Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um die Kündigungssperrfrist bei Begründung von Wohnungseigentum oder bei der Veräußerung an eine Personengesellschaft oder Personenmehrheit.

Veräußerung von Mietwohnraum an Personenhandelsgesellschaften
BGH, Urteil vom 6. August 2025 – VIII ZR 161/24

Der VIII. Zivilsenat legt § 577a Abs. 1a BGB anhand des Gesetzeszwecks aus.

Die Beklagte sind seit 2004 Mieter einer Wohnung in einem Mehrparteienhaus in München. Anfang 2012 erwarb eine GmbH & Co. KG das Eigentum am gesamten Anwesen. Im Jahr 2013 teilte sie das Eigentum in Wohnungseigentum auf. Im Jahr 2017 veräußerte sie die an die Beklagten vermietete Wohnung an die Kläger. Diese erklärten im September 2022 die ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses wegen Eigenbedarfs zum 31. März 2023.

Das AG hat die Beklagte antragsgemäß zur Räumung verurteilt. Das LG hat die Klage abgewiesen.

Die Revision der Kläger bleibt ohne Erfolg.

Zu Recht hat das LG entschieden, dass die Kündigungssperrfrist nach § 577a BGB – die durch eine auf der Grundlage von § 577a Abs. 2 BGB erlassene Verordnung für München und zahlreiche andere Städte in Bayern auf zehn Jahre verlängert worden ist – im Streitfall nicht schon mit der Veräußerung des Anwesens an die GmbH & Co. KG, sondern erst mit der Veräußerung der Eigentumswohnung an die Kläger zu laufen begonnen hat.

Gemäß § 577a Abs. 1 BGB beginnt die Sperrfrist, wenn an den Mieträumen nach deren Überlassung an den Mieter Wohnungseigentum begründet und dieses veräußert worden ist. Diese Voraussetzungen waren im Streitfall im Jahr 2017 erfüllt. Die Sperrfrist nach § 577a Abs. 1 BGB ist mithin noch nicht abgelaufen.

Gemäß § 577a Abs. 1a BGB beginnt eine Sperrfrist auch dann, wenn vermieteter Wohnraum nach dessen Überlassung an den Mieter an eine Personengesellschaft oder an mehrere Erwerber veräußert worden ist. Für den Fall, dass nach einer solchen Veräußerung Wohnungseigentum begründet wird, bestimmt § 577a Abs. 2a BGB, dass die Sperrfrist bereits mit der Veräußerung nach Absatz 1a beginnt.

Wie der BGH nunmehr klargestellt hat, bedeutet dies, dass mit der Veräußerung von Wohnungseigentum, das nach der Veräußerung an eine Personengesellschaft oder an mehrere Erwerber begründet worden ist, keine neue Sperrfrist gemäß § 577a Abs. 1 BGB beginnt. Vielmehr verbleibt es bei der bereits laufenden Frist nach § 577a Abs. 1a BGB.

Im Streitfall wäre die Sperrfrist zum Zeitpunkt der Kündigung mithin abgelaufen gewesen, wenn die Veräußerung an die GmbH & Co. KG Anfang 2012 unter den Tatbestand von § 577a Abs. 1a BGB fiele.

Zu Recht hat das LG jedoch entschieden, dass eine Personenhandelsgesellschaft (also eine OHG oder eine KG) keine Personengesellschaft im Sinne von § 577a Abs. 1a BGB ist.

§ 577a Abs. 1a BGB soll den Mieter vor der Gefahr schützen, dass durch die Veräußerung eine Vielzahl von Personen die Möglichkeit erhalten, den Mietvertrag wegen Eigenbedarfs zu kündigen. Diese Gefahr besteht beim Erwerb durch eine GbR oder durch eine Grundstücksgemeinschaft, weil deren Mitglieder Eigenbedarf geltend machen können. Die Gesellschafter einer OHG oder KG dürfen sich nach der Rechtsprechung des BGH hingegen nicht auf Eigenbedarf berufen. Folglich greift der Zweck des § 577a Abs. 1a BGB bei der Veräußerung an eine solche Gesellschaft nicht.

Praxistipp: Die Fristen nach § 577a Abs. 1 und 1a beginnen jeweils mit der Eintragung der maßgeblichen Rechtsänderung im Grundbuch (BGH, U. v. 21.3.2018 – VIII ZR 104/17, BGHZ 218, 162 Rn. 21 [insoweit nicht in MDR 2018, 584]).

Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es eine Frage im Zusammenhang mit der Neuregelung des Personengesellschaftsrechts zum 1.1.2024.

Eintragung einer GbR zum Zwecke der Löschung
BGH, Beschluss vom 3. Juli 2025 – V ZB 17/24

Der V. Zivilsenat trifft – soweit ersichtlich – zum ersten Mal eine Entscheidung über das neue Personengesellschaftsrecht.

Die Beteiligten zu 1 und 2 sind zwei Gesellschaften bürgerlichen Rechts (GbR), deren Gesellschaftsvermögen jeweils aus einem Grundstück besteht. Ihre Gesellschafter sind jeweils die Beteiligten zu 3 und 4.

