Montagsblog: Neues vom BGH

In Anlehnung an die sog. Montagspost beim BGH berichtet der Montagsblog wöchentlich über ausgewählte aktuelle Entscheidungen.

Arglistiges Verschweigen eines Mangels durch einen von mehreren Verkäufern
Urteil vom 8. April 2016 – V ZR 150/15

Eine Streitfrage, die mit der Schuldrechtsmodernisierung aufgekommen war, hat der V. Zivilsenat entschieden.

Die Kläger hatten von den Beklagten, die damals die Scheidung ihrer Ehe betrieben, ein mit einem Wohnhaus bebautes Hanggrundstück unter Ausschluss jeglicher Gewährleistung erworben. Später stellte sich heraus, dass eine Stützmauer nicht hinreichend standfest ist. Der beklagte Ehemann hatte dies gewusst, die beklagte Ehefrau nicht. Die auf Ersatz der Sanierungskosten gerichtete Klage hatte in der ersten Instanz gegenüber beiden Beklagten Erfolg. Das OLG wies die gegen die Ehefrau gerichtete Klage hingegen ab.

Der BGH verurteilt auch die Ehefrau zur Zahlung von Schadensersatz. Anspruchsgrundlage ist § 437 Nr. 3 i.V.m. § 280 BGB. Die Ehefrau hat fahrlässig gehandelt, weil sich das Anwesen ohne nähere Nachforschung übergeben hat. Entscheidend ist deshalb, ob sich die Ehefrau auf den vereinbarten Haftungsausschluss berufen kann oder ob sie daran gemäß § 444 Fall 1 BGB gehindert ist, weil der Ehemann den Mangel arglistig verschwiegen hat. Nach dem bis Ende 2001 geltenden Recht führte das arglistige Verschweigen eines Mangels durch einen von mehreren Verkäufern nach der Rechtsprechung des BGH dazu, dass alle Verkäufer gem. § 476 BGB aF gehindert waren, sich auf einen vereinbarten Haftungsausschluss zu berufen. Dies hatte jedoch nur zur Folge, dass alle Verkäufer Wandlung und Minderung schuldeten. Ein Schadensersatzanspruch gemäß § 463 BGB aF – der das Fehlen einer zugesicherten Eigenschaft oder das arglistige Verschweigen eines Mangels voraussetzte – stand dem Käufer hingegen nur gegenüber dem arglistig handelnden Verkäufer zu. Diese Differenzierungsmöglichkeit ist mit der Schuldrechtsmodernisierung entfallen, weil jeder Verkäufer schon bei Fahrlässigkeit auf Schadensersatz haftet. Deshalb war in Literatur und Rechtsprechung Streit darüber entstanden, ob § 444 Fall 1 BGB in gleicher Weise auszulegen ist wie §476 BGB aF – mit der Folge, dass auch der nur fahrlässig handelnde Verkäufer trotz des vereinbarten Gewährleistungsausschlusses zum Schadensersatz verpflichtet ist – oder ob ein solcher Verkäufer insgesamt von Gewährleistungsansprüchen verschont bleibt. Der BGH entscheidet diesen Streit zugunsten der zuerst genannten Auffassung. Die Gegenauffassung würde nach seiner Ansicht zu einer zu weitgehenden Beschränkung der Rechte des Käufers führen.

Praxistipp: Ein Käufer, der trotz eines wirksam vereinbarten Gewährleistungsausschlusses Rechte wegen eines Mangels der Kaufsache geltend machen will, kann sich darauf beschränken, einem der Verkäufer das arglistige Verschweigen eines Mangels nachzuweisen.

Umkehr der Beweislast bei grobem Behandlungsfehler eines Tierarzts
Beschluss vom 10. Mai 2016 – VI ZR 247/15

Eine höchstrichterlich bislang noch nicht abschließend geklärte Frage zur Haftung von Tierärzten hat der XII. Zivilsenat entschieden.

Die Klägerin nahm den Beklagten wegen fehlerhafter tierärztlicher Behandlung eines Pferdes auf Schadensersatz in Höhe von rund 100.000 Euro in Anspruch. LG und OLG bejahten die Haftung des Beklagten dem Grunde nach. Zwar sei nicht aufzuklären, ob die fehlerhafte Behandlung durch den Beklagten kausal für die aufgetretenen, zum Tod des Pferdes führenden Komplikationen gewesen sei. Die Beweislast dafür liege aber beim Beklagten, weil diesem ein Befunderhebungsfehler unterlaufen sei.

