Montagsblog: Neues vom BGH

Um zwei anwaltliche „Betriebsunfälle“ geht es in dieser Woche.

Antrag auf Ergänzung eines Verlustigkeitsbeschlusses
Urteil vom 18. Dezember 2018 – II ZB 21/16

Mit der Frist für einen Antrag auf Ergänzung eines nicht zustellungsbedürftigen Beschlusses befasst sich der II. Zivilsenat.

Mehrere Aktionäre hatten die Wahl von Mitgliedern des Aufsichtsrats der Beklagten angefochten. Nach erstinstanzlicher Abweisung der Klage legte einer der Kläger zunächst Berufung ein, nahm diese aber später zurück. Das Berufungsgericht erklärte ihn des Rechtsmittels für verlustig und legte ihm die Kosten des Berufungsverfahrens auf. Rund vier Monate später beantragte ein Streithelfer der Beklagten, der dem Rechtsstreit schon in erster Instanz beigetreten war und in zweiter Instanz einen Antrag auf Zurückweisung der Berufung gestellt hatte, die Ergänzung des Beschlusses dahin, dass der Kläger auch die im Berufungsverfahren angefallenen Kosten des Streithelfers zu tragen hat. Das OLG verwarf den Antrag als unzulässig.

Die Rechtsbeschwerde des Streithelfers bleibt ohne Erfolg. Der BGH tritt dem OLG darin bei, dass ein nach § 516 Abs. 3 ZPO ergangener Beschluss nicht gemäß § 329 Abs. 2 Satz 2 ZPO zustellungsbedürftig ist, sondern gemäß § 329 Abs. 2 Satz 1 ZPO formlos mitgeteilt werden kann. Der Beschluss enthält keine Terminbestimmung und setzt auch keine Frist in Lauf. Dass ein Antrag auf Ergänzung eines solchen Beschlusses entsprechend § 321 ZPO innerhalb von zwei Wochen gestellt werden muss, führt nicht zu einer abweichenden Beurteilung. Die Notwendigkeit einer Ergänzung im Sinne von § 321 ZPO erweist, stellt eine Ausnahmesituation dar, an der die formalen Anforderungen für die Übermittlung nicht auszurichten sind. Die Zweiwochenfrist des § 321 ZPO beginnt deshalb mit der formlosen Mitteilung des Beschlusses. Im Streitfall war sie bei Stellung des Ergänzungsantrags seit langem abgelaufen.

Praxistipp: Anders als bei einem Rechtsmittel in der Hauptsache beginnt die Frist für den Antrag auf Ergänzung der Kostenentscheidung für den Streithelfer nicht schon mit der Übermittlung der Entscheidung an die Hauptpartei, sondern erst mit Zugang beim Streithelfer.

Überprüfung des Zeitpunkts, zu dem eine Kündigung zugegangen ist
Urteil vom 14. Februar 2019 – IX ZR 181/17

Mit der Pflicht eines Rechtsanwalts, Angaben seines Mandanten zu überprüfen, befasst sich der IX. Zivilsenat.

Die Klägerin betraute den beklagten Rechtsanwalt Anfang Januar mit einer Kündigungsschutzklage gegen ihren Arbeitgeber. Sie teilte mit, das Kündigungsschreiben sei ihr am 23. Dezember zugestellt worden. Der Beklagte reichte die Kündigungsschutzklage am 13. Januar ein. Einen im Gütertermin geschlossenen Vergleich widerrief er fristgerecht. Das Arbeitsgericht wies die Klage ab, weil es zu der Überzeugung gelangt war, dass der vom Arbeitgeber beauftragte Bote das Kündigungsschreiben bereits am 22. Dezember gegen 11 Uhr in den Briefkasten der Klägerin eingeworfen hatte und die Klage deshalb einen Tag zu spät erhoben worden war. Daraufhin verlangte die Klägerin vom Beklagten zunächst die Zahlung des Betrags, den sie aufgrund des widerrufenen Vergleichs erhalten hätte. Diese Klage wurde rechtskräftig abgewiesen. In einem zweiten Rechtsstreit verlangte sie wegen verspäteter Einreichung der Kündigungsschutzklage Erstattung von Verdienstausfall in Höhe von rund 26.000 Euro. Dieses Begehren blieb in den beiden ersten Instanzen ebenfalls ohne Erfolg.

