BGH zur Weiterleitung von Rechtsmittelschriften

Der BGH (Beschl. v. 19.9.2017 – VI ZB 37/16, MDR 2018, 173) hat sich mit den Pflichten des unzuständigen Gerichts bei Eingang eines fristgebundenen Schriftsatzes beschäftigt:

Der Kläger hatte die Berufung gegen ein klageabweisendes Urteil des LG anstatt beim OLG beim LG eingelegt. Der Schriftsatz ging am letzten Tag der Frist gegen 13 Uhr ein. Der Schriftsatz wurde von dem LG nicht unmittelbar weitergeleitet. Das OLG lehnte die Wiedereinsetzung ab. Der Kläger versuchte hier, aus der Nichtweiterleitung durch das LG „Honig zu saugen“.

Nach ständiger Rechtsprechung gibt es ja bekanntlich eine Pflicht der Gerichte, fristgebundene Schriftsätze für ein Rechtsmittelverfahren im ordentlichen Geschäftsgang an das zuständige Rechtsmittelgericht weiterzuleiten. Wird diese Pflicht vom Gericht verletzt, kann dies dazu führen, dass ein Verschulden der Partei bzw. des Anwalts (§ 85 Abs. 2 ZPO) dann nicht mehr für das Fristversäumnis ursächlich ist, weil diese nicht darauf, sondern auf der gerichtlichen Pflichtverletzung beruht. Dieser Gedanke führte hier aber nicht weiter, da bei einem Eingang um 13 Uhr des letzten Tages der Frist nicht mehr erwartet werden kann, dass bis 24 Uhr desselben Tages eine Weiterleitung im ordentlichen Geschäftsgang erfolgen kann.

Der Kläger versuchte nun freilich, eine Verschärfung dieser Pflicht durchzusetzen. Dies machte der BGH nicht mit. Zu Maßnahmen außerhalb des Geschäftsganges besteht gerade keine Verpflichtung. Dem Rechtsmittelführer kann zum einen nicht die Verantwortung für das Rechtsmittel gänzlich abgenommen werden, zum anderen muss hier auch berücksichtigt werden, dass die Justiz im Interesse ihrer Funktionsfähigkeit insoweit vor zusätzlichen Belastungen geschützt werden muss.

Interessant war noch der letzte Versuch des Klägers, einen „Rettungsanker“ auszuwerfen: Anstatt den Schriftsatz weiterzuleiten, kann natürlich auch ein Hinweis an die betroffene Partei erfolgen. Ein solcher Hinweis könnte – wenigstens theoretisch – natürlich auch sofort nach Eingang des Schriftsatzes erfolgen. Die Tatsache, dass das Gericht einen Hinweis erteilt darf, bedeutet jedoch gerade nicht, dass es auch verpflichtet ist, einen solchen auch tatsächlich und vor allem unverzüglich zu geben. Eine Hinweispflicht des Gerichts, aus der der Kläger etwas für sich herleiten könnte, bestehe daher nicht.

Damit blieb es bei der Entscheidung des OLG. Wenn an der Klage – es ging immerhin um 150.000 € – etwas dran gewesen sein sollte, muss der Kläger jetzt eben seinen Rechtsanwalt in Regress nehmen.

Interessant ist in diesem Zusammenhang noch folgendes: Das OLG hatte noch nicht die Berufung verworfen, sondern lediglich die Wiedereinsetzung abgelehnt. In einem solchen Fall kann jedoch bereits gegen einen solchen Beschluss Rechtsbeschwerde eingelegt werden (§§ 238 Abs. 2, 522 Abs. 1 S. 4, 574 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO)!

 

 

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Die Ersatzfähigkeit eines Rückstufungsschadens und das Verhältnis zwischen einem selbständigen Beweisverfahren und dem nachfolgenden Rechtsstreit bilden das Thema von zwei aktuellen Entscheidungen

Ersatzfähigkeit eines Rückstufungsschadens in der Kaskoversicherung
Urteil vom 19. Dezember 2017 –VI ZR 577/16

Eine grundsätzliche Frage, die bei vielen Verkehrsunfällen auftreten kann, behandelt der VI. Zivilsenat.

Die Klägerin nahm den Beklagten nach einem Verkehrsunfall auf Schadensersatz in Anspruch. Der Haftpflichtversicherer des Beklagten ersetzte den geltend gemachten Sachschaden zu drei Viertel. Den Ersatz des Schadens, den die Klägerin erlitten hat, weil sie wegen des restlichen Betrags ihre Kaskoversicherung in Anspruch genommen hatte und deshalb höhere Beiträge zahlen musste, lehnte die Versicherung ab. Die Klage auf Feststellung, dass der Beklagte auch diesen Rückstufungsschaden zu ersetzen hat, blieb in den beiden ersten Instanzen erfolglos.