Der BGH weist die Revision des beklagten Tierarztes zurück. Anders als das OLG hält er die für den Bereich der Humanmedizin entwickelten Grundsätze zur Beweislastumkehr im Falle von groben Behandlungsfehlern sowie bestimmten Befunderhebungsfehlern nicht nur in Einzelfällen, sondern generell auch im Bereich der Tiermedizin für anwendbar. Dass der Gesetzgeber die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze (nur) für den Bereich der Humanmedizin in §§ 630a ff. BGB kodifiziert hat, steht ausweislich der Gesetzesmaterialien ihrer Übertragung auf den Tierarzt nicht entgegen.

Praxistipp: Frühere Entscheidungen von Instanzgerichten, die eine Beweislastumkehr im Bereich der Tiermedizin verneint oder an strengere Voraussetzungen geknüpft haben, sind mit der Entscheidung des BGH obsolet.

OLG Celle: Versandkosten für Altölentsorgung muss nicht der Händler tragen

§ 8 AltölV verpflichtet einen Händler zur kostenlosen Rücknahme von Altöl. Im Versandhandel stellt sich dabei die Frage, ob die kostenlose „Annahme“ (so der Wortlaut der Norm) auch die Rücksendekosten umfasst, falls der Verkauf von Motoröl im Versandwege erfolgte.

Das OLG Celle verneint dies und zieht Parallelen zu § 9 BattG und § 17 ElektroG, die ebenfalls Rücknahmepflichten beinhalten. Insbesondere ist das Gericht der Ansicht, dass eine Regelung, wie § 17 Abs. 2 Satz 2 ElektroG fehlt, wonach Händler in zumutbarer Entfernung zum Verbraucher geeignete Rückgabemöglichkeiten bereitstellen müssen. Wenn also das – insoweit weitergehende ElektroG – Rückgabestellen in zumutbarer Entfernungen verlangt und somit nicht davon ausgeht, dass ein (wohl stets zumutbarer, da kostenfreier) Rückversand vom Händler getragen werden muss, dann muss dies umso mehr für die AltölV gelten, die nicht einmal nahe gelegene Rückgabemöglichkeiten vorsieht.

 

Der Ölhandel im Fernabsatz wird durch diese Entscheidung weitgehend von einer gewissen Ungewissheit befreit, die sich in den letzten Jahren durch die Rechtsberatung zog. In der Praxis führt die Auferlegung der Rücksendekosten, die schon heute üblich ist, dazu, dass viele Verbraucher Altöl nicht an den Verkäufer zurücksenden. Unternehmer im Fernabsatz erhalten damit einen nicht unerheblichen Wettbewerbsvorteil gegenüber dem stationären Handel. Dass dies in vielen Fällen auch dazu führen dürfte, dass Altöl vom Verbraucher nicht fachgerecht entsorgt wird, um so Versandkosten (oder im Falle einer Entsorgung vor Ort bei einem Dritten: Entsorgungskosten) zu sparen, verdeutlicht, dass diese Regelung überprüfungswürdig ist.

(OLG Celle, Urteil vom 16. Juni 2016 – 13 U 26/16)

 

 

Kein Ausschluss der Anhörungsrüge im einstweiligen Rechtsschutz

Eine Anhörungsrüge gegen Endentscheidungen im einstweiligen Rechtsschutz ist nicht bereits deshalb unstatthaft, wenn es im Hauptsacheverfahren noch zu einer Korrektur kommen könnte. Zu Recht hat das BVerfG in einem Beschluss vom 08.06.2016 (Az.: 1 BvR 3046/15 u.a.) gegen eine solche Sichtweise verfassungsrechtliche Bedenken erhoben. Zwar hätte der Gesetzgeber vorsehen können, dass ein im einstweiligen Rechtsschutz nicht gewährtes rechtliches Gehör erst im Hauptsacheverfahren nachzuholen sei, sofern dadurch keine unzumutbaren Nachteile für die Rechtsverfolgung im Übrigen zu erwarten seien. Ein genereller Ausschluss der Anhörungsrüge gegenüber Endentscheidungen im einstweiligen Rechtsschutz folge daraus aber nicht. Einen solchen Ausschlus hat der Gesetzgeber in den Regelungen der Statthaftigkeit der Anhörungsrüge auch nicht vorgenommen.