Der BGH verweist die Sache an das OLG zurück. Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen hätte der Beklagte den genauen Zeitpunkt, zu dem das Kündigungsschreiben zugegangen ist, aufklären und bei verbleibenden Zweifeln die Klagefrist anhand des frühestmöglichen Termins berechnen müssen. Ein Rechtsanwalt braucht zwar Tatsachenangaben seines Mandanten nicht durch eigene Nachforschungen überprüfen, sofern keine Anhaltspunkte für deren Unrichtigkeit erkennbar sind. Etwas anderes gilt aber für so genannte Rechtstatsachen, d.h. Umstände, für deren zutreffende Erfassung rechtliche Kenntnisse erforderlich sind. Dazu gehört nicht nur der Zeitpunkt, zu dem eine gerichtliche oder behördliche Entscheidung zugestellt wurde, sondern auch der Zeitpunkt, zu dem eine Willenserklärung zugegangen ist. Im Streitfall musste der Beklagte die Angabe der Klägerin deshalb eigenständig überprüfen. Hierbei hätte er erkennen können und müssen, dass das Kündigungsschreiben vom 22. Dezember datiert und den Vermerk „per Boten“ trägt. Ausgehend davon hätte er von einem Zugang noch an diesem Tag ausgehen müssen, wenn die Klägerin nicht zweifelsfrei ausschließen konnte, dass das Schreiben bis zum Abend dieses Tages noch nicht in ihren Briefkasten gelangt war.

Praxistipp: Die rechtskräftige Abweisung einer Schadensersatzklage steht einer erneuten Klage nicht entgegen, wenn diese auf eine andere Pflichtverletzung gestützt wird.

BGH: Notwendige Angaben für einen Kostenfestsetzungsbeschluss im Rahmen der Zwangsvollstreckung

Im Zwangsvollstreckungsverfahren entstehen regelmäßig zahlreiche Anwaltsgebühren und Auslagen, die oftmals für sich gesehen nicht sehr hoch sind. Um diese insgesamt erfolgreich zu vollstrecken, sind sie immer vollständig bei einem Vollstreckungsauftrag anzugeben. Dies ist mitunter recht mühsam und erfordert umständliche Rechen- und Zeitarbeit. In derartigen Fällen empfiehlt es sich, gelegentlich über alle bisher entstandenen Gebühren einen einheitlichen Kostenfestsetzungsbeschluss zu beantragen (§ 788 ZPO). Das hat den zusätzlichen Vorteil, dass diese Positionen dann – sozusagen – festgeschrieben werden.

So wollte auch der Gläubiger im hier zu besprechenden Fall (BGH v. 13.9.2018 – I ZB 16/18, MDR 2019, 127) verfahren. Er legte eine – nicht unterzeichnete – Aufstellung über die bisher entstandenen Vollstreckungskosten vor (Datum, Stichwort, Betrag) und fügte verschiedene Belege dafür bei. Den der gesamten Vollstreckung zugrundeliegenden Titel nannte er allerdings nicht. Der Antrag hatte in allen Instanzen keinen Erfolg.

Der begehrte Kostenfestsetzungsbeschluss ist ein Vollstreckungstitel (§ 794 Abs. 1 Nr. 2 ZPO), der in formeller und materieller Rechtskraft erwächst. Es muss sich daher aus dem Beschluss und damit auch schon aus dem Antrag ergeben, welche Positionen im Einzelnen Gegenstand desselben sind und aufgrund welchen Titels der Beschluss ergehen soll. Maßgeblich für die Bezeichnung ist § 10 Abs. 2 RVG. Diese Vorschrift lautet: „In der Berechnung sind die Beträge der einzelnen Gebühren und Auslagen, Vorschüsse, eine kurze Bezeichnung des jeweiligen Gebührentatbestands, die Bezeichnung der Auslagen sowie die angewandten Nummern des Vergütungsverzeichnisses und bei Gebühren, die nach dem Gegenstandswert berechnet sind, auch dieser anzugeben. Bei Entgelten für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen genügt die Angabe des Gesamtbetrags.“ Die in dieser Vorschrift enthaltenen Angaben müssen vorliegen. Auch muss die Berechnung aus sich heraus verständlich sein. Es ist nicht ausreichend, dass sich die Angaben aus den beiliegenden Vollstreckungsunterlagen ergeben. Einer solchen Möglichkeit stehen die § 103 Abs. 2 ZPO, § 10 Abs. 2 RVG entgegen. Darüber hinaus muss der Titel bezeichnet werden, der die Grundlage für den Kostenfestsetzungsbeschluss sein soll.

