OLG Düsseldorf: Bei PKW Kauf nach Online-Inserat, ist Inserat für vereinbarte Beschaffenheit relevant

Heutzutage ist der Kauf eines (gebrauchten) PKW nicht mehr nur beim Händler vor Ort die Regel. Vielmehr machen sich Kaufinteressenten auf der Suche nach dem richtigen Angebot immer öfter PKW-Verkaufsbörsen zu Nutze. Was passiert jedoch, wenn der tatsächliche Zustand des Fahrzeuges von dem beschrieben Zustand, z.B. in Bezug auf Ausstattungsmerkmale abweicht, dies aber bei der Besichtigung vor dem Kaufvertragsschluss nicht bemerkt wird?

Das OLG Düsseldorf geht davon aus, dass die Beschreibung in der Online-Anzeige eine Beschaffenheitsvereinbarung darstellt und lediglich im Fall von erkennbaren Abweichungen vor Abschluss des Kaufvertrages Ausnahmen möglich seien.

Auch die Klausel „gebraucht, wie ausgiebig besichtigt, unter Ausschluss jeglicher Gewährleistung..“ half dem Verkäufer, einem Unternehmer, gegenüber dem Verbraucher als Käufer auch nicht weiter, § 475 Abs. 1 S. 1 BGB.

Praxistipp:

Für Verkäufer heißt es daher, das Fahrzeug möglichst genau zu beschreiben. Auf Käuferseite ist unbedingt dazu zu raten, die Beschreibung des PKW aus der Verkaufsbörse aufzubewahren und zusammen mit dem PKW-Kaufvertrag abzulegen.

(OLG Düsseldorf, Urteil v. 18.08.2016 Az.: I-3 U 20/15)

BGH: Notwendiger Hinweis auf Ergänzung von Angaben im Rahmen der Wiedereinsetzung

Das LG hatte einen Wiedereinsetzungsantrag wegen Versäumung der Frist zur Begründung der Berufung zurückgewiesen. Zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrages war im Wesentlichen vorgetragen worden: „Rechtzeitig vor Fristablauf sei die unterzeichnete Berufungsbegründung zur Post gegeben und abgeschickt worden. Allerdings ging die Berufungsbegründung niemals beim LG ein. Das LG hielt diesen Vortrag nicht für ausreichend, vermisste insbesondere nähere Ausführungen zum Ablauf des Versendungsvorgangs.“

Der BGH (Beschl. v. 16. August 2016, VI ZB 19/16; MDR 2016, 1284) akzeptiert dies so nicht. Das LG wäre vielmehr gemäß § 139 Abs. 1 ZPO dazu verpflichtet gewesen, darauf hinzuweisen, dass nähere Angaben zur Versendung erforderlich seien. Es müssen allerdings alle für die Wiedereinsetzung erforderlichen Angaben vor Ablauf der Wiedereinsetzungsfrist, d. h. regelmäßig in dem Wiedereinsetzungsantrag, vorgetragen werden. Nach Fristablauf dürfen keine neuen Gründe mehr nachgeschoben werden. Jedoch können erkennbar unklare oder ergänzungsbedürftige Angaben auch nach Fristablauf erläutert oder ergänzt werden. Der Vortrag zur Versendung war zwar knapp, der BGH hält die diesbezüglichen Ausführungen jedoch noch nicht für so substanzlos, dass von einem ordnungsgemäßen Vortrag gar nicht mehr hätte ausgegangen werden können. Im Rahmen der Rechtsbeschwerde erfolgten dann die näheren Ausführungen zur Versendung der Berufungsbegründung. Es wurde dargelegt, wer den Briefumschlag beschriftet und frankiert hat und in welchen Briefkasten er schließlich eingeworfen wurde. Dieser Vortrag war nunmehr fraglos ausreichend. Damit hob der BGH den Verwerfungsbeschluss des LG auf und verwies die Sache an das LG zur weiteren Prüfung zurück.

Hinweis: Bei derartigen Wiedereinsetzungsfragen muss also genau folgendes beachtet werden: Alle Gründe, die eine Wiedereinsetzung rechtfertigen könnten, müssen innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist vorgetragen werden. Nach Fristablauf können keine neuen Gründe mehr nachgeschoben werden. Erweist sich ein Vorbringen aus der Sicht des Gerichts als ergänzungsbedürftig, ist ein gerichtlicher Hinweis darauf erforderlich. Fehlt es an einem konkreten Vortrag überhaupt, ist ein Hinweis entbehrlich, da wegen Fristablaufes dann nicht mehr nachgebessert werden kann.

Wichtig ist noch, dass der BGH erneut folgendes betont hat: „Eine Partei darf grundsätzlich darauf vertrauen, dass im Bundesgebiet werktags aufgegebene Sendungen am folgenden Werktag ausgeliefert werden. Ohne konkrete Anhaltspunkte muss die Partei nicht damit rechnen, dass die Einhaltung einer Frist gefährdet ist.“ Ist also eine rechtzeitige Versendung eines Schriftsatzes glaubhaft zu machen, wird eine Wiedereinsetzung in Regel bewilligt werden.

 

 

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Zuordnung einer Telefax-Nummer zu einem Gericht
Beschluss vom 5. Oktober 2016 – VII ZB 45/14

Mit der Pflicht des Gerichts zur Aufklärung des Sachverhalts befasst sich der VII. Zivilsenat.

