Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um den Anspruch des Veranstalters auf Entschädigung nach Rücktritt von einem Pauschalreisevertrag vor Reisebeginn

Darlegungs- und Beweislast des Reiseveranstalters für Angemessenheit der Entschädigung
Urteile vom 18. Januar 2022 – X ZR 88/20, X ZR 109/20, X ZR 125/20

Mit den Voraussetzungen eines Anspruchs nach § 651j BGB aF bzw. § 651h BGB nF sowie diesbezüglichen Auskunftsansprüchen des Reisenden befasst sich der X. Zivilsenat.

In den zugrunde liegenden Fällen waren Reisende von einem Pauschalreisevertrag vor Antritt der Reise zurückgetreten. Der Reiseveranstalter erstattete nur einen geringen Teil des bereits gezahlten Reisepreises und behielt den Rest als pauschale Entschädigung ein. Die Reisenden erhielten insoweit Leistungen aus einer Reiserücktrittskostenversicherung. Der Versicherer bzw. ein von diesem beauftragtes Inkassounternehmen nahmen den Reiseveranstalter auf Zahlung des einbehaltenen Betrags in Anspruch. In zwei der Fälle begehrten sie im Wege der Stufenklage vorab Auskunft und Rechnungslegung über die Höhe der ersparten Aufwendungen und der durch anderweite Verwendung der Reiseleistungen erzielten Erlöse sowie Vorlage der Verträge mit Leistungsträgern.

Die erstinstanzlichen Gerichte wiesen die Klage mangels Aktivlegitimation ab. Die zweitinstanzlichen Gerichte kamen zu drei unterschiedlichen Ergebnissen.

Der BGH weist die Klagen auf Auskunft, Rechnungslegung und Vorlage von Verträgen ab; in diesen Fällen muss das LG nunmehr über die Höhe des Zahlungsanspruchs entscheiden. Im dritten Fall bestätigt der BGH die zweitinstanzliche Verurteilung zur Zahlung des einbehaltenen Betrags.

Hinsichtlich der Frage der Aktivlegitimation schließt sich der X. Zivilsenat einer vor kurzem ergangenen Entscheidung des für Versicherungsrecht zuständigen IV. Zivilsenats an, der einen gesetzlichen Anspruchsübergang nach § 86 Abs. 1 VVG bejaht hat.

Hinsichtlich der reiserechtlichen Fragen knüpft der BGH an seine Rechtsprechung an, wonach der Reiseveranstalter die Darlegungs- und Beweislast für die Angemessenheit der geforderten Entschädigung trägt. Bei individueller Berechnung muss der Veranstalter darlegen und ggf. unter Beweis stellen, welche Aufwendungen er erspart hat und welche Reiseleistungen er anderweit verwenden konnte. Bei Pauschalierung in AGB muss er darlegen und ggf. unter Beweis stellen, welche Möglichkeiten zur Ersparnis von Aufwendungen oder zur anderweiten Verwendung von Leistungen gewöhnlicherweise bestehen. Soweit sein Vortrag diesen Anforderungen nicht genügt, ist der Veranstalter zur Rückzahlung der einbehaltenen Entschädigung verpflichtet.

Vor diesem Hintergrund verneint der BGH einen einklagbaren Anspruch des Reisenden auf Auskunft und Rechnungslegung. Nach dem bis 30.6.2018 geltenden Recht kann sich ein solcher Anspruch nur aus § 242 BGB ergeben. Die danach maßgeblichen Voraussetzungen sind nicht erfüllt, weil der Reisende die in Rede stehenden Informationen nicht benötigt, um seinen Erstattungsanspruch zu berechnen oder durchzusetzen. Nach der seit 1.7.2018 geltenden Regelung in § 651h Abs. 2 Satz 3 BGB ist der Reiseveranstalter zwar auf Verlangen des Reisenden verpflichtet, die Höhe der Entschädigung zu begründen. Auch diese Regelung betrifft aber nur die Darlegungs- und Beweislast und schafft keinen einklagbaren Auskunftsanspruch.

Praxistipp: Um mögliche Kostennachteile zu vermeiden, sollte der Reisende den Veranstalter schon vor Klageerhebung auffordern, die Höhe der Entschädigung zu begründen.

Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Versäumung der Berufungsbegründungsfrist

Überprüfungspflicht des Anwalts nach mehrfachen Fehlern einer Kanzleiangestellten
Beschluss vom 23. Februar 2022 – IV ZB 1/21

Mit den Folgen von mehreren zutage getretenen Fehlern einer Kanzleiangestellten bei der Eintragung von Fristen befasst sich der IV. Zivilsenat.

Die Klägerin wendet sich gegen die Neuberechnung ihrer Startgutschrift in der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes. In mehreren Parallelverfahren hatten andere Versicherte entsprechende Ansprüche geltend gemacht. Einige davon hatten denselben Prozessbevollmächtigten wie die Klägerin.

