Kommt beA am 29.9. trotz Gegenwind?

Die Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs und mit ihm des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs läuft – wie zu erwarten – nicht ganz störungsfrei. Ursprünglich sah das Gesetz zur Einführung des elektronischen Rechtsverkerkehrs mit den Gerichten vom 10.10.2013 (ejustice-Gesetz) vor, dass ab 1.1.2016 allen zugelassenen Anwälte durch die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) ein besonderes elektronisches Anwaltspostfach (beA) zur Verfügung gestellt wird, § 31a BRAO.

Mit Presseerklärung vom 26.11.2015 teilte die BRAK mit, das beA erfülle „derzeit“ nicht alle Erwartungen an die Qualität in Bezug auf die Nutzerfreundlichkeit. Man verschiebe daher den Starttermin auf unbestimmte Zeit. Mit Presseerklärung vom 14.04.2016 kam jetzt die lang ersehnte Information zu dem neuen Starttermin. Am 29.9.2016 soll es soweit sein: das beA kann genutzt werden. Die Erstregistrierung (also das Anlernen des Zugangsmediums) wird mindestens zwei Wochen vor dem Starttermin möglich sein. Auch die Bundesnotarkammer hat angekündigt, die Produktion und den Versand der Zugangsmedien ab sofort wieder aufzunehmen.

Die Kosten für die Einrichtung und den Betrieb dieses Postfaches legt die BRAK auf die regionalen Rechtsanwaltskammern um. Diese wiederum erheben von ihren Mitgliedern (höhere) Beiträge oder Umlagen. Hiergegen hat sich bereits ein Mitglied gerichtlich gewandt. Der BGH entschied mit Urteil vom 11.1.2016 (AnwZ (Brfg) 33/15), dass eine Umlage zur Finanzierung des beA rechtmäßig ist; insbesondere werfe § 31a BRAO keine verfassungsmäßigen Bedenken auf.

Die Frage, wer die Kostenlast für das beA zu tragen hat, wird mittlerweile überschattet von der Frage, ob das beA auch genutzt werden muss. Dabei besteht Einigkeit darüber, dass keine Pflicht besteht, das beA aktiv für den Versand zu nutzen. Der Gesetzgeber hat im neuen § 130a ZPO mehrere alternative Zugangswege vorgesehen, um mit den Gerichten zu kommunizieren.

Ziel des Gesetzgebers bei Einführung des ejustice-Gesetz war es allerdings, alle zugelassenen Anwälte für Gerichte und Behörden elektronisch und auf einheitliche Art und Weise erreichbar zu machen. Daher vertritt die BRAK die Auffassung, das beA für alle Anwälte am 29.9. so einzurichten, dass es empfangsbereit ist. Um u.a. Haftungsgefahren zu vermeiden, empfiehlt es sich daher, ab 29.9. das beA regelmäßig zu kontrollieren oder sich zumindest über E-Mail bei Eingängen benachrichtigen zu lassen.

Diese mittelbare Kontrollpflicht führt zu der häufig genannten passiven Nutzungspflicht. Diese Pflicht ist – wie die Pflicht den Hausbriefkasten zu leeren – naturgemäß gesetzlich nicht geregelt. Hiergegen wenden sich  Anwälte vor dem AGH Berlin in einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes. Sie begehren, das beA nicht ohne Einwilligung des betroffenen Anwalts empfangsbereit zu schalten. Flankierend wurde nun durch Dehley, NJW 18/2016, 1274, festgestellt, dass § 31a BRAO keine passive Nutzungspflicht erlaube. Die faktische Freischaltung des Empfangs sei verfassungswidrig.

So bleibt mit Spannung zu erwarten, ob es bei dem Starttermin am 29.9. – für alle Anwälte – bleiben wird. Möglicherweise entschließt sich der Gesetzgeber noch zu einer Klarstellung im Gesetz.

 

Montagsblog: Neues vom BGH

In Anlehnung an die sog. Montagspost beim BGH berichtet der Montagsblog wöchentlich über ausgewählte aktuelle Entscheidungen.

Streitgegenstand und einheitlicher Lebenssachverhalt
Beschluss vom 3. März 2016 – IX ZB 33/14

Die nicht immer einfach zu beantwortende Frage, ob mehrere tatsächliche Vorgänge einen einheitlichen Lebenssachverhalt bilden, behandelt der IX. Zivilsenat in einem insolvenzrechtlich eingekleideten Fall.