Der Prozessbevollmächtigte der in erster Instanz unterlegenen Beklagten hatte die Berufung gegen das Urteil des AG zur Fristwahrung per Telefax übermitteln lassen. Das Original (mit dem Zusatz „vorab per Telefax an 2017-1009“) ging erst nach Fristablauf beim LGein. Auf einen Hinweis des LG, dass ein Faxeingang nicht festgestellt werden könne, machte der Prozessbevollmächtigte glaubhaft, dass seine Sekretärin den Schriftsatz am Tag des Fristablaufs an die angegebene Telefaxnummer übermittelt hatte. Auf einen ergänzenden Hinweis des LG, diese Nummer sei dem AG zugeordnet, zeigte er auf, dass die Nummer sowohl im Dienstleistungsportal des Landes als auch im gemeinsamen Justizportal des Bundes und der Länder als Faxnummer des LG ausgewiesen ist. Das LG verwarf die Berufung als unzulässig.

Der BGH verweist die Sache an das LG zurück. Er hält bereits die Feststellungen des LG zur Zuordnung der Faxnummer für unzureichend. Anlass zu eingehenderen Ermittlungen bestand aus Sicht des BGH schon deshalb, weil AG und LG eine gemeinsame Briefannahmestelle unterhalten und es deshalb naheliegt, dass eine Geschäftsordnungsregel getroffen wurde, wonach die bei einem dort vorhandenen Faxanschluss eingehenden Schreiben – ebenso wie ein im Original eingegangener Schriftsatz – als bei demjenigen Gericht eingegangen gelten, an das die Sendung adressiert ist. Ergänzend weist der BGH darauf hin, dass im Hinblick auf die Zuordnung der Faxnummer in den beiden Internetportalen jedenfalls Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist. Dass der diesbezügliche Vortrag erst nach Ablauf der Wiedereinsetzungsfrist erfolgte, ist unschädlich, weil für den Prozessbevollmächtigten erst aus dem ergänzenden Hinweis des LG ersichtlich war, dass die Faxnummer einem anderen Gericht zugeordnet sein könnte.

Praxistipp: Wenn ein Gericht mitteilt, eine bestimmte Faxsendung nicht erhalten zu haben, sollte vorsichtshalber auch vorgetragen und glaubhaft gemacht werden, woraus sich die Zuordnung der verwendeten Telefaxnummer zu dem betreffenden Gericht ergibt.

Schadensersatzpflicht eines Zuschauers für Verbandsstrafe
Urteil vom 22. September 2016 – VII ZR 14/16

Ebenfalls der VII. Zivilsenat war zur Entscheidung eines Falls berufen, der für einige Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit gesorgt hat.

Der Beklagte hatte als Zuschauer bei einem Fußballspiel der 2. Bundesliga einen dem Sprengstoffgesetz unterfallenden Knallkörper gezündet. Dabei wurden sieben andere Zuschauer verletzt. Der Deutsche Fußballbund setzte gegen den Heimverein eine Geldstrafe fest. Die auf Ersatz des gezahlten Betrags gerichtete Klage war in erster Instanz erfolgreich. Das OLG wies die Klage hingegen ab, weil es an dem erforderlichen Zurechnungszusammenhang fehle.

Der BGH verweist die Sache an das OLG zurück. Durch den Stadionbesuch ist ein Zuschauervertrag zustande gekommen, der den Beklagten verpflichtete, das Interesse des Klägers an einem ungestörten Spielablauf nicht zu beeinträchtigen. Der Beklagte hat diese Pflicht verletzt und damit die durch Festsetzung der Verbandsstrafe eingetretene Vermögensbeeinträchtigung auf Seiten des Klägers verursacht. Entgegen der Auffassung des OLG fehlt es nicht an dem erforderlichen Zurechnungszusammenhang. Zwischen der verletzten Pflicht und der daraus resultierenden Folge besteht ein hinreichender innerer Zusammenhang. Das Mittel der Verbandsstrafe als Sanktion für schuldhafte Störungen durch Zuschauer dient ebenfalls dem Zweck, einen störungsfreien Ablauf zu gewährleisten. Ob die der Festsetzung der Strafe zugrunde liegenden Regeln des DFB wirksam sind, ist irrelevant, weil die Entscheidung des Klägers, die Strafe zu zahlen, jedenfalls keine ungewöhnliche oder unsachgemäße Reaktion darstellt. Der Beklagte kann sich auch nicht auf ein Mitverschulden wegen unzureichender Einlasskontrollen berufen. Diese Kontrollen dienen nicht der Erfüllung einer Obliegenheit des Veranstalters gegenüber Zuschauern, die verbotene Gegenstände mit sich führen.

Praxistipp: Um Diskussionen über die Wirksamkeit der vom DFB erlassenen Verfahrensregeln (dazu BGH, Urteil vom 20. September 2016 – II ZR 25/15) zu vermeiden, ist es zweckmäßig, den Regressanspruch erst nach Zahlung der Geldstrafe geltend zu machen.

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Beginn der Verjährung bei Änderung höchstrichterlicher Rechtsprechung
Urteil vom 16. Juni 2016 – I ZR 222/14

Mit einem allgemeinen Problem des Verjährungsrechts befasst sich der I. Zivilsenat in einer urheberrechtlichen Streitigkeit.

Die Klägerin nahm die Beklagte auf Zahlung einer zusätzlichen urheberrechtlichen Vergütung für die Überlassung von Entwürfen für Spiel- und Dekorationsgegenstände (unter anderem eine „Geburtstagskarawane“) in Anspruch. Die Klage blieb in den beiden ersten Instanzen erfolglos. Das OLG hielt die Klageansprüche unter anderem für verjährt, weil die Klägerin mehr als drei Jahre vor Klageerhebung Kenntnis von den Tatsachen gehabt habe, auf die Ansprüche gestützt seien.