Keine Telefonnummer in der Widerrufsbelehrung = Wettbewerbsverstoß

Die Umsetzung der  Verbraucherrechterichtlinie hat die Formvorgaben für den Widerruf stark aufgeweicht. War früher eine Erklärung in Textform erforderlich, die Angabe einer Telefonnummer in der Widerrufsbelehrung sogar wettbewerbswidrig (Oberlandesgericht Frankfurt am Main Urteil v. 17.06.2004, Az.: 6 U 158/03) so genügt nunmehr eine ausdrückliche Erklärung ohne Rücksicht auf die Form der Erklärung, § 355 Abs. 1 BGB.

Da der Widerruf nunmehr sogar telefonisch erklärt werden kann, ist – so sieht es die Musterbelehrung in Anlage 1 zum EGBGB ausdrücklich vor, der Name des Unternehmers, dessen Anschrift und, soweit verfügbar, die Telefonnummer, Telefaxnummer und E-Mail-Adresse einzufügen.

Diese Änderung haben viele E-Commerce-Unternehmer übersehen und belehren – wie auch bisher – nur unter Angabe von Postadresse, Faxnummer und Mailadresse. Inzwischen wurde in drei Entscheidungen von Oberlandesgerichten angenommen, dass das Weglassen der Telefonnummer rechtswidrig ist und damit Wettbewerben und weiteren qualifizierten Einrichtungen ein Unterlassungsanspruch aus §§ 3a, 8 III Nr. 1 UWG i.V.m. § 312 d I BGB, Art. 246a § 1 II 1 Nr. 1, § 4 I EGBGB zusteht (OLG Hamm, Beschluss vom 24.03.2015, Az.: 4 U 30/15 und Beschluss vom 03.03.2015 Az.: 4 U 171/14 sowie OLG Frankfurt, Beschluss vom 04.02.2016 Az.: 6 W 10/16 ). Die Argumentation der Gerichte ist im Wesentlichen identisch: Dem Verbraucher würde so ein telefonischer Widerruf erschwert.

Eine rechtswidrige Widerrufsbelehrung hat übrigens noch eine weitere Rechtsfolge: Ein nicht ordnungsgemäß belehrter Verbraucher kann 12 Monate und 2 Wochen lang den Vertrag widerrufen, § 356 Abs. 3 S. 2 BGB. Verbraucher, die nicht ordnungsgemäß belehrt wurden, sollten dies also prüfen, wenn die Rückgabe der erworbenen Ware begehrt wird.

 

Rechtsmangel beim Kfz-Verkauf: Ausschluss der Gewährleistung und Abstandnahme von einseitiger Erledigungserklärung

Das OLG München hat mit Urt. v. 2.5.2016 – 21 U 3016/15 eine sowohl materiell-rechtlich als auch prozessrechtlich recht interessante Entscheidung getroffen:

Der Kläger kaufte von dem Beklagten einen gebrauchten PKW Alfa Romeo für 7.200 €. Im Vertrag hieß es u. a.: „Verkauf an Kfz Handel wie besichtigt ohne Garantie und Gewährleistung.“ Später stellte sich heraus, dass der PKW im SIS (Schengener Informationssystem) zur Fahndung ausgeschrieben war. Der Kläger erklärte den Rücktritt vom Kaufvertrag. Viel später wurde der PKW von der Staatsanwaltschaft dann freigegeben und vom Kläger für 2.800 € verkauft. Das LG vertrat die Auffassung, der Kläger müsse wegen des Verkaufes die Hauptsache für erledigt erklären. Dies geschah, der Beklagte widersprach der Erledigungserklärung. Das LG stellte durch Urteil u. a. die Erledigung fest. Der Beklagte legte Berufung ein, der Kläger Anschlussberufung.

Zunächst entschied das OLG, dass der Kläger von der einseitigen Erledigungserklärung in der ersten Instanz in der Berufungsinstanz wieder Abstand nehmen konnte, und zwar weil diese Erklärung durch einen falschen Hinweis des LG veranlasst wurde. In einem solchen Fall ist die Rückkehr zum ursprünglichen Antrag möglich.