Auf Antrag eines Sozialhilfeträgers wurde ein Unterhaltsanspruch der früheren Ehefrau des Insolvenzschuldners als Forderung aus unerlaubter Handlung zur Tabelle festgestellt. Der Unterhaltsanspruch war schon geraume Zeit zuvor rechtskräftig tituliert worden. Später war der Insolvenzschuldner in einem Strafverfahren rechtskräftig wegen vorsätzlicher Verletzung der Unterhaltspflicht verurteilt worden. Auf das Rechtsmittel des Insolvenzschuldners wies das OLG den Antrag der Behörde dennoch ab, soweit er auf die Feststellung gerichtet war, dass die Forderung auf einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung beruht. Nach Auffassung des OLG bilden der titulierte Anspruch auf Unterhalt und der Anspruch auf Schadensersatz wegen vorsätzlicher Verletzung dieser Pflicht zwei unterschiedliche Streitgegenstände. Deshalb hielt es den zuletzt genannten Anspruch für verjährt.

Der BGH tritt dieser Beurteilung bei. Er stützt sich dabei auf seine ständige Rechtsprechung, wonach der Streitgegenstand bestimmt wird durch die vom Kläger in Anspruch genommene Rechtsfolge (den Antrag) und den Lebenssachverhalt, aus dem diese Rechtsfolge hergeleitet wird (den Anspruchsgrund). Im Streitfall sieht er den Sachverhalt, aus dem sich ein Unterhaltsanspruch ergibt (Verwandtschaft oder Ehe, Bedürftigkeit des Schuldners und Leistungsfähigkeit des Gläubigers), und den Sachverhalt, aus dem sich ein Schadensersatzanspruch gemäß § 823 Abs. 2 BGB und § 170b Abs. 1 StGB ergibt (Nichterfüllung, Gefährdung des Lebensbedarfs, Vorsatz, Schaden), als unterschiedlich an. Deshalb konnte die gerichtliche Geltendmachung und Titulierung des einen Anspruchs die Verjährung des anderen nicht hemmen.

Praxistipp: Wenn eine vorsätzliche Verletzung der Unterhaltspflicht in Betracht kommt, sollte ein zivilrechtlicher Antrag auf Unterhaltszahlung vorsorglich auch auf § 823 Abs. 2 BGB und § 170b Abs. 1 StGB gestützt werden. Hierzu sind die zur Verwirklichung des Straftatbestands erforderlichen Tatsachen vollständig vorzutragen. Ob sich das Gericht damit befasst, wenn sich die Zahlungspflicht bereits aus dem Unterhaltsrecht ergibt, steht auf einem anderen Blatt.

Anwaltskosten für außergerichtliche Mahnung
Urteil vom 25. Februar 2016 –X ZR 35/15 und X ZR 36/15

Mit einer immer wieder diskutierten Frage befasst sich der X. Zivilsenat in Zusammenhang mit einem Anspruch auf Ausgleichsleistung nach der Fluggastrechteverordnung.

Ein vom beklagten Luftverkehrsunternehmen durchgeführter Flug hatte eine Ankunftsverzögerung von mehr als drei Stunden. Nach den Bestimmungen der Fluggastrechteverordnung (VO (EG) Nr. 261/2004) und der hierzu ergangenen Rechtsprechung des EuGH stand den Passagieren, zu denen die Klägerin gehörte, deshalb eine pauschale Ausgleichsleistung in Höhe von 250 Euro zu. Diesen Anspruch ließ die Klägerin durch einen Rechtsanwalt außergerichtlich geltend machen. Die Beklagte reagierte nicht. Im nachfolgenden Rechtsstreit erkannte sie die Hauptforderung an, wandte sich aber gegen den Anspruch auf Ersatz der Anwaltskosten für die vorgerichtliche Mahnung. Insoweit blieb das Klagebegehren in zwei Instanzen erfolglos.

Der BGH weist die Revision der Klägerin zurück. Mit den Vorinstanzen verneint er einen Anspruch aus § 286 BGB, weil der dafür erforderliche Schuldnerverzug erst durch die Mahnung eingetreten ist. Der Argumentation der Klägerin, aus der Fluggastrechteverordnung sei ein sofortiger Verzugseintritt abzuleiten, tritt er nicht bei. Anders als die Vorinstanzen hält der BGH zwar auch einen vom Eintritt der Verzugsvoraussetzungen unabhängigen Schadensersatzanspruch wegen nicht ordnungsgemäßer Erfüllung der Beförderungspflicht für möglich. Im konkreten Fall hält er eine sofortige Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe jedoch nicht für erforderlich, weil die in der Fluggastrechteverordnung vorgesehene Informationspflicht gerade dem Zweck dient, dem Passagier die (erstmalige) Geltendmachung seiner Ansprüche zu ermöglichen, und die Beklagte nach den Feststellungen des LG ihrer Informationspflicht nachgekommen war.

Praxistipp: Reisende, die Ansprüche aus der Fluggastrechteverordnung geltend machen wollen und ein Informationsblatt ausgehändigt erhalten haben, sollten sich zunächst ohne anwaltliche Hilfe an die Fluggesellschaft wenden. Hierzu genügt ein Formschreiben nach einem der von verschiedener Seite im Internet angebotenen Muster. Erst wenn dieser Versuch erfolglos bleibt, sollte ein Anwalt mit der weiteren Geltendmachung der Ansprüche betraut werden.

