Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um die Relevanz von Hilfsanträgen bei der Berechnung der Beschwer in einem Rechtsmittelverfahren.

Wert der Beschwer bei nicht beschiedenen Hilfsanträgen
BGH, Beschluss vom 20. Februar 2025 – I ZR 119/24

Eine Entscheidung des I. Zivilsenats verdeutlicht, dass das Bestreben, das Kostenrisiko möglichst gering zu halten, mit Nebenwirkungen verbunden sein kann.

Die Klägerin hat die Beklagte im Jahr 2018 mit dem Transport und der anschließenden Lagerung einer Druckmaschine betraut. Bei der Auslieferung der Maschine im Jahr 2022 stellte sich heraus, dass die Maschine starke Rostschäden aufweist und nicht mehr funktionsfähig ist. Die Klägerin beziffert den daraus resultierenden Schaden auf rund 370.000 Euro. Die Beklagte beruft sich unter anderem auf die in Nr. 24.1.2 ADSp vorgesehene Haftungsobergrenze von 35.000 Euro. Die Klägerin macht geltend, diese Obergrenze sei gemäß Nr. 27.1 ADSp nicht einschlägig, weil die Beklagte grob fahrlässig gehandelt habe.

Die Klägerin begehrt Zahlung von 35.001 Euro. Für den Fall, dass dieser Antrag in vollem Umfang Erfolg hat, verlangt sie ergänzend die Zahlung weiterer 335.000 Euro und die Feststellung, dass die Beklagte zum Ersatz aller weiteren Schäden verpflichtet ist. Das LG hat die Klage abgewiesen. Das OLG hat der Klägerin einen Ersatzanspruch in Höhe von 35.000 Euro zuerkannt und die weitergehende Berufung zurückgewiesen.

Der BGH setzt den Streitwert des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens auf 1 Euro fest.

Für die Berechnung der geltend zu machenden Beschwer ist nur die Differenz zwischen dem Hauptantrag und dem vom Berufungsgericht zugesprochenen Betrag maßgeblich. Diese beträgt 1 Euro.

Die Hilfsanträge der Klägerin wären nur dann maßgeblich, wenn das OLG über sie entschieden hätte. Diese Voraussetzung ist im Streitfall nicht gegeben.

Entgegen der Auffassung der Klägerin gilt der aufgezeigte Grundsatz nicht nur für Hilfsanträge, die für den Fall gestellt worden sind, dass der Hauptantrag erfolglos bleibt, sondern auch für solche, die unter der Bedingung stehen, dass der Hauptantrag Erfolg hat.

Praxistipp: Um die Möglichkeit einer Nichtzulassungsbeschwerde offenzuhalten, muss der Hauptantrag in solchen Fällen auf Zahlung von mehr als 20.000 Euro gerichtet sein. Im vorliegenden Fall hätte der Kläger mithin mindestens 55.001 Euro einklagen müssen, um eine höchstrichterliche Entscheidung über die Anwendbarkeit der Haftungsobergrenze herbeiführen zu können.

KG: Erledigungserklärung in zweiter Instanz nebst Kostenentscheidung

Das KG (Beschl. v. 28.3.2025 – 2 W 9/25) hatte über die Kostentragung trotz Obsiegens im Falle einer „verspäteten“ Erledigungserklärung zu entscheiden.

Dem lag folgender Sacherhalt zugrunde: Die Gläubigerin brachte gegen die Schuldnerin vor dem LG einen Antrag auf Festsetzung eines Zwangsgeldes ein (§ 888 ZPO). Nach Zustellung des Antrages wurde der vollstreckte Anspruch durch die Übersendung der gewünschten Unterlagen erfüllt. Dies teilte die Schuldnerin dem Gericht mit. Die Schuldnerin hatte allerdings die Unterlagen bereits früher an ihren Rechtanwalt geschickt. Dort waren sie aber versehentlich zunächst liegen geblieben und wurden erst nach Zustellung des Zwangsgeldantrages an die Gläubigerin weitergeleitet.

Daraufhin reagierte die Gläubigerin zunächst nicht mehr, auch nicht auf die Nachfragen des LG. Das LG wies sodann den Antrag zurück und legte die Kosten des Verfahrens der Gläubigerin auf. Diese legte gegen den entsprechenden Beschluss sofortige Beschwerde ein und erklärte das Zwangsgeldverfahren für erledigt, die Schuldnerin widersprach.