Mit notariellem Vertrag vom 21.12.2023 haben die Beteiligten zu 3 und 4 erklärt, die beiden Gesellschaften mit sofortiger Wirkung aufzulösen und die beiden Grundstücke auf sich zu gleichen Teilen in Miteigentum zu übertragen. Der beurkundende Notar hat am 1.2.2024 die Eintragung der Eigentumsänderungen im Grundbuch beantragt. Das AG hat die Beteiligten durch Zwischenverfügung darauf hingewiesen, dass die Umschreibung erst erfolgen könne, wenn die beiden Gesellschaften im Gesellschaftsregister eingetragen seien. Die gegen diese Zwischenverfügung gerichtete Beschwerde der Beteiligten ist erfolglos geblieben.

Die Rechtsbeschwerde der Beteiligten bleibt ebenfalls ohne Erfolg.

Nach der Übergangsvorschrift in Art. 229 § 21 Abs. 1 EGBGB sollen Eintragungen in das Grundbuch, die ein Recht einer GbR betreffen, nicht erfolgen, solange die Gesellschaft nicht im Gesellschaftsregister eingetragen und daraufhin nach den seit 1.1.2024 geltenden Vorschriften (d.h. mit dem Gesellschaftsnamen und ohne Angabe der Gesellschafter) im Grundbuch eingetragen ist.

Zu Recht haben die Vorinstanzen entschieden, dass diese Vorschrift im Streitfall zur Anwendung gelangt. Eine Umschreibung nach altem Recht (für die eine Bewilligung der im Grundbuch eingetragenen Gesellschafter genügt hätte) darf gemäß Art. 229 § 21 Abs. 4 EGBGB nur noch dann erfolgen, wenn sie vor dem 1.1.2024 bewilligt und beantragt worden ist. Im Streitfall ist zwar die Bewilligung vor dem Stichtag erteilt worden; der Antrag wurde aber erst danach gestellt.

Entgegen einer in der Literatur vertretenen Auffassung ist eine vorherige Eintragung auch dann erforderlich, wenn die GbR im Grundbuch gelöscht werden soll. Dies gilt auch dann, wenn das Vermögen der Gesellschaft allein aus dem Grundstück besteht.

Der Gesetzgeber knüpft die Pflicht zur Registereintragung von Gesellschaften, für die im Grundbuch bereits Rechte eingetragen sind, an bestimmte Konstellationen, in denen der Rechtsverkehr ein anerkennenswertes Interesse an Subjektpublizität hat. Dazu gehört nach der bewussten Entscheidung des Gesetzgebers auch die Veräußerung eines zugunsten der Gesellschaft eingetragenen Rechts. Vorschläge, die Auflösung von Zweipersonengesellschaften von der Eintragungspflicht auszunehmen, sind im Gesetzgebungsverfahren nicht aufgegriffen worden.

Ein anerkennenswertes Interesse des Rechtsverkehrs besteht schon deshalb, weil der gute Glaube eines Erwerbers an die Berechtigung der im Grundbuch eingetragenen GbR nur noch dann geschützt ist, wenn sie auch im Gesellschaftsregister eingetragen ist. Bei einer Aufteilung des Vermögens unter den Gesellschaftern kommt ein Gutglaubensschutz zwar grundsätzlich nicht in Betracht. Eventuelle Gläubiger können aber ein Interesse daran haben, sich über den Gesellschafterbestand zu informieren.

Praxistipp: Die Anmeldung zum Handelsregister muss gemäß § 707b Nr. 2 BGB und § 12 Abs. 1 HGB elektronisch in öffentlich beglaubigter Form erfolgen. Die Eintragungsgebühr beträgt nach Nr. 1101 GV-HRegGebV für bis zu drei Gesellschafter 150 Euro und für jeden weiteren Gesellschafter jeweils 60 Euro zusätzlich.

Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um die erforderliche Form eines Heil- und Kostenplans.

Form eines Heil- und Kostenplans für Zahnersatz bei Kassenpatienten
BGH, Urteil vom 2. Mai 2024 – III ZR 197/23

Der III. Zivilsenat befasst sich mit zahlreichen Vorschriften aus dem Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung.

Der bei einer Krankenkasse gesetzlich versicherte Beklagte ließ sich von der Streithelferin in Ober- und Unterkiefer je eine Totalprothese auf Basis eines Implantatsystems einsetzen. Der von der Streithelferin vor der Behandlung erstellte und dem Beklagten ausgehändigte Heil- und Kostenplan sah einen Festzuschuss der Krankenkasse von rund 1.000 Euro und einen vom Beklagten zu tragenden Eigenanteil von rund 12.700 Euro vor. Nach Abschluss der Behandlung stellte die Streithelferin dem Beklagten rund 14.800 Euro in Rechnung. Der Beklagte leistete keine Zahlungen. Die von dem klagenden Abrechnungsunternehmen aus abgetretenem Recht erhobene Klage auf Zahlung des Rechnungsbetrags hatte in den Vorinstanzen nur in Höhe von rund 4.300 Euro Erfolg.