BGH: Diebstahl von eingelagerter Einbauküche berechtigt nicht zur Mietminderung

In einer aktuellen Entscheidung hatte sich der BGH mit einer exotischen Fallgestaltung auseinanderzusetzen. Eine Mieterin hatte eine Wohnung mit Einbauküche gemietet, für die auch eine monatliche Mietzahlung zu leisten war. Während der Vertragslaufzeit fragte die Mieterin an, ob sie die Küche abbauen und eine eigene Küche einbauen dürfte, was ihr unter der Bedingung erlaubt wurde, dass die alte Küche sicher einzulagern sei. Hiernach kam es zum Diebstahl der Küche, für die der Vermieter eine Versicherungszahlung erhielt. Die Mieterin war nun jedoch der Ansicht, dass sie den auf die Küche entfallenden Anteil der monatlichen Miete nicht mehr zahlen müsste, da die eingelagerte Küche gestohlen und trotz Zahlung durch eine Versicherung nicht ersetzt wurde.

Der BGH geht davon aus, dass hier kein zur Minderung berechtigender Mangel vorliegt, § 536 Abs. 1 BGB. Durch die Vereinbarung, dass die alte Küche zwecks Einbau einer neuen Küche eingelagert wird, soll konkludent zwischen den Parteien vereinbart worden sein, dass unter Beibehaltung des bisherigen Mietzinses der Vermieter nunmehr nicht mehr die Gebrauchsgewährung in Bezug auf die alte Küche schuldet. Durch den Diebstahl der eingelagerten Küche hat sich somit die Ist-Beschaffenheit der Mietsache nicht geändert, sodass die Mietsache nicht mangelbehaftet ist. Dem Anspruch auf volle Mietzahlung stehe auch im Hinblick auf die erhaltene Versicherungsleistung § 242 BGB nicht entgegen, da die Versicherungsleistung ausschließlich Ersatz für den Schaden in Bezug auf das verlorene Eigentum an der Küche sei.

Diese Entscheidung überrascht. Zwar ist die rechtliche Konstruktion mit einer Anpassung des Mietgegenstandes bei Beibehaltung des Mietzinses geschickt. Aber wie wäre die Rechtslage zu beurteilen, wenn sich die Mieterin später wieder dazu entschieden hätte, die alte Küche – ihr Vorhandensein vorausgesetzt – wieder in die Wohnung einzubauen: Würde sie dann tatsächlich die Grenzen Ihrer mietvertraglichen Rechte überschreiten und hätte der Vermieter dann möglicherweise sogar Ansprüche (z.B. Herausgabe aus § 985 BGB) gegen die Mieterin?

BGH Urt. v. 13.4.2016 – VIII ZR 198/15

Montagsblog: Neues vom BGH

Der BGH stellt seinen Richtern wöchentlich eine Sammlung aller Leitzsatzentscheidungen zur Verfügung, die in der vorangegangenen Woche veröffentlicht worden sind. In Anknüpfung an diese sog. Montagspost berichtet der Montagsblog wöchentlich über – ausgewählte – aktuelle Entscheidungen des BGH.

Werkvertrag zwischen Bauherr und Prüfingenieur
Urteil vom 31. März 2016 – III ZR 70/15

Mit der Abgrenzung zwischen hoheitlichem Handeln und der Erbringung von Leistungen auf vertraglicher Grundlage hatte sich der III. Zivilsenat zu befassen.

Die Kläger hatten den beklagten Prüfingenieur mit der Prüfung der Standsicherheit und der Bauüberwachung bei der Errichtung eines Einfamilienhauses betraut. Nach den einschlägigen baurechtlichen Vorschriften genehmigte die Baubehörde das Vorhaben mit der Auflage, die Standsicherheit und die ordnungsgemäße Bauüberwachung durch Bescheinigungen eines Prüfsachverständigen nachzuweisen. Nach Errichtung des Gebäudes erwies sich eine Kellerwand aufgrund fehlerhafter statischer Berechnungen als nicht tragfähig. Das OLG wies die gegen den Prüfingenieur gerichtete Klage auf Ersatz der hieraus resultierenden Schäden mit der Begründung ab, der Beklagte sei hoheitlich tätig geworden und könne deshalb gemäß § 839 Abs. 1 BGB und Art. 34 Abs.1 GG nicht persönlich in Anspruch genommen werden.