Die Entscheidung zeigt, dass die Voraussetzungen der § 103 Abs. 2 ZPO, § 10 Abs. 2 RVG auch für Kostenfestsetzungsbeschlüsse im Rahmen der Zwangsvollstreckung gelten. Auch hier muss der Gläubiger also ein Mindestmaß an Arbeit investieren, um zu seinem Ziel zu gelangen. Im alltäglichen Massengeschäft der Zwangsvollstreckung müssen gewisse Mindestformalien eingehalten werden. Der Entscheidung ist daher zuzustimmen. Wer sich an die gängigen Formulare und Musterempfehlungen hält, wird in aller keine Schwierigkeiten haben, einen schlüssigen Antrag zu stellen.

Ordnungsgeld bei Nichterscheinen der Partei

Nach Auffassung des OLG Schleswig (Beschluss vom 22.01.2019 — 16 W 146/18) kann ein Ordnungsgeld nicht festgesetzt werden, wenn die zu einem Güteversuch geladene Partei nicht erscheint, der erschienene Prozessbevollmächtigte von der Partei jedoch zum Vergleichsabschluss bevollmächtigt wurde (so auch schon BGH NJW-RR 2011, 1363; str.). § 141 Abs. 3 Satz 2 ZPO knüpfe lediglich im Hinblick auf die Tatsachenaufklärung, nicht aber im Hinblick auf Vergleichsverhandlungen an die Fähigkeit eines zum Vergleichsabschluss bevollmächtigten Vertreters zur inhaltlichen Erörterung an. Im übrigen komme es nicht darauf an, ob es dann in der Verhandlung tatsächlich zum Vergleich komme.

Rechtspolitisch sollte der Gesetzgeber eine Änderung von § 141 ZPO überdenken. Dem in der ZPO niedergelegten Interesse an einer gütlichen Beilegung von Rechtsstreitigkeiten sollte der entsprechende Nachdruck verliehen werden, mit dem die Bereitschaft der Parteien zur Teilnahme an Gerichtsterminen erhöht wird.

Zur Pfändbarkeit von Haustieren

Die im Auftrag der Stadt Ahlen vorgenommene Pfändung des Mopses Edda, u.a. wegen ausstehender Hundesteuer macht derzeit Schlagzeilen. Während Nutz- und Hilfstiere sehr umfassenden Pfändungsschutz nach § 811 ZPO genießen (dazu hier), gibt es für Haustiere in der Tat Ausnahmen:

  • 811c
    Unpfändbarkeit von Haustieren

(1) Tiere, die im häuslichen Bereich und nicht zu Erwerbszwecken gehalten werden, sind der Pfändung nicht unterworfen.

(2) Auf Antrag des Gläubigers lässt das Vollstreckungsgericht eine Pfändung wegen des hohen Wertes des Tieres zu, wenn die Unpfändbarkeit für den Gläubiger eine Härte bedeuten würde, die auch unter Würdigung der Belange des Tierschutzes und der berechtigten Interessen des Schuldners nicht zu rechtfertigen ist.

 

Die Pfändung darf also nur durch ein Gericht und jedenfalls nur dann zugelassen werden, wenn das Tier einen hohen Wert hat. Tierschutz, Gläubiger- und Schuldnerinteresse sowie Wert des Tieres müssen zueinander in Relation gebracht werden – kommt es dabei durch die Unpfändbarkeit zu einer ungerechtfertigten Härte für den Gläubiger, ist nach § 811c Abs. 2 ZPO auch das Haustier pfändbar.

