Wahrung der Vollziehungsfrist im einstweiligen Verfügungsverfahren

Die Vorschriften der Absätze 2 und 3 des § 929 ZPO sind für die Praxis des einstweiligen Verfügungsverfahrens sehr bedeutungsvoll und für den Rechtsanwalt, der den Gläubiger/Antragsteller/Verfügungskläger vertritt, sehr regressträchtig.

In einem Verfahren vor dem OLG Dresden (Urt. v. 7.2.2017 – 4 U 1422/16, MDR 2017, 421) berief sich die Beklagte erstmals in der Berufungsinstanz auf die nicht gewahrte Vollziehungsfrist. Dieser Einwand darf auch im Berufungsverfahren geltend gemacht werden.

Die angefochtene einstweilige Verfügung war hier durch Urteil ergangen, das lediglich von Amts wegen zugestellt wurde. Einige Tage später stellte der Kläger einen Antrag auf Festsetzung von Ordnungsmitteln, darüber hinaus leitete er der Beklagten ein formloses Aufforderungsschreiben zu. Diese Maßnahmen alleine waren allerdings nicht ausreichend, um den Anforderungen des § 929 Abs. 2 und Abs. 3 zu genügen! Es wäre hier vielmehr nach h. M. erforderlich gewesen, die einstweilige Verfügung, auch wenn sie durch ein von Amts wegen zuzustellendes Urteil ergangen ist, erneut im Parteibetrieb zuzustellen, um den Willen, von der einstweiligen Verfügung Gebrauch zu machen, ausreichend kund zu tun. Das formlose Aufforderungsschreiben reicht als Vollziehung selbstredend nicht aus.

Der Antrag auf Festsetzung von Ordnungsmitteln kann zwar als Vollziehung nach § 929 Abs. 3 S. 1 ZPO angesehen werden, bleibt aber gemäß § 929 Abs. 3 S. 2 ZPO ohne Wirkung, wenn nicht die einstweilige Verfügung in der dort genannten Frist zugestellt wird, was hier – wie bereits erwähnt – nicht geschehen ist.

Besonders zu beurteilen, sind allerdings Fälle, in denen eine Erledigung der Hauptsache eintritt. Dann muss natürlich nicht mehr zugestellt bzw. vollzogen werden. Eine solche Erledigung der Hauptsache konnte aber im konkreten Fall nicht festgestellt werden. Denn: Da weder die einstweilige Verfügung zugestellt noch die Vollziehungsfrist eingehalten wurde, war der Antrag auf Feststellung der Erledigung zum Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses (hier: ein Verzicht auf die Ansprüche!) nicht zulässig und begründet gewesen.

BGH: Kein Anspruch gegen Anschlussinhaber, wenn Kind Zahlungen per Handy durchführt

In einer aktuellen Entscheidung lehnt der BGH (Urt. v. 6.4.2017 – III ZR 368/16) einen Zahlungsanspruch gegen einen Verbraucher ab, mit dessen Telefon ein 13-jähriges Kind über 0900-Premiumrufnummern Zahlungen für ein Onlinespiel durchgeführt wurden.

Der BGH lehnt eine Stellvertretung ab, insbesondere soll nicht die Figur der Anscheinsvollmacht zur Anwendung gelangen. Die speziellen Regelungen des § 45i Abs. 4 S. 1 TKG, die die Beweislast auf den Anschlussinhaber verlagern, sollen ebenfalls nicht zur Anwendung gelangen, da es hier primär um einen Zahlungsvorgang geht, der vorrangig durch z.B. § 675u BGB geregelt wird. Nach § 675u BGB scheidet ein Anspruch jedoch aus.