Das LG wies die Klage ab. Hiergegen legte die Klägerin rechtzeitig Berufung ein, die innerhalb der Frist aber nicht begründet wurde. Die Klägerin begehrte Wiedereinsetzung, weil die mit der Fristenkontrolle betraute Kanzleiangestellte ihres Prozessbevollmächtigten die Frist trotz entsprechender Verfahrensanweisung nicht in den elektronischen Kalender eingetragen habe. Das OLG wies den Wiedereinsetzungsantrag zurück und verwarf die Berufung als unzulässig.

Die Rechtsbeschwerde der Klägerin bleibt erfolglos.

Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin war zu einer persönlichen Überprüfung des Fristenkalenders verpflichtet. Die in Rede stehende Kanzleiangestellte hatte in vier Parallelverfahren die Begründungsfrist ebenfalls nicht in den Kalender eingetragen. Der Prozessbevollmächtigte hatte hiervon rund drei Wochen vor dem Ende der im Streitfall laufenden Frist Kenntnis erlangt. Von diesem Zeitpunkt an war der Prozessbevollmächtigte verpflichtet, die ordnungsgemäße Eintragung der Berufungsbegründungsfrist in allen in Betracht kommenden Parallelverfahren zu überprüfen. Er durfte von einer vollständigen Überprüfung nicht deshalb absehen, weil in den zwei Wochen nach Bekanntwerden der vier Fehler keine weiteren Fehler zutage getreten waren.

Praxistipp: Nach Bekanntwerden eines Fehlers reicht die abstrakte Weisung, alles Erforderliche zu dessen Korrektur zu veranlassen, nicht aus. Erforderlich sind eine konkrete Benennung der zu ergreifenden Maßnahmen und die Überprüfung, ob diese ausgeführt worden sind.

Ergänzung des Vorbringens zu einem bereits aus dem Wiedereinsetzungsgesuch ersichtlichen Fehler einer Kanzleiangestellten
Beschluss vom 16. Dezember 2021 – V ZB 34/21

Mit der Abgrenzung zwischen einem unzulässigen Nachschieben von Wiedereinsetzungsgründen und der zulässigen Ergänzung rechtzeitigen Vorbringens befasst sich der V. Zivilsenat.

Die Kläger haben gegen ein ihnen ungünstiges Urteil des LG fristgerecht Berufung eingelegt, diese aber nicht rechtzeitig begründet. Mit ihrem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand machten sie geltend, die mit dem Versand betraute Kanzleiangestellte ihres Prozessbevollmächtigten habe die Berufungsbegründung am letzten Tag der Frist vorab per Telefax versandt und entsprechend der Dienstanweisung auf Seitenzahl, Faxnummer des Empfangsgerichts und OK-Vermerk geprüft. Für den fehlenden rechtzeitigen Zugang müsse ein technischer Fehler des Empfangsgeräts ursächlich sein.

Das OLG wies darauf hin, aus dem vorgelegten Sendeprotokoll ergebe sich, dass die verwendete Telefax-Nummer hinsichtlich einer Ziffer von der Nummer des OLG abweiche, was darauf schließen lasse, dass die Angestellte keinen Abgleich mit einer zuverlässigen Quelle vorgenommen habe. Die Klägerin trug hierauf ergänzend vor, es bestehe die Anweisung, die verwendete Telefaxnummer vor dem Versand mit einem Originalschreiben des Empfängers oder einer anderen sicheren Quelle abzugleichen; der Fehler in der verwendeten Telefaxnummer beruhe auf einem Versehen der Angestellten im Einzelfall. Das OLG wies das Wiedereinsetzungsgesuch zurück und verwarf die Berufung als unzulässig.

Der BGH gewährt den Klägern Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

Das OLG durfte das ergänzende Vorbringen nach dem gerichtlichen Hinweis nicht unberücksichtigt lassen. Dass eine unzutreffende Faxnummer verwendet wurde, ergab sich – wie das OLG in seinem Hinweis mitgeteilt hat – schon aus dem Sendebericht, der fristgerecht mit dem Wiedereinsetzungsgesuch vorgelegt wurde. Aus diesem Gesuch ergab sich auch, dass der Prozessbevollmächtigte Anweisungen zur Überprüfung der Telefaxnummer erteilt hatte. Bei dieser Ausgangslage sind seine Angaben zum konkreten Inhalt dieser Anweisungen trotz Ablaufs der Wiedereinsetzungsfrist noch zulässig, weil sie der Ergänzung von fristgerechtem Vorbringen dienen, das erkennbar ergänzungsbedürftig und ergänzungsfähig ist.

Praxistipp: Als zuverlässige Quelle für den Abgleich der Telefaxnummer kommt auch ein aktuelles Verzeichnis in Betracht, nicht aber ein beliebiges, nicht vom Adressaten stammendes Schreiben in der Handakte. Ein Abgleich vor dem Versand genügt. Ein erneuter Abgleich nach dem Versand ist grundsätzlich nicht erforderlich.

