Anwaltsblog 16/2024: Strenge Anforderungen an die Glaubhaftmachung bei der Ersatzeinreichung (§ 130d Satz 2 ZPO)!

Wieder einmal hatte sich der BGH mit den Anforderungen an die bei der Ersatzeinreichung gerichtlicher Schriftsätze notwendige Glaubhaftmachung zu befassen (BGH, Beschluss vom 14. März 2024 – V ZB 2/23):

 

Dem Kläger wurde das klageabweisende Urteil des Landgerichts am 18. August 2022 zugestellt. Mit einem per Telefax am 4. Oktober 2022 an das OLG übermittelten Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten hat er Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist mit der Begründung beantragt, seit dem 8. September habe der beA-Account seines Prozessbevollmächtigten nicht mehr funktioniert. Trotz sofortiger Bestellung und wiederholter Nachfrage bei der Bundesnotarkammer habe sein Prozessbevollmächtigter bislang noch keine neue beA-Karte erhalten, so dass er den am 17. September 2022 gefertigten Berufungsschriftsatz nicht habe elektronisch übermitteln können. Sein Prozessbevollmächtigter habe deshalb Frau Rechtsanwältin J. gebeten, bis zum 19. September 2022 (Montag) den Schriftsatz über ihren beA-Account zu versenden. Erst am 20. September 2022 habe diese mitgeteilt, dass sie die Übersendung wegen einer plötzlichen Erkrankung ihres Kindes nicht habe vornehmen können. Daher sei die Übermittlung des Wiedereinsetzungsantrags per Telefax erfolgt. Das OLG hat die Berufung wegen Versäumung der Berufungsfrist als unzulässig verworfen und den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde des Klägers hat keinen Erfolg. Für die Wiedereinsetzung ist die versäumte Prozesshandlung in der für sie vorgeschriebenen Form nachzuholen. Hat es der Rechtsmittelführer innerhalb der Rechtsmittelfrist versäumt, eine wirksame Rechtsmittelschrift zu übermitteln, hat er dies somit bis zum Ablauf der Wiedereinsetzungsfrist formgerecht nachzuholen. Der Antrag auf Wiedereinsetzung bedarf derselben Form wie die versäumte Prozesshandlung (§ 236 Abs. 1 ZPO). Die Wiedereinsetzungsfrist bei der Versäumung der Berufungsfrist beträgt nach § 234 Abs. 1 Satz 1 ZPO zwei Wochen und beginnt nach § 234 Abs. 2 ZPO mit dem Tag, an dem das Hindernis behoben ist. Die Wiedereinsetzungsfrist endete deshalb spätestens am 4. Oktober 2022, weil der Kläger am 20. September 2022 erfahren hat, dass Rechtsanwältin J. den Berufungsschriftsatz nicht an das Berufungsgericht übermittelt hatte. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat mit dem am 4. Oktober 2022 per Fax übersandten Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist weder die versäumte Prozesshandlung wirksam nachgeholt noch einen formwirksamen Wiedereinsetzungsantrag gestellt. Sein Prozessbevollmächtigter hat den Schriftsatz dem Berufungsgericht nicht als elektronisches Dokument übermittelt. Die zwingende Einreichung von Erklärungen in der elektronischen Form betrifft die Frage ihrer Zulässigkeit. Die Einhaltung der vorgeschriebenen Form ist deshalb von Amts wegen zu prüfen. Ein Formverstoß führt zur Unwirksamkeit der Prozesserklärung. Die Voraussetzungen des § 130d Satz 1 ZPO sind vorliegend nicht erfüllt, da der Prozessbevollmächtigte des Klägers die Berufungsschrift innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist dem Berufungsgericht nicht wie gesetzlich gefordert als elektronisches Dokument übermittelt hat, sondern nach den allgemeinen Vorschriften per Telefax. Da sich die Form des Antrags auf Wiedereinsetzung gemäß § 236 Abs. 1 ZPO nach den Vorschriften richtet, die für die versäumte Prozesshandlung gelten, hätte auch der Wiedereinsetzungsantrag als elektronisches Dokument eingereicht werden müssen.

Die Übermittlung per Telefax war als Ersatzeinreichung nicht ausnahmsweise gemäß § 130d Satz 2 ZPO ausreichend. Ist eine Übermittlung als elektronisches Dokument aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich, bleibt die Übermittlung gemäß § 130d Satz 2 ZPO nach den allgemeinen Vorschriften zulässig. Durch die Einschränkung „aus technischen Gründen“ und „vorübergehend“ wird klargestellt, dass professionelle Einreicher hierdurch nicht von der Notwendigkeit entbunden sind, die notwendigen technischen Einrichtungen für die Einreichung elektronischer Dokumente vorzuhalten und bei technischen Ausfällen unverzüglich für Abhilfe zu sorgen. Der Gesetzgeber wollte nur Fälle erfassen, in denen einer Übermittlung des Schriftsatzes in elektronischer Form rein technische Gesichtspunkte entgegenstehen, nicht dagegen in der Person des Einreichers liegende Gründe. Entsprechend stellen Verzögerungen bei der Einrichtung der technischen Infrastruktur keinen vorübergehenden technischen Grund dar.

Dem Kläger ist es nicht gelungen, die vorübergehende Unmöglichkeit einer elektronischen Übermittlung aus technischen Gründen glaubhaft zu machen. Die Glaubhaftmachung der vorübergehenden Unmöglichkeit der Einreichung eines Schriftsatzes als elektronisches Dokument bedarf einer aus sich heraus verständlichen, geschlossenen Schilderung der tatsächlichen Abläufe oder Umstände. Hieran fehlt es, wenn die glaubhaft gemachten Tatsachen jedenfalls auch den Schluss zulassen, dass die Unmöglichkeit nicht auf technischen, sondern auf in der Person des Einreichers liegenden Gründen beruht. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat zur Glaubhaftmachung geltend gemacht, sein beA-Account habe seit dem 8. September 2022 nicht mehr funktioniert. Trotz sofortiger Bestellung und wiederholter Nachfragen bei der Bundesnotarkammer habe er bis zum Fristablauf keine neue beA-Karte erhalten, so dass er den Berufungsschriftsatz nicht habe elektronisch übermitteln können. Den Anforderungen an die Glaubhaftmachung einer aus technischen Gründen vorübergehenden Unmöglichkeit wird die Erklärung des Prozessbevollmächtigten des Klägers nicht gerecht, weil daraus nicht in sich schlüssig und nachvollziehbar hervorgeht, ob er die notwendigen technischen Einrichtungen für die Einreichung elektronischer Dokumente vorgehalten hat. Der beA-Account war nach seinem Vortrag funktionsunfähig. Der zur Glaubhaftmachung gehaltene Vortrag lässt aber gerade offen, ob die Funktionsunfähigkeit auf einer technischen Störung beruhte oder auf den Ablauf der Gültigkeitsdauer seiner beA-Karte zurückzuführen war. Zu den erforderlichen technischen Einrichtungen, die ein professionelle Einreicher für die Übermittlung elektronischer Dokumente vorzuhalten hat, gehört nicht nur ein entsprechendes Endgerät, sondern auch die erforderliche gültige beA-Karte. Mangelt es an der notwendigen Ausstattung, beruht eine Unmöglichkeit der Übermittlung als elektronisches Dokument nicht auf technischen Gründen. Der Verweis auf die mehrmalige Nachfrage bei der Bundesnotarkammer genügt zur Glaubhaftmachung einer technischen Unmöglichkeit nicht, solange nicht dargelegt ist, dass alle Anstrengungen unternommen wurden, um rechtzeitig über eine gültige beA-Karte zu verfügen.