Unter dem Strich ist dies eine äußerst verbraucherfreundliche Entscheidung. Sie darf aber nicht verallgemeinert werden: Wird das Telefon nicht als reines Zahlungsmittel verwendet, werden Leistungen direkt am Telefon erbracht (Hotline, Zugriff auf Premium-Dienste vom Handy aus) dürfte der Telekommunikationsvorgang wieder im Vordergrund stehen, sodass nicht die Regelungen zu Zahlungdiensten, sondern das TKG einschlägig ist. Auch könnte im Einzelfall durchaus die Rechtsfigur der Anscheinsvollmacht eingreifen, insbesondere bei Umsätzen, die über mehrere Abrechnungszeiträume hinweg erkennbar gewesen wären.

Hinweis: Gerade aufgrund des massiven Missbrauchs mit Premiumdiensten, ist Anschlussinhabern in den meisten Fällen dazu zu raten, diese einfach sperren zu lassen.

Quelle: Die aktuelle Meldung über die Entscheidung des BGH v. 6.4.2017 – III ZR 368/16 finden Sie hier.

BGH: Fremde Bewertungen können solche des Portablbetreibers werden

Plattformbetreiber haften für fremde Meinungsäußerungen nur beschränkt. Rechtsprechung und Literatur haben ein ausgewogenes System entwickelt, das einerseits die Rechte des Bewerteten, andererseits aber auch die Meinungsfreiheit der Bewertenden wahrt.

In einem jüngst vom BGH entschiedenen Fall berief sich ein Plattformbetreiber auf diese lediglich vermittelnde Stellung zwischen Nutzer und bewertetem Unternehmen. Ausnahmsweise soll der Plattformbetreiber hier jedoch als unmittelbarer Störer doch haften.

Was ist passiert?

Der Plattformbetreiber hat auf eine Beschwerde hin eigenmächtig und ohne Rücksprache mit dem Bewertenden die Bewertungsformulierung angepasst, die Bewertung hiernach veröffentlicht.

„Bei der gebotenen objektiven Sicht auf der Grundlage einer Gesamtbetrachtung aller Umstände hat der Beklagte somit die inhaltliche Verantwortung für die angegriffenen Äußerungen übernommen. Da es sich bei den Äußerungen um unwahre Tatsachenbehauptungen und um Meinungsäußerungen auf unwahrer Tatsachengrundlage und mit unwahrem Tatsachenkern handelt, hat das Recht des Beklagten auf Meinungsfreiheit hinter dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht der Klägerin zurückzutreten.“

Praxistipp:

Plattformbetreiber – auch abseits von Bewertungsportalen kann dies z.B. Forenbetreiber treffen – sollten im Falle von Beanstandungen die beanstandeten Inhalte zunächst sperren und den jeweiligen Nutzer zu einer Stellungnahme auffordern. Sollte diese ausbleiben, sollten die Inhalte dauerhaft gesperrt bleiben. Es ist tunlichst von einer eigenmächtigen Anpassung von Äußerungen abzusehen.

Für Personen, die von rechtverletzenden Äußerungen betroffen sind, erhöht dies die Rechtsschutzmöglichkeiten, da Bewertende sich teils nach einer solche Bewertung „den Frust von der Seele geschrieben“ haben und Tage, Wochen oder Monate später oft nur eine sehr geringe Bereitschaft besteht, sich mit den Inhalten nochmals auseinanderzusetzen. Die Löschung von Äußerungen wäre dann die Folge.

 

BGH Urteil vom 4. April 2017 – VI ZR 123/16 (Pressemitteilung)

Montagsblog: Neues vom BGH

Gesonderte Entscheidung über Wiedereinsetzungsgesuch
Beschluss vom 1. März 2017  – XII ZB 448/16

Eine haftungsträchtige prozessuale Situation behandelt der XII. Zivilsenat.