Da die Schuldnerin nicht zugestimmt hatte, lag hier eine einseitige Erledigungserklärung vor, die auch im Zwangsgeldverfahren zulässig ist. Ein solcher Antrag kann auch noch in der Beschwerdeinstanz angebracht werden. Da die Schuldnerin den Anspruch verspätet erfüllt hatte, ist das Verfahren tatsächlich erledigt worden. Entscheidend für die Erfüllung ist der Eingang der Unterlagen bei der Gläubigerin, nicht der Eingang derselben bei dem Anwalt der Schuldnerin. Unerheblich ist auch, dass die Gläubigerin in der Beschwerdeinstanz mit neuem Vortrag aufwartete. Ein solcher ist im Beschwerdeverfahren zulässig (§ 571 Abs. 2 S. 1 ZPO).

Die Kostenentscheidung (§ 891 S. 3, § 91, § 97 ZPO) geht allerdings teilweise zu Lasten der Gläubigerin. Die Kosten der ersten Instanz hat die Schuldnerin zu tragen, da sie verspätet erfüllt hatte. Allerdings wurden die Kosten des Beschwerdeverfahrens der Gläubigerin auferlegt, da sie die Erledigung erst in der Beschwerdeinstanz erklärt hatte (§ 97 Abs. 2 ZPO) und dieser Erklärung ohne weiteres bei gewissenhafter Prozessführung auch vorher hätte abgeben können.

Fazit: Auch wenn im Beschwerdeverfahren noch einiges nachgeholt werden kann, sollte die Kostenfolge des § 97 Abs. 2 ZPO nicht übersehen werden. Nachlässige Prozessführung darf zudem nicht belohnt werden.

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Diese Woche geht es um die Zulässigkeit der Berufung gegen ein zweites Versäumnisurteil in Fällen mit unionsrechtlichem Einschlag.

Keine Vorlage an den EuGH nach zweitem Versäumnisurteil
BGH, Beschluss vom 27. März 2025 – I ZB 68/24

Der I. Zivilsenat befasst sich mit § 514 Abs. 2 Satz 1 ZPO.

Der Kläger begehrt die Rückzahlung von verlorenen Einsätzen in Höhe von rund 11.000 Euro, die er bei Online-Glücksspielen der in Malta ansässigen Beklagten getätigt hat. Die Beklagte hat in erster Instanz die Aussetzung des Verfahrens bis zum Abschluss eines bei EuGH anhängigen Verfahrens über die Zulässigkeit solcher Online-Dienste oder eine eigene Vorlage des LG an den EuGH beantragt. In der mündlichen Verhandlung war sie nicht vertreten. Das LG erließ gegen sie ein Versäumnisurteil. In dem nach Einspruch anberaumten Verhandlungstermin erschien für die Beklagte erneut niemand. Das LG hat den Einspruch verworfen. Die dagegen eingelegte Berufung der Beklagten hat das OLG als unzulässig verworfen.

Die Rechtsbeschwerde der Beklagten bleibt ebenfalls ohne Erfolg.

Das OLG hat die Berufung zu Recht als unzulässig verworfen. Nach § 514 Abs. 2 Satz 1 ZPO darf die Berufung gegen ein Urteil, mit dem ein Einspruch gegen ein Versäumnisurteil verworfen worden ist, nur mit der Begründung angefochten werden, ein Fall der Säumnis habe nicht vorgelegen. Die Rüge, die Klage sei unschlüssig, ist danach nicht zulässig.

Entgegen der Auffassung der Beklagten gilt dies auch dann, wenn die Schlüssigkeit von Vorschriften des Unionsrechts abhängt, die einer Vorabentscheidung durch den EuGH bedürfen. Das Unionsrecht gebietet nicht, von der Anwendung innerstaatlicher Verfahrensvorschriften, aufgrund derer eine Entscheidung Rechtskraft erlangt, abzusehen, wenn die Entscheidung inhaltlich gegen Unionsrecht verstößt.

Praxistipp: Eine Berufung darf auf den Einwand fehlender Schlüssigkeit gestützt werden, wenn es sich bei der ersten Entscheidung um einen Vollstreckungsbescheid gehandelt hat.

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Diese Woche geht es um die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erstattung außergerichtlicher Kosten in Verfahren nach dem FamFG.

Reichweite einer Kostengrundentscheidung
BGH, Beschluss vom 23. April 2025 – IV ZB 18/24

Der IV. Zivilsenat befasst sich mit dem Unterschied zwischen § 81 und § 84 FamFG.