Der BGH verweist die Sache an das LG zurück. Er hält an seiner Rechtsprechung fest, wonach ein Rückstufungsschaden auch dann (anteilig) ersatzfähig ist, wenn der Geschädigte für den Schaden mitverantwortlich ist. Die Rückstufung und die daraus resultierende Beitragserhöhung treten zwar unabhängig davon ein, in welchem Umfang die Kaskoversicherung in Anspruch genommen wird. Dennoch ist die schädigende Handlung für diesen Vermögensschaden mitursächlich, weshalb der Schaden nach dem allgemeinen Maßstab des § 254 BGB zu verteilen ist. Dies gilt auch dann, wenn der Geschädigte die Kaskoversicherung erst in Anspruch nimmt, nachdem der Schädiger den auf ihn entfallenden Teil des Sachschadens bereits ersetzt hat.

Praxistipp: Anwaltskosten, die dem Geschädigten entstanden sind, um den Kaskoversicherer zur Erstattung des auf ihn selbst entfallenden Schadensanteils zu veranlassen, hat der Schädiger generell nicht zu tragen.

Fortgeltung von Anträgen aus dem selbständigen Beweisverfahren
Beschluss vom 14.11.2017 – VIII ZR 101/17

Mit dem Verhältnis zwischen einem selbständigen Beweisverfahren und einem nachfolgenden Rechtsstreit befasst sich der VIII. Zivilsenat.

Der spätere Beklagte hatte gegen den Kläger ein selbständiges Beweisverfahren wegen Mängeln an einer Mietwohnung eingeleitet. Der Sachverständige kam zu dem Ergebnis, dass keine bauseitigen Mängel vorlägen. Einen Antrag auf Anhörung des Sachverständigen wies das AG mit der Begründung zurück, das selbständige Beweisverfahren sei beendet, weil mittlerweile Klage in der Hauptsache erhoben worden sei. In diesem Rechtsstreit begehrte der Kläger in erster Linie Räumung der Wohnung und Zahlung rückständiger Miete. Der Beklagte griff das Gutachten aus dem selbständigen Beweisverfahren unter Bezugnahme auf ein von ihm eingeholtes Privatgutachten an. In der mündlichen Verhandlung vor dem AG beantragte er ergänzend, den im selbständigen Beweisverfahren bestellten Sachverständigen mündlich anzuhören. Das AG wies diesen Antrag als verspätet zurück. Die Berufung des Beklagten blieb erfolglos.

Die Nichtzulassungsbeschwerde des Beklagten hat Erfolg und führt zur Zurückverweisung der Sache an das LG. Das AG durfte den Antrag auf Anhörung des Sachverständigen nicht als verspätet zurückweisen, weil der Beklagte ihn bereits im selbständigen Beweisverfahren gestellt hatte. Dieser Antrag war auch im nachfolgenden Rechtsstreit zu beachten, ohne dass es einer Wiederholung bedurfte. Darin, dass sich der Beklagte zunächst auf ein anderes Gutachten bezog, lag auch kein konkludenter Verzicht auf die Anhörung des gerichtlichen Sachverständigen.

Praxistipp: Wenn das Gericht im selbständigen Beweisverfahren dem Beklagten eine Erklärungsfrist nach § 411 Abs. 4 Satz 2 ZPO gesetzt hat, kann ein nach Ablauf dieser Frist gestellter Antrag auf Anhörung des Sachverständigen nach Maßgabe von § 296 ZPO als verspätet zurückgewiesen werden.

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Drei kurz hintereinander ergangene Entscheidungen befassen sich mit der Akteneinsicht zum Zwecke der Berufungsbegründung

Akteneinsicht und Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist
Beschluss vom 16. Januar 2018 –VIII ZB 61/17

Der VIII. Zivilsenat entscheidet, dass die Frist zur Begründung der Berufung ohne Zustimmung des Gegners auch dann nicht um mehr als einen Monat verlängert werden darf, wenn der Berufungskläger noch keine Gelegenheit zur Akteneinsicht hatte.

Die Klägerin machte Ansprüche auf Zahlung von Miete geltend. Das AG wies die Klage ab. In der Berufungsschrift bat der erstmals für die zweite Instanz bestellte Prozessbevollmächtigte um Übersendung der Akten und um Verlängerung der Begründungsfrist bis zum Ablauf von einem Monat nach Einsichtnahme. Die Akteneinsicht wurde bewilligt, der Antrag auf Fristverlängerung blieb unbeantwortet. Kurz vor Ablauf der bis 19.06.2017 laufenden, nicht verlängerten Frist erinnerte der Prozessbevollmächtigte an sein Verlängerungsgesuch und beantragte hilfsweise die Verlängerung „um einen weiteren Monat bis zum 19.06.2017“. Das LG ließ auch diesen Antrag zunächst unbeantwortet. Die Berufungsbegründung ging Mitte August 2017 ein – einen Monat nach Überlassung der Akten. Das LG verwarf die Berufung als unzulässig.