In einem familiengerichtlichen Verfahren über Trennungs- und Kindesunterhalt hatte das AG das Begehren der Antragstellerin teilweise zurückgewiesen. Die Antragstellerin beantragte Verfahrenskostenhilfe für ein Beschwerdeverfahren. Am letzten Tag der Rechtsmittelfrist legte sie zusätzlich Beschwerde ein, allerdings nicht, wie in § 64 Abs. 1 S. 1 FamFG vorgeschrieben, beim AG, sondern beim OLG. Das OLG wies die Anträge auf Verfahrenskostenhilfe und auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurück. Einige Wochen später verwarf es die Beschwerde als unzulässig.

Der BGH verwirft die (gemäß § 117 Abs. 1 S. 4 FamFG und § 522 Abs. 1 S. 4 ZPO ohne Zulassung statthafte) Rechtsbeschwerde der Antragstellerin, weil die Entscheidung des OLG keine grundsätzlichen Fragen aufwirft und inhaltlich nicht zu beanstanden ist. Das OLG hat die Beschwerde gegen die Entscheidung des AG zu Recht als unzulässig angesehen, weil das Rechtsmittel nicht rechtzeitig eingelegt und der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückgewiesen wurde. Einwendungen gegen die Zurückweisung des Wiedereinsetzungsantrags sind der Antragstellerin versagt, weil sie diesen Beschluss nicht rechtzeitig angefochten hat. Gemäß § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG und § 238 Abs. 2 S. 1 ZPO wäre zwar auch dieser Beschluss mit der zulassungsfreien Rechtsbeschwerde anfechtbar gewesen. Die Antragstellerin hat diese Möglichkeit aber nicht genutzt. Deshalb ist der Zurückweisungsbeschluss bindend geworden und die Antragstellerin kann sich auf den darin beschiedenen Wiedereinsetzungsgrund nicht mehr berufen.

Praxistipp: Trotz rechtskräftiger Zurückweisung eines Wiedereinsetzungsgesuchs kann die betroffene Partei weitere Wiedereinsetzungsgründe geltend machen, wenn die hierfür in § 234 ZPO vorgesehene Frist noch nicht abgelaufen ist.

BGH: Eltern müssen Namen der rechtsverletzenden Kinder nennen

In Filesharingfällen besteht zunächst die Vermutung, dass der Anschlussinhaber zugleich auch Verletzer der fremden Urheberrechte ist. Es ist Aufgabe des Anschlussinhabers im Rahmen de sekundären Darlegungslast, diese Vermutung zu erschüttern.

In einem typischen Filesharingfall hatte der Anschlussinhaber mitgeteilt, dass ein volljähriges Kind die Verletzung begangen habe, ohne aber den Namen zu nennen. Der Beklagte berief sich auf den grundrechtlichen Schutz der Familie, teilte aber zugleich mit, den Verletzer zu kennen.

Das reichte dem BGH nicht aus, der auch die Eigentumsrechte der Rechteinhaber berücksichtigte, sodass es bei der Haftung des Anschlussinhabers verblieb.

Jens Ferner weist zutreffend darauf hin, dass sich aus den Entscheidungsgründen noch weitere wichtige Erkenntnisse ergeben könnten, die zum Stand der Veröffentlichung dieses Beitrages noch nicht vorlagen.

Praxistipp:
Der Praxistipp ergibt sich aus der Quintessenz des Urteils: Kennt der Anschlussinhaber den Täter namentlich, muss dieser auch angegeben werden. Nachforschungen auf fremdem PCs z.B. sind nicht vom Anschlussinhaber geschuldet. Anschlussinhaber sollten möglichst wenig zur Sachverhaltsaufklärung unternehmen. Beckmann und Norda kommentieren den Fall zutreffend: „Leider ist der Anschlussinhaber im vorliegenden Fall bei der Abwehr der Ansprüche nicht sonderlich geschickt vorgegangen.“
Aufgrund der höchstrichterlichen Klärung dieser Fallgestaltung, dürfte es in Zukunft nur noch in wenigen Fällen zu einer identischen Konstellation kommen, da das Aufklärungsinteresse des kundigen Anschlussinhabers gegen null tendieren dürfte.
BGH , Urteil vom 30.03.2017 – I ZR 19/16

Veranstaltergleich angebotene Ferienwohnungen müssen Pauschalreisen bleiben!