Es ging dem Gesetzgeber bei dieser erst 1990 eingeführten Regelung um die emotionale Beziehung zwischen Mensch und Haustier und um den Tierschutz. Die Ausnahme in Absatz 2 wollte lediglich die Folgen eines zu weitgehenden Pfändungsverbotes zu vermeiden (BT-Drucks. 11/5463, S. 7). Es war also nur an wenige Fälle gedacht, in denen der Schuldner das Pfändungsverbot letztlich bewusst ausnutzt. Ansonsten sollte es nach der Neuregelung (anders als in der Vorgängerregelung des § 811 Nr. 14 ZPO aF) gerade nicht mehr auf den Wert des Tieres ankommen. Ein Fall, in dem ein vorhandenes Affektionsinteresse des Schuldners hinter dem Zugriffsinteresse des Gläubigers zurücksteht, ist insofern kaum vorstellbar. Zu beachten sind außerdem die Belange des Tierschutzes, das heißt insbesondere die Folgen, die es für das Tier hat, aus seiner gewohnten Umgebung herausgenommen zu werden. „Die Tiere“ werden inzwischen auch durch das Grundgesetz ausdrücklich geschützt, Art. 20a GG. Mögen sie auch keine Grundrechtssubjekte sein, so ist doch erforderlich, dass eine Maßnahme des einfachen Rechts mit dem Tierschutzgedanken in Einklang steht. Es ist nicht vorstellbar, dass diese Voraussetzungen vorlagen, ja, dass sie bei einem sozialisierten Haushund – dessen Domestizierung bis zur Hochkultur des Mopses begann wahrscheinlich vor mehr als 100.000 Jahren – überhaupt vorliegen können. Ohne dass die Details der Abwägungsentscheidung im Falle des Mopses Edda näher bekannt sind, bedeutet das, dass seine Pfändung nach geltendem Recht rechtswidrig war.

Übrigens: Dass es sich um eine Pfändung durch die öffentliche Hand wegen einer Steuerforderung handelte, macht keinen entscheidenden Unterschied. Sowohl die Abgabenordnung (§ 295 AO) als auch die Verwaltungsvollstreckungsgesetze Bund/Land (§ 5 VwVG/§ 27 VwVG NRW) verweisen auf § 811 c ZPO. Nur dass eben an Stelle des Vollstreckungsgerichts die Vollstreckungsbehörde entscheidet – hier lag wohl das Problem. Es geht auch im Zwangsvollstreckungsrecht um Gesetzesinterpretation und nicht nur um -exekution.

Mops Edda hätte bei richtiger Gesetzesauslegung nicht gepfändet werden dürfen.

Montagsblog: Neues vom BGH

Um den Begriff des Bauwerks geht es in dieser Woche.

Verjährungsfrist bei Mängeln einer Photovoltaikanlage
Urteil vom 10. Januar 2019 – VII ZR 184/17

Mit der Frage, unter welchen Voraussetzungen der Einbau einer Photovoltaikanlage als Bauwerk anzusehen ist, befasst sich der VII. Zivilsenat.

Die Klägerin ließ ein Gebäude zu einem Studentenwohnheim umbauen. Zu den Baumaßnahmen gehörte die Integration einer Photovoltaikanlage in die Fassade des Gebäudes. Die Beklagten waren mit der Planung, Bauüberwachung und Ausführung dieser Teilmaßnahme betraut. Nach Abnahme stellte sich heraus, dass die Anlage nicht den prognostizierten Ertrag erbrachte. Rund ein Jahr nach der Abnahme leitete die Klägerin ein selbständiges Beweisverfahren ein. Rund drei Jahre nach Abschluss dieses Verfahrens klagte sie auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von rund 130.000 Euro. Die Klage blieb in den ersten beiden Instanzen erfolglos.