OLG Hamm: Anfechtung einer gemischten Kostenentscheidung und zur Prüffrist der Kfz-Haftpflichtversicherung

Mit einigen interessanten und alltäglichen Fragen hat sich das OLG Hamm (Beschl. v. 19.10.2021 – I-7 W 11/21) befasst. Im Rahmen eines Verkehrsunfalls war darüber zu befinden, ob der Geschädigte zu früh geklagt hatte. Das LG hat eine verfrühte Klage bejaht und dem Kläger die Kosten des gesamten Verfahrens auferlegt. Die Kostenentscheidung beruhte überwiegend auf § 91a ZPO (soweit die Beklagte zu 1), dies war die Haftpflichtversicherung des Beklagten zu 2) bezahlt hatte). Durch den streitigen Teil der Entscheidung war der Kläger allerdings nur mit 350 Euro beschwert. Der Kläger legte gleichwohl Berufung und sofortige Beschwerde ein.

Die Berufung ist offensichtlich unzulässig, da es an der erforderlichen Mindestbeschwer von mehr als 600 Euro fehlt (§ 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Der Wunsch des Klägers, die Kostenentscheidung des LG auch insoweit zu Fall zu bringen, ändert daran nichts. Denn gemäß § 99 Abs. 1 ZPO ist eine Kostenentscheidung nicht anfechtbar, wenn über die Hauptsache durch Urteil entschieden wurde, dieses Urteil aber nicht anfechtbar ist. Der Anteil der Kosten, über den streitig entschieden wurde, verbleibt daher bei dem Kläger. Anders sieht es mit dem Teil der Kosten aus, über den das LG nach § 91a ZPO entschieden hat. Dieser Teil kann gemäß § 91a Abs. 2 Satz 1 ZPO durch die sofortige Beschwerde (die erforderliche Beschwer war hier gegeben) angefochten werden.

Im Rahmen der Begründetheit der Beschwerde konnte unproblematisch festgestellt werden, dass sich die Beklagte in Verzug befunden hat, denn der Rechtsanwalt des Klägers hatte mehrfach gemahnt. Allerdings muss einer Haftpflichtversicherung eine angemessene Prüfungsfrist für die geltend gemachten Ansprüche zugestanden werden. Diese Frist kann nicht allgemein festgelegt werden, sondern ist vom Einzelfall abhängig. Hier war das geparkte Fahrzeug des Klägers durch ein bei der Beklagten versichertes Fahrzeug beschädigt worden. Es handelte sich damit um einen einfach gelagerten Sachverhalt mit einer klaren Haftungslage. Der Klägervertreter hatte bei der Geltendmachung der Ansprüche bereits den Polizeibericht mitgeschickt. Unter diesen Umständen hält das OLG eine Frist von vier Wochen, die zum Zeitpunkt der Klageerhebung bereits abgelaufen war, für angemessen und ausreichend. Die Inverzugsetzung der Beklagten zu 1) (der Versicherung) wirkt hier – entgegen § 425 Abs. 2 BGB –auch gegen den Beklagten zu 2), und zwar aufgrund der in den AKB eingeräumten Regulierungsvollmacht.

Demgemäß ändert das OLG die Kostenentscheidung des LG ab und legt den Beklagten als Gesamtschuldner den überwiegenden Kostenanteil auf. Lediglich der rechtkräftig gewordene Anteil verbleibt bei dem Kläger.

BGH: Prozesskostensicherheit im Vollstreckbarkeitsverfahren sowie im Aufhebungsverfahren bezüglich eines Schiedsspruchs

Die in der Republik China ansässige Antragsgegnerin war durch ein Schiedsgericht der ICC durch inländischen Schiedsspruch u. a. verurteilt worden, an die Antragstellerin, die in der Republik Österreich ansässig ist, hohe Beträge zu zahlen. Im Vollstreckbarkeitsverfahren hatte das OLG Frankfurt a. M. den Schiedsspruch für vollstreckbar erklärt und den Aufhebungsantrag der Antragsgegnerin gegen die Antragstellerin zurückgewiesen. Die Antragsgegnerin legt Rechtsbeschwerde ein. Die Antragstellerin beantragte daraufhin in der Rechtsbeschwerdeinstanz, der Antragsgegnerin die Erbringung einer Prozesskostensicherheit aufzugeben. Der BGH wies mit Beschl. v. 23.9.2021 – I ZB 21/21, MDR 2022, 191 diesen Antrag zurück.