Der Beteiligte zu 1 beantragte die Einziehung eines Erbscheins, der den Beteiligten zu 2 als Alleinerben ausweist. Das AG hat den Antrag abgewiesen und dem Beteiligten zu 1 unter Bezugnahme auf § 81 FamFG die Kosten des Einziehungsverfahrens auferlegt. Das OLG hat die dagegen gerichtete Beschwerde zurückgewiesen und unter Bezugnahme auf § 84 FamFG ausgesprochen, dass der Beteiligte zu 1 die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen hat.

Der Beteiligte zu 2 hat daraufhin die Festsetzung zu erstattender Kosten in Höhe von rund 14.000 Euro beantragt. Das AG hat die Kosten antragsgemäß festgesetzt. Die dagegen gerichtete Beschwerde des Beteiligten zu 1 ist erfolglos geblieben.

Die Rechtsbeschwerde des Beteiligten zu 1 hat hinsichtlich der zweitinstanzlichen Kosten ebenfalls keinen Erfolg. Den Antrag auf Festsetzung der erstinstanzlichen Kosten weist der BGH hingegen zurück.

Entgegen der Auffassung des OLG ist einer erstinstanzlichen Entscheidung in einem Nachlassverfahren, in der ein Antrag kostenpflichtig zurückgewiesen wird oder dem Antragsteller die Kosten des Verfahrens auferlegt werden, regelmäßig nicht zu entnehmen, dass der Antragsteller außergerichtliche Kosten der anderen Beteiligten zu tragen hat. Dies hat der BGH bereits vor kurzem so entschieden (Beschluss vom 29. Januar 2025 – IV ZB 2/24, MDR 2025, 482 Rn. 12 ff.). Aus den Entscheidungsgründen kann sich zwar im Einzelfall etwas anderes ergeben. Ein bloßer Verweis auf § 81 FamFG reicht hierfür aber nicht aus. Im Kostenfestsetzungsverfahren kann eine solche Entscheidung nicht nachgeholt werden,

Eine Beschwerdeentscheidung, in der dem Beschwerdeführer unter Verweis auf § 84 FamFG die zweitinstanzlichen Kosten auferlegt werden, verpflichtet hingegen in der Regel auch zur Erstattung notwendiger Aufwendungen weiterer Beteiligter im Sinne von § 80 Satz 1 FamFG. Auch dies hat der BGH vor kurzem bereits entschieden (Beschluss vom 27. November 2024 – IV ZB 12/24,        MDR 2025, 346 Rn. 12).

Hintergrund dieser Unterscheidung ist, dass die Kostenentscheidung in erster Instanz gemäß § 81 FamFG dem Ermessen des Gerichts obliegt, während § 84 FamFG die Auferlegung der gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten der zweiten Instanz als Regelfall vorsieht.

Praxistipp: Soweit dem erstinstanzlichen Gericht ein Ermessen zusteht, hat das Beschwerdegericht gegebenenfalls eine eigene Ermessensentscheidung zu treffen (so zu § 18 VersAusglG: BGH, Beschluss vom 12. Oktober 2016 – XII ZB 372/16, MDR 2017, 296 Rn. 10). Deshalb empfiehlt sich in solchen Fällen ein Antrag des Beschwerdegegners, dem Beschwerdeführer auch die außergerichtlichen Kosten der ersten Instanz aufzuerlegen.

Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um die Rechtsstellung eines Miterben in Bezug auf einen zum Nachlass gehörenden Miteigentumsanteil an einem Grundstück

Teilungsversteigerung trotz Pfändung eines Erbteils
BGH, Beschluss vom 20. März 2025 – V ZB 63/23

Der V. Zivilsenat befasst sich mit den Rechten eines Miterben im Verhältnis zu den Miteigentümern und zu einem Gläubiger, zu dessen Gunsten der Erbteil gepfändet worden ist.

Die Beteiligten zu 1 und 2 sind gemeinsam Eigentümer eines Grundstücks. Einer der beiden Miteigentumsanteile steht der Beteiligten zu 2 alleine zu, der andere beiden Beteiligten in Erbengemeinschaft. Im November 2018 ordnete das AG auf Antrag der Beteiligten zu 1 die Zwangsversteigerung des Grundstücks zum Zwecke der Aufhebung der Gemeinschaft an. Die Beteiligte zu 2 ließ in der Folgezeit den Miterbenanteil der Beteiligten zu 1 pfänden und sich zur Einziehung überweisen. Kurze Zeit darauf übertrug die Beteiligte zu 1 ihren Erbteil auf die Beteiligte zu 3.