Die Rechtsbeschwerde der Klägerin bleibt ohne Erfolg. Der BGH sieht in dem Umstand, dass das LG die Anträge auf Fristverlängerung nicht beschieden hat, keinen Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin durfte zwar erwarten, dass die Begründungsfrist auf seine Anträge hin bis 19.07.2017 verlängert wird. Mit einer weiteren Fristverlängerung ohne Zustimmung des Gegners durfte er aber nicht rechnen. Anders als im Revisionsverfahren (§ 551 Abs. 2 Satz 6 ZPO) ist im Berufungsverfahren (§ 520 Abs. 2 ZPO) eine Verlängerung der Begründungsfrist um mehr als einen Monat ohne Zustimmung des Gegners auch dann nicht möglich, wenn dem Berufungskläger die Gerichtsakten nicht zur Verfügung gestellt wurde. Einen Antrag auf Wiedereinsetzung hat die Klägerin nicht gestellt. Sie hat innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist auch nicht vorgetragen, weshalb ihr Prozessbevollmächtigter an einer früheren Erstellung und Einreichung der Berufungsbegründung gehindert war.

Praxistipp: Um die mit einem Antrag auf Wiedereinsetzung verbundenen Unwägbarkeiten nach Möglichkeit zu vermeiden, sollte stets versucht werden, die Einwilligung des Gegners zu einer weiteren Verlängerung der Begründungsfrist einzuholen.

Antrag auf Wiedereinsetzung wegen verzögerter Überlassung der Akten
Beschluss vom 11. Januar 2018 –III ZB 81/17

Dass der Weg über einen Antrag auf Wiedereinsetzung grundsätzlich gangbar ist, belegt eine Entscheidung des III. Zivilsenats.

Die in erster Instanz unterlegene Klägerin beantragte in der Berufungsschrift die Übersendung der Akten und die Verlängerung der Begründungsfrist um einen Monat. Die Frist wurde antragsgemäß verlängert. Die Akten konnten auch innerhalb der verlängerten Frist nicht zur Verfügung gestellt werden. Einem darauf gestützten Antrag auf nochmalige Verlängerung traten die Beklagten entgegen. Die Klägerin reichte hierauf „vorsorglich“ eine Berufungsbegründung ein und beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Nach Gewährung der Akteneinsicht ergänzte sie die Begründung und beantragte erneut Wiedereinsetzung. Das Berufungsgericht versagte die Wiedereinsetzung und verwarf die Berufung als unzulässig.

Der BGH hebt die angefochtene Entscheidung auf und gewährt der Klägerin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin war nicht gehalten, vor Gewährung der beantragten Akteneinsicht eine Berufungsbegründung einzureichen. Die Überlassung der Akten ist erforderlich, um eine Prüfung auf Verfahrensfehler durchzuführen und um die Vollständigkeit der eigenen Unterlagen zu überprüfen. Der Berufungskläger darf diese Möglichkeit nutzen. Wenn ihm die Akten trotz eines rechtzeitig gestellten Antrags nicht zur Verfügung gestellt werden, braucht er auch keine vorläufige Berufungsbegründung zu fertigen. Ihm ist auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Berufungsbegründung nach Überlassung der Akten innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist einreicht und zugleich die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Dies gilt auch dann, wenn er innerhalb der Frist vorsorglich eine vorläufige Berufungsbegründung eingereicht hat.

Praxistipp: Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und die Berufungsbegründung müssen gemäß § 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO innerhalb eines Monats nach Überlassung der Akten eingereicht werden.

Verspäteter Antrag auf Überlassung der Akten
Beschluss vom 12. Dezember 2017 –VI ZB 24/17

Dass ein Antrag auf Wiedereinsetzung nur dann Aussicht auf Erfolg hat, wenn der Anwalt von Beginn an große Sorgfalt walten lässt, zeigt eine Entscheidung des VI. Zivilsenats.

Die Klägerin nahm den Beklagten wegen fehlerhafter ärztlicher Behandlung in Anspruch. Das LG wies die Klage ab. Am letzten Tag der antragsgemäß um einen Monat verlängerten Frist zur Berufungsbegründung beantragte die Klägerin die nochmalige Verlängerung um einen Monat und die Gewährung von Akteneinsicht, um einem von ihr beauftragten Privatgutachter eine wissenschaftlich fundierte Beurteilung zu ermöglichen. Die Fristverlängerung wurde nicht gewährt. Drei Tage nach Überlassung der Akten – und zugleich einen Monat nach Ablauf der auf den ersten Antrag hin verlängerten Frist – reichte die Klägerin die Berufungsbegründung ein. Zugleich beantragte sie Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Das OLG wies diesen Antrag zurück und verwarf die Berufung als unzulässig.

Die Rechtsbeschwerde der Klägerin bleibt ohne Erfolg. Zwar ist ein Berufungskläger als an der fristgerechten Einreichung der Berufungsbegründung gehindert anzusehen, wenn ihm die Prozessakten innerhalb der Frist nicht oder nicht vollständig zur Verfügung stehen. Dies setzt aber voraus, dass er rechtzeitig die Gewährung von Akteneinsicht beantragt hat. Ein am letzten Tag der nicht mehr ohne Zustimmung des Gegners verlängerbaren Begründungsfrist gestellter Einsichtsantrag reicht hierfür nicht aus.

Praxistipp: Um die Möglichkeit der Wiedereinsetzung zu wahren, sollte stets schon in der Berufungsschrift um Überlassung der Akten und um Verlängerung der Begründungsfrist um einen Monat gebeten werden.