Der BGH verweist die Sache an das OLG zurück. Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen unterliegen die Ansprüche nicht der zweijährigen Verjährungsfrist für die Herstellung oder Veränderung einer Sache, sondern der fünfjährigen Frist für Bauwerke. Dies ergibt sich bereits daraus, dass die Arbeiten einen Teil der umfassenden Umbaumaßnahmen an dem Gebäude darstellten und die Photovoltaikanlage in dessen Fassade integriert wurde. Wenn ein Gebäude grundlegend erneuert wird, betreffen alle zu diesem Zweck vorgenommenen Baumaßnahmen ein Bauwerk im Sinne von § 634a Abs. 1 Nr. 2 BGB, unabhängig davon, ob sie für Bestand oder Funktion des Gebäudes zwingend notwendig sind.

Praxistipp: Die Errichtung einer Photovoltaikanlage ist auch dann als Bauwerk anzusehen, wenn sie mit einem bestehenden Gebäude zur dauerhaften Nutzung fest verbunden wird und das Gebäude als Trägerobjekt dient oder wenn sie zur dauerhaften Nutzung fest mit dem Erdboden verbunden wird.

Montagsblog: Neues vom BGH

Um grundlegende Pflichten eines Rechtsanwalts geht es in dieser Woche.

Kein Anspruch auf Anwaltshonorar bei Vertretung widerstreitender Interessen
Beschluss vom 10. Januar 2019 – IX ZR 89/18

Mit dem Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen und den Auswirkungen eines Verstoßes auf den Vergütungsanspruch befasst sich der IX. Zivilsenat.

Im Zusammenhang mit dem Bau eines Fernbahntunnels hatten die Bauherrn gegen das mit der Bauausführung beauftragte Unternehmen ein selbständiges Beweisverfahren eingeleitet und drei Planungsgemeinschaften, die mit der Entwurfsplanung, der Objektüberwachung und der Überprüfung der Entwurfsplanung betraut waren, den Streit verkündet. Die drei Planungsgemeinschaften beauftragten gemeinsam den Kläger mit ihrer rechtlichen Vertretung in dem Verfahren. Die Beklagte, bei der die mit der Objektüberwachung und die mit der Überprüfung betraute Planungsgemeinschaft gegen Haftpflicht versichert waren, stimmte der Mandatierung zu und beglich zwei Vorschussrechnungen. Weitere Zahlungen lehnte sie ab. Die Klage auf Zahlung restlichen Honorars in Höhe von rund 1,6 Millionen Euro blieb in den beiden ersten Instanzen erfolglos.

Die Revision des Klägers hat ebenfalls keinen Erfolg. Honoraransprüche unmittelbar gegen die Beklagte bestehen schon deshalb nicht, weil das Mandat nicht von dieser, sondern von den Planungsgemeinschaften erteilt worden war. Dass die Beklagte gegenüber zwei Mandanten aufgrund des Versicherungsvertrags zur Abwehr von unbegründeten Ansprüchen verpflichtet war, begründet für sich gesehen keine vertraglichen Beziehungen zum Kläger. Erstattungsansprüche aus abgetretenem Recht bestehen ebenfalls nicht, weil der Kläger von den Planungsgemeinschaften keine Vergütung verlangen kann. Zwischen den drei Mandanten bestand ein Interessenkonflikt, weil sie gegenüber den Bauherrn unterschiedliche Aufgaben übernommen hatten und jede von ihnen bestrebt sein musste, die Feststellung von Fehlerursachen aus ihrem jeweils eigenen Verantwortungsbereich zu vermeiden. Dass zwei Mandanten denselben Haftpflichtversicherer hatten, führt nicht zu einer abweichenden Beurteilung. Dem Kläger war es deshalb gemäß § 43a Abs. 4 BRAO verboten, mehr als eine der drei Planungsgemeinschaften zu vertreten. Der Verstoß gegen diese Vorschrift führt gemäß § 134 BGB zur Nichtigkeit des Anwaltvertrags. Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung sind nach § 817 Satz 2 BGB ausgeschlossen, weil der Interessenwiderstreit für den Kläger auf der Hand lag.

Praxistipp: Von der Vertretung mehrerer potentieller Gesamtschuldner sollte abgesehen werden, wenn sich der Kreis der möglicherweise verletzten Pflichten nicht vollständig deckt.