Erst am Ende der Entscheidung weist der BGH daraufhin, dass der Antrag ohnehin verspätet war. Die Einrede der mangelnden Sicherheitsleistung für die Prozesskosten ist eine verzichtbare Zulässigkeitsrüge und muss daher für alle Rechtszüge vor der ersten Verhandlung zur Hauptsache erhoben werden. Eine Entscheidung über die Sicherheitsleistung ergeht einheitlich für alle Rechtszüge. Entsprechend § 296 Abs. 3 ZPO ist eine spätere Erhebung der Einrede nur zulässig, wenn entweder die Voraussetzungen der Erhebung der Einrede erst später eingetreten sind oder die Einrede ohne Verschulden nicht erhoben wurde. Dabei gilt § 85 Abs. 2 ZPO, d. h. ein Verschulden des Anwalts wird der Partei zugerechnet. Ein solches Verschulden liegt hier vor, da der Bevollmächtigte der Antragstellerin dies hätte wissen müssen.

Der BGH nutzt jedoch tatsächlich diese Gelegenheit, um sich auch in der Sache mit der Zulässigkeit dieser prozessualen Einrede zu befassen. Im Vollstreckbarkeitsverfahren kann die Einrede nicht erhoben werden. Dies hat der BGH bereits zum alten Schiedsverfahrensrecht entschieden. Stellt der Antragsgegner im Rahmen des Vollstreckbarkeitsverfahrens einen Antrag auf Aufhebung des Schiedsspruches gegen den Antragsteller, kann die Einrede gleichfalls nicht erhoben werden. Dies ergibt sich bereits aus der formalisierten Betrachtungsweise: Gemäß § 110 Abs. 1 ZPO betrifft die Verpflichtung zur Leistung einer Prozesskostensicherheit nur den Kläger, gemäß § 110 Abs. 2 Nr. 4 ZPO nicht den Widerkläger. Nichts anderes gilt vorliegend.

Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um das Verhältnis zwischen einer Schiedsgutachtenabrede und einem selbständigen Beweisverfahren

Kein selbständiges Beweisverfahren bei Schiedsgutachtenabrede
Urteil vom 26. Januar 2022 – VII ZR 19/21

Mit den Anforderungen aus § 485 Abs. 2 ZPO befasst sich der VII. Zivilsenat.

Die Antragstellerin beauftragte die Antragsgegnerin im Jahr 2017 mit der Neuerrichtung einer Autobahnbrücke. In der Folgezeit erhob sie zahlreiche Rügen in Bezug auf Stahlbauteile und den Fertigungsprozess. Im April 2020 verlangte die Antragsgegnerin auf der Grundlage von § 18 Abs. 4 VOB/B eine Schiedsuntersuchung durch eine staatliche anerkannte Prüfstelle. Elf Tage später begehrte die Antragstellerin die Einleitung eines selbständigen Beweisverfahrens. Die Antragstellerin hält das Begehren wegen der Schiedsgutachtenvereinbarung für unzulässig.

Der Antrag auf Einleitung des selbständigen Beweisverfahrens blieb in den beiden ersten Instanzen ohne Erfolg.

Die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin hat ebenfalls keinen Erfolg.

Das OLG ist rechtsfehlerfrei zu dem Ergebnis gelangt, dass die Voraussetzungen von § 485 Abs. 1 ZPO schon deshalb nicht vorliegen, weil ein Verlust von Beweismitteln nicht zu besorgen ist. Der Antrag wäre deshalb nur dann zulässig, wenn die Antragstellerin ein rechtliches Interesse an der Beweiserhebung im Sinne von § 485 Abs. 2 ZPO hätte.

Ein solches Interesse hat das OLG wegen der in § 18 Abs. 4 VOB/B enthaltenen Schiedsgutachtenvereinbarung zu Recht verneint. Mit einer solchen Vereinbarung bringen die Vertragsparteien zum Ausdruck, dass die für die Beurteilung der Rechtslage maßgeblichen Feststellungen gerade nicht auf gerichtlichem Wege getroffen werden sollen. Hieran muss sich eine Vertragspartei jedenfalls dann festhalten lassen, wenn sich die andere auf die Abrede beruft.

Praxistipp: Der Beginn eines vereinbarten Begutachtungsverfahrens führt gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 8 BGB zur Hemmung der Verjährung. Anders als nach § 203 BGB ist hierbei unerheblich, ob sich der Gegner auf das Verfahren einlässt.

OLG Frankfurt/M.: Die späte Absetzung eines Schiedsspruchs führt nicht zur Aufhebung

Einige wichtige Gesichtspunkte, die bei Schiedsverfahren zu beachten sind, hat das OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 17.5.2021 – 26 Sch 1/21 erfreulicherweise geklärt.