Der BGH verweist die Sache auf die Revision der Klägerin an das OLG zurück.

Entgegen der Auffassung des OLG bedurfte der Heil- und Kostenplan nicht der Schriftform.

Nach § 630c Abs. 3 BGB muss ein Arzt einen Patienten vor der Behandlung über die voraussichtlichen Kosten informieren, wenn er weiß, dass die vollständige Übernahme der Kosten durch einen Dritten nicht gesichert ist. Ein solcher Heil- und Kostenplan bedarf der Textform, sofern sich aus anderen Vorschriften nicht weitergehenden Formanforderungen ergeben.

Im Streitfall ist die Textform (§ 126b BGB) eingehalten. Vorschriften, die für einen Heil- und Kostenplan die Schriftform (§ 126 BGB) vorsehen, greifen im Streitfall nicht.

Nach § 1 Abs. 2 Satz 2 der Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) muss ein Zahnarzt für Wunschleistungen, die über das Maß einer zahnmedizinisch notwendigen Behandlung hinausgehen, einen Heil- und Kostenplan schriftlich (d.h. in der Form des § 126 BGB) vereinbaren. Wenn die Versorgung mit Zahnersatz zahnmedizinisch geboten ist, geht eine Behandlung aber nicht schon deshalb über das Maß des zahnmedizinisch Notwendigen hinaus, weil sie nicht die wirtschaftlich günstigste ist. Zahnmedizinisch notwendig ist vielmehr grundsätzlich jede Behandlungsmethode, die der Erreichung des gebotenen Behandlungszwecks dient. Diese Begriffsdefinition liegt auch den Vorschriften über befundbezogene Festzuschüsse in § 55 SGB V zugrunde.

§ 28 Abs. 2 Satz 4 SGB V schreibt eine schriftliche Vereinbarung für den Fall vor, dass der Versicherte bei Zahnfüllungen eine überobligatorische Versorgung (z.B. Inlays aus Gold oder Keramik statt Plastikfüllung) wählt. Diese Vorschrift ist für Zahnersatzleistungen indes nicht einschlägig.

Die Regelungen über das Verfahren zur Bewilligung von Festzuschüssen für Zahnersatz in § 87 Abs. 1a SGB V sehen die Erstellung eines Heil- und Kostenplans durch den Zahnarzt und dessen Prüfung durch die Krankenkasse vor, nicht aber ein Schriftformerfordernis.

Entgegen der Auffassung des OLG ergibt sich ein Schriftformerfordernis im Streitfall auch nicht aus § 8 Abs. 7 Satz 2 und 3 des Bundesmantelvertrags-Zahnärzte (BMV-Z). Diese Vorschrift verweist für Zahnfüllungen auf § 28 Abs. 2 SBG V und für Zahnersatz auf § 55 SGB V und damit auch auf § 87 Abs. 1a SGB V. Ein Schriftformerfordernis stellt § 8 Abs. 7 Satz 3 BMV-Z nur für den Fall auf, dass der Patient seine Anspruchsberechtigung in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht nachweist und deshalb eine rein privatärztliche Behandlung stattfindet.

Nach der Zurückverweisung wird das OLG zu prüfen haben, ob der erstellte Heil- und Kostenplan inhaltlich ordnungsgemäß und die gestellte Rechnung in vollem Umfang berechtigt ist.

Praxistipp: Entspricht ein Heil- und Kostenplan mit einem gesetzlich Versicherten nicht den maßgeblichen Formvorschriften, kann der Arzt die von der Kasse nicht übernommenen Mehrkosten auch nicht auf der Grundlage von Geschäftsführung ohne Auftrag oder ungerechtfertigter Bereicherung geltend machen. Dem Patienten kann es aber nach Treu und Glauben verwehrt sein, sich auf den Formmangel zu berufen (BGH, U. v. 3.11.2016 – III ZR 286/15 – MDR 2017, 18).

OLG Brandenburg: Streitwert einer Facebook-Sperre

Bei Streitigkeiten im Rahmen der neuen Medien stellt sich oft die Frage, wie der Wert der Streitigkeit zutreffend festzusetzen ist.

Das LG Frankfurt (Oder) hatte den Streitwert für einen Prozess, worin es um die vollständige Sperrung eines privaten Facebook-Kontos ging, auf 5.000 Euro festgesetzt. Dabei hat es sich an dem sog.„Hilfsauffangswert“ (§§ 23 Abs. 3 S. 2 RVG, 42 Abs. 3 FamGKG, 36 Abs. 3 GNotGK, 52 Abs. 2 GKG) orientiert. Die gegen diese Wertfestsetzung gerichtete Streitwertbeschwerde weist das OLG Brandenburg (Beschl. v. 9.4.2024 – 7 W 27/24) zurück.

