt. 2 BGB kann jeder die Gestattung der Einsicht in eine Urkunde von deren Besitzer verlangen, wenn die Urkunde in seinem Interesse – nämlich zumindest auch für ihn als Beweismittel – errichtet wurde und in dieser ein zwischen ihm und einem anderen bestehendes – gegebenenfalls unwirksames – Rechtsverhältnis beurkundet ist. Auf ein rechtliches Interesse kann sich jeder berufen, der – wie hier der Ehemann – die Einsichtnahme in eine Urkunde zur Förderung, Erhaltung oder Verteidigung seiner rechtlich geschützten Interessen benötigt. So steht etwa dem Bürgen gegenüber dem Gläubiger des Hauptschuldners grundsätzlich ein Einsichtsrecht in die das Rechtsverhältnis des Gläubigers zum Hauptschuldner betreffenden Urkunden zu. Nichts Anderes kann für denjenigen gelten, der seiner Inanspruchnahme als Bürge mit der substantiierten Behauptung entgegentritt, die Bürgschaftserklärung sei gefälscht, und der die Einsichtnahme in die Bürgschaftsurkunde benötigt, um diese Behauptung zu beweisen. Hinter dem rechtlichen Interesse des Ehemanns muss unter den hier maßgeblichen Umständen das durch das Bankgeheimnis geschützte Geheimhaltungsinteresse der Bausparkasse zurücktreten. Dabei ist bei der erforderlichen Abwägung auch zu berücksichtigen, in welchem Umfang die aufklärungspflichtige Bank gezwungen wäre, Einzelheiten ihrer Geschäftsverbindung mit einem anderen Kunden und über dessen Vermögenslage zu offenbaren. Die beiden Urkunden, insbesondere die Eigentümererklärung, enthalten nur wenige Einzelheiten über die Geschäftsverbindung zwischen der Bausparkasse und ihrem Kunden. Die Bürgschaftsurkunde benennt neben der Bausparvertrag-Nummer den Darlehensnehmer, den Darlehensbetrag sowie die Konditionen des Darlehens. Die Eigentümererklärung beschränkt sich demgegenüber auf die Mitteilung der Darlehensgewährung, des Darlehensnehmers und der Bausparvertrag-Nummer. Diese Umstände sind aber aufgrund der Kopien der Urkunden, die die Bausparkasse zur Realisierung ihrer eigenen Ansprüche übersandt hat, bereits offenbart und bekannt.

 

Fazit: Ein Bankinstitut kann nicht unter Berufung auf das Bankgeheimnis gemäß § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO die Vorlage von Original-Urkunden verweigern, wenn im Einzelfall das Interesse des Beweisführers an ihrer Vorlage höher zu gewichten ist (hier: zum Beweis der Unechtheit der Urkunden).

 

Anmerkung: Eine zivilprozessuale Pflicht zur Vorlage von Urkunden der nicht beweisbelasteten Partei kann sich nur aus den speziellen Vorschriften der §§ 422, 423 ZPO oder aus einer Anordnung des Gerichts nach § 142 Abs. 1 ZPO ergeben. § 142 Abs. 1 ZPO ist auch anwendbar, wenn sich der beweispflichtige Prozessgegner auf eine Urkunde bezogen hat, die sich im Besitz der nicht beweisbelasteten Partei befindet. Auch die Vorschrift des § 142 Abs. 1 ZPO befreit die Partei, die sich auf eine Urkunde bezieht, nicht von ihrer Darlegungs- und Substanziierungslast. Daher darf das Gericht die Urkundenvorlegung nicht zum Zwecke bloßer Informationsgewinnung, sondern nur bei Vorliegen eines schlüssigen, auf konkrete Tatsachen bezogenen Vortrags anordnen (BGH, Urteil vom 26.06.2007 – XI ZR 277/05, MDR 2007, 1333).