 

Auswirkungen von Mängeln bei der Urteilsverkündung

Der BGH (Beschl. v. 5.12.2017 – VIII ZR 204/16) hat entschieden, dass Verkündungsmängel (hier: Verkündung im Dienstzimmer des Richters) dem wirksamen Erlass eines Urteils nur entgegen stehen, wenn gegen elementare, zum Wesen der Verlautbarung gehörende Formerfordernisse verstoßen wurde.

Die Berufungskammer des LG hatte einen Verkündungstermin auf 12.00 Uhr bestimmt. Der Beklagte war persönlich erschienen. Die Tür zum Sitzungssaal war verschlossen. Später am Tag erklärte der Vorsitzende dem Beklagten nach mündlicher Mitteilung der Entscheidung, dass die Tür nicht geöffnet worden wäre, da man davon ausgegangen sei, es werde niemand erscheinen. Im vom Vorsitzenden unterzeichneten Verkündungsprotokoll waren er und zwei Beisitzer aufgeführt. Darüber hinaus hieß es, das anliegende Urteil sei in öffentlicher Verhandlung verkündet worden. Das Urteil wurde dann auch zugestellt.

Aus den von dem BGH eingeholten dienstlichen Stellungnahmen der drei Richter ergab sich: Die Beisitzer waren bei der Verkündung nicht zugegen. Der Vorsitzende erklärte, er habe keine konkrete Erinnerung mehr an den Vorgang. Üblicherweise würde die Tür zum Sitzungssaal verschlossen, wenn vor einer Verkündung eine längere Pause liege und dann bei der eigentlichen Verkündung geöffnet.

Die Nichtzulassungsbeschwerde hatte gleichwohl keinen Erfolg. Es liegt kein Scheinurteil vor, da tatsächlich ein Urteil verkündet wurde und dieses auch unterschrieben und zugestellt wurde. Verkündungsmängel eines Urteils stehen dem wirksamen Erlass eines solchen nur dann entgegen, wenn es sich um elementare, zum Wesen der Verlautbarung gehörende Formerfordernisse handelt, so dass letztlich von einer Verlautbarung im Rechtssinne gar nicht gesprochen werden kann. Nachdem das Urteil unterschrieben und zugestellt wurde und das Ergebnis auch dem Beklagten persönlich mitgeteilt wurde, bestehen aber keine Zweifel daran, dass die Verlautbarung des Urteils vom Gericht beabsichtigt war.

Zwar spricht nach den eingeholten dienstlichen Stellungnahmen alles dafür, dass die Verkündung lediglich im Dienstzimmer des Vorsitzenden in Abwesenheit der Beisitzer erfolgt ist. Auch dies würde das Urteil jedoch nicht zum Scheinurteil machen, sondern wäre lediglich ein letztlich insoweit nicht beachtlicher Verkündungsmangel, zumal das Urteil bei der Verkündung in vollständiger Form vorlag und unterschrieben war. Letzteres wird durch das Protokoll nachgewiesen und ist nicht in Frage gestellt worden.

Der BGH weist allerdings zu Recht darauf hin, dass es sich gleichwohl bei einer derartigen Verfahrensweise um eine richterliche Dienstpflichtverletzung handelte. Den Gerichten steht es in der Tat schlecht an, bei den Förmlichkeiten nachlässig zu sein. Gerade hier müssen die Gerichte mit gutem Beispiel vorangehen.

Auch Verkündungstermine sollten daher stets „sauber“ abgehalten werden. Es muss die Möglichkeit der Teilnahme durch die Parteien und der Öffentlichkeit gegeben sein, eine vollständig abgefasste und unterschriebene Entscheidung sollte unbedingt vorliegen. Das Protokoll muss nur diejenigen wiedergeben, die auch tatsächlich anwesend sind. Bei der Verwendung eines Formulars müssen die richtigen „Kreuzchen“ gesetzt werden. Und schließlich: Bei den Unterschriften der Richter sowohl unter dem Urteil als auch unter dem Protokoll muss es sich um solche handeln, nicht etwa um Kurzzeichen o. ä.

BGH zum zutreffenden Beginn der Verzinsung

Eine Entscheidung des BGH (Urt. v. 4.7.2017 – XI ZR 562/15, MDR 2017, 1196) mit beträchtlichem Umfang befasst sich eigentlich mit der Wirksamkeit von Bearbeitungsgebühren bei Darlehen an Unternehmer. Auf die Frage des Zinslaufes geht sie nur ganz am Rande ein. Sie zeigt insoweit nicht wirklich etwas ganz Neues auf, weist aber auf einen Fehler hin, der der Praxis sehr häufig unterläuft. Sie betrifft die Rechtshängigkeitszinsen nach § 291 BGB. Die Gerichte sprechen sehr oft Zinsen ab dem Datum, das die in der Akte vorliegende Zustellungsurkunde als Zustellungsdatum für die Klageschrift oder den Mahnbescheid ausweist, zu. Dies ist jedoch nicht richtig! In entsprechender Anwendung des § 187 BGB beginnt der Zinslauf nicht mit dem Tage der Zustellung der Klage oder des Mahnbescheides, sondern erst mit dem Tag danach. In der Regel wird dies mit der Formel „minima (oder: de minimis) non curat praetor“ (teilweise sinngemäß: Um Kleinigkeiten kümmert sich der Richter nicht.) abgetan. Allerdings kann dieser Umstand, über einen längeren Zeitraum gesehen oder bei sehr hohen Beträgen oder bei vielen zu führenden Prozessen, durchaus einmal eine nicht mehr zu vernachlässigende Bedeutung bekommen. Auf derartige alltägliche Unsicherheiten und Irrtümer sollte an geeigneter Stelle hin und wieder hingewiesen werden!