Kein elektronischer Rechtsverkehr beim Bundesverfassungsgericht – aber bei allen anderen Gerichten

Der elektronische Rechtsverkehr scheint kurioserweise dort besonders beliebt zu sein, wo ihn das Gesetz noch nicht zugelassen hat.

Kurz vor Weihnachten sah sich das BVerfG veranlasst, durch Pressemitteilung (Nr. 84/2018 vom 7.12.2018) auf einen Beschluss hinzuweisen, in dem eine per DE-Mail eingelegte Verfassungsbeschwerde wegen Unzulässigkeit nicht zur Entscheidung angenommen wurde (BVerfG, Beschl. v. 19.11.2018 – 1 BvR 2391/18; dazu Wöbbeking, CR 2019 Heft 1 R7). Der entschiedene Einzelfall gab dazu nicht unbedingt Veranlassung, denn das BVerfG sah die in Rede stehende Verfassungsbeschwerde auch wegen ausreichender Substantiierung als unzulässig an. Die im Beschluss enthaltenen Ausführungen, dass der Rechtsbehelf schon deshalb unzulässig ist, weil das Gesetz den elektronischen Rechtsverkehr beim BVerfG bislang nicht vorsieht, haben vor diesem Hintergrund eher generalpräventiven Charakter.

Anlass zu dieser Klarstellung dürfte der Umstand gegeben haben, dass das BVerfG mittlerweile das einzige deutsche Gericht ist, bei dem der elektronische Rechtsverkehr nicht eröffnet ist. Bei allen anderen Gerichten sind elektronische Einreichungen seit gut einem Jahr zulässig. Rechtsanwälten steht mit dem besonderen elektronischen Anwaltspostfach (beA; dazu etwa Bacher MDR 2017, 613) hierfür ein besonders sicherer Kommunikationsweg zur Verfügung.

Allerdings ist die Zahl der elektronischen Eingänge bei den meisten Gerichten bislang eher gering. Ein wesentlicher Grund dafür dürfte die Angst vor technischen Komplikationen und dadurch verursachten Fristversäumnissen sein. Dass diese Gefahr besteht, belegt der Umstand, dass seit Inkrafttreten der neuen Regeln bereits drei oberste Gerichtshöfe des Bundes elektronische Einreichungen wegen Verwendung einer sog. Containersignatur als unwirksam angesehen haben (BSG, Beschl. v. 9.5.2018 – B 12 KR 26/18 B, NJW 2018, 2222; BAG, Beschl. v. 15.8.2018 – 2 AZN 269/18, MDR 2018, 1519; BVerwG, Beschl. v. 7.9.2018 – 2 WDB 3/18, NVwZ 2018, 1880). Diese Risiken dürften aber weitaus geringer wiegen als das Risiko, dass eine kurz vor Fristablauf begonnene Übermittlung per Telefax scheitert. Bezeichnenderweise gewährten das BSG und das BVerwG in den zitierten Entscheidungen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, und das BAG ließ die Frage nur deshalb offen, weil es das Rechtsmittel aus anderen Gründen als unzulässig ansah. Bei missglückten Übermittlungsversuchen per Telefax ist die Versagung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hingegen fast die Regel (vgl. etwa BGH, Beschl. v. 27.9.2018 – IX ZB 67/17, MDR 2019, 82 [Bacher]).

Die formellen Anforderungen an elektronisch übermittelte Schriftsätze ergeben sich aus der Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr (ERVV, dazu Bacher, MDR 2019, 1). Um sie einzuhalten – und um im Falle eines Fehlers Aussicht auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu haben – bedarf es in der Anwaltskanzlei einiger organisatorischer Vorkehrungen (näher dazu Bacher in: Vorwerk, Das Prozessformularbuch, 11. Aufl. 2019, Kapitel 28 Rn. 72 ff.). Der Aufwand dafür dürfte sich aber in überschaubaren Grenzen halten und durch die zusätzliche Sicherheit im Vergleich zum Telefaxversand mehr als aufgewogen werden.