Der Hinweis des LG war deswegen falsch, da der Weiterverkauf des PKW hier keinen Fall der Erledigung der Hauptsache im Prozess war. Der Rücktritt wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass der empfangene Gegenstand weiter veräußert worden ist. Es stellt auch kein widersprüchliches Verhalten des Käufers dar (venire contra factum proprium), wenn er einerseits den Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt und andererseits den empfangenen Gegenstand weiter verkauft (vgl. auch § 357 Abs. 2 Nr. 2 BGB).

Der Rücktritt wird auch nicht durch den vereinbarten Gewährleistungsausschluss ausgeschlossen. Die Tatsache, dass das Fahrzeug im SIS zu Fahndung ausgeschrieben war, stellt bereits einen Rechtsmangel dar. Eine dauerhafte Beeinträchtigung ist dafür nicht erforderlich. Die Auslegung der vereinbarten Klausel im Kaufvertrag ergibt jedoch, dass sich der Gewährleistungsausschluss nur auf Sachmängel bezieht, zumal eine solche Klausel im Zweifel zum Nachteil des Verwenders, hier des Beklagten, auszulegen ist.

Der Rücktritt greift daher durch, den Wert des Fahrzeugs schätzte das Gericht unter Bezugnahme auf die bekannten Anhaltspunkte und den Weiterverkaufswert und saldiert diesen mit dem Kaufpreis, so dass letztlich der Beklagte noch etwas an den Kläger zu zahlen hat. Anspruchsgrundlage sind die §§ 346 Abs. 1, 323 Abs. 1, 437 Nr. 2, 435 BGB. Saldiert wird mit dem Anspruch aus § 346 Abs. 2 Nr. 2 BGB.

Fazit: Bei einem falschen Hinweis eines Gerichts kann man in der nächsten Instanz von einer einseitigen Erledigungserklärung wieder Abstand nehmen und zum ursprünglichen Antrag zurückkehren. Gewährleistungsausschlüsse für Rechtsmängel bedürfen einer ausdrücklichen Vereinbarung. Die Existenz eines Eintrags im SIS reicht für einen Rechtsmangel aus.

Montagsblog: Neues vom BGH

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Hemmung der Verjährung durch öffentliche Zustellung der Klage
Urteil vom 3. Mai 2016 – II ZR 311/14

Dass die öffentliche Zustellung einer Klage nicht immer ein geeignetes Mittel zur Hemmung der Verjährung darstellt, zeigt eine Entscheidung des II. Zivilsenats.

Der Beklagte war im Jahr 2006 durch Versäumnisurteil zur Zahlung von Schadensersatz wegen Nichtabführens von Arbeitnehmeranteilen zur Sozialversicherung verurteilt worden. Klage und Urteil waren öffentlich zugestellt worden, nachdem eingeholte Auskünfte beim Einwohnermeldeamt, beim Bundeszentralregister und bei Creditreform ergeben hatten, dass der Beklagte mit unbekannter Anschrift nach Bosnien-Herzegowina verzogen war. Ende 2013 legte der Beklagte Einspruch gegen das Versäumnisurteil ein. Das LG hielt den Einspruch für verfristet. Das OLG sah den Rechtsbehelf als zulässig an, weil bei Erlass des Versäumnisurteils entgegen § 339 Abs. 2 ZPO keine Einspruchsfrist bestimmt worden war. In der Sache erhielt es das Versäumnisurteil aufrecht, weil es den Klageanspruch als begründet und nicht verjährt ansah.

Der BGH verweist die Sache an das OLG zurück. Er hält die Feststellungen zum vorsätzlichen Handeln des Beklagten und zur Hemmung der Verjährung für unzureichend. Zu letzterem knüpft er an seine Rechtsprechung an, wonach eine öffentliche Zustellung keine Fristen in Lauf setzt, wenn die Voraussetzungen des § 185 ZPO nicht erfüllt sind und dies für das anordnende Gericht erkennbar ist. Hieraus leitet er ab, dass unter den genannten Voraussetzungen auch eine Hemmung der Verjährung nicht eintritt.