Denn: Was man unproblematisch richtigmachen kann, sollte man auch tatsächlich so handhaben.

 

 

 

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Sorgfaltspflichten beim Versand fristgebundener Schriftsätze per Telefax
Beschluss vom 6. Dezember 2017 – XII ZB 335/17

Der XII. Zivilsenat zeigt auf, wie anspruchsvoll die Anforderungen an den Versand fristgebundener Schriftsätze und an ein Wiedereinsetzungsgesuch sind.

Die Beklagte war in erster Instanz zur Rückzahlung eines Darlehens in Höhe von 122.000 Euro an ihren früheren Lebensgefährten verurteilt worden. Ihre per Telefax eingereichte Berufungsbegründung ging ausweislich des Empfangsgeräts wenige Minuten nach Fristablauf bei Gericht ein. In ihrem Wiedereinsetzungsgesuch machte die Prozessbevollmächtigte der Beklagten geltend, sie habe am letzten Tag der Frist aufgrund eines unvorhersehbaren epileptischen Anfalls ihrer Tochter erst um 22:15 Uhr in ihre Kanzlei zurückkehren und die Berufungsbegründung deshalb erst um 23:44 Uhr fertigstellen können. Den Versand des Telefax habe sie bereits um 23:52 Uhr eingeleitet. Das OLG wies den Antrag auf Wiedereinsetzung zurück und verwarf die Berufung als unzulässig.

Die Rechtsbeschwerde der Beklagten bleibt ohne Erfolg. Ebenso wie das OLG sieht der BGH das vorgetragene Verhalten der Rechtsanwältin als schuldhaft an. Bei einem Telefaxversand kurz vor Fristablauf muss eine Zeitreserve für den Fall eingeplant werden, dass die Übertragungsleitung durch andere Teilnehmer belegt ist. Bei einem Schriftsatz von sieben Seiten ist ein Versandbeginn deshalb um 23:52 Uhr zu spät. Der unvorhergesehene Anfall der Tochter führt nicht zu einer abweichenden Beurteilung, weil der Schriftsatz dennoch bereits um 23:44 Uhr fertig war und die Rechtsanwältin nicht vorgetragen hat, warum sie nicht bereits zu diesem Zeitpunkt die Übermittlung eingeleitet hat.

Praxistipp: Die Entscheidung belegt erneut, dass der Versand eines Schriftsatzes per Telefax in letzter Minute ein Vabanque-Spiel ist.

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Um die Voraussetzungen eines Vertrags mit Schutzwirkung für Dritte und um die Zurückweisung einer Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO geht es in dieser Woche.

Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte bei mehreren Schadensverursachern
Urteil vom 7. Dezember 2017 – VII ZR 204/14

Der VII. Zivilsenat befasst sich mit der subjektiven Reichweite der Haftung aus einem Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte.

Der klagende Unfallversicherer begehrte aus übergegangenem Recht zweier bei ihr versicherter Arbeitnehmer den Ersatz von Schäden aus einem Arbeitsunfall. Die Beklagte zu 3 hatte die Arbeitgeberin der Geschädigten mit Abbrucharbeiten auf einem früher zum Betrieb einer Brauerei genutzten Gelände beauftragt. Des Weiteren hatte sie den Beklagten zu 1 damit betraut, die betroffenen Gebäude auf eventuelle Gefahrenquellen zu untersuchen. Während der Abbrucharbeiten wurden die Geschädigten durch den Austritt von Ammoniak aus einer Kälteanlage verletzt. Im Gutachten des Beklagten zu 1 war diese Gefahrenquelle nicht ausgewiesen, weil der Beklagte zu 1 nur die Außenanlagen besichtigt hatte. Die gegen die Beklagten zu 1 und 3 gerichtete Klage hatte in den beiden ersten Instanzen überwiegend Erfolg.

Die allein vom Beklagten zu 1 eingelegte Revision führt zur Zurückverweisung der Sache an das OLG. Abweichend von den Vorinstanzen verneint der BGH eine Schutzwirkung des Vertrags zwischen der Beklagten zu 3 und dem Beklagten zu 1 zugunsten der geschädigten Arbeitnehmer. Diese sind im Verhältnis zum Beklagten zu 1 nicht schutzbedürftig, weil schon der Vertrag zwischen der Beklagten zu 3 und ihrer Arbeitgeberin Schutzwirkungen zu ihren Gunsten entfaltet und die Beklagte zu 3 für pflichtwidriges Handeln des Beklagten zu 1 nach § 278 BGB haftet. Das Berufungsgericht muss nach Zurückverweisung der Sache prüfen, ob gegen den Beklagten zu 1 deliktische Ansprüche bestehen.