Der BGH verweist die Sache, die schon zum zweiten Mal in die Revisionsinstanz gelangt war, erneut an das OLG zurück. Er hält zwar die tatrichterlichen Feststellungen zum Kenntnisstand der Klägerin für frei von Rechtsfehlern. Er sieht die Klageansprüche aber deshalb als nicht verjährt an, weil die schöpferische Leistung, für die die Klägerin zusätzliche Vergütung begehrt, nach seiner früheren Rechtsprechung einem urheberrechtlichen Schutz generell nicht zugänglich war und diese Rechtsprechung erst mit einem im Jahr 2014 veröffentlichten (im gleichen Rechtsstreit ergangenen) Urteil aufgegeben wurde. Grundsätzlich reichen zwar Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis der maßgeblichen Tatsachen aus. Dies gilt aber nicht, wenn nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung keine Aussicht besteht, das Klagebegehren mit Aussicht auf Erfolg auf diese Tatsachen stützen zu können. Eine solche Situation war im Streitfall bis zum Jahr 2014 gegeben. Dass der BGH schon in einer Entscheidung aus dem Jahr 2011 offengelassen hatte, ob an der bisherigen Rechtsprechung festzuhalten sei, reichte für einen Verjährungsbeginn noch nicht aus.

Praxistipp: Wenn es zu einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage noch keine höchstrichterliche Rechtsprechung gibt, sind Maßnahmen zur Hemmung der Verjährung – anders als im Streitfall – in aller Regel unerlässlich.

Beweislast für Vereinbarung einer Baukostenobergrenze
Urteil vom 6. Oktober 2016 – VII ZR 185/13

Mit einer besonderen Ausgestaltung eines Architektenvertrags befasst sich der VII. Zivilsenat.

Die Klägerin hatte für die Beklagte Architektenleistungen erbracht. In einem vor Vertragsschluss unterbreiteten „Honorar-Vorschlag“ hatte sie die für die Berechnung maßgeblichen Baukosten mit rund 600.000 Euro angesetzt. In ihrer Schlussrechnung legte sie einen fast doppelt so hohen Betrag zugrunde. Ihre Klage auf Zahlung der sich daraus ergebenden Honorardifferenz blieb in den ersten beiden Instanzen erfolglos.

Der BGH verweist die Sache an das OLG zurück. Ein Architekt, der eine vereinbarte Kostengrenze nicht einhält, ist zwar nicht befugt, sein Honorar auf der Grundlage der höheren Kosten zu berechnen. Die Beweislast für die Vereinbarung einer Kostenobergrenze liegt aber beim Auftraggeber. Anders als vom Berufungsgericht angenommen ist der vom BGH zu § 632 Abs. 2 BGB entwickelte Grundsatz, wonach der Unternehmer, der die taxmäßige oder übliche Vergütung fordert, eine vom Auftraggeber behauptete Preisvereinbarung widerlegen muss, hier nicht einschlägig. Die Vereinbarung der Baukostenobergrenze hat zwar Auswirkungen auf die Höhe des Honorars. Dennoch ist sie keine Vergütungsabrede, sondern eine Vereinbarung über die Beschaffenheit des zu erbringenden Architektenwerks.

Praxistipp: Der Auftraggeber sollte darauf achten, dass eine Baukostengrenze im Vertrag ausdrücklich als solche bezeichnet wird.

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Sekundäre Darlegungslast des Anschlussinhabers bei illegalen Internet-Downloads
Urteil vom 12. Mai 2016 – I ZR 48/15

Der I. Zivilsenat hat seine mittlerweile etablierte Rechtsprechung zur Haftung des Anschlussinhabers für unter Nutzung des Anschlusses begangene Rechtsverletzungen weiter ausgebaut.

Die Klägerinnen nahmen den Beklagten wegen illegalen Zugänglichmachens von 15 Musiktiteln in einer Internet-Tauschbörse in Anspruch. Ein von den Klägerinnen beauftragtes Unternehmen hatte festgestellt, dass diese Titel (zusammen mit knapp 800 weiteren Titeln) zu einem bestimmten Zeitpunkt mittels eines Tauschbörsenprogramms zum Herunterladen verfügbar gehalten wurden. Die betreffende Internetadresse war zu diesem Zeitpunkt dem Internetanschluss des Beklagten zugewiesen. Der Beklagte gab nach Abmahnung eine Unterlassungserklärung ab. Dem Begehren der Klägerinnen nach Schadensersatz trat er unter anderem mit dem Vortrag entgegen, er habe die Dateien nicht zum Download angeboten und er verfüge nicht über Anhaltspunkte dafür, dass seine Ehefrau oder seine beiden 15 und 17 Jahre alten Kinder die Rechtsverletzung begangen hätten. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass sein Internetanschluss – trotz Verschlüsselung und Zugangssicherung mittels Benutzername und Passwort – unberechtigt durch Dritte genutzt worden sei. Die auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 3.000 Euro und Abmahnkosten in Höhe von 2.380,80 Euro gerichtete Klage blieb in erster Instanz erfolglos. Das OLG sprach den Klägerinnen Schadensersatz in der geltend gemachten Höhe von 3.000 Euro und Abmahnkosten in Höhe von 1.200,40 Euro zu.