Der Antrag der Beteiligten zu 2, das Versteigerungsverfahren aufzuheben oder hilfsweise einzustellen, ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben.

Die Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 2 bleibt ebenfalls ohne Erfolg.

Zu Recht hat das LG entschieden, dass kein Hindernis vorliegt, das gemäß § 28 ZVG zur Aufhebung oder Einstellung des Verfahrens führt.

Nach § 2042 Abs. 2 BGB und § 180 Abs. 1 sowie § 181 Abs. 2 ZVG kann ein Miterbe die Teilungsversteigerung eines Grundstücks auch dann beantragen, wenn lediglich ein Miteigentumsanteil zum Nachlass gehört. Mit einem solchen Antrag macht er den vormals dem Erblasser zustehenden Anspruch auf Auseinandersetzung der Bruchteilsgemeinschaft geltend. Diesen Anspruch darf nach der allgemeinen Regelung in § 2039 Satz 1 BGB jeder Erbe ohne Mitwirkung der übrigen Erben geltend machen.

Die Pfändung und Überweisung des Erbteils steht weder der Einleitung noch der Fortsetzung des Versteigerungsverfahrens entgegen.

Der Schuldner eines gepfändeten Rechts darf über dieses weiterhin Verfügungen treffen, sofern diese das Pfandrecht des Gläubigers nicht beeinträchtigen. In der Literatur ist umstritten, ob die Veräußerung eines zum Nachlass gehörenden Grundstücks nach Pfändung des Erbteils zu einer Beeinträchtigung führt. Der BGH lässt diese Frage offen und entscheidet, dass im Falle einer Teilungsversteigerung jedenfalls dann keine Beeinträchtigung vorliegt, wenn lediglich ein Miteigentumsanteil zum Nachlass gehört. Der Pfandgläubiger hat ohnehin nur ein Recht auf Befriedigung aus dem Auseinandersetzungsguthaben. Mit der Teilungsversteigerung setzen sich seine Rechte an dem Anspruch auf Auszahlung des anteiligen Übererlöses fort.

Ob die Übertragung des Erbteils auf die Beteiligte zu 3 im Verhältnis zur Beteiligten zu 2 wirksam ist, bedarf keiner Entscheidung. Diese Frage hat nur Auswirkungen darauf, wer nunmehr als Antragsteller des Versteigerungsverfahrens anzusehen ist. Dieses Verfahren ist aber unabhängig davon durchzuführen, ob die Beteiligte zu 1 oder die Beteiligte zu 3 diese Stellung einnehmen.

Praxistipp: Einen Antrag auf Teilungsversteigerung darf nach § 180 Abs. 1 und § 181 Abs. 2 Satz 1 ZVG jeder im Grundbuch eingetragene Miteigentümer stellen. Der Einwand, der Antragsteller sei materiell nicht berechtigt, darf nur im Wege der Widerspruchsklage nach § 771 ZPO geltend gemacht werden (BGH, U. v. 8.7.2021 – V ZB 94/20, MDR 2021, 1415 Rn. 10).

KG: Beschwerde im Rahmen des selbständigen Beweisverfahrens

In einem der letzten Beiträge wurde auf eine Entscheidung des KG (Beschl. v. 2.1.2025 – 2 W 18/24) hingewiesen, wonach die Zurückweisung von Anträgen auf Ablehnung eines „Obergutachtens“ sowie auf eine ergänzende Begutachtung durch einen bereits bestellten Sachverständigen nicht beschwerdefähig sind.

Nunmehr hat ein anderer Senat des KG (Beschl. v. 10.3.2025 – 21 W 5/25) diese Entscheidung ergänzt und ausdrücklich und gleichfalls mit langer und sorgfältiger Begründung entschieden, dass die Zurückweisung von Ergänzungsfragen zu einem im selbstständigen Beweisverfahren eingeholten schriftlichen Sachverständigengutachten nicht mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar ist.