 

Fazit: Zu den erforderlichen technischen Einrichtungen, die ein professionelle Einreicher wie Rechtsanwälte für die Übermittlung elektronischer Dokumente vorzuhalten hat, gehört nicht nur ein entsprechendes Endgerät, sondern auch die erforderliche gültige beA-Karte. Mangelt es an der notwendigen Ausstattung, beruht eine Unmöglichkeit der Übermittlung als elektronisches Dokument nicht auf technischen Gründen (BGH, Beschluss vom 17. Januar 2024 – XII ZB 88/23 –, MDR 2024, 389).

Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es erneut um Fallstricke des elektronischen Rechtsverkehrs.

Beweiskraft eines elektronischen Empfangsbekenntnisses
BGH, Beschluss vom 17. Januar 2024 – VII ZB 22/23

Der VII. Zivilsenat befasst sich mit den Wirkungen eines elektronischen Empfangsbekenntnisses in der Form eines strukturierten Datensatzes im Sinne von § 173 Abs. 3 Satz 2 ZPO.

Der Kläger macht Gewährleistungsrechte wegen mangelhaften Einbaus einer Fußbodenheizung geltend. Das LG hat die Klage abgewiesen. Das OLG hat zwei Anträge auf Wiedereinsetzung nach Versäumung der Frist zur Berufungsbegründung zurückgewiesen und die Berufung des Klägers mangels rechtzeitiger Begründung als unzulässig verworfen.

Der BGH verwirft die Rechtsbeschwerde des Klägers wegen nicht rechtzeitiger Einlegung als unzulässig.

Ausweislich des vom zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten des Klägers übermittelten Empfangsbekenntnisses ist die angefochtene Entscheidung des Berufungsgerichts am 12.6.2023 zugestellt worden. Die am 13.7.2023 eingelegte Rechtsbeschwerde ist deshalb verspätet.

Dass der Prozessbevollmächtigte das Empfangsbekenntnis erst am 13.6.2023 an das OLG übermittelt hat, ist unerheblich. Maßgeblich für das Datum der Zustellung ist nicht der Tag, an dem das Empfangsbekenntnis versandt wird, sondern der im Empfangsbekenntnis angegebene Tag der Entgegennahme des zuzustellenden Dokuments. Dies gilt auch bei einem Empfangsbekenntnis in Form eines strukturierten Datensatzes im Sinne von § 173 Abs. 3 Satz 2 ZPO.

Wie ein Empfangsbekenntnis, das auf Papier oder als elektronisches (PDF‑)Dokument im Sinne von § 130a ZPO abgegeben wird, erbringt auch ein Empfangsbekenntnis in der Form eines strukturierten Datensatzes vollen Beweis für die Zustellung des Dokuments am darin angegebenen Tag. Der Kläger hat diesen Beweis nicht entkräftet, sondern lediglich eine abweichende Rechtsauffassung vertreten.

Praxistipp: Um die Möglichkeit einer Wiedereinsetzung offenzuhalten, sollten die schriftlichen Organisationsanweisungen einer Anwaltskanzlei vorsehen, dass Rechtsmittelfristen auch bei einem elektronischen Empfangsbekenntnis stets anhand des im Empfangsbekenntnis angegebenen Zustellungsdatums berechnet werden und nicht anhand des Tags der Rücksendung.

Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um die Voraussetzungen einer Ersatzeinreichung.

Glaubhaftmachung technischer Probleme bei beA
BGH, Beschluss vom 17. Januar 2024 – XII ZB 88/23

Kurz nach dem Anwaltssenat, dessen Entscheidung im Anwaltsblog 8/2024 vorgestellt wird, hat sich auch der XII. Zivilsenat mit den Anforderungen aus § 130d ZPO befasst. 

Die Antragstellerin begehrt Zugewinnausgleich. Das AG hat ihrem Antrag nur teilweise stattgegeben. Dagegen legte sie durch ihren Verfahrensbevollmächtigten fristgerecht Beschwerde ein. Einige Tage vor Ablauf der Frist übermittelte die Antragstellerin, die sich nunmehr als Rechtsanwältin selbst vertritt, per Telefax eine Beschwerdebegründung und einen Schriftsatz, in dem sie darlegte, weshalb sie die Begründung nicht über beA eingereicht hat. Das OLG hat die hilfsweise begehrte Wiedereinsetzung versagt und die Beschwerde als unzulässig verworfen.

Die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin bleibt ohne Erfolg.

Nach der inzwischen gefestigten Rechtsprechung des BGH setzt die Glaubhaftmachung einer vorübergehenden Unmöglichkeit der Einreichung eines Schriftsatzes als elektronisches Dokument eine aus sich heraus verständliche, geschlossene Schilderung der tatsächlichen Abläufe oder Umstände voraus, deren Richtigkeit der Rechtsanwalt unter Bezugnahme auf seine Standespflichten anwaltlich versichern muss. 

Bei einer Störung des beA-Servers oder des Servers für das elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) des Empfängergerichts kann hierfür die Bezugnahme auf Screenshots mit entsprechenden Fehlermeldungen der Bundesrechtsanwaltskammer oder des EGVP-Betreibers genügen. Bei Fehlern, die ihre Ursache im Verantwortungsbereich des Absenders haben, ist hingegen eine detailliertere Darstellung erforderlich.