 

Anwaltsblog: Nachträgliche Unzulässigkeit einer Berufung

Mit den Anforderungen an die Zulässigkeit einer bereits fristgemäß begründeten Berufung hatte sich der XI. Zivilsenat des BGH zu befassen:
Der Kläger verlangte von der beklagten Bank nach von ihm erklärten Widerruf die Rückabwicklung eines Verbraucherdarlehensvertrags und begehrte Feststellung, dass seine primären Leistungspflichten zur Zahlung von Zinsen und Tilgungsleistungen aufgrund des Widerrufs erloschen seien. Das Landgericht hat die Klage als unbegründet abgewiesen. Dagegen hat der Kläger fristgerecht Berufung eingelegt und diese begründet. Nachdem er das Darlehen vollständig abgelöst hatte, hat er den Feststellungsantrag in der Hauptsache für erledigt erklärt und (stattdessen) Rückzahlung der auf das Darlehen erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen verlangt. Die Beklagte hat sich der Erledigungserklärung angeschlossen. Das Berufungsgericht hat die Berufung des Klägers als unzulässig verworfen.
Die Rechtsbeschwerde des Klägers hat keinen Erfolg. Die Zulässigkeit des Rechtsmittels der Berufung setzt voraus, dass der Angriff des Rechtsmittelführers (auch) auf die Beseitigung der im vorinstanzlichen Urteil enthaltenen Beschwer gerichtet ist. Das Rechtsmittel ist mithin unzulässig, wenn mit ihm lediglich im Wege der Klageänderung ein neuer, bislang nicht geltend gemachter Anspruch zur Entscheidung gestellt wird; vielmehr muss zumindest auch der in erster Instanz erhobene Klageanspruch wenigstens teilweise weiterverfolgt werden. Die Erweiterung oder Änderung der Klage kann nicht alleiniges Ziel des Rechtsmittels sein, sondern nur auf der Grundlage eines zulässigen Rechtsmittels verwirklicht werden. Deshalb muss nach einer Klageabweisung das vorinstanzliche Begehren zumindest teilweise weiterverfolgt werden. Eine Berufung, die die Richtigkeit der vorinstanzlichen Klageabweisung nicht in Frage stellt und ausschließlich einen neuen – bisher noch nicht geltend gemachten – Anspruch zum Gegenstand hat, ist unzulässig. Daher ist die Berufung des Klägers unzulässig, weil er sein erstinstanzliches Begehren nicht weiterbetrieben, sondern im Wege der Klageänderung einen neuen, bislang nicht erhobenen Anspruch zur Prüfung unterbreitet hat. Die auf die positive Feststellung eines bestimmten Saldos aus einem Rückgewährschuldverhältnis gerichtete und die auf die Feststellung des Wegfalls von Primärpflichten des Darlehensnehmers aus dem Darlehensvertrag zielende Klage betreffen unterschiedliche Streitgegenstände. Aufgrund dessen handelt es sich beim Übergang von dem einen zu dem anderen Antrag um eine Klageänderung iSd. § 263 ZPO und nicht bloß um eine Antragsbeschränkung oder -erweiterung iSd. § 264 Nr. 2 ZPO. Dies gilt gleichermaßen für den vom Kläger in erster Instanz verfolgten negativen Feststellungsantrag und dem in zweiter Instanz geltend gemachten Anspruch auf Rückgewähr der erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen. Denn der Zahlungsantrag stellt in Form der Leistungsklage die Fortsetzung der positiven Feststellungsklage dar und wäre im Fall des Übergangs als Klageerweiterung nach § 264 Nr. 2 ZPO anzusehen. Gegenüber der negativen Feststellungsklage betrifft die Zahlungsklage dagegen einen anderen Streitgegenstand.