Ein ad-hoc Schiedsgericht verurteilte die jetzige Antragstellerin des Aufhebungsverfahrens vor dem OLG zur Zahlung von gut 3 Millionen Euro. Die Antragstellerin bemühte sich, die Aufhebung des Schiedsspruches durch das OLG zu erreichen, die Antragsgegnerin erstrebte die Vollstreckbarkeitserklärung. Es ging u. a. um folgende Verfahrensfragen: Das Schiedsgericht hatte am Schluss der durchgeführten mündlichen Verhandlung keinen Verkündungstermin bestimmt. Der Schiedsspruch wurde vielmehr erst nach ungefähr einem Jahr erlassen. Die Antragstellerin sah u. a. darin einen Verstoß gegen den ordre-public, der zur Aufhebung des Schiedsspruchs führen müsse.

Das OLG folgt dem zu Recht nicht. Im Zivilprozess sind – von bestimmten Ausnahme abgesehen (z. B. §§ 307, 331 ZPO) – Urteile grundsätzlich zu verkünden, und zwar entweder in der Sitzung, am Schluss der Sitzung oder in einem Verkündungstermin (§§ 310, 311 ZPO). Gemäß § 1054 Abs. 1 ZPO ist bei einem Schiedsspruch jedoch die Übermittlung eines von den Schiedsrichtern unterzeichneten Schiedsspruchs ausreichend. Es bedarf daher keiner Verkündung und auch keines Verkündungstermins. Anders könnte dies nur sein, wenn die Parteien dies vereinbart hätten oder die Schiedsordnung dies vorgesehen hätte. Es handelt sich hier aber um ein ad-hoc-Schiedsgericht ohne besondere Vereinbarungen der Parteien zum Verfahren.

Gemäß § 310 Abs. 1 Satz 2 ZPO ist der Verkündungstermin nur dann über drei Wochen hinaus anzusetzen, wenn wichtige Gründe, insbesondere der Umfang oder die Schwierigkeit der Sache, dies erfordern. Nun war der Verfahrensgegenstand des Schiedsverfahrens sicherlich umfangreich und schwierig, ein Jahr ist aber eine lange Zeit. Gleichwohl ist § 310 ZPO im Schiedsgerichtsverfahren grundsätzlich nicht anwendbar. Und selbst wenn: Im Schiedsgerichtsverfahren betrifft die sehr späte Absetzung eines Schiedsspruchs beide Parteien. Deshalb wäre es nicht sachgerecht, hier eine Aufhebungsmöglichkeit zu schaffen, die nur eine Partei begünstigt. Auch lässt sich in derartigen Fällen regelmäßig kaum feststellen, dass die Verzögerung Auswirkungen auf den Schiedsspruch gehabt hat, etwa, weil die Erinnerung an die mündliche Verhandlung verblasst wäre. Die Parteien sind einer Verzögerung auch nicht schutzlos ausgeliefert, sondern können einen Antrag nach § 1038 ZPO stellen.

Die behaupteten Verfahrensfehler stehen der Wirksamkeit des Schiedsspruchs damit nicht entgegen, so dass dieser für vollstreckbar zu erklären war.

Der Streitwert hat im Prozess mehrere Funktionen. Warum auf die Streitwertermittlung gleich am Anfang Wert gelegt werden sollte und warum die Neuauflage des Streitwert-Kommentars dabei helfen kann, klärt das Interview mit dem Herausgeber und Autor VorsRiOLG Ralf Kurpat.

Verlag: Vor Kurzem ist der neue Streitwertkommentar erschienen, bei dem Sie als Mitherausgeber und Autor maßgeblich mitgewirkt haben. Der Streitwert gilt nicht unbedingt als ‚das Steckenpferd‘ vieler Richter und Anwälte.

 Kurpat: Es stimmt, die Bedeutung des Streitwertes wird in der Praxis häufig unterschätzt. Dabei ist oft schon zu Beginn der Auseinandersetzung eine Festlegung notwendig, um die sachliche Zuständigkeit beurteilen zu können. Fehler in diesem Stadium des Verfahrens sind mit einem höheren Bearbeitungsaufwand und meist mit zusätzlichen Kosten verbunden, etwa infolge der Anrufung eines unzuständigen Gerichts. Denken Sie beispielsweise an die Stufenklage und die damit verbundene Frage, ob die Werte der einzelnen Stufenanträge zu addieren sind.

Zudem erlaubt erst die zutreffende Ermittlung des Gebührenstreitwertes eine annähernd sicherere Einschätzung des mit dem Verfahren verbundenen Kostenanfalls. Dieser wird regelmäßig das Ob und Wie der Prozessführung beeinflussen, beispielsweise durch eine taktische Beschränkung des Klagebegehrens oder den Abschluss eines möglicherweise kostensparenden Prozessvergleichs. Für Richter gilt ähnliches. Eine richtige Kostenverteilung, ob nun im Urteil oder in einem Vergleichsvorschlag, setzt eine zutreffende Bestimmung des Gebührenstreitwertes voraus. Niemand möchte, dass eine Einigung in der Sache an der Unsicherheit über den richtigen Streitwert scheitert.