Praxistipp: Auch wenn dies beim Versand aus dem beA nicht mehr zwingend erforderlich ist, sollte jeder elektronische Schriftsatz mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen werden.

BGH: Kostenerstattung im Befangenheitsverfahren

Im Rahmen einer Erbstreitigkeit erstattete ein Sachverständiger ein Gutachten zur Testierfähigkeit der Erblasserin. Die Kläger lehnten den Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Die Beklagten nahmen Stellung. Das LG wies den Befangenheitsantrag zurück. Die von den Klägern gegen diesen Beschluss eingelegte sofortige Beschwerde wies das OLG zurück und legte den Klägern die Kosten des sofortigen Beschwerdeverfahrens auf.

Im Rahmen des Rechtsbeschwerdeverfahrens bezüglich des anschließenden Kostenfestsetzungsverfahrens stellte sich jetzt die Frage, ob die Beklagten von den Klägern die ihnen im sofortigen Beschwerdeverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten erstattet verlangen können. Dies ist nach Auffassung des BGH (Beschl. v. 7.11.2018 – IV ZB 13/18, MDR 2019, 189) der Fall.

Das Ablehnungsverfahren bezüglich Richter und Sachverständige gehört für den Rechtsanwalt gemäß § 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 RVG zur Instanz. Im sofortigen Beschwerdeverfahren entsteht jedoch eine 0,5 Verfahrensgebühr nach Nr. 3500 VV RVG. Dies ist noch klar. Es wird allerdings darüber diskutiert, ob diese Gebühr zu den erstattungsfähigen notwendigen Kosten des Rechtsstreites zählt (§ 97, § 91 ZPO). Teilweise wird dies nur bejaht, wenn sich die Gegenpartei am sofortigen Beschwerdeverfahren auch tatsächlich beteiligt hatte. Der BGH geht hingegen – mit der h. M. – davon aus, dass grundsätzlich ein Erstattungsanspruch besteht. Für die Richterablehnung wurde dies bereits in einer Grundsatzentscheidung bejaht (Beschl. v. 6.4.2005 – V ZB 25/04, MDR 2005, 1016). Diese Entscheidung ist auf die hier vorliegende Fallgestaltung übertragbar. Das Befangenheitsverfahen berührt nicht nur die Interessen der ablehnenden Partei. Vielmehr kann auch der Gegner ein berechtigtes Interesse daran haben, dass die Feststellungen des Sachverständigen bestehen bleiben.

Der Umstand, dass bei einer erfolgreichen sofortigen Beschwerde umgekehrt kein Kostenerstattungsanspruch besteht, ändert daran nichts. Ob ein Rechtsanwalt die von ihm vertretene Partei darauf hinweisen muss, dass bei einer Vertretung im Rechtbeschwerdeverfahren gesonderte Gebühren entstehen (was wohl eher zu verneinen ist), ist eine Frage, die im hiesigen Zusammenhang der Kostenerstattung nicht relevant ist.

Der Anfall der Gebühr setzt im Übrigen lediglich eine Beauftragung für die Beschwerdeinstanz voraus. Davon ist regelmäßig auszugehen, wenn der Rechtsanwalt die Partei auch im Ausgangsverfahren vertritt. Die Entgegennahme der Beschwerdeschrift ist dabei ausreichend. Es ist nicht erforderlich, dass der Rechtsanwalt auch Stellung nimmt. Es kann vielmehr davon ausgegangen werden, dass der Rechtsanwalt nach der Entgegennahme der Beschwerdeschrift prüft, ob nunmehr etwas veranlasst werden muss, insbesondere ob eine Stellungnahme abgegeben werden muss oder nicht.

Für die Praxis ist diese Rechtsfrage nunmehr verbindlich entschieden: Die außergerichtlichen Kosten der Gegenpartei des erfolglosen Beschwerdeführers im Verfahren über die Ablehnung eines Sachverständigen gemäß § 406 ZPO gehören zu den erstattungsfähigen notwendigen Kosten des Rechtsstreits im Sinne von § 91 Abs. 1 1 i.V.m. § 97 Abs. 1 ZPO.