Da es an einer ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung nach § 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO fehlt, könnte eine Beschwerde nur nach § 567 Abs. 1 Nr. 2 zulässig sein. Wenn eine Partei im Rahmen eines selbständigen Beweisverfahrens beantragt, Ergänzungs- oder Gegenfragen durch eine ergänzende schriftliche Begutachtung zu klären, ist dies kein „Gesuch“ i. S. d. § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO. Unter einem Gesuch ist lediglich ein förmlicher Antrag zu verstehen. Denn über diese Punkte hat das Gericht zur Not gemäß den § 492 Abs. 1, § 411 Abs. 3 nach pflichtgemäßem Ermessen von Amts wegen zu befinden. Im Übrigen gehen die Möglichkeiten der Parteien im selbständigen Beweisverfahren nicht weiter als im ordentlichen Verfahren. Aber auch im „normalen“ Zivilprozess ist gegen die Ablehnung von ergänzenden Fragen kein Rechtsmittel gegeben. Hinzu kommt, dass im selbständigen Beweisverfahren keine Würdigung der Beweise stattfindet und deswegen Entscheidungen nach den § 411 Abs. 3 und § 412 ZPO nicht erfolgen können.

Im konkreten Fall kam der Antrag von einem Streitverkündeten. Dies ändert jedoch nichts, da ein Streitverkündeter nicht mehr Rechte hat als die Partei selbst (§ 67 ZPO). Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren (nur für die Anwaltskosten, da für das Gericht eine Festgebühr entsteht) wurde pauschal auf 25 % der Hauptsache geschätzt. Das KG hat die Kosten der erfolglosen Beschwerde dem Beschwerdeführer auferlegt (§ 97 Abs. 1 ZPO).

Die Parteien sind insoweit nicht rechtlos gestellt. Wenn es zu einem streitigen Verfahren kommt, muss gegebenenfalls das Prozessgericht den gestellten Anträgen nachgehen. Gegen dessen (Hauptsache)Entscheidung ist dann ein Rechtsmittel gegeben. Das Unterlassen weiterer Aufklärung kann sodann gegebenenfalls mit einer Verfahrensrüge angegangen werden.

Im Übrigen erscheint noch Folgendes möglich: Es kann die Anhörung des Sachverständigen beantragt werden. Einen solchen Antrag darf das Gericht kaum ablehnen. In diesem Rahmen könnten dann dem Sachverständigen die notwendigen Fragen gestellt werden.

BGH: Kostenaufbringung der Bundesagentur für Arbeit im Rahmen der PKH

In einer in der „Insolvenzverwalterszene“ durchaus mit Spannung erwarteten Entscheidung hat der BGH (Beschl. v. 13.2.2025 – IX ZB 27/24) an seiner Auffassung, der Bundesagentur für Arbeit sei es nicht zumutbar, die Kosten für eine Prozessführung des Insolvenzverwalters aufzubringen (§ 116 S. 1 Nr. 1 ZPO), wenn sie aufgrund von auf sie übergegangenen Ansprüche einzelner Arbeitnehmer am Insolvenzverfahren beteiligt ist, festgehalten. Bezüglich dieser Frage hatte es in letzter Zeit ablehnende Entscheidungen verschiedener OLG gegeben.

Das Beschwerdegericht hatte die von dem Insolvenzverwalter beantragte Prozesskostenhilfe abgelehnt, und zwar mit der Begründung, die Bundesanstalt für Arbeit sei wegen der genannten Ansprüche gemäß § 116 S. 1. Nr. 1 ZPO wirtschaftlich beteiligt und habe einen Kostenbeitrag zu leisten, da sie bei einem Erfolg des Prozesses das 3,2-Fache der aufzuwendenden Kosten aus der Masse zurückerhalten werde. Der letzteren Erwägung tritt der BGH durchaus bei. Der BGH betont jedoch im Gegensatz zum Beschwerdegericht: Die betroffenen Arbeitnehmer selbst können als Kleingläubiger nicht zu den Prozesskosten herangezogen werden. Insofern wäre es widersprüchlich, die Bundesanstalt heranzuziehen, die durch die Insolvenz ohnehin maßgeblich belastet wird. Eine Einsatzpflicht von Mitteln der Bundesanstalt hätte im Übrigen zur Folge, dass dieser an sich zweckgebundene Mittel für andere Zwecke entzogen würden.

Interessant war noch ein Nebenaspekt der Entscheidung: Der BGH hat weiterhin entschieden, dass die schlichte Möglichkeit, ein Erfolgshonorar zu vereinbaren, der Bewilligung von Prozesskostenhilfe für einen Insolvenzverwalter nicht entgegensteht.

Diese Entscheidung kommt den Bedürfnissen der Insolvenzverwalter entgegen.