Der BGH hebt das Berufungsurteil auf. Nach seiner Auffassung erbrachte der Beklagte seine Tätigkeit auf der Grundlage eines mit dem Bauherrn geschlossenen Werkvertrags. Der BGH stützt sich hierbei auf etablierte Rechtsprechung, wonach für die Frage, ob ein Sachverständiger hoheitlich tätig wird, die Aufgabe maßgeblich ist, deren Wahrnehmung seine Tätigkeit im konkreten Fall dient. Eine hoheitliche Tätigkeit liegt danach vor, wenn die vom Sachverständigen vorzunehmende Prüfung einen Bestandteil der von der Behörde ausgeübten hoheitlichen Tätigkeit bildet. Daran fehlte es im Streitfall, weil dem Prüfingenieur nach den einschlägigen baurechtlichen Vorbereitungen nicht die Aufgabe zukam, die behördliche Entscheidung über die Baugenehmigung vorzubereiten. Die von ihm erstellten Bescheinigungen dienten vielmehr dazu, eine behördliche Überprüfung der darin behandelten Fragen überflüssig zu machen. Deshalb erbrachte der Sachverständige seine Leistungen auf der Grundlage eines Werkvertrags mit dem Bauherrn. Der vom Berufungsgericht angestellten Hilfserwägung, dieser Werkvertrag habe nur eine Überprüfung im öffentlichen Interesse zum Gegenstand gehabt, erteilte der BGH ebenfalls eine Absage. Aus der Interessenlage der Beteiligten ergab sich nach seiner Beurteilung vielmehr, dass die Tätigkeit des Beklagten auch dazu diente, den Bauherrn vor dem Eintritt von Schäden durch eine mangelhafte Baustatik zu bewahren.

Praxistipp: Bei der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen einen auf behördliche Anordnung mit Prüfaufgaben betrauten Sachverständigen ist frühzeitig zu klären, auf welchen Vorschriften die Tätigkeit des Sachverständige beruhte und welcher Aufgabe sie diente.

Reaktion auf einen Hinweis gemäß § 522 Abs. 2 ZPO
Beschluss vom 10. März 2016 – VII ZR 47/13
Beschluss vom 17. März 2016 – IX ZR 211/14

Mit zwei Aspekten der viel kritisierten Möglichkeit, eine Berufung nach vorherigem Hinweis durch Beschluss als unbegründet zurückzuweisen, befassen sich der VII. und der IX. Zivilsenat.

Im ersten Fall hatte das Berufungsgericht in seinem nach § 522 Abs. 2 ZPO erteilten Hinweis unter anderem ausgeführt, der geltend gemachte Feststellungsantrag – der auf eine Anregung des Landgerichts hin gestellt, von diesem aber als unbegründet angesehen worden war—sei unzulässig. Der Kläger reagierte auf diesen Hinweis mit einem hilfsweise gestellten Zahlungsantrag. Das Berufungsgericht lehnte es ab, über den Hilfsantrag mündlich zu verhandeln, und wies die Berufung durch Beschluss zurück.

Im zweiten Fall hatte das Berufungsgericht in seinem Hinweisbeschluss unter anderem ausgeführt, eine von zwei Steuerberatern erteilte Auskunft, auf die der Kläger sein Begehren stützte, sei lediglich als unverbindliche Prognose anzusehen. Der Kläger hatte hierauf nicht reagiert. Mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde gegen den daraufhin ergangenen Zurückweisungsbeschluss machte er geltend, das Berufungsgericht habe seinen unter Beweis gestellten Vortrag übergangen, wonach die Steuerberater eine verbindliche Zusicherung gegeben hätten.

Im ersten Fall hebt der BGH den angefochtenen Beschluss auf; im zweiten weist er die Nichtzulassungsbeschwerde zurück. Beide Senate stützen sich dabei auf den Grundsatz, dass das Berufungsgericht dem Berufungskläger Gelegenheit geben muss, auf den nach § 522 Abs. 2 ZPO zu erteilenden Hinweis zu reagieren. Im ersten Fall beurteilte der BGH den vom Kläger gestellten Hilfsantrag als angemessene Reaktion auf den erteilten Hinweis, weil das Berufungsgericht erstmals Zweifel an der Zulässigkeit des Feststellungsantrags geäußert hatte, während die Vorinstanz diesen Antrag sogar angeregt hatte. Das Berufungsgericht hätte deshalb über den Hilfsantrag mündlich verhandeln müssen. Im zweiten Fall war für den Kläger schon aus dem Hinweisbeschluss ersichtlich, dass das Berufungsgericht die Äußerungen der Steuerberater anders bewertete als der Kläger. Deshalb hätte der Kläger schon innerhalb der ihm eingeräumten Frist zur Stellungnahme auf seinen abweichenden Vortrag und die Beweisangebote hierzu aufmerksam machen müssen. Wenn er diese Gelegenheit nicht wahrnimmt, ist es ihm verwehrt, die Nichtberücksichtigung dieses Vortrags mit der Nichtzulassungsbeschwerde als Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG zu rügen.

Praxistipp: Wenn das Berufungsgericht die Zurückweisung der Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO ankündigt, muss der Berufungskläger die erteilten Hinweise sorgfältig auswerten und innerhalb der gesetzten Frist umfassend darauf reagieren.

