Diese Woche geht es um die Sorgfaltspflichten beim Versand einer Rechtsmittelschrift per beA
Überprüfung der Adressierung vor Versenden einer Berufungsschrift
BGH, Beschluss vom 26. Januar 2023 – I ZB 42/22
Der I. Zivilsenat befasst sich mit der Pflicht zur Überprüfung eines nach Weisung erstellten Schriftsatz-Entwurfs.
Die auf Zahlung von Maklervergütung gerichtete Klage war beim LG erfolglos geblieben. Einen Tag vor Ablauf der Berufungsfrist ging kurz vor 19 Uhr eine per beA übersandte, an das LG adressierte Berufungsschrift im elektronischen Postfach des LG ein. Das LG verfügte zwei Tage später die Weiterleitung an das OLG. Das OLG versagte die beantragte Wiedereinsetzung und verwarf die Berufung als unzulässig.
Die Rechtsbeschwerde des Klägers bleibt ohne Erfolg.
Die Berufung ist nicht fristgerecht eingegangen. Dass die elektronischen Postfächer des LG und des OLG auf demselben Server betrieben werden, ist unerheblich. Maßgeblich ist, dass der Schriftsatz an das Postfach des LG adressiert war, in diesem Postfach ankam und erst nach Fristablauf im Postfach des OLG eintraf.
Eine Versehen der Büroangestellten des Prozessbevollmächtigten bei der Adressierung des Schriftsatzes vermag die beantragte Wiedereinsetzung nicht zu rechtfertigen. Der Prozessbevollmächtigte hätte vor dem Versand prüfen müssen, ob das Rechtsmittelgericht in dem Schriftsatz zutreffend bezeichnet ist. Dann hätte er bemerkt, dass die Berufung versehentlich an das LG gerichtet war.
Der Fehler ist für die Versäumung der Frist ursächlich geworden. Der Prozessbevollmächtigte durfte zwar darauf vertrauen, dass das LG den Schriftsatz im ordentlichen Geschäftsgang an das zuständige Gericht weiterleitet. Eine Überprüfung und Weiterleitung noch am Tag des Eingangs oder am Tag darauf gehören aber nicht zum ordentlichen Geschäftsgang.
Praxistipp: In der Anwaltskanzlei sollte durch geeignete Organisationsmaßnahmen sichergestellt werden, dass jeder fristgebundene Schriftsatz vor dem Versand durch den Anwalt inhaltlich überprüft wird und dass nach jeder Änderung – und sei sie noch so geringfügig – eine erneute Prüfung stattfindet.
Überprüfung der erfolgreichen Übermittlung per beA
BGH, Beschluss vom 18. April 2023 – VI ZB 36/22
Der VI. Zivilsenat zeigt (erneut) auf, welche Kriterien erfüllt sein müssen, damit von einer erfolgreichen Übermittlung ausgegangen werden kann.
Das AG wies die auf Ersatz von materiellen und immateriellen Schäden aus einem Verkehrsunfall gerichtete Klage mit Urteil vom 25. Januar 2022 ab. Nach Ablauf der Berufungsfrist legte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin ein beA-Prüfprotokoll vor, das sich auf eine Berufungsschrift bezieht und unter anderem folgende Vermerke enthält:
MESSAGE_ZEITPUNKT_INITIIERUNG_VERSAND
15.02.2022 12:18:00
Eingang auf dem Server
15.02.2022 12:12:03 (lokale Serverzeit)
Das LG versagte die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und verwarf die Berufung als unzulässig.
Die Rechtsbeschwerde der Klägerin bleibt ohne Erfolg.
Der Prozessbevollmächtigte durfte aufgrund der oben wiedergegebenen Angaben im Prüfprotokoll nicht davon ausgehen, dass die Berufungsschrift beim LG eingegangen ist. Aus dem Prüfprotokoll ergibt sich nur, zu welchem Zeitpunkt der Versand begonnen wurde und zu welchem Zeitpunkt die Nachricht auf dem für den Versand benutzten Server eingegangen ist.
Maßgeblich ist hingegen der Eingang auf dem für den Empfang bestimmten Server. Dieser wird durch folgende Einträge im so genannten Übermittlungsbericht dokumentiert:
Übermittlungscode Meldungstext |
Übermittlungsstatus |
request executed |
erfolgreich |
Im Streitfall enthielten diese Rubriken keinen Eintrag.
Praxistipp: Hinweise zum Inhalt der beA-Protokolle finden sich (nach wie vor aktuell) im beA-Newsletter 31/2019 vom 17. Oktober 2019 (https://www.brak.de/fileadmin/05_zur_rechtspolitik/newsletter/bea-newsletter/2019/ausgabe-31-2019-v-17102019.html)