(BGH, Beschluss vom 19. September 2023 – XI ZB 31/22)


Fazit: Eine Berufung ist nur zulässig, wenn der Berufungskläger noch bei Schluss der letzten mündlichen Verhandlung die aus dem erstinstanzlichen Urteil folgende Beschwer beseitigen will. Eine Berufung ist danach unzulässig, wenn sie den in erster Instanz erhobenen Klageanspruch nicht wenigstens teilweise weiterverfolgt, sondern lediglich im Wege der Klageerweiterung einen neuen, bislang nicht geltend gemachten Anspruch zur Entscheidung stellt. Die bloße Erweiterung oder Änderung der Klage in zweiter Instanz kann nicht alleiniges Ziel des Rechtsmittels sein (BGH, Urteil vom 30. November 2005 – XII ZR 112/03 –, MDR 2006, 828).

Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um die Rückgabe einer nicht bestellten Leistung.

Leistung in der irrigen Vorstellung einer Bestellung
BGH, Urteil vom 26. September 2023 – XI ZR 98/22

Der XI. Zivilsenat befasst sich mit der Auslegung von § 241a Abs. 2 Fall 2 BGB.

Im März 2019 überwies die klagende Bank 3.490 Euro auf ein gemeinsames Konto des Beklagten und dessen damaliger Ehefrau. Aus Sicht der Klägerin erfolgte die Zahlung auf der Grundlage eines Darlehensvertrags. Diesen Vertrag hatte die damalige Ehefrau des Beklagten unter dessen Namen, aber ohne dessen Wissen geschlossen. Im weiteren Verlauf erfolgten Teilzahlungen in Höhe von rund 1.050 Euro.

Die Klage auf Rückzahlung des Restbetrags von rund 2.440 Euro war in erster Instanz erfolgreich, nicht aber in der Berufungsinstanz.

Der Bundesgerichtshof stellt das erstinstanzliche Urteil wieder her.

Der Beklagte ist durch die Zahlung auf das gemeinsame Konto bereichert worden. Dies erfolgte ohne Rechtsgrund. Der in seinem Namen, aber ohne sein Wissen geschlossene Vertrag ist unwirksam. Die damalige Ehefrau war nicht bevollmächtigt. Der Beklagte hat den Vertragsschluss nicht genehmigt. Er hat auch nicht die erfolgten Teilzahlungen veranlasst.

Entgegen der Auffassung des OLG ist der auf § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB gestützte Rückzahlungsanspruch nicht nach § 241a BGB ausgeschlossen. Der Beklagte hat die Leistung zwar nicht bestellt. Es greift aber der Ausnahmetatbestand des § 241a Abs. 2 BGB. Die Leistung erfolgte in der irrigen Vorstellung einer Bestellung. Der Beklagte hat dies zwar nicht erkannt. Er muss sich aber entsprechend § 166 Abs. 1 BGB die Kenntnis seiner damaligen Ehefrau zurechnen lassen, weil er dieser die Erledigung der finanziellen Angelegenheiten der Familie überlassen und sich um die Verwaltung des gemeinsamen Kontos nicht gekümmert hat. Aus demselben Grund kann er sich gemäß § 819 Abs. 1 BGB nicht auf einen Wegfall der Bereicherung berufen.

Praxistipp: Eine Wissenszurechnung entsprechend § 166 Abs. 1 BGB kommt auch dann in Betracht, wenn der Repräsentant die ihm im Innenverhältnis zustehenden Befugnisse vorsätzlich überschreitet.

Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um die Folgen der Erstattung einer Lastschrift.

Erfüllungsanspruch nach Erstattung einer SEPA-Basislastschrift
Urteil vom 12. Mai 2022 – IX ZR 71/21

Dass die Erstattung einer Lastschrift gravierende Folgen für den Zahlenden haben kann, zeigt eine Entscheidung des IX. Zivilsenats.