Die von der Klägerin angestellten Nachforschungen zur Ermittlung des neuen Aufenthaltsorts des Beklagten hält der BGH für nicht ausreichend. Die Klägerin hätte weitere mögliche Erkenntnisquellen nutzen müssen, etwa durch Nachfragen beim Insolvenzverwalter des früheren Arbeitgebers, beim früheren Vermieter, bei früheren Nachbarn und bei eventuellen Nachmietern. In der neu eröffneten Berufungsinstanz muss das OLG klären, ob der Aufenthaltsort des Beklagten auf diesem Wege zu ermitteln gewesen wäre.

Praxistipp: Bevor eine öffentliche Zustellung beantragt wird, sollte jede auch nur entfernt in Betracht kommende Informationsquelle genutzt werden, um den Aufenthaltsort des Beklagten in Erfahrung zu bringen.

Beschwer durch nicht vollstreckbare Verurteilung zur Vorlage  von Belegen
Beschluss vom 11. Mai 2016 – XII ZB 12/16

Mit der Frage, wie der Wert der Beschwer bei einer Verurteilung zur Auskunft und zur Vorlage von Belegen zu berechnen ist, befasst sich der XII. Zivilsenat.

Im Rahmen eines Scheidungsverfahrens verurteilte das AG die Ehefrau dazu, Auskunft über ihr gesamtes Vermögen zu geben und „Bestätigungen vorzulegen, insbesondere Bescheinigungen der Banken und anderer Träger der geführten Vermögenswerte“. Das OLG verwarf das dagegen eingelegte Rechtsmittel wegen Nichterreichens des Beschwerdewerts als unzulässig. Den Aufwand für die die Zusammenstellung der Auskünfte schätzte es auf 435 Euro. Ein Geheimhaltungsinteresse, das werterhöhend zu berücksichtigen wäre, sah es als nicht gegeben an. Der Verurteilung zur Vorlage von Belegen maß es keine zusätzliche Beschwer bei, weil der Titel insoweit mangels Bestimmtheit nicht vollstreckbar sei.

Der BGH verweist die Sache an das OLG zurück. Nach seiner Auffassung führt auch die Verurteilung zur Vorlage von Belegen zu einer Beschwer. Insoweit ist zwar mangels hinreichender Bestimmtheit des Titels eine Vollstreckung nicht zulässig. Die Ehefrau ist aber der Gefahr ausgesetzt, dass sie sich gegen Vollstreckungsversuche des Ehemanns zur Wehr setzen und hierzu einen Anwalt beauftragen muss. Je nach Gegenstandswert kann dies dazu führen, dass der Gesamtwert der Beschwer die maßgebliche Grenze von 600 Euro übersteigt. Das OLG muss deshalb klären, wie hoch der Gegenstandswert und die sich daraus ergebende Anwaltsvergütung ist.

Praxistipp: Wenn unklar ist, ob eine Verurteilung hinreichend bestimmt ist, sollte bei der Darlegung des Beschwerdewerts vorsorglich aufgezeigt werden, welche Kosten für die Abwehr von Vollstreckungsversuchen entstehen.

BGH: Einlösung von Rabatt-Coupons von Mitbewerbern ist nicht unlauter

In einer heutigen Entscheidung hat der BGH sich mit einem Sachverhalt auseinanderzusetzen, in dem eine Drogeriemarktkette beworben hatte, unter Vorlage des 10%-Rabattcoupons eines Wettbewerbers ebenfalls 10% Rabatt zu gewähren.

Interessanterweise ist in diesem Fall nicht der betroffene Wettbewerber, sondern ein Verband, hier die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs gegen diese Maßnahme vorgegangen. Wie auch in den Vorinstanzen, wurde dieses Verhalten weder unter dem Blickwinkel der Beeinträchtigung einer fremden Werbemaßnahme, noch unter einer Irreführung über eine (hier nicht bestehende) Kooperation zwischen den Wettbewerbern beanstandet.

Zu dem ersten Punkt ist der BGH zutreffend der Ansicht, dass eine gezielte Behinderung eines Wettbewerbers ausscheiden muss, da die Empfänger des Rabattcoupons noch gar keine Kunden des aussendenden Drogeriemarktes waren, dies erst später werden sollten.
Diese Entscheidung fügt sich in die bisherige Rechtsprechung des BGH ein. Eine gezielte Behinderung liegt danach im Unterschied zu einer als bloße Folge des Wettbewerbs hinzunehmenden Behinderung vor,

„wenn das betreffende Verhalten bei objektiver Würdigung der Umstände in erster Linie auf die Beeinträchtigung der wettbewerblichen Entfaltung des Mitbewerbers und nicht auf die Förderung des eigenen Wettbewerbs gerichtet ist“

(BGH, Urteil vom 11. 1. 2007 – I ZR 96/04).