Insoweit führt das OLG aus: Die Nutzung eines Facebook-Kontos ist für Menschen mit besonderem Kommunikations-, Achtungs- und Beachtungsbedürfnis durchaus wichtig. Sie kann jedoch nicht als unverzichtbare Bedingung der Persönlichkeitsentfaltung gesehen werden. Deshalb ist eine solche Streitigkeit mit dem „Hilfsauffangswert“ in Höhe von 5.000 Euro angemessen bewertet.

Klar ist: Wenn es um geschäftliche Interessen oder gar um Wettbewerbsfragen geht, handelt es sich um eine vermögensrechtliche Streitigkeit. In einem solchen Fall kann es bei dem „Hilfsauffangswert“ nicht bleiben, vielmehr ist der maßgebliche Streitwert dann viel höher festzusetzen. Letztlich sind daher für „normale“ Streitigkeiten in diesem Zusammenhang die Amtsgerichte, für besondere Streitigkeiten, vor allem solche, die im gewerblichen Bereich ihre Ursache haben, die Landgerichte erstinstanzlich zuständig.

Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um die Rechtsscheinhaftung bei Verstoß gegen die Pflicht zur Verwendung des Zusatzes „UG (haftungsbeschränkt)“

Vertreterhaftung bei Vertragsschluss ohne haftungsbeschränkenden Zusatz
Urteil vom 13. Januar 2022 – III ZR 210/20

Mit den Konsequenzen eines Verstoßes gegen § 5a Abs. 1 GmbHG befasst sich der III. Zivilsenat.

Der Kläger zeichnete im Jahr 2013 auf Empfehlung des als Prokurist einer Unternehmergesellschaft (UG) tätigen Beklagten eine Kapitalanlage. Bei der Liquidation des Fonds im Jahr 2017 verlor der Kläger das zu diesem Zeitpunkt eingelegte Kapital in Höhe von 41.000 Euro. Ferner musste er eine weitere Einlage in Höhe von 9.500 Euro erbringen. Diese Beträge verlangt er vom Beklagten wegen fehlerhafter Beratung ersetzt. Die Klage blieb in den beiden ersten Instanzen ohne Erfolg.

Der BGH verweist die Sache an das OLG zurück.

Entgegen der Auffassung der Vorinstanz haftet der Beklagte für einen vertraglichen Schadensersatzanspruch persönlich. Er hat den Anlageberatungsvertrag mit dem Kläger zwar im Namen der UG geschlossen. Weil er bei der Korrespondenz nicht den gesetzlich vorgeschriebenen Haftungszusatz „UG (haftungsbeschränkt)“ verwendet hat, haftet er gemäß § 311 Abs. 2 und 3 sowie entsprechend § 179 BGB aber persönlich. Er hat durch dieses Verhalten den Eindruck erweckt, für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft hafte mindestens eine natürliche Person.

Praxistipp: Die Haftung trifft jeden Vertreter, der einen Vertrag im Namen der Gesellschaft schließt, ohne den vorgeschriebenen Zusatz zu verwenden, nicht aber weitere, nicht am Vertragsschluss beteiligte Repräsentanten der Gesellschaft (BGH, Urt. v. 5.2.2007 – II ZR 84/05, GmbHR 2007, 593). Die volle persönliche Haftung tritt auch dann ein, wenn eine UG den Zusatz „GmbH“ verwendet (BGH, Urt. v. 12.6.2012 – II ZR 256/11, MDR 2012, 1178).

Zustellung an einen Geschäftsführer „persönlich“

Im Rahmen eines Zwangsvollstreckungsverfahrens vor dem AG Hamburg-Altona (Beschl. v. 7.1.2021 – 321 M 414/20) stellte sich eine interessante Zustellungsfrage: Der Gläubiger beantragte, gegen den Geschäftsführer einer GmbH einen Haftbefehl zu erlassen. Die erforderliche Zustellung an den Geschäftsführer erfolgte durch Einlegung in den Briefkasten der GmbH. Grundsätzlich ist eine solche Zustellung an die GmbH nach den §§ 180 S. 1, 178 Abs. 1 Nr. 2 ZPO ohne weiteres möglich. Hier bestand das Problem aber darin, dass der Zustellungsempfänger nicht die GmbH war, sondern der Geschäftsführer persönlich. Der Geschäftsraum war hier jedoch der Geschäftsraum der GmbH und nicht der des Geschäftsführers!

In einem solchen Fall ist eine Zustellung an den Geschäftsführer persönlich durch Einlegung in den Briefkasten unter der Anschrift der GmbH somit nicht möglich. Dasselbe gilt, wenn z.B. ein Geschäftsführer einer GmbH persönlich in Anspruch genommen werden soll. Es bleibt dann nichts anderes übrig, als entweder zu hoffen, dass der Geschäftsführer persönlich anwesend ist, dann kann ihm persönlich zugestellt werden, oder die Privatanschrift des Geschäftsführers zu ermitteln. Dies kann beispielsweise über das Handelsregister oder über das Einwohnermeldeamt festgestellt werden.