 

Zulässigkeit von Amalganfüllungen

Das OLG Hamm hat in einem Urteil vom 4.3.2016 – 26 U 16/15 festgestellt, dass die Versorgung von Patienten mit Amalgamfüllungen grundsätzlich unbedenklich ist. Dies gelte zum einen für die Verwendung von Amalgam bei Zahnfüllungen, zum anderen sei auch der Verbleib von Amalgamresten bei dem Aufbau von neuen Goldkronen unbedenklich. Denkbar sei zwar ausnahmsweise eine Amalgamallergie bei einem Patienten. Eine derartige allergische Reaktion zeige sich aber sofort und nicht – wie im vorliegenden Fall geltend gemacht – nach Jahr und Tag. Das Urteil stimmt im Ergebnis überein mit einem Urteil des OLG Köln aus dem Jahre 2013 (21.10.2013 – 5 U 155/12, MedR 2015, 110), in dem detailliert auf die vorliegenden wissenschaftlichen Aussagen eingegangen wird. Danach stehen sowohl der Verwendung als auch der nachträglichen Entfernung von Amalgamfüllungen keinerlei Bedenken entgegen. Ferner hat auch der wissenschaftliche Beratungsausschuss für Gesundheits- und Umweltrisiken der Europäischen Kommission im Jahre 2014 bekannt gegeben, dass die Gesundheits- und Umweltgefährdung durch das in zahnärztlichem Amalgam enthaltene Quecksilber vergleichsweise gering sei.

Es erscheint danach angebracht, die teilweise reichlich hysterisch geführte Diskussion in Deutschland um die Schädlichkeit von Amalgam zu beenden.

Abschaffung von § 522 ZPO ?

Die Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen hatte vorgeschlagen, den Zurückweisungsbeschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO ersatzlos abzuschaffen (BT-Drucksache 18/7359). Begründet wurde dies mit einer trotz der Reform 2011 immer noch erheblichen uneinheitlichen Anwendungspraxis der Regelung. Dadurch komme es einerseits zu einer Mehrbelastung der Berufungsgerichte. Andererseits würden die Gerichte jedoch auch entlastet, da der Vorbereitungsaufwand für den einstimmigen Zurückweisungsbeschluss sowie für den vorgeschalteten Hinweisbeschluss entfalle.

Nun hat der Rechtsausschuss des Bundestages vorgeschlagen, den Gesetzesvorschlag abzulehnen (BT-Drucksache 18/8124).

 

Was meinen Sie? Soll § 522 Abs. 2 ZPO beibehalten oder abgeschafft werden?

Montagsblog: Neues vom BGH

Der BGH stellt seinen Richtern wöchentlich eine Sammlung aller Leitsatzentscheidungen zur Verfügung, die in der vorangegangenen Woche veröffentlicht worden sind. In Anknüpfung an diese sog. Montagspost berichtet der Montagsblog wöchentlich über – ausgewählte – aktuelle Entscheidungen des BGH.

Anscheinsbeweis beim Online-Banking
Urteil vom 26. Januar 2016 – XI ZR 91/14

Mit den Risiken des Online-Banking, den einschlägigen Vorschriften (insbesondere § 675w BGB) und den hieraus resultierenden Konsequenzen für die Darlegungs- und Beweislast befasst sich eine Entscheidung des XI. Zivilsenats.

Im Ausgangsfall war es bei der klagenden Sparkasse im Rahmen einer Systemumstellung über einige Tage hinweg zu Fehlbuchungen im Online-Banking gekommen. Das Konto der beklagten GmbH wies deshalb über ein Wochenende hinweg einen um 238.000 Euro zu hohen Stand auf. Noch am Freitag, kurz vor Mitternacht, wurde von diesem Konto per Onlineüberweisung mit smsTAN ein Betrag von 235.000 Euro an eine andere Gesellschaft überwiesen. Am darauffolgenden Montag wurden die Fehlbuchungen storniert. Das Konto wies nun einen negativen Schlusssaldo in der Größenordnung des Überweisungsbetrags auf. LG und OLG gaben der Klage auf Zahlung dieses Betrags ohne Beweisaufnahme statt, mit der Begründung, der Beweis des ersten Anscheins spreche dafür, dass das Online-Banking-System ordnungsgemäß genutzt worden sei.