Im Streitfall hat die Antragstellerin im Wesentlichen vorgetragen, der Fehlbedienungszähler ihrer beA-Karte sei abgelaufen gewesen und sie habe deshalb eine neue beA-Karte beantragen müssen, deren Lieferung ein bis zwei Wochen in Anspruch nehmen könne. Diesem Vorbringen lässt sich nicht hinreichend deutlich entnehmen, ob eine technische Unmöglichkeit im Sinne von § 130d Satz 2 ZPO oder ein schlichter Anwenderfehler vorlag. Eine vollständige Darlegung hätte zumindest Ausführungen dazu erfordert, weshalb ein Zurücksetzen des Fehlbedienungszählers mit Hilfe des hierfür vorgesehenen PUK (Personal Unblocking Key) nicht möglich war.

Praxistipp: Um bei „unerklärlichen“ Fehlern mit der beA-Karte dennoch Schriftsätze wirksam einreichen zu können, empfiehlt sich der zusätzliche Erwerb eines Softwarezertifikats. Dieses kann zwar nicht für eine qualifizierte elektronische Signatur eingesetzt werden, wohl aber für den Versand auf einem sicheren Übermittlungsweg – und für den mobilen Zugriff auf das beA-Postfach.

Anwaltsblog 8/2024: Schwierigkeiten bei der Ersatzeinreichung

Professionelle Einreicher wie Rechtsanwälte müssen die notwendigen technischen Einrichtungen für die Einreichung elektronischer Dokumente vorhalten und bei technischen Ausfällen unverzüglich für Abhilfe zu sorgen, wie der Anwaltssenat des BGH wieder einmal feststellen musste (BGH, Beschluss vom 15. Dezember 2023 – AnwZ (Brfg) 33/23):

 

Die Zulassung des Klägers zur Rechtsanwaltschaft war von der Anwaltskammer wegen Vermögensverfalls widerrufen worden. Die hiergegen gerichtete Klage hat der Anwaltsgerichtshof (AGH) abgewiesen. Mit am 21. August 2023 in Schriftform beim AGH eingereichten Schriftsatz vom selben Tage hat der Kläger die Zulassung der Berufung gegen das ihm nach eigenen Angaben am 21. Juli 2023 zugestellte Urteil beantragt und diesen Antrag mit am 18. September 2023 per Telefax an den (als Berufungsgericht fungierenden) BGH übersandten Schriftsatz vom selben Tage begründet. Beiden Schriftsätzen war eine eidesstattliche Versicherung beigefügt, in der der Kläger erklärte, dass die Übermittlung eines elektronischen Dokuments nicht möglich gewesen sei, weil seine Legitimationskarte von dem Kartenlesesystem bzw. beim Online-Log-In nach Updates für den beA Client Security nicht erkannt worden sei.

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung wird als unzulässig verworfen, weil es jedenfalls an einer formgerechten Begründung des Zulassungsantrags vor Ablauf der Begründungsfrist am 21. September 2023 fehlt. Sowohl der Antrag auf Zulassung der Berufung als auch die Antragsbegründung waren grundsätzlich als elektronisches Dokument zu übermitteln. Dem genügte weder der in Schriftform beim AGH eingereichte Antragsschriftsatz noch die Übersendung der Antragsbegründungsschrift per Telefax an den BGH. Die Voraussetzungen für eine ausnahmsweise zulässige Ersatzeinreichung nach den allgemeinen Vorschriften hat der Kläger jedenfalls hinsichtlich der Antragsbegründung nicht dargetan und glaubhaft gemacht. Eine Ersatzeinreichung ist zulässig, wenn die Übermittlung als elektronisches Dokument aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich ist. Dabei spielt es zwar keine Rolle, ob die Ursache für die vorübergehende technische Möglichkeit in der Sphäre des Gerichts oder – wie hier nach dem Vortrag des Klägers – in der Sphäre des Einreichenden zu suchen ist, weil auch ein vorübergehender Ausfall der technischen Einrichtungen des Rechtsanwalts dem Rechtsuchenden nicht zum Nachteil gereichen soll. Durch die Einschränkung „aus technischen Gründen“ und „vorübergehend“ wird jedoch klargestellt, dass professionelle Einreicher nicht von der Notwendigkeit entbunden sind, die notwendigen technischen Einrichtungen für die Einreichung elektronischer Dokumente vorzuhalten und bei technischen Ausfällen unverzüglich für Abhilfe zu sorgen. Danach kommt hier auch nach dem Vorbringen des Klägers jedenfalls bei der Ersatzeinreichung der Antragsbegründung die Annahme einer nur vorübergehenden technischen Unmöglichkeit der Übermittlung als elektronisches Dokument nicht in Betracht.

Es ist bereits fraglich, ob der eidesstattlich versicherte Vortrag des Klägers zur Ersatzeinreichung des Zulassungsantrags am 21. August 2023 für die Darlegung einer nur vorübergehenden technischen Unmöglichkeit ausreicht. Der Kläger hat hierzu angegeben, dass eine elektronische Einreichung bis zum 21. August 2023 nicht möglich gewesen sei, weil seine Legitimationskarte „nach dem letzten Update für den beA Client Security am 15. August 2023 beim Online-Log-In nicht mehr erkannt“ worden sei. Demnach war dem Kläger die Störung bereits seit mehreren Tagen bekannt, ohne dass er angegeben hat, ob und ggf. welche Maßnahmen er dagegen unternommen habe. Unabhängig davon lag aber auch nach dem Vortrag des Klägers jedenfalls bei der Ersatzeinreichung der Antragsbegründung am 18. September 2023 keine nur vorübergehende technische Unmöglichkeit vor. Diesbezüglich hat der Kläger in seiner eidesstattlichen Versicherung vom 18. September 2023 ausgeführt, er habe den „Antrag auf Zulassung der Berufung bis zum 19. [sic] September 2023“ aus technischen Gründen nicht per beA übersenden können, „weil die Legitimationskarte seit den letzten beiden Updates (letztes Update ausgeführt am 18. September 2012 [sic]) für den beA Client Security beim Online-Log-In nicht mehr erkannt“ werde. Die Karte sei nicht lesbar und müsse von ihm neu beantragt werden. Danach ist davon auszugehen, dass der Zugang des Klägers zum beA am 18. September 2023 bereits seit mehreren Wochen, nämlich seit dem vorletzten Update am 15. August 2023, nicht mehr funktionierte und dem Kläger dies bekannt war. Dass er versucht habe, Abhilfe zu schaffen, hat der Kläger auch hier nicht dargetan. Nach seinem weiteren Vortrag in der Antragsbegründung ist vielmehr davon auszugehen, dass er keine Maßnahmen gegen die Störung ergriffen hat, da er dort angegeben hat, entsprechende Zugangsprobleme seien auch schon in der Vergangenheit aufgetreten, allerdings sei der Zugang dann zu einem späteren Zeitpunkt wieder unproblematisch möglich gewesen, weswegen er sich entschieden habe, den Vorgang kurz vor Fristablauf noch einmal zu versuchen. In Anbetracht dessen kommt die Annahme einer nur vorübergehenden technischen Störung jedenfalls am 18. September 2023 nicht (mehr) in Betracht.

Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kommt nicht in Betracht. Das Versäumnis des Klägers war nicht unverschuldet. Diesem mussten als Rechtsanwalt die gesetzlichen Anforderungen an die Zulässigkeit einer Ersatzeinreichung bekannt sein, so dass ihn auch ein etwaiger diesbezüglicher Rechtsirrtum nicht entlasten würde.

 

Fazit: Einem Rechtsanwalt muss bekannt sein, dass ihn ab dem 1. Januar 2022 nicht nur wie bereits zuvor die („passive“) Pflicht trifft, elektronische Zustellungen und Erklärungen über das von ihm vorzuhaltende elektronische Anwaltspostfach zu empfangen (§ 31a Abs. 6 BRAO), sondern eine („aktive“) Nutzungspflicht bezüglich des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten. Die entsprechende Bestimmung des § 130d Satz 1 ZPO gehört zum verfahrensrechtlichen Grundwissen eines im Zivilprozess tätigen Rechtsanwalts (BGH, Beschluss vom 10. Januar 2023 – VIII ZB 41/22 –, MDR 2023, 383). Daher ist jeder Rechtsanwalt verpflichtet, sich mit den technischen Voraussetzungen der einzig zulässigen Übermittlung von Schriftsätzen als elektronisches Dokument vertraut zu machen. Dazu gehört auch die Installation der regelmäßig angebotenen Updates.

Anwaltsblog 7/2024: Anforderung an die Glaubhaftmachung der Ersatzeinreichung bei Störung des beA

Schriftsätze, die durch einen Rechtsanwalt eingereicht werden, sind nach § 130d Satz 1 ZPO als elektronisches Dokument zu übermitteln. Ist dies aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich, bleibt nach § 130d Satz 2 ZPO die Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften zulässig. Die vorübergehende Unmöglichkeit ist nach § 130d Satz 3 ZPO bei der Ersatzeinreichung oder unverzüglich danach glaubhaft zu machen. Mit den Anforderungen an die Glaubhaftmachung hatte sich wieder einmal der BGH zu befassen (BGH, Beschluss vom 25. Januar 2024 – I ZB 51/23):

 

Nachdem die Klägerin gegen das am 20. Februar 2023 zugestellte Urteil des Landgerichts fristgemäß Berufung eingelegt hatte, hat sie mit einem am 20. April 2023 um 16:37 Uhr per Telefax eingereichten Schriftsatz beantragt, die Berufungsbegründungsfrist um einen Monat zu verlängern. In einem zeitgleich versandten weiteren Schriftsatz hat sie ausgeführt, eine Versendung des Fristverlängerungsantrags über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) sei nicht möglich. Es bestehe seit 9:00 Uhr „eine Störung von beA im Bundesgebiet Nordrhein-Westfalen“. Zur Glaubhaftmachung hat sie einen als „Störmeldung der BRAK“ bezeichneten zweiseitigen Ausdruck der am 20. April 2023 auf der Internetseite bea.expert veröffentlichten Informationen vorgelegt. Auf dieser Internetseite werden einerseits von Nutzern gemeldete Störungen erfasst, andererseits Inhalte der Internetseite der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) zu aktuellen beA-Störungen wiedergegeben. Der von der Klägerin vorgelegte Ausdruck der Internetseite bea.expert beginnt mit der Mitteilung zum Stand vom 20. April 2023 16:19 Uhr: „keine beA-Störung gemeldet oder festgestellt.“ Weiter ist auf dem Ausdruck eine Störungsmeldung der BRAK, veröffentlicht auf der Internetseite https://portal.beasupport.de/→Aktuelles, Stand 16:00 Uhr, wiedergegeben, nach der im Land Nordrhein-Westfalen im Justizbereich eine Störung seit dem 19. April 2023, 14:12 Uhr, bestehe.

Das Berufungsgericht hat die Berufung verworfen. Sie sei unzulässig, weil sie nicht innerhalb der hierfür geltenden zweimonatigen Frist begründet worden sei. Dem per Telefax am 20. April 2023 eingegangenen Fristverlängerungsantrag habe nicht entsprochen werden können, da er als elektronisches Dokument zu übermitteln gewesen wäre. Die Voraussetzungen einer zulässigen Ersatzeinreichung nach § 130d Satz 2 und 3 ZPO lägen nicht vor. Zwar sei durch eine Mitteilung des Zentralen IT-Dienstleisters der Justiz in Nordrhein-Westfalen gerichtsbekannt, dass das elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) vom 19. April 2023 um 14:12 Uhr bis zum 21. April 2023 um 21:20 Uhr in Nordrhein-Westfalen gestört gewesen sei. Dies habe die Klägerin jedoch nicht von der in § 130d Satz 3 ZPO normierten Obliegenheit entbunden, die vorübergehende Unmöglichkeit der Übermittlung eines elektronischen Dokuments unverzüglich glaubhaft zu machen. Die Darstellung im Schriftsatz der Klägerin vom 20. April 2023 entspreche nicht ansatzweise den Anforderungen des § 130d Satz 3 ZPO. Die der Ersatzeinreichung beigefügte Erklärung, dass ausweislich der beigefügten Störmeldung der Bundesrechtsanwaltskammer eine Störung des beA im Gebiet von Nordrhein-Westfalen vorliege, weshalb eine Versendung über das beA nicht möglich sei, enthalte keine aus sich heraus verständliche, geschlossene Schilderung der tatsächlichen Abläufe oder Umstände. Zudem sei für eine Glaubhaftmachung erforderlich, dass der Anwalt die Richtigkeit seiner Angaben anwaltlich versichere, woran es im Schriftsatz vom 20. April 2023 ebenfalls fehle.

Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Das Berufungsgericht hat der Klägerin die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu Unrecht verwehrt. Die Klägerin war ohne Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten an der Einhaltung der Berufungsbegründungsfrist verhindert (§ 233 ZPO). Sie durfte darauf vertrauen, dass ihr am 20. April 2023 per Telefax übermittelter Antrag, die Berufungsbegründungsfrist gemäß § 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO um einen Monat zu verlängern, nicht abgelehnt werde. Im Wiedereinsetzungsverfahren kann sich der Rechtsmittelführer mit Erfolg auf sein Vertrauen in eine Fristverlängerung berufen, wenn deren Bewilligung mit großer Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte. So verhielt es sich hier. Ohne Einwilligung des Gegners kann die Frist zur Berufungsbegründung gemäß § 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat mit seinem Fristverlängerungsantrag einen konkreten Grund für den Antrag – die Erforderlichkeit der vorrangigen Bearbeitung anderweitiger fristgebundener Angelegenheiten nach einer mehrtätigen Ortsabwesenheit des alleinigen Sachbearbeiters – geltend gemacht. Darin liegt ein erheblicher Grund, der eine Fristverlängerung regelmäßig rechtfertigt.

Der Fristverlängerungsantrag ist auch wirksam gestellt worden. Eine elektronische – und damit formgerechte – Übermittlung des Verlängerungsantrags vor Ablauf der Berufungsbegründungsfrist ist zwar nicht erfolgt. Allerdings waren entgegen der Auffassung des OLG die Voraussetzungen für eine Ersatzeinreichung gemäß § 130d Satz 2 und 3 ZPO erfüllt. Das OLG hat bereits zu Unrecht angenommen, der Schriftsatz der Klägerin vom 20. April 2023 enthalte keine ausreichende Schilderung der einen Ausnahmefall nach § 130d Satz 2 ZPO begründenden Tatsachen, nach denen es aus vorübergehenden Gründen technisch unmöglich gewesen sei, den Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist elektronisch zu übermitteln. Aus dem Inhalt des per Telefax eingereichten Schriftsatzes geht unmissverständlich hervor, dass die Übersendung des Fristverlängerungsgesuchs per Telefax erfolge, weil eine Versendung des Fristverlängerungsantrags auf elektronischem Weg über das beA nicht möglich gewesen sei. Soweit der Klägervertreter in dem per Telefax übermittelten Schriftsatz angegeben hat, es liege eine Störung des beA vor, trifft dies ausweislich der auf der Internetseite bea.expert veröffentlichten Informationen, die sich aus dem mit diesem Schriftsatz vorgelegten Ausdruck ergeben, allerdings nicht zu. Es hat keine Störung des beA, sondern des EGVP im Justizbereich von Nordrhein-Westfalen gegeben. Diese Ungenauigkeit im Vortrag des Prozessbevollmächtigten der Klägerin ist jedoch unschädlich. Im Ergebnis hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit der Angabe, das beA sei gestört, lediglich die Ursache für die Unmöglichkeit der Übermittlung auf elektronischem Weg unrichtig bezeichnet. In technischer Hinsicht trifft sein Vortrag, eine elektronische Übermittlung über das beA sei nicht möglich gewesen, zu, weil durch die Störung des EGVP eine Übermittlung von Schriftstücken über das beA an die von der EGVP-Störung betroffenen Gerichte nicht erfolgen konnte. Weiterer Vortrag des Prozessbevollmächtigten der Klägerin war nicht erforderlich.

Das Berufungsgericht hat außerdem die sich aus § 130d Satz 3 ZPO ergebenden Anforderungen an die Glaubhaftmachung einer auf technischen Gründen beruhenden vorübergehenden Unmöglichkeit der Übermittlung eines Schriftsatzes als elektronisches Dokument überspannt, indem es eine anwaltliche Versicherung des Scheiterns einer solchen Übermittlung für zwingend erforderlich erachtet hat, ohne den von dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin vorgelegten aktuellen Ausdruck der Internetseite bea.expert zu berücksichtigen, aus der die Meldung der Bundesrechtsanwaltskammer betreffend die Störung des EGVP hervorging. Die Vorlage dieses Ausdrucks, bei dem es sich um ein Augenscheinsobjekt iSv. § 371 Abs. 1 ZPO handelt, war geeignet, die behauptete Störung glaubhaft zu machen (§ 294 ZPO).

 

Fazit: Der Rechtsanwalt, der die Ersatzeinreichung veranlasst hat, muss sich vor Fristablauf nicht weiter um eine elektronische Übermittlung bemühen und hierzu vorzutragen. § 130d Satz 2 ZPO stellt auf die vorübergehende technische Unmöglichkeit im Zeitpunkt der beabsichtigten Übermittlung des elektronisch einzureichenden Dokuments ab. Nur hierzu muss vorgetragen werden (BGH, Urteil vom 25. Mai 2023 – V ZR 134/22 –, MDR 2023, 1230).

 

Anmerkung: Ungeklärt ist, ob ein Gericht die Störung des EGVP als gemäß § 291 ZPO offenkundig und damit als nicht beweisbedürftig behandeln darf (BGH, Beschluss vom 10. Oktober 2023 – XI ZB 1/23 –, MDR 2024, 58). Das BAG meint dagegen, der Gesetzgeber habe mit der Regelung in § 130d Satz 3 ZPO abweichend von § 291 ZPO eine Glaubhaftmachung zur ausnahmslosen Voraussetzung für eine zulässige Ersatzeinreichung gemacht (zu § 46g Satz 4 ArbGG: BAG, Urteil vom 25. August 2022 – 6 AZR 499/21 –, MDR 2023, 457). Vorsorglich sollte daher eine Glaubhaftmachung erfolgen.

Anwaltsblog 4/2024: Auch ein nicht zu den Akten gelangter per beA übermittelter Schriftsatz wahrt die Frist!

Der BGH hatte zu entscheiden, ob eine verfahrensordnungswidrige Gehörsverletzung vorliegt, wenn eine rechtzeitig bei Gericht eingegangene Berufungsbegründungsschrift unberücksichtigt bleibt, weil sie nicht zur Verfahrensakte gelangt ist:

Der Beklagte hat gegen ein Urteil des Amtsgerichts, durch das er zur Räumung seiner Mitwohnung verurteilt worden ist, fristgerecht Berufung eingelegt. Das Landgericht hat die Berufung wegen der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist als unzulässig verworfen, weil eine Berufungsbegründung auch nach dem Verstreichen der verlängerten Berufungsbegründungsfrist beim Berufungsgericht nicht vorliege. Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Die angefochtene Entscheidung verletzt in entscheidungserheblicher Weise das Verfahrensgrundrecht des Beklagten auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG). Denn das Berufungsgericht hat gehörswidrig die von dem Beklagten innerhalb der (verlängerten) Berufungsbegründungsfrist eingereichte Berufungsbegründungsschrift nicht zur Kenntnis genommen. Ein Gericht verstößt gegen seine aus Art. 103 Abs. 1 GG folgende Pflicht, die Ausführungen eines Verfahrensbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen, wenn es einen ordnungsgemäß bei Gericht eingegangenen Schriftsatz nicht berücksichtigt. Auf ein Verschulden des Gerichts kommt es dabei nicht an; das Gericht ist insgesamt für die Einhaltung des Gebots des rechtlichen Gehörs verantwortlich. Deshalb ändert es an der Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG nichts, wenn den erkennenden Richtern der Schriftsatz im Zeitpunkt der Entscheidung nicht vorlag. Hierbei macht es keinen Unterschied, ob der Schriftsatz den Richtern nach Eingang bei Gericht nur nicht vorgelegt wurde oder erst gar nicht zur Verfahrensakte gelangt ist.