Blog powered by Zöller: Der digitale Zivilprozess rückt näher

Dass die Ziviljustiz dringend den Anschluss an das digitale Zeitalter finden muss, ist mittlerweile allgemeine Meinung; Statements dazu aus Praxis und Wissenschaft gibt es bereits zuhauf. Mit besonderem Interesse wurde aber dem Abschlussbericht der vom Bundesministerium der Justiz eingesetzten Reformkommission „Zivilprozess der Zukunft“ entgegengesehen, denn von diesem mit Vertretern der Justizverwaltungen, der Gerichtspraxis, der Anwaltschaft und der Wissenschaft besetzten Gremium durften grundlegende Richtungsentscheidungen für die Reformpolitik erwartetet werden. Der soeben veröffentlichte Abschlussbericht enttäuscht diese Erwartungen nicht. Obwohl er an den hergebrachten Strukturen und Grundsätzen des Zivilprozesses festhält, verschafft er ihm durch maß- und sinnvolle Nutzung der digitalen Technologie ein neues, zeitgemäßes Format.

Entscheidendes Element des künftigen Zivilprozesses wird die Verfahrensmanagement-Plattform sein, auf der das gesamte Verfahren, insbesondere die Kommunikation zwischen dem Gericht und den anderen Prozessbeteiligten abgewickelt wird. An die Stelle eines Konglomerats von PDF-Dateien (wie in der bisherigen E-Akte) tritt dann ein cloudbasiertes Verfahrensdokument. Parteivortrag sowie Hinweise und Entscheidungen des Gerichts werden dort eingestellt und übersichtlich geordnet. Sieben Tage nach Mitteilung des Neueingangs gilt das Dokument als zugegangen, sodass die Formalitäten des Zustellungsverfahrens entfallen können. Richter und Anwälte können sich jederzeit durch Blick in das digitale Verfahrensdokument über den aktuellen Sachstand informieren, ihn auch variabel nach ihren Präferenzen (z.B. chronologisch, sachlich, nach Urhebern geordnet) darstellen lassen. Der Bericht sieht hier auch Einsatzmöglichkeiten für KI und – in einem weiteren Schritt – für die kollaborative Fortschreibung des Parteivortrags.

Die Kommission beschränkt sich nicht darauf, diese Möglichkeiten nach Art einer Zukunftsvision in den Raum zu stellen, sondern befasst sich, teilweise auf existierende Modelle im Ausland und in der Schiedsgerichtsbarkeit Bezug nehmend, eingehend mit der praktischen Umsetzbarkeit. Das gilt auch für die Beteiligung von Naturalparteien, deren Zugang zum Gerichtsverfahren im Übrigen durch ein bundeseinheitliches Justizportal – ein weiteres Herzstück des Kommissionsberichts – verbessert werden soll.

Nicht weniger bedeutsam sind die Vorschläge der Kommission für ein effizienteres Verfahrensmanagement.  Sie sind auf eine stringente, frühzeitig einsetzende, mit den Parteien abgestimmte, transparente Verfahrensplanung gerichtet. Der Vorsitzende soll durch einen Organisationstermin oder verfahrensleitende Hinweise für die Strukturierung des Streitstoffs sorgen. Der Grundsatz der mündlichen Verhandlung soll zwar beibehalten, aber zeitgemäß modifiziert, virtuelle Verhandlungsformen sollen ausgebaut werden.

Mit Nachdruck – und bis ins Einzelne gehenden Vorschlägen – spricht sich der Bericht dafür aus, das Kammerprinzip und spezialisierte Spruchkörper, auch über Gerichtssprengel hinaus, zu fördern. Die Kammer für Handelssachen soll aufgewertet werden.

Auf die ungezählten weiteren Vorschläge des 240 Seiten umfassenden Berichts kann hier nicht eingegangen werden; sie reichen vom Einsatz digitaler, auf KI basierender Assistenzprogramme über die Ersetzung von Formularen durch digitale Eingabe- und Abfragesysteme, das Nutzbarmachen von Beweiserhebungen für Parallelverfahren und neue Formen der Urteilsverkündung bis zur Automatisierung des Kostenfestsetzungsverfahrens und zur Einführung eines Vollstreckungsregisters, welches die Ausfertigung des Titels und die Erteilung der Klausel ersetzen soll.