Die Beklagte bezog von einer Lieferantin aufgrund eines Rahmenvertrags Waren. Die Bezahlung erfolgte per SEPA-Lastschrift. Nachdem die Lieferantin Insolvenzantrag gestellt hatte, verlangte die Beklagte von Ihrer Bank die Erstattung der in den acht Wochen zuvor erfolgten Lastschrifteinzüge. Ihr wurden daraufhin rund 135.000 Euro wieder gutgeschrieben. Derselbe Betrag wurde dem Konto der Lieferantin bei einer Sparkasse belastet, das schon zuvor einen debitorischen Saldo aufgewiesen hatte. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens meldete die Sparkasse Forderungen in Höhe von rund 400.000 Euro zur Tabelle an. Aus der Verwertung von Sicherheiten erhielt sie rund 65.000 Euro. Sie nahm daraufhin die Beklagte wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung auf Zahlung der erstatteten Beträge in Anspruch. Die Beklagte zahlte aufgrund eines Vergleichs rund 100.000 Euro. Im vorliegenden Rechtsstreit verlangt der Insolvenzverwalter Zahlung des Kaufpreises für die betroffenen Lieferungen. Die Klage hatte in erster Instanz Erfolg. Das OLG wies sie hingegen ab.

Der BGH stellt das erstinstanzliche Urteil wieder her.

Die geltend gemachten Kaufpreisansprüche sind zwar durch den erfolgreichen Lastschrifteinzug und die daraufhin erfolgte Gutschrift auf dem Konto der Lieferantin erloschen. Aus der konkludenten Erfüllungsvereinbarung, die die Beteiligten bei Nutzung des SEPA-Basislastschriftverfahrens schließen, ergibt sich aber, dass der Anspruch wieder auflebt, wenn der Zahlende von dem in § 675x Abs. 2 und 4 BGB vorgesehenen Recht Gebrauch macht, innerhalb von acht Wochen nach Belastung die Erstattung des abgebuchten Betrags zu verlangen.

Entgegen der Auffassung des OLG hängt das Recht zur Geltendmachung des Anspruchs nicht davon ab, ob der Lieferantin durch die Erstattung ein Schaden entstanden ist. Im Insolvenzverfahren ist zwischen dem zur Insolvenzmasse gehörenden Vermögen und den Insolvenzforderungen der einzelnen Gläubiger zu trennen. Die Beklagte kann sich deshalb nicht darauf berufen, dass sich die Erstattung wirtschaftlich im Wesentlichen zu Lasten der Sparkasse ausgewirkt hat, die den in Rede stehenden Betrag nur noch als Insolvenzforderung gegen die Lieferantin geltend machen kann. Ungeachtet dieser Wirkungen bleibt die Beklagte als Kaufpreisschuldnerin verpflichtet, den Kaufpreis zu erbringen und damit die zur Verteilung stehende Insolvenzmasse zu vergrößern.

Nach diesen Grundsätzen ist der Anspruch auch nicht insoweit entfallen, als die Beklagte der Sparkasse den erstatteten Betrag zurückbezahlt hat. Diese Zahlung betrifft lediglich das Rechtsverhältnis zwischen der Beklagten und der Sparkasse. Als Ausgleich kann die Beklagte von der Sparkasse gemäß § 255 BGB die Abtretung der Insolvenzforderung verlangen. Ihre Verpflichtung zur Zahlung des Kaufpreises an den Insolvenzverwalter bleibt hiervon unberührt.

Praxistipp: Der ursprüngliche Erfüllungsanspruch lebt auch dann wieder auf, wenn der Zahlende den gezahlten Betrag aufgrund der Käuferschutzregeln beim Amazon oder PayPal zurückerhält. Dogmatisch wird dieses Ergebnis auf eine bereits bei Vertragsschluss (und nicht erst bei der Zahlung) getroffene konkludente Vereinbarung gestützt. Trotz dieses Unterschieds kann eine Erstattung zu vergleichbaren Konsequenzen führen, wenn der Käufer das Geld ohne zureichenden Grund zurückverlangt hat.

Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um die Anforderungen an die Identitätsüberprüfung nach § 12 und § 13 des Geldwäschegesetzes

Identitätsüberprüfung nach dem Geldwäschegesetz
Beschluss vom 20. April 2021 – XI ZR 511/19

Mit den Anforderungen an eine sichere Identitätsüberprüfung befasst sich der XI. Zivilsenat.