Der Berufungsbegründungsschriftsatz ist am 19. Juni 2023 und damit innerhalb der verlängerten Berufungsbegründungsfrist beim Berufungsgericht eingegangen. Für den rechtzeitigen Eingang einer Berufungsbegründungsschrift ist allein entscheidend, dass diese vor Ablauf der Berufungsbegründungsfrist an das zur Entscheidung berufene Gericht gelangt. Die per beA übersandte Berufungsbegründungsschrift ist ausweislich des in den Gerichtsakten befindlichen Prüfvermerks an diesem Tag („Eingangszeitpunkt: 19.06.2023, 16:27:17“) und damit rechtzeitig beim Berufungsgericht eingegangen. Dass das elektronische Dokument – offenbar infolge eines gerichtsinternen Versehens – erst am 19. Juli 2023 zur Gerichtsakte gelangt ist, ist dagegen für die Rechtzeitigkeit des Eingangs nicht von Bedeutung und steht aus den vorgenannten Gründen auch der Annahme eines Gehörsverstoßes nicht entgegen.

(BGH, Beschluss vom 8. November 2023 – VIII ZB 59/23)

 

Fazit: Ein Gericht verstößt gegen seine aus Art. 103 Abs. 1 GG folgende Pflicht, die Ausführungen eines Verfahrensbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen, wenn es einen ordnungsgemäß bei Gericht eingegangenen Schriftsatz nicht berücksichtigt. Auf ein Verschulden des Gerichts kommt es dabei nicht an; das Gericht ist insgesamt für die Einhaltung des Gebots des rechtlichen Gehörs verantwortlich. Deshalb ändert es an der Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG nichts, wenn den erkennenden Richtern der Schriftsatz im Zeitpunkt der Entscheidung nicht vorlag (BGH, Beschluss vom 4. Juli 2018 – XII ZB 240/17 –, MDR 2018, 1334).

 

Anmerkung: Zwar werden bei fehlerhafter gerichtlicher Sachbehandlung für die III. Instanz Gerichtskosten nicht erhoben (§ 21 Abs. 1 Satz 1 GKG). Das ändert aber nichts daran, dass den Parteien, die für Notwendigkeit der Rechtsbeschwerde nicht verantwortlich sind, Anwaltskosten entstanden sind, die im Ergebnis der unterliegenden Partei aufzuerlegen sind. Einen einfacheren Weg, die eklatant falschen Entscheidung des Berufungsgerichts abzuändern, kennt das geltende Recht jedoch nicht. Die Anhörungsrüge gemäß § 321a ZPO, die Abhilfe bei Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör schafft, ist subsidiär und nicht gegeben, wenn ein Rechtsmittel statthaft ist (§ 321a Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Es wäre sinnvoll, wenn der Gesetzgeber Abhilfe schaffen würde, zumal Sachverhalte wie dieser aufgrund der nach wie vor mangelhaften Organisation der Behandlung elektronisch eingereichter Schriftsätze durch die Gerichte immer wieder vorkommen werden.

Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um die Sorgfaltspflichten beim elektronischen Versand fristgebundener Schriftsätze.

beA-Versand erfordert keinen Papierausdruck
BGH, Beschluss vom 30. November 2023 – III ZB 4/23

Der III. Zivilsenat befasst sich mit den Anforderungen an die Begründung eines Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

Der Kläger begehrt Ersatz materieller und immaterieller Schäden aufgrund einer Gesundheitsverletzung. Die Klage blieb in erster Instanz erfolglos. Der Kläger legte Berufung ein. Die elektronisch eingereichte Begründung des Rechtsmittels ging erst einen Tag nach Ablauf der maßgeblichen Frist beim Berufungsgericht ein. Dieses lehnte die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ab und verwarf die Berufung als unzulässig.

Die Rechtsbeschwerde des Klägers bleibt ohne Erfolg.

Die Rechtsbeschwerde ist unzulässig, weil der Kläger nicht aufzeigt, dass die angefochtene Entscheidung auf Rechtssätzen beruht, die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweichen.

Das Berufungsgericht hat den Antrag auf Wiedereinsetzung zu Recht als unzureichend angesehen, weil er keine aus sich heraus verständliche, geschlossene Schilderung enthält, weshalb die Frist nicht eingehalten werden konnte.

Die detaillierte Schilderung von Druckerproblemen, die am Tag des Fristablaufs gegen 22:30 Uhr aufgetreten und ein rechtzeitiges Ausdrucken des Schriftsatzes unmöglich gemacht haben sollen, lässt nicht erkennen, was einem rechtzeitigen Versand per beA entgegenstand. Dieser erfordert es nicht, den Schriftsatz auszudrucken, auf Papier zu unterschreiben und wieder einzuscannen. Die beim beA-Versand ohne qualifizierte Signatur gemäß § 130a Abs. 3 Satz 1 ZPO erforderliche einfache Signatur erfordert lediglich eine maschinenschriftliche Wiedergabe des Namens.

Praxistipp: Anwälte, die Schriftsätze vor dem beA-Versand auf Papier durchlesen, unterschreiben und wieder einscannen, sollten organisatorische Vorkehrungen dafür treffen, dass der Versand in dringenden Fällen auch ohne vorherigen Ausdruck erfolgen kann.

Blog powered by Zöller: Wiedereinsetzung trotz Falschadressierung

Es sollte nicht passieren, geschieht aber immer wieder: Der Rechtsanwalt sendet eine Berufungsschrift über sein beA ans falsche Gericht, und zwar so spät, dass der Fehler nicht mehr korrigiert werden kann. Die Verwerfung der Berufung ist unumgänglich, eine Wiedereinsetzung erscheint wegen eindeutigen Anwaltsverschuldens ausgeschlossen. Doch es gibt eine Rettungschance, auf die der BGH im Beschluss v. 10.10.2023 – VIII ZB 60/22 hingewiesen hat (obwohl sie im dortigen Verfahren nicht genutzt wurde).