Der BGH weist die Revision des Beklagten zurück. Zur Frage der Passivlegitimation knüpft er an seine mittlerweile ständige Rechtsprechung an. Danach trägt der Rechtsinhaber die Darlegungs- und Beweislast für eine Rechtsverletzung. Es spricht aber eine tatsächliche Vermutung für eine Täterschaft des Anschlussinhabers, wenn im Tatzeitpunkt keine anderen Personen den Anschluss benutzen konnten. Hinsichtlich des Bestehens solcher Nutzungsmöglichkeiten trifft den Anschlussinhaber eine sekundäre Darlegungslast.

Der Anschlussinhaber kann die tatsächliche Vermutung zum einen dadurch ausräumen, dass er vorträgt, der Anschluss sei nicht hinreichend gesichert gewesen. Wenn der Rechtsinhaber diesen Vortrag nicht widerlegen kann, haftet der Anschlussinhaber nicht auf Schadensersatz. Wegen der unzureichenden Absicherung seines Anschlusses haftet er aber als so genannter Störer auf Unterlassung, Beseitigung und Ersatz der Abmahnkosten.

Der Anschlussinhaber kann die tatsächliche Vermutung auch dadurch ausräumen, dass er aufzeigt, andere Personen hätten Zugang zu dem Anschluss und Gelegenheit zur Begehung der Rechtsverletzung gehabt. Hierzu reicht aber, wie der BGH in der vorliegenden Entscheidung erneut hervorhebt, die allgemeine Behauptung, ein Dritter könnte Zugang gehabt haben, nicht aus. Im Streitfall blieb dem Beklagten die Berufung auf die mögliche Täterschaft eines Dritten im Ergebnis verwehrt, weil sein Anschluss verschlüsselt und passwortgesichert war und er keine konkrete Zugriffsmöglichkeit für Dritte aufgezeigt hatte.

Soweit der Anschlussinhaber anderen Personen den Zugang ermöglicht hat, muss er konkret vortragen, ob diese im Hinblick auf Nutzerverhalten, Kenntnisse und Fähigkeiten sowie in zeitlicher Hinsicht Gelegenheit hatten, die Verletzungshandlung ohne sein Wissen und Zutun zu begehen. Im Streitfall konnte der Beklagte seine Haftung auch auf diesem Weg nicht abwenden, weil er vorgetragen hatte, seine Ehefrau habe die Rechtsverletzung ebenfalls nicht begangen und seine Kinder dürften den Internetanschluss nur für 30 Minuten pro Tag nutzen und würden regelmäßig überwacht.

Praxistipp: Wenn außer dem Anschlussinhaber selbst nur Familienangehörige Zugang zu dem Internetanschluss hatten, hat der Anschlussinhaber letztendlich nur die Wahl, ob er sich selbst oder aber seine Angehörigen der Tat bezichtigen will. In dieser Lage wird es in der Regel wirtschaftlich vernünftiger sein, nach Abgabe der Unterlassungserklärung eine außergerichtliche Einigung über die Höhe des Schadensersatzes und der Abmahnkosten anzustreben.

Internetnutzung durch volljährige Mitbewohner, Besucher und Gäste
Urteil vom 12. Mai 2016 – I ZR 86/15

Dass der Inhaber eines Internetanschlusses nicht immer in der Haftungsfalle sitzt, zeigt eine weitere, am gleichen Tag ergangene Entscheidung des I. Zivilsenats.

In diesem Fall nahm die Klägerin den Beklagten wegen illegalen Veröffentlichens eines Films in einer Internet-Tauschbörse in Anspruch. Im Zeitraum der Rechtsverletzung hatte der Beklagte Besuch von seiner Nichte und deren Lebensgefährten, die beide volljährig sind und in Australien leben. Diesen hatte er das Passwort für den Internetzugang mitgeteilt. Nach der Abmahnung räumte die – wieder nach Australien zurückgekehrte – Nichte ein, den Film ins Internet gestellt zu haben. Der Beklagte gab eine Unterlassungserklärung ab, verweigerte aber die Erstattung von Abmahnkosten. Die auf Zahlung von Abmahnkosten in Höhe von 755,80 Euro gerichtete Klage blieb in erster Instanz erfolglos. Das LG verurteilte den Beklagten antragsgemäß.

Der BGH stellt das erstinstanzliche, die Klage abweisende Urteil wieder her. Er verneint eine Haftung des Beklagten als Täter, weil die Rechtsverletzung durch dessen Nichte begangen wurde. Abweichend vom LG sieht er den Beklagten auch nicht als Störer an.

Als Störer haftet nach der Rechtsprechung des I. Zivilsenats, wer willentlich und adäquat-kausal zur Verletzung eines geschützten Rechts beiträgt, etwa dadurch, dass er eine zumutbare Möglichkeit zur Verhinderung der Tat nicht wahrgenommen hat. Beim Inhaber eines Internetanschlusses sind diese Voraussetzungen typischerweise erfüllt, wenn er den Anschluss nicht durch Verschlüsselung und Passwortschutz gegen unbefugte Nutzung sichert oder wenn er minderjährige Familienangehörige oder Besucher nicht über die Rechtswidrigkeit der Teilnahme an Internettauschbörsen belehrt und ihnen eine Teilnahme verbietet.

Gegenüber volljährigen Familienangehörigen besteht eine entsprechende Pflicht zur Belehrung nicht, solange keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie den Internetanschluss für rechtswidrige Zwecke nutzen. Dieser Grundsatz gilt nach der vorliegenden Entscheidung auch für volljährige Besucher, Gäste und Mitbewohner.