Es besteht die Gefahr, dass bei der derzeitigen Reform des Pauschalreiserechts durch die Richtlinie 2015/2302 durch die Koalition in Berlin Ferienwohnungen von Veranstaltern und Agenturen aus dem Pauschalreiserecht herausgenommen werden. Damit würde nach Meinung von Reiserechtlern ein über 40 Jahre bewährtes Verbraucherschutzrecht auf unerträgliche Weise abgesenkt. Der Bundesgerichtshof bestätigt seit Jahrzehnten diesen deutschen Sonderweg in der EU und wendet das den Verbraucher schützende Reisevertragsrecht auch auf Ferienwohnungen und Hotelzimmer bei Urlaubsreisen an, wenn diese Unterkünfte aus dem Angebot eines Reiseveranstalters oder einer Agentur stammen.

Es wäre ein Skandal, wenn die Bundesregierung sich erst über Jahre hinweg in Brüssel bei der Schaffung der neuen Pauschalreiserichtlinie erfolgreich für diesen besonderen deutschen Verbraucherschutz einsetzt, Brüssel ihn dann auch in der Richtlinie ausdrücklich zulässt und er nun gestrichen würde. Im Juni letzten Jahres wurde im Referentenentwurf des neuen Pauschalreisegesetzes dieser Verbraucherschutz auch gesetzlich absichert. Auf Druck der CDU/CSU und der touristischer Lobbyisten wurde dann im Gesetzgebungsverfahren diese wichtige Urlaubsart sang und klanglos ohne Begründung im Gesetzesentwurf gestrichen!

Bei der Anhörung der juristischen Sachverständigen im Rechts- und Verbraucherausschuss kämpften nicht nur die Juristen der Verbraucherzentralen, sondern Prof. Dr. Klaus Tonner (Universität Rostock) und ich für die analoge Anwendung des Pauschalreiserechts, um diesen langjährigen Verbraucherschutz aufrechtzuerhalten. Bis heute ist im Gesetzgebungsverfahren meines Wissens noch keine Entscheidung zwischen SPD und CDU gefallen, obwohl die Reform bis Juni spätestes unter Dach und Fach sein muss, da der Wahlkampf vor der Türe steht und die EU eine Frist bis Jahresende gesetzt hat.

Ich möchte darauf hinweisen, dass der Urlauber nur bei Anwendung des Pauschalreiserechts umfangreiche Informationsrechte besitzt, seine Kundengelder bei Insolvenz des Veranstalters oder der Agentur abgesichert sind, das bessere Stornorecht gilt und er Reisemängel der Ferienwohnungen nach deutschem Reiserecht am Sitz des Veranstalters durchsetzten kann. Käme nur das mietrechtliche Beherbergungsrecht zur Anwendung, würde bei ausländischen Ferienwohnungen das dortige Gericht nach ausländischem Recht entscheiden. Auch könnten sich die Anbieter durch AGB-Klauseln aus dem deutschen Recht „heraus wählen“. Bei den gar nicht seltenen Pleiten der Agenturen, wäre der gezahlte Reisepreis nicht Insolvenz geschützt und es könnte keine Entschädigung wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit geltend gemacht werden.