Denn nach § 130a Abs. 5 Satz 2 ZPO erhält der Absender eines elektronischen Schriftsatzes eine automatisierte Bestätigung über den Zeitpunkt des Eingangs. Wie der BGH bereits wiederholt entschieden hat, muss der Erhalt dieser Bestätigung überprüft und dabei auch kontrolliert werden, ob der richtige Schriftsatz übermittelt wurde und ob er beim richtigen Gericht eingegangen ist (näher dazu Zöller/Greger, ZPO, 35. Aufl. 2024, § 130a ZPO Rn. 24 und § 233 ZPO Rn. 23.15). Der Rechtsanwalt darf diese Prüfung seinem Personal überlassen, sofern er es entsprechend eingewiesen und überwacht hat. Hat er dies aber getan und wurde der Fehler trotzdem nicht erkannt, liegt ein Mitarbeiterverschulden vor, welches der Prozesspartei nicht zugerechnet werden kann und zugleich die Kausalität des ursprünglichen Anwaltsfehlers beseitigt. Wiedereinsetzung ist also möglich.

Es ist daher dringend angeraten, die Kontrolle der Eingangsbestätigung nach § 130a Abs. 5 Satz 2 ZPO entsprechend geschultem Personal zu übertragen und mit dem Wiedereinsetzungsantrag glaubhaft zu machen, dass dies geschehen ist.

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Hinweis: Die Entscheidung vom 10.10.2023 ist während der Drucklegung des neuen Zöller ergangen, wird aber schon jetzt – wie alle künftigen Entscheidungen von größerer Praxisbedeutung – in der Online-Version des Kommentars nachgewiesen.

Anwaltsblog: Welche Pflichten treffen den Rechtsanwalt, der selbst einen fristgebundenen Schriftsatz aus dem beA versendet?

Übermittelt ein Rechtsanwalt einen fristgebundenen Schriftsatz per beA, entsprechen seine Sorgfaltspflichten denjenigen bei Übersendung von Schriftsätzen per Telefax. Dabei gehört die korrekte Eingabe der Empfängernummer zu seinen Sorgfaltsanforderungen. Ob hiervon ausgehend eine Prozessbevollmächtigte, die den Versand der Berufungsschrift über das beA selbst vorgenommen hatte, verpflichtet ist, sich darüber zu vergewissern, dass der – von ihr durchgeführte – Sendevorgang an das zuständige Berufungsgericht als dem richtigen Empfangsgericht adressiert ist, hatte der VIII. Zivilsenat zu entscheiden:

Mit einem an das Landgericht Berlin adressierten Schriftsatz hat die Klägerin Berufung gegen das Urteil des AG Berlin-Schöneberg eingelegt. Dieser Schriftsatz ist als elektronisches Dokument über das beA an das Amtsgericht versandt worden, wo er am letzten Tag der Rechtsmittelfrist -eingegangen ist. Beim (zuständigen) Landgericht ist er nach Weiterleitung durch das Amtsgericht erst nach Fristablauf eingegangen. Ihren Wiedereinsetzungsantrag hat die Klägerin wie folgt begründet: Ihre Prozessbevollmächtigte habe die Berufungsschrift am Vormittag des Tags des Fristablaufs diktiert und nach Vorlage des Diktats und Kontrolle des Schriftsatzes eigenhändig unterschrieben. Sie habe anschließend eine Mitarbeiterin angewiesen, die Berufungsschrift sofort in ihr beA für den Versand einzustellen. Gegen 14 Uhr habe die Kanzleimitarbeiterin ihr mitgeteilt, die beA-Nachricht sei mit Ausnahme der qualifizierten elektronischen Signatur sofort versandfertig an das Berufungsgericht. Die Prozessbevollmächtigte habe sich sofort in ihren beA-Account eingeloggt, die Berufungsschrift sowie die Anlage jeweils einzeln mit ihrer qualifizierten elektronischen Signatur versehen und den „Senden-Button gedrückt“. Anschließend habe sie die Akte wieder an die Angestellte mit der Anweisung übergeben, den Versand zu überprüfen. Auf spätere Nachfrage habe diese versichert, der Versand sei ordnungsgemäß erfolgt. Tatsächlich aber sei durch ein unerklärliches Versehen der Mitarbeiterin beim Einstellen der beA-Nachricht in das Postfach der Prozessbevollmächtigten der Klägerin bei der Auswahl des Empfängers über die globale Adressliste das Amtsgericht Schöneberg anstelle des Landgerichts Berlin ausgesucht worden, obwohl die Berufungsschrift (richtig) an das Landgericht adressiert gewesen sei.

Der Wiedereinsetzungsantrag hat keinen Erfolg. Die Prozessbevollmächtigte der Klägerin hätte, als sie die Berufungsschrift selbst über das beA versandte, ohne Weiteres und rechtzeitig die Fehlerhaftigkeit der zuvor von ihrer Mitarbeiterin getroffenen Auswahl des Amtsgerichts als Empfänger der Nachricht erkennen können und korrigieren müssen. Ein Rechtsanwalt hat durch organisatorische Vorkehrungen sicherzustellen, dass ein fristgebundener Schriftsatz rechtzeitig gefertigt wird und innerhalb der laufenden Frist beim zuständigen Gericht eingeht. Entschließt er sich, einen fristgebundenen Schriftsatz selbst bei Gericht einzureichen, hat er auch in diesem Fall geeignete Maßnahmen zu treffen, um einen fristgerechten Eingang zu gewährleisten.    Hiervon ausgehend war die Prozessbevollmächtigte der Klägerin, die den Versand der Berufungsschrift über das beA selbst vorgenommen hatte, verpflichtet, sich darüber zu vergewissern, dass der – von ihr durchgeführte – Sendevorgang an das zuständige Berufungsgericht als dem richtigen Empfangsgericht adressiert ist. Dies hat sie nicht mit der gebotenen Sorgfalt getan. Die Prozessbevollmächtigte der Klägerin konnte beim Versand der Berufungsschrift aus der beA-Webanwendung den Adressaten ihrer Nachricht – ähnlich einer E-Mail – dem deutlich sichtbaren Empfängerfeld entnehmen. Für sie war somit erkennbar, wohin sie die beA-Nachricht schickt, wenn sie, wie von ihr ausgeführt, auf den „Senden-Button gedrückt“ hat. Es musste ihr ohne Weiteres auffallen, dass es sich bei dem ausgewählten Amtsgericht nicht um das zuständige Gericht für die Einlegung einer Berufung handeln konnte. Zudem muss ein Rechtsanwalt, auch soweit er sich grundsätzlich auf seine Mitarbeiter verlassen kann, selbst tätig werden und für die ordnungsgemäße Erfüllung der betreffenden Aufgabe Sorge tragen, wenn für ihn bei gehöriger Aufmerksamkeit und Sorgfalt erkennbar ist, dass seinem Büropersonal im Rahmen des ihm übertragenen Aufgabenkreises Fehler unterlaufen sind oder es Anweisungen nicht beachtet hat. Dies ist hinsichtlich des von der Kanzleimitarbeiterin im beA ersichtlich unzutreffend ausgewählten erstinstanzlichen Gerichts als Adressat für die Berufungsschrift der Fall. Die Prozessbevollmächtigte der Klägerin hätte ohne weiteres – insbesondere ohne Abgleich mit dem Schriftsatz – und rechtzeitig erkennen können, dass ihre Mitarbeiterin nicht das richtige Gericht im Empfängerfeld der beA-Nachricht ausgewählt hatte, und hätte dies vor dem Absenden korrigieren müssen.