Ein zum Nachlasspfleger für die unbekannten Erben bestellter Rechtsanwalt verlangt im Namen der Erben von der Beklagten die Auszahlung eines zum Nachlass gehörenden Girokontoguthabens in Höhe von rund 1.150 Euro. Die Beklagte verweigert die Auszahlung, weil der Nachlasspfleger sich nur durch eine notariell beglaubigte Kopie seines Personalausweises identifiziert hat, nicht aber durch Vorlage des Personalausweises in einer ihrer Filialen. Die Klage hatte in erster Instanz Erfolg. Das LG wies sie ab.

Die Berufung der Kläger bleibt erfolglos. Der BGH tritt dem LG darin bei, dass eine notariell beglaubigte Kopie des Personalausweises zur Identifizierung nach dem Geldwäschegesetz (GwG) nicht ausreicht. Notariell beglaubigte Kopien gehören nicht zu den in § 12 Abs. 1 GwG aufgeführten Dokumenten, die für die Identitätsprüfung geeignet sind. Ein hiernach geeigneter Personalausweis muss nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 GwG grundsätzlich durch angemessene Prüfung des vor Ort vorgelegten Dokuments überprüft werden. Nach § 13 Abs. 1 Nr. 2 GwG genügt auch ein sonstiges Verfahren, das ein gleichwertiges Sicherheitsniveau aufweist. Eine notariell beglaubigte Kopie des Personalausweises genügt dieser Anforderung seit dem 25.06.2017 nicht mehr. Der Gesetzgeber hat eine früher geltende Vorschrift, nach der ein solches Dokument ausreichend war, ersatzlos gestrichen und stattdessen die Möglichkeit eines elektronischen Identitätsnachweises nach § 18 des Personalausweisgesetzes geschaffen.

Praxistipp: Hinweise zum Online-Ausweis gibt das Bundesministerium des Inneren unter https://www.personalausweisportal.de/Webs/PA/DE/buergerinnen-und-buerger/online-ausweisen/online-ausweisen-node.html

EuGH: Beschränkung der SEPA-Lastschrift auf Inländer unwirksam

Die SEPA-Lastschrift ist weiterhin ein sehr gängiges, da einfaches und kostengünstiges Zahlungsmittel. Die Deutsche Bahn hatte beim Onlineverkauf von Tickets die Nutzbarkeit dieses Zahlungsmittels jedoch auf Buchende mit Wohnsitz in Deutschland beschränkt. Hier gegen klagte der äußerst rührige Verein für Konsumenteninformation (VKI) aus Österreich. Er hielt einen Verstoß gegen Art. 9 Abs. 2 der Verordnung 260/12 zur Festlegung der technischen Vorschriften und der Geschäftsanforderungen für Überweisungen und Lastschriften in Euro für gegeben.

Darin heißt es

Ein Zahlungsempfänger, der eine Überweisung annimmt oder eine Lastschrift verwendet, um Geldbeträge von einem Zahler einzuziehen, der Inhaber eines Zahlungskontos innerhalb der Union ist, gibt nicht vor, in welchem Mitgliedstaat dieses Zahlungskonto zu führen ist, sofern das Zahlungskonto gemäß Artikel 3 erreichbar ist.

Das Problem: Die Bahn knüpft gar nicht an das Land des Zahlungskontos an, sondern an das Land, in dem der Kunde seinen Wohnsitz hat.

Der EuGH hält das Vorgehen der Bahn dennoch für rechtswidrig, da ein Bürger in der Regel in seinem Wohnsitzland über ein Bankkonto verfügt und somit faktisch eine Anknüpfung an das Wohnsitzland besteht:

Durch eine solche Klausel wird somit indirekt der Mitgliedstaat bestimmt, in dem das Zahlungskonto zu führen ist. Sie entfaltet daher vergleichbare Wirkungen wie die Bestimmung eines konkreten Mitgliedstaats.