Dass sich Manches wie Science Fiction liest, liegt nicht an mangelhafter Bodenhaftung der Verfasser, sondern daran, dass sich die Ziviljustiz zu lange den modernen Entwicklungen verschlossen hat. Auch der Kommission ist klar, dass sich nicht alle Vorschläge auf einen Schlag verwirklichen lassen; zu manchen Punkten schlägt sie weitere Erörterungen oder Erprobungsgesetze vor. Dabei sind die Aussichten auf ein baldiges Tätigwerden des Gesetzgebers nicht schlecht, denn die durch rückläufige Prozesszahlen, zunehmende Verfahrensdauern und belastende Massenverfahren gekennzeichnete Situation der Ziviljustiz verlangt dringende Abhilfe.

Dass das Thema auf die rechtspolitische Agenda kommt, wird zudem unterstützt durch die Initiative einer von Präsidentinnen und Präsidenten der Oberlandesgerichte eingerichteten Arbeitsgruppe. Diese hat in ihren Münchener Thesen und einem Tagungsband Anforderungen an einen Zivilprozess der Zukunft aufgestellt, die weitgehend mit der Tendenz des Kommissionsberichts übereinstimmen, aber auch zusätzliche Aspekte, etwa den Einbau konsensualer Elemente, Handhaben gegen überlange Verfahrensdauern und die Bündelung von Massenverfahren behandeln.

Die Vorarbeiten für die heute noch geltende ZPO von 1877 dauerten rund 40 Jahre; es gab ungezählte Kommissionen und Entwürfe.  Mit den heutigen Herausforderungen und der rasanten technologischen Entwicklung wäre ein solches Procedere nicht zu vereinbaren. Zu Recht spricht sich die Kommission daher für ein iteratives Vorgehen mittels Legal Design Thinking aus. Ziel muss nicht eine völlig neue ZPO sein. Kurzfristig umsetzbare Vorschläge der Arbeitsgruppen sollten daher vorgezogen, die zweifellos aufwendige Entwicklung der elektronischen Systeme vorangetrieben, aber nicht abgewartet werden. Probeläufe in Reallaboren sind angesagt. Manche Empfehlungen können auch schon nach geltendem Recht umgesetzt werden, z.B. die virtuelle Verfahrenskonferenz zur Strukturierung von Prozessstoff und -verlauf (s. Zöller/Greger, ZPO, 35. Aufl. 2024, § 139 ZPO Rn. 4 ff., § 273 ZPO Rn. 15).


Aktuelle Gesetzesänderungen werden vom Zöller stets aufbereitet. In den Online-Aktualisierungen finden Sie Änderungen auch zwischen den Auflagen. Zudem wird der Zöller die zu erwartenden Änderungen rund um den „Zivilprozess der Zukunft“ intensiv und vielfältig begleiten.

 

BGH: Weitere Behandlung offenbar unsinniger Eingaben

Auch der BGH muss sich häufiger mit offenbar unsinnigen Eingaben und Rechtsmitteln befassen. Im hier entschiedenen Fall (BGH, Beschl. v. 28.11.2024 – III ZB 90/24) hatten mehrere Kläger einen Beklagten auf Zahlung von Schmerzensgeld vor einem LG in Anspruch genommen. Die Kläger waren allerdings nicht anwaltlich vertreten. Sie zahlten auch den angeforderten Vorschuss nicht. Nachdem das LG sich dann geweigert hat, die Klage zuzustellen, haben die Kläger dagegen sofortige Beschwerde eingelegt. Diese wurde zurückgewiesen.

Daraufhin wendeten sich die Kläger an den BGH. Dieser legte die Eingabe als Rechtsbeschwerde aus, da ein anderes Rechtsmittel ersichtlich nicht in Betracht gekommen wäre. Die Rechtsbeschwerde ist jedoch nicht statthaft, da sie weder zugelassen wurde noch deren Zulässigkeit im Gesetz positiv geregelt ist. Darüber hinaus ist die Rechtsbeschwerde unzulässig, da sie nicht durch einen bei dem BGH zugelassenen Rechtsanwalt eingelegt wurde. Der BGH hat die Rechtsbeschwerde daher kostenpflichtig verworfen. Dies alles ist relativ klar.

Interessant ist die Entscheidung aber aus zwei Aspekten heraus: Zum einen hat der BGH darauf hingewiesen, dass mit der Rechtsbeschwerde nicht geltend gemacht werden kann, das Beschwerdegericht habe dieselbe zulassen müssen. Zum anderen hat der BGH am Ende des Beschlusses geschrieben: „Mit einer Bescheidung weiterer Eingaben in dieser Sache können die Kläger nicht mehr rechnen.