(BGH, Beschluss vom 10. Oktober 2023 – VIII ZB 60/22)

 

Fazit: Ein Prozessbevollmächtigter, der den Versand der Berufungsschrift über das beA selbst vornimmt, ist verpflichtet, sich darüber zu vergewissern, dass der – von ihm durchgeführte – Sendevorgang an das zuständige Berufungsgericht als das richtige Empfangsgericht adressiert ist.

Anwaltsblog: (Klassischer) beA-Anwendungsfehler – sicherer Übermittlungsweg nicht gewahrt!

Elektronische Dokumente, die von Rechtsanwälten an Gerichte übermittelt werden, müssen entweder mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden, wie der Kartellsenat des BGH betont:

Eine am letzten Tag der Frist als elektronisches Dokument übermittelte Beschwerdebegründung wurde nicht qualifiziert, sondern lediglich einfach signiert. Versendet wurde sie nicht aus dem beA des Rechtsanwalts B oder des Rechtsanwalts C, die beide das Dokument einfach signiert haben, sondern aus dem beA der Rechtsanwältin D, die das Dokument nicht signiert hat. Ein (einfach) signiertes Dokument muss auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden (§ 130a Abs. 3 ZPO). Als sicher gilt gemäß § 130a Abs. 4 Nr. 2 ZPO der Übermittlungsweg zwischen einem beA und der elektronischen Poststelle des Gerichts. Voraussetzung ist, dass die den Schriftsatz verantwortende Person das Dokument selbst versendet. Weil dies nicht der Fall war und die Begründung somit nicht der gesetzlichen Form entspricht, wurde die Begründungsfrist nicht gewahrt.

Es ist auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Die Partei muss sich das Verschulden von Rechtsanwältin D zurechnen lassen. Gemäß § 85 Abs. 2 ZPO steht das Verschulden des Bevollmächtigten dem Verschulden der Partei gleich. Als Bevollmächtigter ist auch ein Rechtsanwalt anzusehen, der als Angestellter oder freier Mitarbeiter des Verfahrensbevollmächtigten von diesem mit der selbstständigen Bearbeitung eines Rechtsstreits betraut worden ist und der nicht als bloßer Hilfsarbeiter in untergeordneter Funktion tätig geworden ist. Nach diesem Maßstab ist Rechtsanwältin D als Bevollmächtigte anzusehen. Rechtsanwältin D hat an der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde umfangreich mitgewirkt und wurde von Rechtsanwalt B zur Einreichung der Nichtzulassungsbeschwerdebegründung unterbevollmächtigt. Danach hätte Rechtsanwältin D die Nichtzulassungsbeschwerdebegründung signieren und aus ihrem beA versenden müssen. Sie hätte also nach außen hin den Inhalt der Beschwerdebegründung verantworten sollen. Diese Tätigkeit geht über eine bloße Hilfstätigkeit hinaus. Bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt hätte Rechtsanwältin D erkennen müssen, dass die Einreichung eines nicht von ihr signierten Schriftsatzes über ihr beA nicht den Formerfordernissen des § 130a Abs. 3 ZPO entspricht.

Ein Wiedereinsetzungsgrund ergibt sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer für das Versäumnis mitursächlichen Pflichtverletzung des Gerichts, weil der gerichtliche Hinweis auf die Fristversäumnis erst ca. 1,5 Jahre nach Einreichung des Schriftsatzes erfolgt ist. Die Fristversäumnis ist nicht deshalb als unverschuldet anzusehen, weil durch die verzögerte Hinweiserteilung die für eine Wiedereinsetzung regelmäßig erforderliche Glaubhaftmachung erschwert worden wäre, was im Hinblick auf Art. 6 Abs. 1 EMRK, Art. 19 Abs. 4, Art. 20 Abs. 3 GG nicht der Prozesspartei angelastet werden darf. Es kann dahinstehen, ob die Verzögerung eines gerichtlichen Hinweises im besonderen Einzelfall dazu führen kann, dass eine Glaubhaftmachung der den Wiedereinsetzungsantrag begründenden Tatsachen nicht erforderlich ist. Denn der Wiedereinsetzungsantrag ist nicht aufgrund einer fehlenden Glaubhaftmachung der für eine Wiedereinsetzung relevanten Tatsachen unbegründet. Die schuldhafte Pflichtverletzung der Rechtsanwältin D steht vielmehr fest. Der Verfahrensbevollmächtigte eines Beteiligten muss alles ihm Zumutbare tun und veranlassen, damit die Frist zur Einlegung oder Begründung eines Rechtsmittels gewahrt wird. In seiner eigenen Verantwortung liegt es, das Dokument gemäß den gesetzlichen Anforderungen entweder mit einer qualifizierten elektronischen Signatur zu versehen oder das einfach signierte elektronische Dokument auf einem sicheren Übermittlungsweg persönlich einzureichen, damit die Echtheit und die Integrität des Dokuments wie bei einer persönlichen Unterschrift gewährleistet sind. Dieser Verantwortung sind weder die Rechtsanwälte B und C, die die Nichtzulassungsbeschwerdebegründung einfach signiert haben, noch Rechtsanwältin D, die den Schriftsatz ohne ihn zu signieren über ihr beA eingereicht hat, nachgekommen.

(BGH, Beschluss vom 12. September 2023 – KVZ 64/21)

Fazit: Jeder beA-Nutzer muss sich die beiden Möglichkeiten der Übermittlung elektronischer Dokumente an Gerichte vergegenwärtigen. Wenn das Dokument nicht qualifiziert signiert ist, reicht die einfache Signatur (= Unterschrift) nur aus, wenn das Dokument aus dem beA des Signierenden versendet wird.