Praxistipp: Die Möglichkeit, einen volljährigen Dritten als verantwortlichen Täter zu benennen, wird wohl nur in Ausnahmefällen bestehen. Ein Dritter, der seine eigene Inanspruchnahme zu befürchten hat, wird nicht häufig geneigt sein, die Tat einzuräumen. Und eine Nichte aus Australien, die die Tat gesteht, wird eher selten beteiligt sein.

Erneut: TV-Übertragungen aus Gerichtssälen?

Inzwischen hat der Entwurf des Gesetzes zur Erweiterung der Medienöffentlichkeit in Gerichtsverfahren und zur Verbesserung der Kommunikationshilfen für Menschen mit Sprach- und Hörbehinderungen (EMöGG) den Bundesrat erreicht. Der Bundesrat hat darüber am 14.10.2016 verhandelt und einige Änderungswünsche angemeldet, hier die wesentlichen:

Nach dem Gesetzesentwurf gibt es keinerlei Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Übertragung einer Gerichtsverhandlung in einen Arbeitsraum. Es heißt lediglich, dass das Gericht die Übertragung zulassen kann. Die Vorschrift sollte daher dahingehend ergänzt werden, dass eine solche Übertragung in einen Arbeitsraum für Medienvertreter nur möglich ist, wenn zu erwarten ist, dass die in dem Sitzungszimmer zur Verfügung stehenden Plätze nicht ausreichen.

Des Weiteren bittet der Bundesrat darum zu prüfen, ob nicht für den Zugriff auf hergestellte audiovisuelle Dokumentationen von Gerichtsverfahren eine bundeseinheitliche Regelung getroffen werden kann. Nach dem bisherigen Entwurf ist vorgesehen, dass die nach den Archivgesetzen zuständigen Archive auch für die Verwahrung und die damit zusammenhängenden Fragen zuständig werden. Da diese Gesetze im Bund und in den Ländern durchaus unterschiedlich sind, würde dies zu einer Rechtszersplitterung bezüglich der Sperrfristen führen. Insoweit meint der Bundesrat, dass eine Mindestschutzfrist von 30 Jahren nach dem Tode eines Betroffenen geregelt werden sollte.

Im Rahmen des SGG ist es nicht eindeutig, ob bei einem reinen Verkündungstermin die ehrenamtlichen Richter mitwirken müssen oder nicht. Da eine Anreise nur für einen Verkündungstermin mit Medienvertretern für die ehrenamtlichen Richter ein großer Aufwand wäre, möchte der Bundesrat erreichen, dass insoweit eine Anpassung des Gesetzes an die Rechtslage im ArbGG erfolgt. Dort ist eine Anwesenheit der ehrenamtlichen Richter bei einem Verkündungstermin ausdrücklich entbehrlich (§ 60 Abs. 3 S. 1 ArbGG).

Bezüglich der für Seh-, Hör- und Sprachbehinderte heranzuziehenden Übersetzer möchte der Bundesrat gerne die Möglichkeit einführen, dafür entstehende Kosten, die regelmäßig von den betroffenen Personen nicht erhoben werden, von einer anderen Person zu erheben, die die Prozesskosten tragen muss (z. B. weil sie den Prozess verloren hat). Der Bundesrat sieht keinen durchgreifenden Grund, beispielsweise den unterlegenen Prozessgegner in die Kostenprivilegierung für Behinderte aufzunehmen.

Die hier bereits mitgeteilten Beschlüsse des Deutschen Juristentages hat der Bundesrat offensichtlich nicht berücksichtigt. Die Änderungswünsche des Bundesrates erscheinen sachgerecht. Man darf gespannt sein, ob sie berücksichtigt werden.

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Eigeninteresse des gewillkürten Prozessstandschafters
Urteil vom 10. Juni 2016 – V ZR 125/15

Lehrreiche Ausführungen zur Zulässigkeit einer gewillkürten Prozessstandschaft finden sich in einer Entscheidung des V. Zivilsenats.

Die Klägerin, die gewerbliche Altkleidersammlungen durchführt, nahm die Beklagte, eine Wettbewerberin, die auf drei Grundstücken ohne Genehmigung der Eigentümer Altkleidercontainer aufgestellt hatte, auf Unterlassung in Anspruch. Die Eigentümer der betroffenen Grundstücke hatten sie hierzu ermächtigt. Die Klage hatte in den ersten beiden Instanzen Erfolg.

Der BGH weist die Klage als unzulässig ab. Er nimmt Bezug auf seine ständige Rechtsprechung, wonach die prozessuale Geltendmachung von Rechten Dritter zulässig ist, wenn der Rechtsinhaber zustimmt und der Kläger ein schutzwürdiges Eigeninteresse an der Geltendmachung des Anspruchs hat. Mit den Vorinstanzen hält er eine Prozessstandschaft auch bei Ansprüchen aus § 1004 BGB möglich, obwohl diese untrennbar mit dem dinglichen Recht verbunden und nicht selbständig übertragbar sind. Abweichend von LG und OLG verneint der BGH aber ein schutzwürdiges Eigeninteresse. Das Interesse der Klägerin, Wettbewerbsverstöße von Konkurrenten zu unterbinden, reicht nicht aus, weil es nicht auf die Verwirklichung des geltend gemachten Rechts gerichtet ist. Der Anspruch aus § 1004 BGB schützt das Interesse an der ungestörten Nutzung des Grundstücks. Ein darauf gerichtetes Interesse läge beim Kläger nur dann vor, wenn er mit den Eigentümern der betroffenen Grundstücke einen Nutzungsvertrag abgeschlossen hätte und durch das beanstandete Verhalten in der Ausübung der daraus resultierenden Rechte gestört würde. Diese Voraussetzung liegt im Streitfall aber nicht vor.