Vielfach wird zu Unrecht behauptet, dass Ferienwohnungen von Privatvermietern und deren Vermittlung durch die Reform betroffen seien. Dem ist energisch zu widersprechen. Es geht nur um Ferienwohnungen aus dem Angebot von Reiseveranstaltern und Agenturen, deren Geschäftszweck darin besteht, Pauschalreisen sowie einzelne Reiseleistungen dieser Kombination als Eigengeschäft anzubieten. Damit ist die Vermittlung von Ferienwohnungen von Privatvermietern und Hotels nicht von der Erweiterung des Anwendungsbereichs des Pauschalreiserechts betroffen. Bei der richtig durchgeführten Vermittlung solcher Ferienunterkünfte wird dem Mieter der Vermieter namentlich im vermittelten Beherbergungsvertrag genannt. Die Reform will dagegen nur solche Ferienwohnungen erfassen, welche veranstaltergleich als Eigengeschäft dem Urlauber angeboten werden, also ohne Offenlegung eines Vermieters.

BVerfG zur Auslegung eines Antrags auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung

Im Verfahren nach billigem Ermessen hat das Gericht auf Antrag einer Partei gemäß § 495a S. 2 ZPO eine mündliche Verhandlung durchzuführen. In dem vom BVerfG auf eine Verfassungsbeschwerde zu beurteilenden amtsgerichtlichen Verfahren hat  der Kläger unter anderem geschrieben, dass er „einer Entscheidung durch Aktenlage nicht zustimmen wird“. Das Amtsgericht hat die Klage ohne mündliche Verhandlung zurückgewiesen. Hierbei hat das Amtsgericht nach Auffassung des BVerfG gegen das Recht auf rechtliches Gehör (Art. 103 GG) verstoßen (Beschl. v. 02.03.2017 – 2 BvR 977/16). Der Kläger habe durch seinen in der Klageschrift enthaltenen Hinweis, einer Entscheidung nach Aktenlage nicht zuzustimmen, erkennbar die Durchführung der mündlichen Verhandlung beantragt. Gemäß § 495a Satz 2 ZPO habe das Amtsgericht daher mündlich verhandeln müssen. Dem stünde nicht entgegen, dass der Beschwerdeführer für die umstrittene Behauptung zunächst keinen Beweis angeboten hatte. Das Recht auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung stünde nicht unter Praktikabilitätsvorbehalt.

Keine Erstattung der nach der Kostengrundentscheidung entstandenen Terminsgebühr

Die Kostengrundentscheidung in einem Beschluss über den Erlass einer einstweiligen Verfügung erfasst das einstweilige Verfügungsverfahren lediglich bis zum Erlass dieses Beschlusses. Entsteht die Terminsgebühr nach Erlass dieses Beschlusses durch außergerichtliche Besprechungen i.S.v. Vorbem. 3 Abs. 3 VV RVG, kann sie der vorangegangenen Kostengrundentscheidung nicht mehr zugeordnet werden. Die Termingsgebühr ist also nicht auf der Grundlage dieser Kostenentscheidung gegen den Gegner festsetzungsfähig. So hat es der BGH entschieden (Beschl. v. 07.02.2017 – VI ZB 43/16).

Der BGH wendet sich also nicht gegen die Entstehung der Terminsgebühr. Die Terminsgebühr hat der Mandant dem Anwalt zu vergüten. Der Mandant erhält die Terminsgebühr lediglich nicht vom Gegner erstattet. Hätte ein Widerspruch gegen die einstweilige Verfügung vorgelegen, hätte die Terminsgebühr von einer nachfolgenden Kostengrundentscheidung über die „weiteren Kosten“ des einstweiligen Verfügungsverfahrens erfasst sein können.

Montagsblog: Neues vom BGH

Reichweite einer Kostenvereinbarung in einem Prozessvergleich
Beschluss vom 14. Februar 2017  – VI ZB 24/16

Dass eine Vereinbarung über „die Kosten des Rechtsstreits“ unter Umständen nicht für alle erstattungsfähigen Kosten gilt, zeigt eine Entscheidung des VI. Zivilsenats.