Diese Sicht der Dinge widerspricht allerdings einer jüngeren Entscheidung des VGH Mannheim, NJW 2018, 2507 und auch der überwiegenden Kommentarliteratur (z. B. Zöller/Schultzky, ZPO, 33. Aufl. (2020), § 178 m. w. N.). In der Sache selbst erscheint allerdings die Auffassung des AG Hamburg-Altona tatsächlich richtig. Bereits der Wortlaut des Gesetzes legt nahe, dass es sich bei dem Geschäftsraum um den Geschäftsraum des Zustellungsempfängers handeln muss. Und Zustellungsempfänger ist in dem genannten Fall eben nicht die GmbH, sondern der Geschäftsführer persönlich und die Geschäftsräume der GmbH sind nicht die Geschäftsräume des Geschäftsführers, sondern eben die der GmbH. Aus den Gesetzesmaterialien (BT-Drucksache 14/4554 S. 20) ergibt sich nichts, was eine andere Auffassung stützen könnte. Präzise erkannt haben das Problem Neuhaus/Köther, MDR 2009, 537, 538 zu III. 3. Die Verfasser des Aufsatzes sprechen sich deswegen für eine analoge Anwendung des § 178 Abs. 1 Nr. 2 ZPO aus. Insoweit dürfte es jedoch an der dafür erforderlichen Regelungslücke fehlen, zumal im Zustellungsrecht eine eher formale Betrachtung angezeigt ist. Vielleicht wird die Diskussion durch diese Entscheidung einen neuen Impuls in die richtige Richtung erhalten!

Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um zwei nahezu klassische Fragen, die sich in unterschiedlichen Zusammenhängen immer wieder stellen.

Reichweite der Haftung für die Betriebsgefahr eines Kraftfahrzeugs
Urteil vom 20. Oktober 2020 – VI ZR 158/19

Mit den Voraussetzungen von § 7 Abs. 1 StVG befasst sich der VI. Zivilsenat.

Die klagende Versicherung nimmt die Beklagte wegen eines Brandschadens in der Autoreparaturwerkstatt ihres Versicherungsnehmers in Anspruch. Die Beklagte hatte einen Lkw in die Werkstatt gebracht, um die Hinterreifen auszutauschen und am nächsten Tag eine TÜV-Untersuchung durchzuführen. In der Nacht vor der Untersuchung geriet das Werkstattgebäude in Brand. Als Ursache wurde ein Defekt des in der Werkstatt abgestellten Lkw festgestellt. Unklar blieb, ob der Defekt am Motor oder an einem in der Fahrerkabine eingebauten Kühlschrank entstanden war. Die Klage auf Feststellung der Schadensersatzpflicht hatte in den ersten beiden Instanzen Erfolg.

Die Beklagten unterliegt auch in der dritten Instanz.

Der BGH tritt den Vorinstanzen darin bei, dass ein Schaden bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs entstanden ist, wenn das Schadensgeschehen auf eine defekte Betriebseinrichtung zurückzuführen ist. Zu den Betriebseinrichtungen gehören nicht nur Teile, die für die Transport- und Fortbewegungsfunktion von Bedeutung sind, sondern alle Bestandteile, die dazu bestimmt sind, dem Betrieb des Fahrzeugs zu dienen, indem sie dessen Benutzung sicherer, leichter oder komfortabler gestalten sollen. Dazu gehört auch ein in das Fahrzeug eingebauter Kühlschrank.

Praxistipp: Nicht von § 7 Abs. 1 StVG erfasst sind Schäden, die dadurch verursacht worden sind, dass ein Kraftfahrzeug als Arbeitsgerät eingesetzt worden ist, ohne am öffentlichen Verkehr teilzunehmen.

Bereicherungsausgleich in Dreiecksverhältnissen
Urteil vom 29. Oktober 2020 – IX ZR 212/19

Mit den Folgen einer fehlerhaften Anweisung befasst sich der IX. Zivilsenat.

Die Klägerin, eine Publikums-KG, begehrt vom Beklagten, dem Insolvenzverwalter einer anderen KG, die Feststellung einer Darlehensforderung zur Insolvenztabelle. Nach dem Vortrag der Klägerin wurde das Darlehen vom damaligen Geschäftsführer ihrer Komplementär-GmbH, der zugleich Geschäftsführer der Komplementär-GmbH der späteren Insolvenzschuldnerin war, gewährt und die Darlehenssumme unmittelbar an eine Gläubigerin der Insolvenzschuldnerin ausgezahlt. Die Komplementärin der Schuldnerin war von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit. Nach dem Gesellschaftsvertrag bedurfte die Gewährung von Krediten unter bestimmten Voraussetzungen aber der Einwilligung der Gesellschafterversammlung. Nach dem Vortrag der Beklagten fiel das in Streit stehende Darlehen unter diese Bestimmung. Die Klage blieb in den beiden ersten Instanzen ohne Erfolg.

Der BGH verweist die Sache an das OLG zurück.