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Um eine umstrittene Frage aus dem Recht der Kostenerstattung geht es in dieser Woche.

Kosten eines freiwilligen Güteverfahrens als Prozesskosten
Beschluss vom 15. Januar 2019 –II ZB 12/17

Mit der Erstattungsfähigkeit von Anwaltskosten aus einem freiwilligen Güteverfahren in einem nachfolgenden Rechtsstreit befasst sich der II. Zivilsenat.

Der Kläger hatte den Beklagten als Gründungsgesellschafter von zwei Fondsgesellschaften auf Schadensersatz in Anspruch genommen. Vor Klageerhebung hatte er ein freiwilliges Güteverfahren vor einer anerkannten Gütestelle eingeleitet, das erfolglos blieb. Der nachfolgende Rechtsstreit endete mit einem Vergleich, in dem der Kläger 90 % und der Beklagte 10 % der Kosten des Rechtsstreits und des Vergleichs übernahmen. Im Kostenfestsetzungsverfahren begehrte der Beklagte unter anderem anteilige Erstattung der im Güteverfahren entstandenen Anwaltskosten (Nr. 2303 VV RVG). Das LG sah diese Kosten als nicht erstattungsfähig an. Die Beschwerde des Beklagten blieb erfolglos.

Die Rechtsbeschwerde des Beklagten bleibt ebenfalls ohne Erfolg. Nach § 91 Abs. 3 ZPO gehören zu den Kosten des Rechtsstreits zwar auch die Gebühren eines Güteverfahrens, wenn dieses nicht mehr als ein Jahr vor Klageerhebung beendet worden ist. Diese Vorschrift erfasst aber nur die Gebühren der Gütestelle, nicht aber die im Güteverfahren entstandenen Anwaltskosten. Letztere sind auch nicht als Vorbereitungskosten nach § 91 Abs. 1 ZPO erstattungsfähig. Ein Güteverfahren dient grundsätzlich nicht der Vorbereitung, sondern der Vermeidung eines Rechtsstreits. Ob etwas anderes gilt, wenn die Zulässigkeit einer Klage von der vorherigen Durchführung eines Güteverfahrens abhängt (etwa aufgrund eines Landesgesetzes auf der Grundlage von § 15a EGZPO), lässt der BGH offen.

Praxistipp: Außergerichtliche Kosten sind nach verbreiteter Auffassung festsetzungsfähig, wenn die Parteien in einem Prozessvergleich ausdrücklich vereinbart haben, dass sie erstattet werden sollen.

Keine Spezialzuständigkeit nach § 72a S. 1 Nr. 4 GVG bei Streitigkeit aus Versicherungsagenturvertrag

Nach § 72a S. 1 Nr. 4 GVG sind für Streitigkeiten aus Versicherungsvertragsverhältnissen bei den Landgerichten Spezialkammern einzurichten. Das OLG München hat entschieden, dass eine Streitigkeit aus einem Versicherungsagenturvertrag dieser Spezialkammer nicht zuzuordnen ist (Beschl. v. 07.02.2019 – 34 AR 114/18). Zwar ergebe sich aus der Gesetzeshistorie, dass § 72a S. 1 Nr. 4 GVG (entsprechend § 348 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. h ZPO) Streitigkeiten über Ansprüche aus Versicherungsverhältnissen zwischen dem Versicherungsnehmer, dem Versicherten oder dem Bezugsberechtigten einerseits und dem Versicherer anderseits und – nach dem Willen des Gesetzgebers – daneben, wegen der Sachnähe, auch Streitigkeiten aus Versicherungsvermittlung und -beratung i.S.d. § 59 VVG umfasse. Ein Versicherungsagenturvertrag unterfalle dieser Regelung jedoch nicht. Eine uferlose Ausdehnung der Regelung würde die Gefahr mit sich bringen, dass die mit ihrer Einführung von dem Gesetzgeber erhofften Spezialisierungseffekte wieder zunichte gemacht werden würden. Dass auch Fragestellungen versicherungsvertraglicher Art von Bedeutung sein können, könne allein die Anwendung des § 72a S. 1 Nr. 4 GVG noch nicht rechtfertigen.