Die Klägerinnen hatten die Beklagten auf Schadensersatz in Anspruch genommen Das LG hatte den Klageanspruch dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Dagegen hatten sich die Beklagten erfolglos mit Berufung und Revision zur Wehr gesetzt. Im Betragsverfahren schlossen die Parteien einen gerichtlichen Vergleich, in dem die Klägerinnen ein Viertel und die Beklagten drei Viertel der „Kosten des Rechtsstreits“ übernahmen. Das LG setzte die Kosten der Berufungs- und der Revisionsinstanz dennoch in voller Höhe gegen die Beklagten fest. Die dagegen eingelegte Beschwerde blieb erfolglos.

Der BGH weist die Rechtsbeschwerde der Beklagten zurück. Er tritt den Vorinstanzen darin bei, dass die Kostenvereinbarung der Parteien die im Berufungs- und Revisionsrechtzug entstandenen Kosten nicht erfasst, weil diese Kosten schon vor Abschluss des Vergleichs gemäß § 97 Abs. 1 ZPO in vollem Umfang den Beklagten auferlegt worden und diese Entscheidungen rechtskräftig waren. Er stützt dies auf den Rechtsgedanken des § 97 Abs. 1 ZPO, auf den Umstand, dass die Auslegungsregel in § 98 Satz 2 ZPO, wonach im Falle eines Vergleichs im Zweifel von einer Kostenaufhebung auszugehen ist, nicht für Kosten gilt, über die bereits rechtskräftig entschieden wurde, und auf den Grundsatz, wonach der Wille, auf einen bereits entstandenen Anspruch zu verzichten, unmissverständlich zum Ausdruck kommen muss.

Praxistipp: Um Zweifel über eine Einbeziehung der Kosten aus abgeschlossenen Rechtsmittelverfahren auszuschließen, müssen diese  in der Kostenvereinbarung ausdrücklich erwähnt werden.

Reichweite einer Kostengrundentscheidung
Beschluss vom 7. Februar 2017  – VI ZB 43/16

In einem kurze Zeit zuvor ergangenen Beschluss befasst sich der VI. Zivilsenat mit der Frage, in welchem Umfang eine Anwaltsgebühr, die durch eine auf Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichtete Besprechung entstanden ist, im Kostenfestsetzungsverfahren berücksichtigungsfähig ist.

Das LG hatte gegen den Antragsgegner im Beschlusswege eine einstweilige Verfügung erlassen und ihm 91% der Kosten des Verfügungsverfahrens auferlegt. Nach Zustellung des Beschlusses führten die Verfahrensbevollmächtigten der Parteien zwei Telefongespräche, in deren Gefolge der Antragsgegner eine Abschlusserklärung abgab. Im Kostenfestsetzungsverfahren machte die Antragstellerin unter anderem eine Terminsgebühr für die telefonischen Besprechungen geltend. Das LG setzte die Kosten antragsgemäß fest. Das OLG reduzierte die festgesetzten Kosten um die anteilige Terminsgebühr.

Der BGH weist Rechtsbeschwerde zurück. Mit dem OLG sieht er die Terminsgebühr als nicht von der Kostengrundentscheidung gedeckt an. Dabei lässt er offen, ob die Telefongespräche nur auf die Vermeidung eines Hauptsacheverfahren oder – zumindest auch – auf eine Erledigung des Verfügungsverfahrens gerichtet waren. Der Einbeziehung steht jedenfalls entgegen, dass eine Kostengrundentscheidung nur solche Kosten erfasst, die zum Zeitpunkt ihres Erlasses bereits entstanden sind. Daran fehlt es im Streitfall, weil die Telefongespräche erst nach Erlass der einstweiligen Verfügung geführt wurden und danach keine weitere Kostengrundentscheidung ergangen ist.

Praxistipp: Wenn der Antragsgegner wegen der beanstandeten Handlung zum Schadensersatz verpflichtet ist, können die Kosten zum erstattungsfähigen Schaden gehören.