Der BGH verweist die Sache an das Berufungsgericht zurück. Er hält zwar mit einer in Literatur und Rechtsprechung verbreiteten Auffassung einen Anscheinsbeweis auch vor dem Hintergrund der seit 31.10.2009 geltenden Bestimmungen über Zahlungsdienste (§§ 675c bis 676h BGB) für möglich, knüpft diesen aber an strenge Anforderungen. Nach § 675w Satz 3 BGB, reicht eine ordnungsgemäße technische Aufzeichnung des Zahlungs- und Authentifizierungsvorgangs allein nicht zum Nachweis dafür aus, dass der Berechtigte den Vorgang autorisiert oder aber eine vorsätzliche oder grob fahrlässige Pflichtverletzung begangen hat. Der BGH folgert hieraus, dass die ordnungsgemäße Aufzeichnung allein auch keinen Anscheinsbeweis begründet. Ein solcher kommt nur dann in Betracht, wenn feststeht, dass das eingesetzte Sicherheitssystem allgemein praktisch nicht zu überwinden ist und im konkreten Einzelfall ordnungsgemäß angewendet wurde und konkret funktioniert hat. Hierzu muss der Zahlungsdienstleister vortragen und erforderlichenfalls beweisen, sie das eingesetzte Sicherheitssystem konzipiert ist und dass es im Einzelfall ordnungsgemäß funktioniert hat. Im konkreten Fall gehörte hierzu auch Vortrag, dass die kurz zuvor aufgetretenen Softwareprobleme keine Auswirkungen auf das Sicherheitssystem hatten. Hat der Zahlungsdienstleister die Voraussetzungen für einen Anscheinsbeweis bewiesen, kann der Kunde ihn erschüttern, indem er Tatsachen vorträgt und erforderlichenfalls beweist, die die ernsthafte Möglichkeit eines Missbrauchs nahelegen. Im konkreten Fall hat der BGH hierzu den Vortrag als ausreichend angesehen, der Geschäftsführer der Beklagten kenne den Überweisungsempfänger nicht und habe keine schriftliche Zahlung ausgestellt. Ferner sei er zum Zeitpunkt der Überweisung in Urlaub gewesen und das Mobiltelefon, an das die smsTAN übermittelt wurde, habe sich im Gewahrsam eines Mitarbeiters befunden, der die TAN zwar empfangen, aber nicht verwendet habe.

Praxistipp: Vor der gerichtlichen Geltendmachung entsprechender Forderungen muss das Prozesskostenrisiko besonders sorgfältig geprüft werden. Ob die Voraussetzungen für einen Anscheinsbeweis vorliegen, kann, wie auch der BGH andeutet, in der Regel nur mit Hilfe eines gerichtlichen Sachverständigen geklärt werden.

Zustellung der Klageschrift
Urteil vom 22. Dezember 2015 – VI ZR 79/15

Eine eher formale, für Anwälte aber gerade deshalb haftungsträchtige Frage im Zusammenhang mit der Zustellung einer Klageschrift behandelt der VI. Zivilsenat.

Der Kläger nahm die Beklagten wegen Erteilung fehlerhafter Informationen bei der Vermittlung einer Kapitalanlage in Anspruch. Seiner kurz vor Ablauf der Verjährung bei Gericht eingereichten Klageschrift lagen Kopien bei, die den Stempel „Beglaubigte Abschrift“, aber keinen vom Rechtsanwalt unterschriebenen Beglaubigungsvermerk aufwiesen. Die Klage hatte in erster Instanz Erfolg. Das OLG wies sie hingegen wegen Verjährung ab.

Der BGH hebt das Berufungsurteil auf und verweist die Sache an das OLG zurück. Mit der Vorinstanz geht der BGH allerdings davon aus, dass die Zustellung einer nicht beglaubigten Abschrift für die ordnungsgemäße Zustellung einer Klageschrift nicht ausreicht. Zwar ist in den die Einzelheiten der Zustellung regelnden §§ 166 ff. ZPO in der seit 01.07.2002 geltenden Fassung nicht mehr ausdrücklich vorgeschrieben, dass eine beglaubigte Abschrift zuzustellen ist. Der BGH hält eine Beglaubigung aber weiterhin für erforderlich, weil der Gesetzgeber den früheren Rechtszustand (§ 170 Abs. 1 ZPO a.F.) nicht habe ändern wollen. Anders als das OLG bejaht der BGH aber eine Heilung des Formmangels gemäß § 189 ZPO, weil die nicht beglaubigte Abschrift dem Beklagten tatsächlich zugegangen ist und nach dem revisionsrechtlich zu unterstellenden Sachverhalt keine inhaltlichen Abweichungen vom Original aufweist.

Praxistipp: Trotz der Möglichkeit einer Heilung nach § 189 ZPO sollte jeder Anwalt weiterhin darauf achten, dass die eingereichten Abschriften ordnungsgemäß beglaubigt sind.

Staatenimmunität und Umschuldung von Staatsanleihen
Urteil vom 8. März 2016 – VI ZR 516/14

Dass die Euro-Krise vielfältige Rechtsfragen aufwirft, veranschaulicht eine Entscheidung des VI. Zivilsenats zur Reichweite der prozessualen Staatenimmunität.

Die Kläger hatten in den Jahren 2010 und 2011 griechische Staatsanleihen erworben, die nach den Anleihebedingungen dem griechischen Recht unterfielen. Durch Gesetz vom 23.02.2012 wurde in Griechenland die Möglichkeit eingeführt, Mehrheitsentscheidungen der Anleihegläubiger über eine Änderung der Anleihebedingungen durch Beschluss des Ministerrats für allgemeinverbindlich zu erklären. Am 09.03.2012 erging ein solcher Beschluss für die von den Klägern erworbenen Papiere. Diese wurden gegen andere Anleihen umgetauscht, die einen um mehr als die Hälfte verringerten Nennwert und eine längere Laufzeit aufweisen. Die Kläger nahmen den griechischen Staat deswegen auf Schadensersatz in Anspruch. Die Klage blieb in allen drei Instanzen erfolglos.