Entgegen der Auffassung der Vorinstanz ist der Darlehensvertrag nicht schon deswegen unwirksam, weil er ohne Einwilligung der Gesellschafterversammlung geschlossen wurde. Die Komplementärin der Insolvenzschuldnerin hat durch den Abschluss dieses Vertrags zwar ihre internen Befugnisse überschritten. Bei einem Insichgeschäft eines von § 181 BGB befreiten Vertreters führt ein solcher Verstoß aber nur dann zur Unwirksamkeit des Vertrags wegen Missbrauchs der – im Außenverhältnis wirksamen – Vertretungsmacht, wenn der Vertrag für den Vertretenen nachteilig ist. Hierzu fehlt es an tatrichterlichen Feststellungen.

Selbst wenn der Vertrag unwirksam wäre, ergäbe sich aus dem Klägervorbringen ein gegen die Beklagte gerichteter Bereicherungsanspruch. Der Darlehensbetrag ist nach dem Vortrag der Klägerin zwar an einen Dritten geflossen. Der Bereicherungsanspruch richtet sich ggf. aber gegen die Schuldnerin, weil die Zahlung auf ihre Weisung erfolgt ist und der Tilgung einer ihr obliegenden Verbindlichkeit gedient hat. Dass die Weisung im Falle eines Vollmachtsmissbrauchs ebenfalls unwirksam ist, steht dem nicht entgegen. Der Zahlungsempfänger, für den der Missbrauch nicht erkennbar war, ist in seinem Vertrauen auf die Wirksamkeit der Weisung geschützt. Ausschlaggebend dafür ist, dass der Geschäftsführer im Außenverhältnis zur Vertretung der Schuldnerin befugt war und nur gegen Beschränkungen im Innenverhältnis verstoßen hat.

Praxistipp: Aufgrund der Sonderregelung in § 675u BGB ist das Vertrauen des Zahlungsempfängers nicht geschützt, wenn die Leistung durch einen Zahlungsdienstleister erfolgt und der zugrunde liegende Zahlungsauftrag zuvor storniert worden ist.

Ordnungsgeld auch gegen juristische Personen?

Im Rahmen eines Landwirtschaftsverfahrens hatte das AG gegen den Geschäftsführer einer GmbH persönlich ein Ordnungsgeld von sagenhaften 200 € verhängt, da dieser zu einem Termin – entgegen einer gerichtlichen Anordnung – nicht erschienen war. Ersatzweise wurden vier Tage Ordnungshaft festgesetzt. Auf die sofortige Beschwerde des Geschäftsführers änderte das OLG den Beschluss dahingehend ab, dass die ersatzweise angeordnete Ordnungshaft entfiel. Auf die Rechtsbeschwerde hebt der BGH – Senat für Landwirtschaftssachen – (Beschl. v. 30.3.2017 – Blw 3/16, MDR 2017, 721) den Beschluss des AG insgesamt auf.

Der BGH folgt hier der herrschenden Meinung, wonach ein Ordnungsgeld gemäß § 141 Abs. 3  ZPO nur gegen die juristische Person selbst festgesetzt werden darf, wenn diese Partei des Rechtsstreites ist. Eine Festsetzung gegen die Organe ist nicht statthaft. Zwar muss ein Organ geladen werden, da die Partei als juristische Person nur durch ihre Organe handeln kann. Das Gesetz verpflichtet aber gleichwohl in einem Zivilprozess ausschließlich die Partei. Zwar dürfen sitzungspolizeiliche Maßnahmen auch gegen ein Organ einer Partei ergriffen werden, dabei geht es aber um eine Missachtung des Gerichts. Beim Nichterscheinen geht es um die Aufklärung des Sachverhalts. Erscheint das Organ nicht, kann die juristische Person bei diesem Regress nehmen. Hat die juristische Person kein Vermögen, läuft zwar das Ordnungsgeld leer, dies ist aber bei natürlichen Personen als Parteien auch nicht anders.

Bereits das OLG hatte die ersatzweise angeordnete Ordnungshaft aufgehoben. Dies geschah zu Recht, da das Gesetz die Anordnung von ersatzweiser Ordnungshaft gegen die nicht erschienene Partei schlichtweg nicht vorsieht. Ordnungshaft kann allerdings gegen Zeugen verhängt werden (§ 380 ZPO). Die weiteren Voraussetzungen sowie das Verfahren richten sich nach Art. 5 ff. EGStGB. Danach darf das Ordnungsgeld zwischen 5 und 1.000 € betragen. Im Verhältnis zu vielen juristischen Personen wirken diese Beträge mehr als lächerlich.

Kommentar: Eigentlich ist all dies nicht mehr zeitgemäß. Der Gesetzgeber sollte vielmehr den Gerichten mehr Möglichkeiten geben, das Erscheinen von Organen juristischer Personen vor Gericht mit Sanktionen zu erzwingen, die diesen Namen auch wirklich verdienen. So besteht die Gefahr, dass gerade diejenigen über die Justiz lachen, die sie auch sonst nicht ernst nehmen, weil sie meinen, sich dies schlichtweg leisten bzw. einkaufen zu können. Aber mit derartigen „Trivialitäten“ wird sich der Gesetzgeber sicherlich nicht befassen wollen.