In gleicher Weise bedeutsam ist die Frage, ob eine nachteilige gerichtliche Entscheidung der Anfechtung unterliegt. Kein Anwalt möchte erst durch den Hinweis des Rechtsmittelgerichts erfahren, dass seine Berufung mangels ausreichender Beschwer unzulässig ist. Die Beschwer, etwa bei der Verurteilung zur Auskunftserteilung oder Rechnungslegung, ist jedoch nur unter Auswertung der hierzu ergangenen Rechtsprechung sicher zu bestimmen. Diese Arbeit nimmt einem der Streitwertkommentar ab.

Der Stellenwert einer zutreffenden Wertfestsetzung kann Anwälten gegenüber nicht oft genug betont werden. Richtet sich doch die Vergütung ihrer Tätigkeit nach dem Gebührenstreitwert. Wird dieser fehlerhaft zu niedrig angesetzt, sind empfindliche Gebühreneinbußen die Folge, und das trotz hervorragender anwaltlicher Arbeit. Umgekehrt kann eine überhöhte Bewertung den eigenen Mandanten spätestens in der Kostenfestsetzung mit unberechtigten Gerichts- und Anwaltskosten der Gegenseite belasten.

Verlag: In den meisten Fällen gibt es für den Streitwert ähnlich gelagerte Fälle aus der Rechtsprechung, an denen man sich orientieren könnte. Reicht das nicht aus?

Kurpat: Erfahrene Juristen wissen, dass die Lektüre einzelner Gerichtsentscheidungen nur selten eine sichere Beantwortung juristischer Fragestellungen erlaubt. Es ist die Aufgabe gerade von Kommentaren, einen Überblick über Rechtsprechung und Literatur zu verschaffen, die Relevanz einzelner Entscheidungen zu bewerten und dem Leser die Herausarbeitung der maßgeblichen Aspekte zu erleichtern. Für den Streitwertkommentar gilt nichts anderes. Hier finden Sie nicht nur die einen ähnlichen Fall betreffende Entscheidung, sondern zugleich die übergeordneten Bewertungsansätze und mit ihnen das entscheidende Argument für den eigenen Fall.

Verlag: Hilft in vielen Fällen nicht schon ein ZPO-Kommentar weiter?

 Kurpat: ZPO-Kommentare vermitteln, vor allem zu § 3 ZPO, oft eine gute erste Orientierung, häufig aber nur zum Zuständigkeitsstreitwert. Die für den Gebührenstreitwert maßgeblichen Sonderregelungen des GKG, denken Sie nur an mietrechtliche Streitigkeiten, werden allenfalls kursorisch gestreift. Zudem ist eine umfassende Darstellung von Bewertungsproblemen in diesem Rahmen ohnehin nicht möglich, vielmehr aus platztechnischen Gründen eine Begrenzung auf einzelne Stichwörter unvermeidbar. Diesen Beschränkungen unterliegt der Streitwertkommentar nicht. Die nötige Tiefe der Auseinandersetzung kann nur ein auf dieses Thema spezialisiertes Werk schaffen. Zudem finden Sie hier bei dem jeweiligen Stichwort eine systematische Ordnung für die Zuständigkeitsbestimmung, Gebührenberechnung und Rechtsmittelbeschwer. Das erlaubt jederzeit eine schnelle Orientierung.

Verlag: Tut sich im Streitwertrecht wirklich so viel Neues, dass die Anschaffung einer Neuauflage des Streitwertkommentars gerechtfertigt ist?

Kurpat: Zunächst darf nicht übersehen werden, dass die letzte Auflage bereits vor sechs Jahren erschienen ist. Das ist für das Streitwertrecht ein langer Zeitraum. Es waren daher viele Neuerungen zu berücksichtigen. Allein das Kostenrechtsänderungsgesetz 2021 führt zu neuen Bewertungen, die sich in vielen Berechnungsbeispielen wiederfinden. Hinzu kommen Gesetzesänderungen, die mittelbar Folgen für die Streitwertbestimmung haben, denken Sie etwa an das Wohneigentumsmodernisierungsgesetz (WEMoG). Zugleich gibt es Themen, die aufgrund neuester Entwicklungen aufzunehmen oder aber ganz neu zu bearbeiten waren. Beispielhaft möchte ich die Stichwörter Anlageberatung, Datenschutzrechtliche Ansprüche, Musterfeststellungsklage, Offenlegung nach § 335 HGB, Marken- und Patentrecht, Rechtsanwaltsgebühren bei Einigung und Rechtsmittel nennen. Schließlich war die Auswertung und Einarbeitung der Fülle neuer wichtiger Gerichtsentscheidungen zur Streitwertbestimmung bei dieser Auflage ein enormer Kraftakt.

Verlag: Viele Praktiker arbeiten digital. Wie steht es damit beim Streitwertkommentar?