Der BGH schloss sich der Beurteilung der Vorinstanzen an, wonach die deutsche Gerichtsbarkeit im Hinblick auf den Grundsatz der Staatenimmunität nicht eröffnet ist. Die Begebung von Staatsanleihen ist zwar ein nicht hoheitlicher Akt, der die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes in einem anderen Staat nicht ausschließt. Die geltend gemachten Ansprüche auf Schadensersatz werden aber nicht auf die Ausgabe der Anleihen gestützt, sondern auf die nachträglich ergangene gesetzliche Regelung und den darauf beruhenden Beschluss des griechischen Ministerrats. Dies sind hoheitliche Handlungen, die der Überprüfung durch die deutschen Gerichte entzogen sind.

Praxistipp: Anleger, die ungeachtet der in der Regel eher geringen Erfolgsaussichten den Rechtsweg beschreiten wollen, müssen bestrebt sein, ihre Ansprüche auf Handlungen des Beklagten zu stützen, die nicht hoheitlicher Natur sind.

Berufung: Fristbeginn für Urteile nach Inkrafttreten der Neufassung des § 317 ZPO

Die Vorschrift des § 317 ZPO (Amtliche Überschrift: Urteilszustellung und –ausfertigung) wurde durch das Gesetz zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs vom 10.10.2013 (BGBl. I S. 3786 ff.) geändert. Nach § 317 Abs. 1 S. 1 ZPO sind seitdem die Urteile den Parteien von Amts wegen nicht mehr in Ausfertigung, sondern nur noch in Abschrift zuzustellen. Die früher erforderliche Zustellung einer Ausfertigung erfolgt gemäß § 317 Abs. 2 S. 1 ZPO nur noch auf Antrag. Gemäß § 169 Abs. 2 S. 1 ZPO wird das zuzustellende Schriftstücke von der Geschäftsstelle (nur) beglaubigt (nicht mehr ausgefertigt!). Die in der Praxis Tätigen werden diesen Unterschied voraussichtlich schon bemerkt haben!

Vor der Änderung des § 317 ZPO setzte der Beginn der Berufungsfrist die Zustellung einer Ausfertigung voraus. Gemäß § 517 beginnt die Berufungsfrist von einem Monat mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils. Teilweise wurde die Auffassung vertreten, für den Fristbeginn sei gleichwohl die Zustellung einer Ausfertigung erforderlich (z. B. Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 36. Aufl. (2015), § 517 Rn. 2). Nach der für die Praxis maßgeblichen Auffassung des BGH ist dies aber nicht der Fall (BGH, Urt. v. 27.1.2016 – XII ZB 684/14)! Die Berufungsfrist – und damit auch die Berufungsbegründungsfrist – werden nach der oben erwähnten Gesetzesänderung vielmehr bereits durch die Zustellung schon einer Abschrift des Urteils in Lauf gesetzt. Es liegt auf der Hand, dass schon die gesetzliche vorgesehene routinemäßige Zustellung der Geschäftsstelle die Berufungsfrist in Lauf setzen muss. Anderenfalls hätte es jede Partei in der Hand, durch den Verzicht auf den Antrag, ihr eine Ausfertigung zuzustellen, die Berufungsfrist beliebig bis zum Ablauf der absoluten Berufungsfrist von dann sechs Monaten zu erstrecken. Dies kann nicht der Sinn der Gesetzesänderung gewesen sein.

Der Leitsatz der Entscheidung, die sich im Übrigen mit verschiedenen weiteren komplexeren Fragen der Wiedereinsetzung befasst, worauf hier in diesem Rahmen nicht eingegangen werden kann, lautet wie folgt:

Für Urteile, die nach dem Inkrafttreten der Neufassung des § 317 ZPO zum 1.7.2014 zugestellt worden sind, setzt der Beginn der Fristen zur Berufungseinlegung und -begründung nicht mehr die Zustellung einer Urteilsausfertigung voraus. Entsprechend der nunmehr in § 317 Abs. 1 Satz 1 ZPO enthaltenen Regel genügt die Zustellung einer beglaubigten Abschrift des in vollständiger Form abgefassten Urteils (Abgrenzung zu Senatsbeschluss BGHZ 186, 22 = FamRZ 2010, 1246 = MDR 2010, 946).

Dieser Entscheidung ist uneingeschränkt zuzustimmen!