Praxistipp: Auch wenn im Ergebnis nur einer von zwei Beklagten vertraglich haftet, sollte die Klage vorsorglich gegenüber beiden (auch) auf vertragliche Ansprüche gestützt werden, solange nicht feststeht, ob die Voraussetzungen des § 278 BGB erfüllt sind.

Zurückweisung der Berufung durch Beschluss ohne Berufungserwiderung
Urteil vom 21. November 2017 – XI ZR 106/16

Eine allgemeine prozessuale Frage beantwortet der XI. Zivilsenat.

Die Kläger nahmen die Beklagte nach Widerruf eines Darlehensvertrags auf Erstattung einer Vorfälligkeitsentschädigung in Anspruch. Die Klage blieb in erster Instanz erfolglos. Das OLG wies die Berufung der Kläger nach vorherigem Hinweis durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurück. Eine Berufungserwiderung lag zu diesem Zeitpunkt nicht vor.

Der BGH verweist die Sache hinsichtlich des überwiegenden Teils der Klageforderung an das OLG zurück, weil dieses die Widerrufsbelehrung zu Unrecht als ausreichend angesehen hatte. Die von den Klägern ergänzend erhobene Rüge, die Berufungsentscheidung sei insgesamt aufzuheben, weil eine Zurückweisung nach § 522 Abs. 2 ZPO erst nach Vorliegen einer Berufungserwiderung zulässig sei, sieht der BGH hingegen als unbegründet an. Er stützt dies auf den Wortlaut der Vorschrift, die den Eingang einer Berufungserwiderung oder die ergebnislose Setzung einer Erwiderungsfrist nicht vorsieht, und den Umstand, dass sich aus der Gesetzgebungsgeschichte keine abweichenden Anhaltspunkte ergeben.

Praxistipp: Die volle Verfahrensgebühr für einen Antrag auf Zurückweisung der Berufung ist nur dann nach § 91 ZPO erstattungsfähig, wenn der Berufungskläger sein Rechtsmittel begründet und die Begründung dem Gegner zugestellt ist. Vom Zeitpunkt der Zustellung an steht dem Gegner auch dann ein Erstattungsanspruch zu, wenn er seinen Antrag auf Zurückweisung schon zuvor gestellt hat.

BGH zur rechtzeitigen Zustellung demnächst

Der BGH hat sich (Urt. v. 29.9.2017 – V ZR 103/16) mit der Wahrung der Klagefrist von einem Monat des § 46 Abs. 1 S. 2 WEG befasst. Die angefochtenen Beschlüsse wurden am 26.2.2015 gefasst. Am 11.3.2015 ging die Anfechtungsklage bei dem AG ein. Die Gerichtskostenrechnung ging am 24.3.2015 bei der Klägervertreterin ein. Am 23.4.2015 wurde der Vorschuss gezahlt, am 29.4.2015 wurde die Klage zugestellt.

Da die Monatsfrist offensichtlich versäumt wurde, konnte eine Fristwahrung nur nach § 167 ZPO erreicht werden. Es kommt also darauf an, ob die Klage noch demnächst zugestellt wurde. Nach ständiger Rechtsprechung ist von einer Zustellung „demnächst“ nur auszugehen, wenn sich die der Partei zuzurechnenden Verzögerungen in einem hinnehmbaren Rahmen halten. Dabei wird regelmäßig von einer Frist von 14 Tagen ausgegangen. Dies gilt für alle Fallgruppen, auch die Einzahlung der Gerichtskosten. Es kommt allerdings darauf an, um wieviele Tag sich der ohnehin erforderliche Zeitraum verzögert hat.

Gänzlich unerheblich ist allerdings der Zeitraum bis zum 26.3.2015, denn der Kläger hatte die Klage zu früh eingereicht, er hätte aber bis zum 26.3.2015 abwarten dürfen.

Der BGH geht davon aus, dass der Partei im Normalfall eine Woche dafür zusteht, die erforderlichen Gerichtskosten zu bezahlen. Dies ist insofern bemerkenswert, als ein anderer Senat hierfür nur drei Tage angesetzt hat. Einer Vorlage an den Großen Senat für Zivilsachen bedurfte es jedoch nicht, da die Ausführungen des anderen Senats nicht entscheidungserheblich waren.

Interessant ist weiterhin, dass der BGH den Zeitraum, der erforderlich ist, um die Kostenrechnung von der Klägervertreterin zu dem Kläger weiterzuleiten, nicht in die 14 Tage-Frist einrechnet!