Kurpat: Sehr gut. Sie finden den Streitwertkommentar einmal über juris. Für die Richterschaft ist der Zugriff über ein Zusatzmodul möglich; für die Bundesländer sicher eine gute Anschaffung. Aber auch in das verlagseigene Modul des Otto Schmidt Verlages „Zivil- und Zivilverfahrensrecht“ wurde das Werk ganz frisch aufgenommen. Ein Vorteil der digitalen Nutzung liegt bestimmt in der inzwischen gewohnten Verlinkung von Entscheidungen. Zudem können die Muster des verfahrensrechtlichen Teils der Kommentierung aus der Online-Ausgabe für die eigene Verfahrensführung schnell übernommen werden. Für die Zukunft beabsichtigen die Autoren, auf besonders bedeutsame Gesetzes- oder Rechtsprechungsänderungen in der elektronischen Ausgabe zu reagieren. So wird auch zwischen den Auflagen auf wichtige Neuerungen aufmerksam gemacht.

Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um die Reichweite der Kostenregelung in einem Prozessvergleich

Prozessvergleich im Hauptsacheverfahren nach Kostenentscheidung im selbständigen Beweisverfahren
Beschluss vom 27. Oktober 2021 – VII ZB 7/21

Mit dem Verhältnis zwischen § 494a Abs. 2 und § 98 Satz 2 ZPO befasst sich der VII. Zivilsenat.

Der Antragsteller hatte in einem selbständigen Beweisverfahren die Begutachtung eines Bauwerks im Hinblick auf geltend gemachte Planungsfehler des Antragsgegners beantragt. Nach Einholung des Gutachtens forderte das LG den Antragsteller auf, innerhalb von sechs Wochen Klage zu erheben. Nach fruchtlosem Ablauf der Frist legte es dem Antragsteller gemäß § 494a Abs. 2 ZPO die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens auf. Kurz darauf beantragte der Antragsgegner Kostenfestsetzung. Rund einen Monat später erhob der Antragsteller Klage auf Zahlung von Schadensersatz wegen der im Beweisverfahren geltend gemachten Mängel. Dieser Rechtsstreit endete durch einen gerichtlichen Vergleich, der unter anderem vorsieht, dass der Antragssteller die Kosten des Rechtsstreits zu 9/10 trägt. Nach Abschluss des Vergleichs setzte das LG die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens antragsgemäß gegen den Antragsteller fest. Dieser focht die Entscheidung nicht an. Etwas mehr als sechs Monate später hob das LG den Kostenfestsetzungsbeschluss von Amts wegen auf, weil der Beschluss die im Hauptsacheverfahren getroffene Kostenregelung nicht berücksichtige. Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Aufhebungsbeschluss blieb erfolglos.

Der BGH stellt den aufgehobenen Kostenfestsetzungsbeschluss wieder her.

Der BGH lässt offen, ob ein Beschluss über die Kosten eines selbständigen Beweisverfahrens gegenstandslos wird oder von Amts wegen aufzuheben ist, wenn in einem nachfolgende Hauptsacheverfahren eine von der Kostengrundentscheidung im Beweisverfahren abweichende Kostenregelung ergeht. Dem im Streitfall geschlossenen Prozessvergleich ist eine solche Regelung abweichend von der Auffassung der Vorinstanzen jedenfalls nicht zu entnehmen.

Aus der Regelung in § 98 Satz 2 Halbsatz ZPO ergibt sich, dass eine rechtskräftige Kostenentscheidung durch einen Vergleich nur dann abgeändert wird, wenn die Parteien dies ausdrücklich vorsehen. Im Streitfall bezieht sich der Wortlaut des Vergleichs nur auf die Kosten des Rechtsstreits. Ob hierzu die Kosten eines vorangegangenen selbständigen Beweisverfahrens gehören, obwohl in diesem Verfahren bereits eine rechtskräftige Kostengrundentscheidung ergangen ist, war in Literatur und Rechtsprechung nicht geklärt. Deshalb kann nicht ohne weiteres angenommen werden, dass die Parteien diese Kosten mit der verwendeten Formulierung in die getroffene Regelung einbeziehen wollten. Besondere Anhaltspunkte, die eine andere Auslegung stützen könnten, sind nicht ersichtlich.

Praxistipp: Um Unsicherheiten zu vermeiden, empfiehlt es sich, die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens im Vergleich ausdrücklich anzusprechen.

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Diese Woche geht es um die Wirkungen eines prozessualen Anerkenntnisses

Berufungserweiterung nach Anerkenntnis
Urteil vom 19. Oktober 2021 – VI ZR 1173/20

Mit den Voraussetzungen für die Erweiterung einer zunächst auf einen Teil des Streitgegenstands beschränkten Berufung befasst sich der VI. Zivilsenat.