Diesen Satz sollte man sich merken und in geeigneten Fällen am Ende einer Entscheidung anbringen! Weitere Eingaben, die offenbar unsinnig sind, werden dann anschließend schlichtweg nicht mehr beantwortet. Dies ist eine zielführende Möglichkeit, anzudeuten, dass diese Sache von dem jeweiligen Gericht als beendet angesehen wird.

Bericht über die 10. Prozessrechtstagung 2024

Am 30. und 31. August 2024 fand an der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Bonn die 10. Prozessrechtstagung statt. Diese Jubiläumstagung wurde von Malcolm Brunzema, Kevin Franzke, Ansgar Kalle und Johannes Richter organisiert. Unter dem Leitthema Verfahrensrecht und Rechtsstaat nahm sie fachsäulenübergreifend zahlreiche Einflüsse des Rechtsstaatsprinzips auf das Verfahrensrecht den Blick.

Den Auftakt bildete das Thema Prozessführung. Bernd Scheiff erläuterte in seinem Festvortrag die Herausforderungen, die sich der Justiz im Umgang mit der Digitalisierung stellen, darunter insbesondere die Potentiale des Einsatzes von KI und Legal Tech. An diese Themen knüpfte Jürgen vom Stein in seinem nachfolgenden Vortrag auf. Er arbeitete heraus, dass der Prozessstoff in jüngerer Vergangenheit erheblich zugenommen habe, was Gerichten erschwere, diesen zu strukturieren. Vom Stein kritisierte, dass sich die Digitalisierung im öffentlichen Sektor häufig darauf beschränke, analoge Prozesse möglichst originalgetreu in den digitalen Raum zu übertragen. Hier bedürfe es größerer Innovation, etwa durch Einführung einer Online-Plattform, auf der die Parteien den Stoff strukturieren können. Die Prozessführung nahm auch Matthäus Uitz in den Blick, der analysierte, inwiefern überlange Dauern von Kindesunterhaltsverfahren Bestimmungen der EMRK verletzen.

Der anschließende Vortragsblock untersuchte prozessuale Grundprinzipien. Anna Groteclaes trug zu dem Spannungsverhältnis vor, das zwischen dem Gebot rechtlichen Gehörs und Präklusionsregelungen besteht. Florian Slogsnat untersuchte im Anschluss am Beispiel der Wiederaufnahmeentscheidung  des BVerfG das Verhältnis zwischen materieller Wahrheit und Rechtsfrieden. Es folgte ein Vortrag von Jennifer Grafe, welcher der Frage nachging, inwiefern der Amtsermittlungsgrundsatz durch prozessökonomische Überlegungen geprägt ist.

Im Anschluss nahm die Tagung das Thema Prozesskosten in den Blick. Leon Marcel Kahl untersuchte, ob es notwendig sei, zum Schutz des Beklagten eine allgemeine Prozesskostensicherheit einzuführen. Alexander Pionteck analysierte demgegenüber die potentielle Unionsrechtswidrigkeit des § 12a I 1 ArbGG, der die Erstattung von Rechtsanwaltskosten im erstinstanzlichen Verfahren ausschließt.

Es folgte ein Vortrag von Jannik Heine zum Umgang mit neuen Gütern in der Zwangsvollstreckung. Danach setzte sich Tobias Kulhanek mit der Frage auseinander, inwiefern Medien Anteil- und Einflussnahme auf den Strafprozess ausüben und welche rechtlichen Grenzen dem gesetzt sind. Philipp Rhein trug im Anschluss zur Positionierung der Verhältnismäßigkeitsprüfung im strafrechtlichen Einziehungsprozess vor. Seinen Abschluss fand der strafverfahrensrechtliche Vortragsblock mit einem Vortrag zu strafprozessualen Offenbarungsverboten. Christian Liefke erläuterte am Beispiel des § 95a VI StPO, welche Herausforderungen diese bergen.

Die Tagung schloss mit einem Vortrag von Stella Dörenbach, der aufzeigte, welche rechtsstaatlichen Vorteile ein verstärkter Gebrauch quantitativen Rechts mit sich bringen könnte.

An die Vorträge schlossen sich jeweils lebhafte und engagierte Diskussionen der Tagungsgäste an. Als Fazit zogen die Verfasser, dass sich auf der Tagung erneut gezeigt habe, dass das Prozessrecht zahlreiche Fragestellungen birgt, die einer näheren Aufarbeitung bedürfen.

Die Vorträge werden in der GVRZ veröffentlicht. Die 11. Prozessrechtstagung findet 2025 in Tübingen statt.