 

BGH: Konkludenter Verzicht auf einen Beweisantritt

In einer kürzeren Entscheidung (Beschl. v. 4.2.2015 – IX ZR 133/15) hat der BGH folgendes ausgeführt: „Ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG kann nicht darin erblickt werden, dass das Berufungsgericht den von dem Kläger zum Nachweis der geltend gemachten Mängel benannten Zeugen F. M. nicht gehört hat. Der Kläger hat auf die Vernehmung des Zeugen konkludent verzichtet. Ein Verzicht auf einen Zeugen kann darin gesehen werden, dass die Partei, welche noch nicht vernommene Zeugen benannt hat, nach durchgeführter Beweisaufnahme ihren Beweisantrag nicht wiederholt. Die Schlussfolgerung eines Verzichts ist jedenfalls dann berechtigt, wenn die Partei aus dem Prozessverlauf erkennen konnte, dass das Gericht – wie hier das Berufungsgericht nach der Vernehmung der Zeugin H. und dem anschließenden Hinweis auf die voraussichtliche Erfolglosigkeit der Berufung – mit der bisher durchgeführten Beweisaufnahme seine Aufklärungstätigkeit als erschöpft angesehen hat…“

Es wird häufiger versucht, Revisionsgründe zu schaffen, indem der gesamte Verfahrensstoff mehrerer Instanzen auf eine Passage in irgendeinem Schriftsatz durchsucht wird, worin relevantes Vorbringen enthalten war, was mit einem Zeugenbeweisantritt untermauert worden ist, dem jedoch – aus welchen Gründen auch immer – nicht nachgegangen wurde. Das vom IX. Zivilsenat aufgezeigte Argumentationsmuster ermöglicht, in ausgewählten Fällen, derartige Versuche nicht zum Erfolg werden zu lassen. Für einen Antrag auf Parteivernehmung gilt dasselbe (vgl. BGH, Urt. v. 20.6.1996 – III ZR 219/95 aE). Es liegt aber auf der Hand, dass an den konkludenten Verzicht auf einen Zeugen strenge Anforderungen zu stellen sind, keinesfalls darf der Ausnahmefall zum Normalfall werden. Die Partei muss aus der Verfahrensweise des Gerichts bzw. dem Prozessverlauf erkennen können, dass das Gericht mit den bisher durchgeführten Maßnahmen seine Aufklärungspflicht als erschöpft angesehen hat.

Aus den vorliegenden Entscheidungen des BGH ergibt sich, dass ein solcher Fall etwa vorliegt, wenn das Berufungsgericht ein Sachverständigengutachten eingeholt hat, anschließend einen Termin bestimmt und zu erkennen gibt, dass es weitere Sachaufklärungen nicht mehr durchführen möchte, sondern vielmehr der Rechtsstreit nunmehr entschieden werden soll.

All dies – wie wohl praktisch durchaus sehr wichtig – ist dem BGH eine Aufnahme in den Leitsatz der Entscheidung allerdings nicht wert gewesen! Der Leitsatz befasst sich vielmehr nur mit einer bürgerlich-rechtlichen Fragestellung: Bei der Bewertung, ob eine Pflichtverletzung erheblich oder unerheblich ist, sind vor Abgabe der Rücktrittserklärung behobene Mängel im Allgemeinen außer Betracht zu lassen.

 

Das Gefühl von Freiheit und Abenteuer – aber immer gut geschützt ?!

Alle Jahre wieder … beginnt nach Ostern die Motorradsaison. Motorradfahren macht Spaß. Doch es ist nicht ungefährlich. Aber im Rausch von „Freiheit und Abenteuer“ denkt keiner an einen Unfall und die möglichen Folgen. Den Wind um die Nasen wehen lassen kann man sich am besten noch ohne Helm – jedenfalls aber nicht mit dicker Jacke, Motorradhosen mit Protektoren und Motorradstiefeln. Aber welches Maß an Selbstschutz rechtlich notwendig ist, ist auch umstritten:

Das OLG Saarbrücken (Beschl. v. 12.03.2015 – 4 U 187/13, MDR 2015, 647) hat im Falle einer verunglückten Motorradfahrerin entschieden, dass es keine Auswirkungen auf einen Schadensersatzanspruch hat, wenn ein Geschädigter nur einen Schutzhelm trägt. Da nur dieser gesetzlich vorgeschrieben sei (§ 21a Abs. 2 StVO), sei (weitere) Schutzkleidung unnötig. Das ist jedoch nicht unbestritten. Ein großer Teil der Rechtsprechung geht davon aus, dass Führer von “großen“ Motorrädern Schutzkleidung (Helm, Motorradhose, Motorradjacke) tragen müssen. Hier wird z. T. eine Verkehrssitte bejaht. Umstritten ist die Lage bei Motorradstiefeln. Für Kleinkrafträder und Leichtkrafträder wird überwiegend eine in der Bevölkerung verbreitete Übung, Schutzkleidung zu tragen, nicht gesehen. (Übersicht bei Rebler, MDR 2014, 1187). Unabhängig von der rechtlichen Situation sollte sich aber jeder selbst gut überlegen, welches Maß an Schutz die eigene Gesundheit wert ist.