In den meisten Fällen beschränkt dieses Wohnsitzerfordernis nämlich den Zugang für die Zahlung per SEPA-Lastschrift auf Zahler mit einem Zahlungskonto in dem Mitgliedstaat, in dem der Zahlungsempfänger seinen Sitz hat, und schließt damit Zahler mit einem Zahlungskonto in einem anderen Mitgliedstaat von dieser Zahlungsart aus.

Auf diese Weise bewirkt die Klausel, dass diese Zahlungsart im Wesentlichen auf Inlandszahlungen im Sinne von Art. 2 Nr. 27 der Verordnung Nr. 260/2012 beschränkt wird, d. h. auf Zahlungsvorgänge zwischen einem Zahler und einem Zahlungsempfänger, die ein Zahlungskonto bei Zahlungsdienstleistern haben, die jeweils im selben Mitgliedstaat ansässig sind. Dies führt zum Ausschluss der meisten grenzüberschreitenden Zahlungen, an denen gemäß Art. 2 Nr. 26 dieser Verordnung Zahlungsdienstleister beteiligt sind, die in unterschiedlichen Mitgliedstaaten ansässig sind.

Folglich kann eine Klausel wie die im Ausgangsverfahren fragliche die praktische Wirksamkeit von Art. 9 Abs. 2 der Verordnung Nr. 260/2012 beeinträchtigen, da sie den Zahlern die Möglichkeit nimmt, einen Lastschrifteinzug von einem in einem Mitgliedstaat ihrer Wahl geführten Konto vornehmen zu lassen. Diese Klausel steht somit dem Ziel dieser Bestimmung entgegen, das – wie in Rn. 28 des vorliegenden Urteils ausgeführt – darin besteht, zu verhindern, dass durch Geschäftsregeln die Schaffung eines integrierten Marktes für elektronische Zahlungen in Euro im Sinne des ersten Erwägungsgrundes dieser Verordnung beeinträchtigt wird.

SEPA-Diskriminierung ist unzulässig – und nun?

Das Interesse von Zahlungsempfängern ist klar: Eine „geplatzte“ SEPA-Lastschrift verursacht einigen Ärger und Aufwand. Die Bonitätsprüfung vor Vertragsschluss, insbesondere aber auch die Geltendmachung des Anspruchs beim Zahlenden im Falle des Fehlschlagens der Zahlung ist dabei auf nationaler Ebene deutlich handlicher, als bei einer Nutzung im gesamten Euro-Raum. Durch diese Entscheidung des EuGH wird Zahlungsempfängern derzeit aber nur die Möglichkeit zur Seite zu stehen, entweder einen Dienstleister für diesen Vorgang mit einzubeziehen, der eine Zahlungsgarantie abgibt (wie z.B. PayPal) oder das SEPA-Verfahren aus den möglichen Zahlungsoptionen zu entfernen, sofern man keine unkalkulierbaren Risiken eingehen möchte.

EuGH, Urt. v. 05.09.2019, C-28/18

Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um die Berechtigung an dem Guthaben auf einem Sparbuch, das Eltern für ihr Kind angelegt haben.

Berechtigung an einem Sparguthaben
Urteil vom 17. Juli 2019 – XII ZB 425/18

Mit den Rechtsverhältnissen zwischen Bank, Kind und Eltern befasst sich der XII. Zivilsenat.

Der Antragsgegner und seine damalige Ehefrau hatten im Jahr 1997 für ihr im Jahr zuvor geborenes Kind – die jetzige Antragstellerin – ein Sparkonto eingerichtet. In den Jahren 2010 und 2011 hob der Antragsgegner ohne Rücksprache mit seiner Ehefrau 17.300 Euro von dem Sparkonto ab. Im Jahr 2015 übergab er das Sparbuch, das ein Restguthaben von 242 Euro auswies, an die Antragstellerin, die bei dieser Gelegenheit erstmals von der Existenz des Sparkontos erfuhr. Das Begehren der Antragstellerin, den Antragsgegner zur Zahlung von 17.300 Euro zu verurteilen, hatte vor dem AG Erfolg. Das OLG wies den Antrag auf die Beschwerde des Antragsgegners hin ab.