Vertiefungshinweis: Ausführlich zum Ordnungsgeld zuletzt Zapf MDR 2017, 554.

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Löschung einer Limited im Register ihres Heimatstaats
Beschluss vom 22. November 2016 – II ZB 19/16
Beschluss vom 19. Januar 2017 – VII ZR 112/14

Mit den prozessualen Folgen der Löschung einer am Prozess beteiligten Limited Company im Register ihres Heimatstaats befassen sich der II. und der VII. Zivilsenat in zwei unterschiedlich gelagerten Fällen.

In dem vom II. Zivilsenat entschiedenen Fall war zu Lasten eines in Deutschland belegenen Grundstücks eine Buchgrundschuld zugunsten einer Limited mit Sitz auf den Bahamas eingetragen. Im dortigen Handelsregister war die Gesellschaft wegen nicht beglichener Registergebühren gelöscht worden. Die Eigentümer des Grundstücks beantragten die Anordnung einer Pflegschaft für die Gesellschaft gemäß § 1913 BGB, mit dem Ziel, dass der Pfleger die Löschung der nicht mehr valutierten Grundschuld beantragt. Das AG wies den Antrag zurück. Das LG verwarf die Beschwerde der Eigentümer als unzulässig.

Der BGH weist die Rechtsbeschwerde der Eigentümer zurück. Die Eigentümer sind durch den Beschluss des AG nicht in eigenen Rechten beeinträchtigt und deshalb nicht gemäß § 59 Abs. 1 FamFG beschwerdebefugt, weil sie die Löschung der Grundschuld auf anderem Wege erreichen können. Wenn die Limited dem Recht der Bahamas unterliegt – was bei Gesellschaften außerhalb der EU einen effektiven Verwaltungssitz in diesem Staat voraussetzt – ist sie mit der Löschung im Handelsregister zwar erloschen. Für ihr in Deutschland belegenes Vermögen gilt sie aber als Restgesellschaft als fortbestehend, weil die Löschung auf einer staatlichen Zwangsmaßnahme beruht. Sie ist insoweit als deutsche Kapitalgesellschaft zu behandeln, für die entsprechend § 273 Abs. 4 Satz 1 AktG ein Nachtragsliquidator zu bestellen ist. Falls die Limited ihren letzten Verwaltungssitz in Deutschland hatte, unterliegt sie insgesamt dem deutschen Recht und ist mangels Eintragung im deutschen Handelsregister als Personengesellschaft oder Einzelunternehmen anzusehen. In dieser Rechtsform ist sie trotz der Löschung auf den Bahamas weiterhin voll existent.

In dem vom VII. Zivilsenat entschiedenen Fall hatte der Kläger eine nach englischem Recht gegründete Private Limited Company auf Zahlung von Architektenhonorar in Anspruch genommen. Das LG verurteilte die Beklagte antragsgemäß durch Versäumnisurteil. Nach Erlass und vor Zustellung dieses Urteils wurde die Beklagte im englischen Register gelöscht. Das Versäumnisurteil wurde dennoch zugestellt, und zwar – wie schon die Klageschrift – an einen Wirtschaftsprüfer in London, den die Beklagte mit der Entgegennahme ihrer Post beauftragt hatte. Drei Monate nach der Zustellung legte ein Anwalt im Namen der Beklagten Einspruch ein. Das LG verwarf diesen wegen Versäumung der Einspruchsfrist als unzulässig. Während des Berufungsverfahrens wurde die Beklagte wieder in das englische Register eingetragen. Ihre Berufung blieb erfolglos.

Der BGH verweist die Sache an das OLG zurück. Anders als die Vorinstanzen verneint er eine wirksame Zustellung des Versäumnisurteils. Im Zeitpunkt der Zustellung war die Beklagte aufgrund der Löschung im Register nach englischem Recht – das als Gründungsstatut für die in der EU ansässige Beklagte unabhängig von deren Verwaltungssitz maßgeblich ist – nicht mehr existent. Mangels Vermögens im Inland bestand auch keine Restgesellschaft, so dass die Beklagte ihre Rechtsfähigkeit insgesamt verloren hatte. Deshalb konnte das Versäumnisurteil nicht wirksam zugestellt werden. Allerdings wurde die Klage trotz des Verlusts der Rechtsfähigkeit und dem damit verbundenen Verlust der Prozessfähigkeit der Beklagten nicht unzulässig. Weil nach englischem Recht eine Wiedereintragung möglich ist, war der Rechtsstreit vielmehr entsprechend § 239 und § 241 ZPO unterbrochen, solange ein Antrag auf Wiedereintragung noch in Betracht kam. Gemäß § 249 ZPO konnte während der Unterbrechung aber keine wirksame Zustellung erfolgen. Deshalb begann die Einspruchsfrist nicht zu laufen.