Das Aufspringen auf den „Marketing-Zug“ eines Dritten, indem man z.B. auch durch Kundenbindungsprogramme sauber vorselektierte und besonders wertvolle Kunden für sich lockt, ist sicher kein Verhalten, dass primär der Schädigung des Mitbewerbers dient.  Es ist so z.B. in der Reisebranche durchaus üblich, besonders wertvolle Kunden eines Wettbewerbers durch Sonderangebote für die eigenen Leistungen zu interessieren (hier z.B. bei Fluggesellschaften).

Der Umstand, dass Coupons offenbar von der hier beklagten Wettbewerberin im Rahmen der Einlösung „eingezogen“ und damit vernichtet wurden, könnte eine andere Bewertung zulassen. Immerhin wird so verhindert, dass der Kunde noch bei dem Herausgeber des Coupons diesen einlösen kann. Dies ist aber möglicherweise auch den Anträgen des Rechtsstreits geschuldet, so führt das OLG Stuttgart in der Vorinstanz auf:

„Vorliegend ist der Unterlassungsantrag des Klägers in beiden Teilen eindeutig. Er richtet sich einzig gegen die jeweilige Werbung. Beide Antragsteile sind ausdrücklich darauf gerichtet, der Beklagten zu untersagen, mit je einer bestimmten Formulierung zu werben oder werben zu lassen. Hingegen ist der Einlösevorgang selbst nach dem eindeutigen Wortlaut der Klageanträge nicht Streitgegenstand.“

(OLG Stuttgart Urteil vom 2. 7.2015  – 2 U 148/14

Sollte der BGH hierzu in seinen noch ausstehenden Entscheidungsgründen nicht Stellung nehmen, wäre diese Maßnahme in der konkreten Ausführungsart wohl nicht vorbehaltslos als lauter zu bezeichnen.

BGH Urteil vom 23.6.2016 – I ZR 137/15, Pressemitteilung

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Teilunwirksamkeit und Erlöschen eines formnichtigen Angebots
Urteil vom 13. Mai 2016 – V ZR 265/14

Dass die berühmte Problematik der „Doppelwirkungen im Recht“ nach wie vor aktuell ist, belegt eine Entscheidung des V. Zivilsenats.

Der Kläger gab in notarieller Urkunde ein befristetes Angebot zum Kauf einer Eigentumswohnung ab. In den vorformulierten Angebotsbedingungen war vorgesehen, dass das Angebot auch nach Ablauf der festgelegten Bindefrist gültig bleiben sollte. Der Verkäufer nahm das Angebot nach Ablauf der Bindefrist in notarieller Urkunde an. Nach der Eintragung des Eigentumswechsels im Grundbuch verlangte der Kläger die Rückabwicklung des Vertrags. LG und OLG verurteilten die Beklagte antragsgemäß, mit der Begründung, der Vertrag sei nicht wirksam zustande gekommen.

Der BGH bestätigt die Vorinstanzen. Wie diese sieht er den Vertrag als unwirksam an, weil der Verkäufer das Angebot des Klägers entgegen § 148 BGB erst nach Ablauf der Bindefrist angenommen hat und die in den vorformulierten Angebotsbedingungen vorgesehene Verlängerung der Bindefrist auf unbestimmte Zeit gemäß § 308 Nr. 1 BGB unwirksam ist. Den Einwand der Beklagten, alle Willenserklärungen seien schon gemäß § 117 und § 125 BGB nichtig gewesen, weil der notariell beurkundete Text nicht den gesamten Vertragsinhalt enthalten habe und die auf den Abschluss des eigentlich gewollten Vertrags gerichteten Erklärungen nicht in der nach § 311b BGB erforderlichen Form abgegeben worden seien, hält der BGH für unerheblich. Auch ein nichtiges Angebot könne nur innerhalb der darin bestimmten Frist angenommen werden und unterliege der AGB-Kontrolle. Dies gebiete der Zweck des § 148 BGB und der §§ 305 ff. BGB.