Das klagende Eisenbahnverkehrsunternehmen begehrt von den Beklagten Schadensersatz in Höhe von rund 315.000 Euro wegen eines Verkehrsunfalls, bei dem ein Omnibus und ein Zug an einem Bahnübergang kollidiert waren. Das LG wies die Klage ab. Mit ihrer Berufung hat die Klägerin zunächst nur die Zahlung von rund 20.800 Euro wegen Schäden an einem Doppelstockwagen geltend gemacht. Diesen Anspruch hat die Beklagte nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist anerkannt. Die Klägerin beantragte daraufhin, die Beklagte über den anerkannten Betrag hinaus im vollen Umfang der erstinstanzlichen Anträge zu verurteilen. Das OLG sprach der Klägerin lediglich den anerkannten Betrag zu und lehnte eine Entscheidung über den restlichen Betrag mangels Rechtshängigkeit ab.

Die Revision der Klägerin hat Erfolg und führt hinsichtlich des nicht anerkannten Teils der Klageforderung zur Zurückverweisung der Sache an das OLG.

Entgegen der Auffassung des OLG schloss das Anerkenntnis die Geltendmachung weiterer Ansprüche im Berufungsverfahren nicht aus. Ein prozessuales Anerkenntnis führt nicht zur Beendigung des Rechtsstreits. Diese tritt erst mit dem Erlass eines Anerkenntnisurteils ein. Die Klägerin durfte deshalb ungeachtet des Anerkenntnisses ihre Berufungsanträge nach Maßgabe der allgemeinen Zulässigkeitsvoraussetzungen erweitern.

Der Umstand, dass die Klägerin das erstinstanzliche Urteil zunächst nur hinsichtlich eines Teils des Streitgegenstands angefochten hatte, stünde einer Erweiterung der Anträge nur entgegen, wenn darin ein konkludenter Verzicht auf ein weitergehendes Rechtsmittel zu sehen wäre. Diesbezügliche Anhaltspunkte lagen im Streitfall schon deshalb nicht vor, weil sich die Klägerin eine Erweiterung des Berufungsantrags ausdrücklich vorbehalten hatte.

Eine Erweiterung des Berufungsantrags ist auch nach Ablauf der Frist für die Berufungsbegründung zulässig, soweit der erweiterte Antrag durch die fristgerecht eingereichte Begründung gedeckt ist. Diese Voraussetzung ist im Streitfall erfüllt, weil die Angriffe in der Berufungsbegründung der Argumentation des LG hinsichtlich des gesamten Streitgegenstands den Boden entziehen.

Praxistipp: Um Unsicherheiten zu vermeiden, empfiehlt es sich, eine auf einen Teil des Streitgegenstands beschränkte Berufungsbegründung mit dem ausdrücklichen Vorbehalt einer späteren Erweiterung zu versehen.

OLG München zum Arrestgrund bei „Wirecard“

Offensichtlich wird die Justiz in München derzeit mit zahlreichen Arrestanträgen gegen den Vorstandsvorsitzenden der Firma Wirecard befasst. Es scheint teilweise widersprechende Entscheidungen zu geben. Nunmehr hat ein Fall das OLG München (Urt. v. 27.9.2021 – 3 U 3242/21) erreicht.

In diesem Fall wurde hauptsächlich um den Arrestgrund gestritten. Das OLG München ging davon aus, dass ein vorsätzliches und strafbares Verhalten des Vorstandsvorsitzenden glaubhaft gemacht war und weitergehend, dass ein solches Verhalten einen Arrestgrund indiziert (ebenso schon: Frank O. Fischer, Straftaten und Vertragsverletzungen als Arrestgrund nach § 917 ZPO, MDR 1995, 988). Diese Indizwirkung entfällt nicht schon deshalb, weil sich der Vorstandsvorsitzende derzeit in Untersuchungshaft befindet. Auch in diesem Rahmen besteht durchaus die Möglichkeit, über beauftragte Personen weitere Vermögensverschiebungen durchzuführen. Weiterhin hatte der Vorstandsvorsitzende noch vorgetragen, sein gesamtes Vermögen sei durch die Staatsanwaltschaft ohnehin bereits arrestiert worden. Dann könnte es an einem Rechtsschutzbedürfnis fehlen. Dem hält das OLG München entgegen: Von den zahlreichen Arrestverfahren hatte der Vorstandsvorsitzende durchaus einige gewonnen! Die Kostenerstattungsansprüche aus diesen Verfahren stellen Vermögen dar, das gepfändet werden könnte.

Man sollte daher hinfort folgende Grundsätze aufstellen: Begehen Schuldner vorsätzlich „konnexe“ Straftaten zum Nachteil des Gläubigers indiziert dies regelmäßig einen Arrestgrund. Konnex meint hier: Es muss ein Zusammenhang zwischen der Straftat und dem Arrestgrund bestehen, wie z. B. bei Vermögensdelikten. Wegen eines aufgrund einer Körperverletzung entstandenen Schmerzensgeldanspruchs wird regelmäßig kein Arrestgrund in das Vermögen des Schuldners bestehen.