Die Frist berechnet sich daher wie folgt: Die Frist begann am 27.3.2015. Eine Einzahlung wäre daher bis zum 7.4.2015 zu erwarten gewesen. Allerdings fiel das Osterfest in diesen Zeitraum. Es kann aber von einer Partei nicht verlangt werden, an Feiertagen für die Zahlung der Kosten zu sorgen. Damit sind zwei Tage (Karfreitag und Ostermontag) hinzuzurechnen. Mithin hätten die Kosten bis zum 9.4.2015 unter normalen Umständen beglichen sein müssen. Ab diesem Tag lieft die oben erwähnte 14 Tages-Frist. Damit war die Zahlung am 23.4.2015 gerade noch rechtzeitig.

Fazit: Diese Entscheidung ist sehr lehrreich. Gleichwohl sollte man es auf eine solche Fristberechnung nicht ankommen lassen, sondern vorsorglich stets innerhalb der 14 Tages-Frist reagieren bzw. die vertretene Partei entsprechend belehren.

 

 

BGH zum wirksamen Beglaubigungsvermerk

Eine Klage wurde am 30.12.2013 eingereicht, der Anspruch wäre am 31.12.2013 verjährt. Wenig später wurde dem Beklagten eine Kopie der Klageschrift zugestellt, die auf der ersten Seite zwischen Briefkopf und Überschrift den Vermerk „Beglaubigt zwecks Zustellung Beglaubigt {Unterschrift} Rechtsanwalt“ enthielt. Das Berufungsgericht ging davon aus, dass die Verjährungsfrist nicht gewahrt worden sei, da der Beglaubigungsvermerk regelmäßig auf der letzten Seite oder auf einem gesonderten Deckblatt anzubringen sei. Der BGH (Urt. v. 13.9.2017 – IV ZR 26/16) teilt diese Auffassung grundsätzlich, kommt aber über § 189 ZPO (Heilung von Zustellungsmängeln) gleichwohl zur Fristwahrung.

Für die Hemmung der Verjährung ist grundsätzlich die Zustellung einer beglaubigten Abschrift der Klageschrift erforderlich. Daneben wäre natürlich auch die Zustellung einer Urschrift oder einer Ausfertigung ausreichend. Bei der beglaubigten Abschrift muss sich die Beglaubigung auf das gesamte Schriftstück erstrecken und mit diesem zu einer Einheit verbunden sein. Dies muss der entsprechende Vermerk entweder ausdrücklich beinhalten oder er muss am Ende des Schriftstückes angebracht sein, dann folgt aus dem Vermerk – sozusagen – automatisch, dass er sich auf das gesamte Schriftstück bezieht. Letzteres ist allgemein üblich. Im hier zu beurteilenden Fall war jedoch nicht ersichtlich, in welchem Umfang die Beglaubigung erfolgen sollte, da er sich ohne weitere Erläuterung nur auf der ersten Seite befand.

Allerdings hatte das Berufungsgericht die Heilungsvorschrift des § 189 ZPO nicht berücksichtigt. Der BGH hatte bereits entschieden, dass die Zustellung einer einfachen anstatt einer beglaubigten Abschrift einen Zustellungsmangel darstellt, der nach § 189 ZPO geheilt werden kann, wenn die einfache mit der beglaubigten Abschrift übereinstimmt (was hier der Fall war). Auch bereits durch den BGH entschieden wurde: § 167 ZPO (Die Zustellung – wie hier – demnächst) umfasst auch eine Zustellung mit Heilungsfiktion nach § 189 ZPO.

Letztlich bedeutet dies: Die Verjährungsfrist wurde über die §§ 204 Abs. 1 BGB, 167, 189 ZPO noch gewahrt, so dass das Urteil des Berufungsgerichts aufgehoben werden musste, damit dieses die Berechtigung des Anspruchs noch prüfen kann.

 

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Streitwert bei Antrag auf Herausgabe, Fristbestimmung und Schadensersatz nach Fristablauf
Beschluss vom 28. September 2017 – V ZB 63/16

Eine bislang umstrittene Frage beantwortet der V. Zivilsenat.

Der Kläger begehrte von der Beklagten die Herausgabe eines Wohnungsschlüssels. Ergänzend beantragte er, der Beklagten eine Frist zu setzen und sie für den Fall nicht rechtzeitiger Herausgabe zur Zahlung von rund 1.400 Euro zu verurteilen. Zur Begründung machte er geltend, ohne Rückgabe des Schlüssels müsse er die Schließanlage im gesamten Anwesen auswechseln lassen. Das AG wies die Klage ab. Das LG verwarf die Berufung mangels ausreichender Beschwer als unzulässig.

Der BGH verweist die Sache an das LG zurück. Er tritt dem LG zwar darin bei, dass der Streitwert für den Herausgabeantrag nicht anhand der Kosten einer neuen Schließanlage zu bemessen ist, sondern allein anhand der (im Streitfall unter 600 Euro liegenden) Kosten eines Ersatzschlüssels, weil die Beschaffung einer neuen Schließanlage nicht zum Gegenstand dieses Antrags gehört, sondern nur eine mittelbare wirtschaftliche Folge darstellt. Entgegen einer verbreiteten Auffassung ist für die Bemessung des Streitwerts aber auch der Antrag auf Zahlung von Schadensersatz bei nicht rechtzeitiger Herausgabe zu berücksichtigen. Weil die beiden Ansprüche wirtschaftlich auf dasselbe Ziel gerichtet sind, ist entsprechend § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG nur einer von ihnen heranzuziehen, und zwar derjenige mit dem höheren Wert. Im Streitfall beträgt die Beschwer deshalb rund 1.400 Euro.