Praxistipp: Eine Unterbrechung nach § 239, § 241 oder § 242 ZPO tritt gemäß § 246 ZPO nicht ein, wenn die betroffene Partei bei Eintritt des maßgeblichen Ereignisses durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten ist. Dieser kann aber die Aussetzung des Verfahrens beantragen.

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Einwurf-Einschreiben als „eingeschriebener Brief“
Urteil vom 27. September 2016 – II ZR 299/15

Mit den Voraussetzungen einer gesetzlichen Formvorschrift befasst sich der II. Zivilsenat im Zusammenhang mit der Kaduzierung eines GmbH-Anteils.

Die Parteien stritten darum, ob der Gesellschaftsanteil der Beklagten an der klagenden GmbH wirksam kaduziert worden war. Die auf Feststellung der Unwirksamkeit gerichtete Widerklage hatte in erster Instanz Erfolg. Das Berufungsgericht hielt die Kaduzierung hingegen für formell und materiell wirksam und wies die Widerklage deshalb ab. In der Revisionsinstanz stritten die Parteien nur noch darum, ob eine Zahlungsaufforderung, die die Klägerin durch Einwurf-Einschreiben versandt hatte, der Vorgabe aus § 21 Abs. 1 Satz 2 GmbHG genügt, wonach die Aufforderung „mittels eingeschriebenen Briefes“ zu erfolgen hat.

Der BGH weist die Revision zurück. Er beantwortet die (im Berufungsverfahren nicht thematisierte) Streitfrage dahin, dass ein Einwurf-Einschreiben den Anforderungen aus § 21 Abs. 1 Satz 2 GmbHG genügt. Bei Inkrafttreten der Regelung im Jahr 1896 gab es zwar noch kein Einwurf-Einschreiben. Entscheidend ist aber der Sinn und Zweck der Regelung. Dieser besteht darin, den Zugang der Aufforderung zu gewährleisten und die Beweisführung zu erleichtern. Beide Ziele können durch ein Einwurf-Einschreiben im Wesentlichen in gleicher Weise erreicht werden wie durch ein Übergabe-Einschreiben. Die Wahrscheinlichkeit eines Zugangs ist beim Einwurf-Einschreiben sogar höher, weil nicht erforderlich ist, dass der Empfänger oder ein Familienangehöriger im Zeitpunkt der Zustellung anwesend sind oder das Schreiben später bei der Post abholen. Die abweichende Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 4 Abs. 1 VwZG a.F. steht nicht entgegen, weil das Verwaltungszustellungsgesetz zwingend eine persönliche Übergabe voraussetzt, also eine andere Zielsetzung verfolgt.

Praxistipp: Auch in Fällen, in denen das Gesetz keine besondere Form vorsieht, ist ein Einwurf-Einschreiben häufig ein einfaches und zuverlässiges Mittel, um den Zugang einer Erklärung beweissicher zu dokumentieren.

Eintritt in ein Ankaufsrecht bei Erwerb eines Mietgrundstücks
Urteil vom 12. Oktober 2016 – XII ZR 9/15

Mit der Reichweite des Grundsatzes „Kauf bricht nicht Miete“ befasst sich der XII. Zivilsenat.

Die beklagte Stadt hatte von der ursprünglichen Eigentümerin Räume zur Nutzung als Stadtarchiv angemietet. Im Mietvertrag ließ sie sich ein Ankaufsrecht für eine noch zu vermessende Teilfläche des betroffenen Grundstücks einräumen. Die Vermieterin verpflichtete sich, das Ankaufsrecht bei Veräußerung an den jeweiligen Rechtsnachfolger weiterzugeben. Später wurde das Grundstück zweimal veräußert. Der erste Erwerber übernahm die Verpflichtungen aus dem Ankaufsrecht, der zweite nicht. Die Klage der zweiten Erwerberin auf Feststellung, dass die Beklagte ihr gegenüber aus dem Ankaufsrecht nicht berechtigt ist, blieb in erster Instanz erfolglos. Das OLG sprach die begehrte Feststellung aus. Dagegen wendete sich die Beklagte mit der Revision.

Der BGH weist das Rechtsmittel zurück. Mit dem OLG ist er der Auffassung, dass die aus dem Ankaufsrecht resultierenden Verpflichtungen nicht gemäß § 566 Abs. 1 BGB auf die Klägerin übergegangen sind. Nach der etablierten Rechtsprechung des BGH erfasst § 566 Abs. 1 BGB nur solche Rechte und Pflichten, die als mietrechtlich zu qualifizieren sind oder die in untrennbarem Zusammenhang mit dem Mietvertrag stehen. Ein Ankaufsrecht ist keine mietrechtliche, sondern eine kaufrechtliche Regelung. Es steht auch nicht in untrennbarem Zusammenhang mit dem Mietvertrag. Ankauf und Miete schließen sich vielmehr gegenseitig aus.

Praxistipp: Um Regressansprüche des Mieters zu vermeiden, sollte der Vermieter bei der Veräußerung des Mietgrundstücks darauf achten, dass eine Übernahme der Verpflichtung durch den Erwerber zweifelsfrei vereinbart wird.