Praxistipp: Wenn die Annahme eines notariell beurkundeten Angebots trotz Ablaufs der darin bestimmten Frist möglich bleiben soll, muss mit dem Vertragspartner zumindest mündlich eine Verlängerung der Bindefrist vereinbart werden. Bei Grundstücksverträgen ist die mündliche Verlängerungsvereinbarung zwar unwirksam. Sie wird – ebenso wie sonstige mündliche Nebenabreden – aber gemäß § 311b Abs. 1 S. 2 BGB wirksam, wenn der Eigentumswechsel im Grundbuch eingetragen ist.

Zustellung einer Entscheidung an Anwalt und Mandant
Beschluss vom 11. Mai 2016 – XII ZB 582/15

Mit der Frage, welche Zustellung für den Beginn der Rechtsmittelfrist maßgeblich ist, befasst sich der XII. Zivilsenat.

Das AG hatte eine Entscheidung zur Verfahrenskostenhilfe sowohl dem Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers als auch – einen Tag später – dem Antragsteller persönlich zugestellt. Das OLG verwarf das gegen die Entscheidung eingelegte Rechtsmittel des Antragstellers, weil es einen Tag nach Ablauf der – vom Tag der Zustellung an den Verfahrensbevollmächtigten an berechneten – Frist eingelegt worden war.

Der BGH bestätigt die Entscheidung des OLG. Er stützt diese Beurteilung auf § 172 Abs. 1 ZPO, wonach Zustellungen an den für den Rechtszug bestellten Bevollmächtigten zu erfolgen haben. Eine entgegen dieser Vorschrift erfolgte Zustellung ist unwirksam und setzt Rechtsmittelfristen nicht in Gang. Dies gilt auch dann, wenn die Ingangsetzung einer solchen Frist im Einzelfall für die Partei günstig wäre.

Praxistipp: Wenn eine Entscheidung mehrfach an dieselbe Partei zugestellt wird, sollte als Ausgangspunkt für die Rechtsmittelfrist vorsichtshalber stets das Datum der ersten Zustellung gewählt werden.

BGH: Fehlende Herstellergarantie kann zum Rücktritt berechtigender Sachmangel beim PKW sein

Der BGH hat in seiner heutigen Entscheidung festgestellt, dass das Vorhandensein einer Herstellergarantie beim Gebrauchtwagenkauf ein Beschaffenheitsmerkmal der Kaufsache nach allen Tatbestandsvarianten des § 434 Abs. 1 BGB darstellt und somit zum mangelbedingten Rücktritt vom Kaufvertrag berechtigen kann.

Noch in beiden Vorinstanzen (u.a. OLG München, Beschluss vom 13.05.2015 Az.: 21 U 4559/14) gingen die Gerichte abweichend davon aus, dass es sich nicht um ein Beschaffenheitsmerkmal des Fahrzeuges handele, es sich bei der Zusage einer Herstellergarantie lediglich um eine Angabe zur rechtlichen Beziehung außerhalb der Kaufsache zwischen Fahrzeughalter und Hersteller handele.

Das Berufungsgericht hat die Sache zurückverwiesen erhalten und wird hierüber unter Würdigung der Ansicht des BGH zu entscheiden haben.

Ausblick / Praxisrelevanz: Bei dem Fehlen einer Herstellergarantie dürfte es sich, so ist zu vermuten, auch um einen nicht unerheblichen Mangel halten, sodass der Rücktritt vom Kaufvertrag möglich sein dürfte. In der Praxis zeigen sich bei Gebrauchtwagenangeboten eine Vielzahl von Hinweisen auf eine (Hersteller-)Garantie. Abgesehen davon, dass unvollständige Garantieangaben einen Wettbewerbsverstoß begründen (BGH, Urt. v. 5. 12. 2012 – I ZR 146/11 MDR 2013, 1300), ist Gebrauchtwagenhändlern umso mehr zu raten, die Konditionen einer Garantie offenzulegen. Oft werden Anschlussgarantien oder Gebrauchtwagengarantien angeboten, die deutlich hinter den Leistungen von Werksgarantien z.B. im Hinblick auf abgedeckte Teile oder Selbstbeteiligungen ab gewissen Laufleistungen zurück bleiben.

BGH Urteil vom 15. Juni 2016 – VIII ZR 134/15, Pressemitteilung

Update vom 28.06.2016: Die Entscheidung ist nun im Volltext veröffentlicht