Praxistipp: Die Kombination eines Herausgabeantrags mit Anträgen auf Fristsetzung und Zahlung von Schadensersatz ist nach § 255 und § 260 ZPO möglich. Hinsichtlich des Zahlungsantrags müssen zusätzlich die Voraussetzungen des § 259 ZPO (Besorgnis der nicht rechtzeitigen Erfüllung) vorliegen.

Anwaltswechsel nach selbständigem Beweisverfahren
Beschluss vom 26. Oktober 2017 – V ZB 188/16

Eine weitere umstrittene Frage beantwortet der V. Zivilsenat in einem etwas später ergangenen, aber zeitgleich veröffentlichten Beschluss.

Der Kläger hatte gegen die Beklagte ein selbständiges Beweisverfahren wegen Rissen und Feuchtigkeitsschäden an einem Gebäude durchführen lassen. Seine später wegen derselben Schäden erhobene Klage wurde abgewiesen. Im Kostenfestsetzungsverfahren beantragte die Beklagte die Festsetzung von zwei anwaltlichen Verfahrensgebühren, weil sie im selbständigen Beweisverfahren von einem anderen Anwalt vertreten wurde als im Hauptsacheverfahren. Das LG setzte nur eine der beiden Verfahrensgebühren fest. Die Beschwerde der Beklagten blieb erfolglos.

Der BGH bestätigt die Entscheidungen der Vorinstanz. In den beiden Verfahren ist zwar jeweils eine Verfahrensgebühr angefallen. Nach § 91 Abs. 2 Satz 2 ZPO ist aber nur eine davon erstattungsfähig, weil  die Gebühr für das selbständige Beweisverfahren ohne den Anwaltswechsel auf die Gebühr für das Hauptsacheverfahren anzurechnen wäre. Wegen der engen Verflechtung der beiden Verfahren gilt § 92 Abs. 2 Satz 2 ZPO auch für einen Anwaltswechsel nach Abschluss des selbständigen Beweisverfahrens und vor Beginn des Hauptsacheverfahrens.

Praxistipp: Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass ein Anwaltswechsel notwendig war, liegt beim Kostengläubiger.

Rechtzeitige Zahlung des Kostenvorschusses
Urteil vom 29. September 2017 – V ZB 103/16

Eine weitere Entscheidung des V. Zivilsenats betrifft die Frage, wann eine Zustellung noch im Sinne von § 167 ZPO „demnächst“ erfolgt ist.

Der Kläger focht mehrere Beschlüsse einer Wohnungseigentümerversammlung an. Zwei Tage vor Ablauf der einmonatigen Klagefrist  (§ 46 Abs. 1 Satz 2 WEG) erhielt der Prozessbevollmächtigte die Gerichtskostenrechnung übersandt. Dreißig Tage später ging der Vorschuss bei der Justizkasse ein. Das AG wies die Klage als unzulässig ab. Die Berufung blieb erfolglos.

Der BGH verweist die Sache an das LG zurück. Er knüpft an seine Rechtsprechung an, wonach eine Zustellung noch „demnächst“ erfolgt ist, wenn eine durch nachlässiges Verhalten des Klägers verursachte Verzögerung vierzehn Tage nicht übersteigt. Hierbei ist der Zeitraum bis zum Ablauf der Frist (im Streitfall: zwei Tage) nicht zu berücksichtigen. Darüber hinaus hat der Kläger grundsätzlich mindestens eine Woche Zeit, um die Zahlung zu erledigen. Dieser Zeitraum verlängerte sich im Streitfall auf neun Tage, weil innerhalb der Wochenfrist zwei Feiertage lagen. Ferner hat der Prozessbevollmächtigte für die Prüfung und Weiterleitung der an ihn übersandten Rechnung drei Werktage Zeit. Im Streitfall betrug der aus diesem Grund unschädliche Zeitraum fünf Tage, weil er ein Wochenende umfasste. Von den dreißig Tagen zwischen Erhalt der Rechnung und Zahlungseingang sind damit insgesamt sechzehn nicht zu berücksichtigen. Der verbleibende, auf Nachlässigkeit des Klägers zurückzuführende Zeitraum beträgt vierzehn Tage – eine wahre Punktlandung.

Praxistipp: Die Frage, ob eine Kostenrechnung an den Prozessbevollmächtigten oder unmittelbar an die Partei versandt wird, ist nicht bundeseinheitlich geregelt. Die Pflicht des Anwalts, eine erhaltene Rechnung innerhalb von drei Werktagen (gemeint sind wohl Arbeitstage) zu prüfen und an den Mandanten weiterzuleiten, besteht unabhängig davon, ob die Übersendung an ihn der einschlägigen Regelung entspricht..