Praxistipp: Wenn eine Prozessstandschaft mangels hinreichenden Eigeninteresses nicht in Betracht kommt, bleibt in Konstellationen wie denen des Streitfalls nur die Möglichkeit, dass der Rechtsinhaber die Klage im eigenen Namen erhebt und der an der Klage eigentlich interessierte Dritte ihm die Übernahme aller anfallenden Kosten und sonstigen Nachteile zusagt.

Keine Präklusion einer Klageerweiterung
Urteil vom 20. September 2016 – VIII ZR 247/15

Dass auch die strengen Präklusionsvorschriften in §§ 530 ff. ZPO noch Fluchtmöglichkeiten bieten, verdeutlicht eine Entscheidung des VIII. Zivilsenats.

Der Kläger nahm die Beklagten auf Zahlung einer Kaufpreisrate für eine Gaststätte in Anspruch. Die Klage blieb in erster Instanz erfolglos. Das OLG wies die Berufung durch Versäumnisurteil zurück, weil der Kläger zum Verhandlungstermin nicht erschienen war. Einen Tag vor dem Termin zur Verhandlung über den Einspruch gegen das Versäumnisurteil erweiterte der Kläger sein Begehren auf eine weitere Kaufpreisrate. Zugleich stützte er das gesamte Klagebegehren hilfsweise auf neues tatsächliches Vorbringen. Das Berufungsgericht hielt das Versäumnisurteil aufrecht und wies die Berufung auch hinsichtlich des zusätzlich geltend gemachten Anspruchs zurück. Es hielt die Klageerweiterung zwar für sachdienlich. Das neue tatsächliche Vorbringen ließ es dennoch unberücksichtigt, weil die Klageerweiterung erkennbar nur den Sinn gehabt habe, den Verspätungsfolgen zu entgehen, und deshalb als missbräuchlich anzusehen sei.

Der BGH verweist die Sache an das OLG zurück. Er verweist auf seine ständige Rechtsprechung, wonach die Änderung oder Erweiterung einer Klage nicht als Angriffsmittel im Sinne von § 296, 530, 531 ZPO anzusehen ist, sondern als selbständiger prozessualer Angriff, dessen Zulässigkeit allein nach §§ 263, 264, 533 ZPO zu beurteilen ist. Wenn eine Klageerweiterung danach zulässig ist, dürfen auch die zu ihrer Begründung vorgetragenen Angriffsmittel nicht wegen Verspätung zurückgewiesen werden. Abweichend vom OLG lehnt der BGH eine Ausnahme von diesem Grundsatz auch für den Fall ab, dass die Klageerweiterung allein dem Zweck dient, solchen Vortrag dem Verspätungseinwand zu entziehen. Er hält allenfalls für möglich, das neue Vorbringen nur in Bezug auf den neu hinzugekommenen Teil des Streitgegenstands zu berücksichtigen und hinsichtlich des bisherigen Streitgegenstands – trotz des grundsätzlichen Verbots einander widersprechender Teilentscheidungen – ausnahmsweise durch Teilurteil zu entscheiden. Mit der Frage, ob diese Möglichkeit nach der Zurückverweisung an das OLG auch im Streitfall in Betracht kommt, befasst sich der BGH nicht.

Praxistipp: Der Beklagte kann eine solche „Flucht in die Klageerweiterung“ nur abwenden, indem er das Gericht davon überzeugt, dass die Klageerweiterung nicht sachdienlich ist oder dass die in der Berufungsinstanz zusätzlich erforderlichen Voraussetzungen des § 533 Nr. 2 ZPO nicht vorliegen.

Montagsblog: Neues vom BGH

In Anlehnung an die sog. Montagspost beim BGH berichtet der Montagsblog regelmäßig über ausgewählte aktuelle Entscheidungen.

Vertragliches Abtretungsverbot und Unternehmensverschmelzung
Urteil vom 22. September 2016 – VI ZR 298/14

Mit der Reichweite von § 399 Fall 2 BGB befasst sich der VII. Zivilsenat.

Der klagende Insolvenzverwalter machte Ansprüche auf restlichen Werklohn für Bauarbeiten geltend. Der zugrunde liegende Werkvertrag war von einer Gesellschaft geschlossen worden, deren Vermögen später im Wege der Verschmelzung auf die Insolvenzschuldnerin übergegangen war. Der Beklagte berief sich unter anderem auf Werkmängel und auf ein im Vertrag vereinbartes Abtretungsverbot. Die Klage hatte in erster und zweiter Instanz zum überwiegenden Teil Erfolg.

Der BGH weist die Revision des Beklagten zurück. Er tritt der Auffassung des OLG bei, dass ein in einem Bauvertrag vereinbartes Abtretungsverbot dem Übergang der dem Auftragnehmer gegen den Auftraggeber gerichteten Zahlungsansprüche aufgrund einer gesellschaftsrechtlichen Verschmelzung nicht entgegensteht. Die dafür angeführten Gründe dürften auf andere Verträge und andere Formen der unternehmensrechtlichen Gesamtrechtsnachfolge in gleicher Weise zutreffen.