BGH stellt praktisch kaum noch Anforderungen an die Unterschrift unter einem Schriftsatz

Wann ist eine (angebliche) Unterschrift tatsächlich als solche anzuerkennen? Zwischen den Tatsacheninstanzen und dem BGH kommt es bei dieser Frage immer wieder zu Streitigkeiten. Dabei stellen die Tatsacheninstanzen auch hier in aller Regel strengere Anforderungen als der BGH.

In dem Verfahren VI ZB 16/16, MDR 2017, 227 ging es – wieder einmal – um die Zulässigkeit einer Berufung. Die Unterschrift des Rechtsanwaltes bestand aus einem in die Länge gezogenen, nach oben offenen Halbkreis mit nach innen weisenden kurzen Schnörkeln. Selbst der BGH konstatiert in seinem Beschluss vom 29.11.2016, dass diese „Unterschrift“ sehr einfach strukturiert ist und offenbar – wie sich aus anderen im Laufe des Verfahrens geleisteten Unterschriften ergab – einem starken Abschleifungsprozess unterlegen war. Gleichwohl sei sie ausreichend individuell und ließe sich als Wiedergabe eines Namen erkennen. Ein solcher vereinfachter und eigentlich nicht lesbarer Namenszug kann als Unterschrift ausreichen, wenn der Unterzeichner auch sonst gleich oder ähnlich unterzeichnet. Für entscheidend hält der BGH in diesem Zusammenhang, dass keine Zweifel an der Urheberschaft des Unterzeichners bestanden, und zwar weil unter der Unterschrift die maschinenschriftliche Wiedergabe des Namens nebst der Berufsbezeichnung Rechtsanwalt stand und weil der Rechtsanwalt eben schon zuvor in der nunmehr beanstandeten Weise unterschrieben hatte. Dies bedeutet also in letzter Konsequenz: Der Unterzeichner bestimmt selbst, welche Anforderungen für seine Unterschrift ausreichend sind – ein doch etwas merkwürdiges Ergebnis.

Als Nebenaspekt der Entscheidung ist noch erwähnenswert: Die Frage, ob die Unterschrift in der Berufungsschrift ausreichend ist, wird von dem Revisionsgericht von Amts wegen unabhängig von der Auffassung des Berufungsgerichts in eigener Verantwortung geprüft, da die Zulässigkeit der Berufung Zulässigkeitsvoraussetzung für das weitere Verfahren und damit auch die Revision ist. Der Beschluss des Berufungsgerichts, worin ein vorsichtshalber gestellter Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen worden war, wird durch die Aufhebung des die Berufung verwerfenden Beschlusses gegenstandslos, so dass darüber gar nicht mehr zu entscheiden ist.

Unabhängig davon, drängen sich folgende Überlegungen auf: Entscheidungen zur Frage, welche Anforderungen an eine Unterschrift zu stellen sind, werden seit Jahren ständig veröffentlicht. Es ist daher eigentlich kaum zu glauben, dass es noch Rechtsanwälte gibt, die das Risiko eingehen, hier wegen einer „Nicht-Unterschrift“ einen Prozess zu verlieren, was nicht nur gegenüber der Mandantschaft mehr als peinlich ist. Jeder Rechtsanwalt tut daher gut daran, sich von vornherein eine Unterschrift zuzulegen, die gar nicht erst irgendwelche Zweifel aufkommen lässt und Nebenkriegsschauplätze eröffnet, auf die man getrost verzichten kann.

Dies gilt übrigens genauso für Richter! Fehlt es bei einem Urteil an der wirksamen Unterschrift, fangen z.B. Fristen aller Art (z.B. die Berufungs- und die Einspruchsfrist) gar nicht an zu laufen. Auch als Richter kann man daher viel Ärger bekommen, wenn die eigene Unterschrift nicht als ausreichend angesehen wird.

Daher spricht  wohl nichts gegen eine deutliche, gut lesbare Unterschrift, die aus Sicherheitsgründen allerdings nicht derjenigen entsprechen sollte, die bei eigenen Bankgeschäften benutzt wird.