Die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin führt zur Aufhebung der Beschwerdeentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das OLG.

Abweichend vom Beschwerdegericht misst der BGH der Frage, wer Besitzer des Sparbuchs war, für das Rechtsverhältnis mit der Bank keine Bedeutung zu. Er grenzt sich damit von früherer, überwiegend das Verhältnis zwischen Großeltern und Enkel betreffender Rechtsprechung ab und begründet dies damit, dass Eltern jedenfalls bis zum Grundschulalter schon aufgrund ihrer Obliegenheit zum Schutz des Kindesvermögens gehalten sind, den Besitz am Sparbuch auszuüben. Für das Verhältnis zur Bank sind in dieser Konstellation vor allem die mit dieser getroffenen Vereinbarungen über Kontoinhaberschaft und Verfügungsbefugnis von Bedeutung. Diese sprechen im Streitfall dafür, dass die Antragstellerin Inhaberin des Kontos war, weil die Vertragsbestimmungen die Eltern nur als Vertreter ausweisen und sogar ausdrücklich vorsahen, dass die Antragstellerin auch deren Zustimmung zu Verfügungen über das Konto berechtigt ist.

Auch wenn das Kind Kontoinhaber ist, können die Eltern im Innenverhältnis aber zur Verfügungen über das Guthaben berechtigt sein. Für eine solche Berechtigung kann der Umstand sprechen, dass die Eltern den Besitz an dem Sparbuch auch nach dem Erreichen des Grundschulalters behalten haben. Ob dieses Indiz im Streitfall ausreicht, muss das OLG in der von neuem eröffneten Beschwerdeinstanz tatrichterlich beurteilen.

Praxistipp: Wenn das Gericht zu dem Ergebnis gelangt, dass die Eltern im Innenverhältnis Berechtigte des Sparguthabens verblieben sind, kann dies steuerliche Konsequenzen haben – jedenfalls für Zeiträume, in denen Sparkonten noch nennenswerte Zinserträge generiert haben.

BGH zum zutreffenden Beginn der Verzinsung

Eine Entscheidung des BGH (Urt. v. 4.7.2017 – XI ZR 562/15, MDR 2017, 1196) mit beträchtlichem Umfang befasst sich eigentlich mit der Wirksamkeit von Bearbeitungsgebühren bei Darlehen an Unternehmer. Auf die Frage des Zinslaufes geht sie nur ganz am Rande ein. Sie zeigt insoweit nicht wirklich etwas ganz Neues auf, weist aber auf einen Fehler hin, der der Praxis sehr häufig unterläuft. Sie betrifft die Rechtshängigkeitszinsen nach § 291 BGB. Die Gerichte sprechen sehr oft Zinsen ab dem Datum, das die in der Akte vorliegende Zustellungsurkunde als Zustellungsdatum für die Klageschrift oder den Mahnbescheid ausweist, zu. Dies ist jedoch nicht richtig! In entsprechender Anwendung des § 187 BGB beginnt der Zinslauf nicht mit dem Tage der Zustellung der Klage oder des Mahnbescheides, sondern erst mit dem Tag danach. In der Regel wird dies mit der Formel „minima (oder: de minimis) non curat praetor“ (teilweise sinngemäß: Um Kleinigkeiten kümmert sich der Richter nicht.) abgetan. Allerdings kann dieser Umstand, über einen längeren Zeitraum gesehen oder bei sehr hohen Beträgen oder bei vielen zu führenden Prozessen, durchaus einmal eine nicht mehr zu vernachlässigende Bedeutung bekommen. Auf derartige alltägliche Unsicherheiten und Irrtümer sollte an geeigneter Stelle hin und wieder hingewiesen werden!

Denn: Was man unproblematisch richtigmachen kann, sollte man auch tatsächlich so handhaben.