Praxistipp: In einschlägigen Fällen ist sorgfältig zu prüfen, ob der Übergang des Vermögens im Wege der Gesamtrechtsnachfolge stattgefunden hat oder durch Einzelübertragung der dem übertragenden Rechtsträger gehörenden Vermögensgegenstände. Die vorliegende Entscheidung betrifft nur die zuerst genannte Konstellation.

Neues Vorbringen und Entscheidung nach § 522 Abs. 2 ZPO
Beschluss vom 14. Juli 2016 – V ZR 258/15

Mit dem Verhältnis zwischen § 529, § 531 und § 522 Abs. 1 ZPO befasst sich der V. Zivilsenat.

Der Kläger nahm die Beklagten auf Rückabwicklung eines Kaufvertrags über eine als Kapitalanlage erworbene Wohnung in Anspruch. Das LG verurteilte die Beklagten im Wesentlichen antragsgemäß. In der Berufungsinstanz machten die Beklagten unter anderem geltend, bestimmte Mieteinnahmen, die dem Kläger nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung in erster Instanz zugeflossen seien, müssten anspruchsmindernd berücksichtigt werden. Das OLG wies die Berufung durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurück und ließ dabei das neue Vorbringen unberücksichtigt.

Der BGH verweist die Sache, soweit es um die zusätzlich angefallenen Mieteinnahmen geht, an das OLG zurück. Abweichend vom OLG ist er der Auffassung, dass der Umfang, in dem neues Vorbringen in der Berufungsinstanz zu berücksichtigen ist, nicht davon abhängt, ob das Berufungsgericht durch Urteil oder durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO entscheidet. Im Streitfall war das ergänzende Vorbringen schon deshalb zulässig, weil die betreffenden Tatsachen erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung in erster Instanz entstanden waren. Das Berufungsgericht musste diesen Vortrag auch bei einer Entscheidung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO berücksichtigen.

Praxistipp: Wenn das neue Vorbringen Geschehen aus der Zeit vor der letzten mündlichen Verhandlung in erster Instanz betrifft, muss die vortragende Partei, um eine Präklusion nach § 531 Abs. 2 ZPO zu vermeiden, stets darlegen, weshalb der Vortrag nicht schon in erster Instanz erfolgt ist.

Beweiswürdigung nach Versterben eines Zeugen
Urteil vom 16. August 2016 – X ZR 96/14

Mit einer nicht alltäglichen Situation befasst sich der X. Zivilsenat – als Berufungsgericht – in einer Patentnichtigkeitssache.

Das in erster Instanz zuständige Bundespatentgericht hatte ein Patent für nichtig erklärt und diese Entscheidung unter anderem auf die Aussage eines Zeugen gestützt, der angegeben hatte, ein Datenblatt, das die Erfindung offenbare, sei der Öffentlichkeit schon vor dem Prioritätstag zugänglich gewesen. Mit der Berufung – über die in Patentnichtigkeitssachen der BGH zu entscheiden hat – griff die Patentinhaberin diese Würdigung an. Eine erneute Vernehmung des Zeugen war nicht möglich, weil dieser in der Zwischenzeit verstorben war.

Der BGH weist die Nichtigkeitsklage ab. Nach seiner Einschätzung ergeben sich aus dem Vernehmungsprotokoll erhebliche Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Zeugen und an der Glaubhaftigkeit von dessen Aussage. Nach den insoweit maßgeblichen Regelungen der ZPO darf ein Berufungsgericht eine solche Schlussfolgerung zwar grundsätzlich nicht ziehen, ohne den Zeugen erneut zu vernehmen. Dies gilt aber nicht, wenn der Zeuge nach der erstinstanzlichen Vernehmung verstorben ist.

Praxistipp: Die Partei, zu deren Gunsten der Zeuge ausgesagt hat, sollte nach dessen Versterben alle in Betracht kommenden Anstrengungen unternehmen, um andere Beweismittel an die Hand zu bekommen.

Der Einzelrichter beim BGH

Wird gegen den Streitwertbeschluss eines Einzelrichters beim Landgericht Beschwerde beim BGH eingelegt, entscheidet hierüber der Einzelrichter beim BGH. Der I. Zivilsenat des BGH setzt mit seiner Entscheidung vom 01.09.2016 – I ZB 70/16 – seine Rechtsprechung vom 23.04.2015 – I ZB 73/14 – fort. Dort hatte der BGH entschieden, dass für die Kostenerinnerung gegen eine Kostenrechnung des BGH der Einzelrichter beim BGH zuständig ist. In der neuen Entscheidung hat der BGH für die Einzelrichterzuständigkeit § 68 Abs. 1 S. 5 in Verbindung mit § 66 Abs. 6 S. 1 GKG angewendet.

 

In der benannten Entscheidung vom 01.09.2016 hat der BGH zugleich die Beschwerde gegen eine Streitwertfestsetzung eines Landgerichts für unstatthaft befunden. Denn eine Streitwertbeschwerde zum BGH ist nicht gegeben (§ 68 Abs. 1 S. 5 in Verbindung mit § 66 Abs. 3 S. 3 GKG).

Nicht richtig erscheint die Kostenentscheidung. Der BGH hat die Kosten dem Beschwerdeführer nach § 97 ZPO auferlegt. Dass insoweit § 68 Abs. 3 S. 2 GKG, der eine Kostenerstattung ausschließt, nicht zur Anwendung kommen kann, erörtert der BGH indes nicht.

 

 

 

Montagsblog: Neues vom BGH

In Anlehnung an die sog. Montagspost beim BGH berichtet der Montagsblog regelmäßig über ausgewählte aktuelle Entscheidungen.

Zurechnung von sittenwidrigem Handeln und Vorsatz
Urteil vom 28. Juni 2016 – VI ZR 536/15

Mit grundlegenden Fragen der Haftungszurechnung nach § 31 BGB befasst sich der VI. Zivilsenat.

Die beklagte Aktiengesellschaft war Mitherausgeberin eines Prospekts für einen geschlossenen Immobilienfonds. Die Kläger, die einen Fondsanteil erwarben, begehrten die Rückabwicklung ihrer Beteiligung, unter anderem mit der Begründung, im Prospekt sei ein bestehender Altlastenverdacht nicht erwähnt worden. Das LG wies die Klage ab. Das OLG verurteilte die Beklagte antragsgemäß. Es bejahte einen Ersatzanspruch der Kläger aus § 826 BGB, weil die unterlassene Aufklärung über den Altlastenverdacht verwerflich sei und die Beklagte jedenfalls das bei ihren Sachbearbeitern vorhandene Wissen gegen sich gelten lassen müsse.

Der BGH verweist die Sache an das OLG zurück. Mit dem OLG ist er der Auffassung, dass der Prospekt ohne einen Hinweis auf die Altlastenproblematik fehlerhaft war. Zur Feststellung der Sittenwidrigkeit bedarf es aber zusätzlicher Umstände, etwa einer bewussten Täuschung. Dabei ist grundsätzlich nur der Kenntnisstand von Personen maßgeblich, für deren Verhalten die Beklagte gemäß § 31 BGB einzustehen hat, also von Vorständen und sonstigen verfassungsmäßig berufenen Vertretern. Ob darüber hinaus die für den rechtsgeschäftlichen Verkehr entwickelten Grundsätze über die Wissenszurechnung herangezogen werden können, lässt der BGH offen. Nicht zulässig ist jedenfalls eine „mosaikartige“ Zusammenstellung des Wissens von mehreren Mitarbeitern. Entsprechendes gilt für den gemäß § 826 BGB erforderlichen Vorsatz.

Praxistipp: Wenn ungewiss ist, ob der erforderliche Kenntnisstand für die gesetzlichen Vertreter nachgewiesen werden kann, sollte besonderes Augenmerk auf die Frage gelegt werden, wer als verfassungsmäßiger Vertreter der Gesellschaft in Betracht kommt.

Wahrunterstellung einer Behauptung
Beschluss vom 23. August 2016 – VIII ZR 178/15

Mit den Voraussetzungen für die Nichtberücksichtigung eines Beweisantrags befasst sich der VIII. Zivilsenat.

Die Beklagten hatten vom Kläger eine Vierzimmerwohnung gemietet. Ende 2012 kündigte der Kläger den Mietvertrag mit der Begründung, sei Sohn wolle die Wohnung zusammen mit einem langjährigen Freund nutzen. Die Beklagten traten der Kündigung entgegen und machten in der Berufungsinstanz unter anderem geltend, die Geltendmachung von Eigenbedarf sei nicht glaubhaft, weil der Kläger nach den Angaben seines erstinstanzlich als Zeuge vernommenen Sohnes ein halbes Jahr vor der Kündigung eine frei gewordene Wohnung im gleichen Haus anderweit vermietet habe, obwohl der Sohn des Klägers den Entschluss, einen eigenen Hausstand zu gründen, schon geraume Zeit zuvor gefasst und dies mit dem Kläger auch besprochen habe. Zum Beweis benannten die Beklagten den Freund des Sohnes. Das LG wies die Berufung der Beklagten gegen das erstinstanzliche Räumungsurteil ohne weitere Beweisaufnahme zurück. Zur Begründung führte es unter anderem an, aus den glaubhaften Angaben des Sohnes ergebe sich, dass ein fester Entschluss zur Gründung eines eigenen Hausstands erst kurz vor der Kündigung gefasst worden sei; aus der Behauptung, der Sohn habe sich mit seinem Freund schon längere Zeit zuvor über etwaige Auszugsabsichten unterhalten, könnten keine abweichenden Schlussfolgerungen gezogen werden.

Der BGH verweist die Sache – die schon zum zweiten Mal in die Revisionsinstanz gelangt war – erneut an eine andere Kammer des LG zurück. Er bewertet das Absehen von einer Vernehmung des in zweiter Instanz benannten Zeugen als Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG. Zwar kann eine Beweisaufnahme unterbleiben, wenn die unter Beweis gestellte Tatsachenbehauptung unerheblich ist. Hierbei ist die Behauptung aber mit dem Inhalt heranzuziehen, wie die Partei sie aufgestellt hat. Im Streitfall bezieht sich der Beweisantrag nicht nur auf die Behauptung, der Sohn des Klägers habe gegenüber dessen Freund schon geraume Zeit vor der Kündigung Auszugsabsichten geäußert, sondern auch darauf, dass damals bereits ein fester Entschluss gefasst worden sei. Wenn die zuletzt genannte Behauptung zutrifft, schließt dies eine Kündigung wegen Eigenbedarfs gegenüber den Beklagten zwar nicht per se aus. Der Zeitpunkt, zu dem der Eigenbedarf entstanden ist, kann aber für Frage von Bedeutung sein, ob der Nutzungswunsch ernsthaft ist.

Praxistipp: Bei umfangreichem und komplexem Tatsachenvortrag sollte stets unmissverständlich klargestellt werden, worauf sich ein Beweisangebot im Einzelnen bezieht.