Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um die Bezugsberechtigung aus einer gekündigten, aber beim Versterben des Versicherten noch nicht beendeten Lebensversicherung.

Kündigung einer Lebensversicherung und Widerruf der Bezugsberechtigung
BGH, Urteil vom 22. März 2023 – IV ZR 95/22

Der IV. Zivilsenat befasst sich mit der Frage, ob es Erfahrungssätze für die Auslegung einer Erklärung gibt, mit der eine Lebensversicherung gekündigt wird.

Die Mutter der Beklagten (nachfolgend: Erblasserin) hatte bei der Klägerin eine Rentenversicherung gegen Einmalzahlung von 20.000 Euro abgeschlossen, aus der sie ab September 2012 eine vierteljährliche Rente von rund 180 Euro erhielt. Bei Abschluss der Versicherung bestimmte die Erblasserin ihren Lebensgefährten widerruflich zum Bezugsberechtigten im Todesfall. Im Februar 2019 erklärte die Erblasserin die Kündigung der Versicherung zum 1. April. Im Kündigungsschreiben bat sie um Überweisung des Restbetrags auf ihr Konto. Die Klägerin zahlte bereits im März rund 16.000 Euro an die Erblasserin aus. Einen Tag nach Gutschrift dieses Betrags verstarb die Erblasserin. Ihre Alleinerbin ist die Beklagte. Von dieser verlangt die Klägerin die Rückzahlung des ausgezahlten Betrags.

Das LG verurteilte die Beklagte antragsgemäß. Das OLG wies die Klage bis auf einen Restbetrag von rund 950 Euro ab.

Der BGH stellt das erstinstanzliche Urteil wieder her.

Wie die Vorinstanzen qualifiziert der BGH den Versicherungsvertrag als Lebensversicherung, weil er eine Auszahlung für den Todesfall vorsieht. Da die Erblasserin vor Beendigung des Vertrags verstorben ist, steht der im Todesfall zu zahlende Betrag dem Bezugsberechtigten zu. Dies war ursprünglich nicht die Erblasserin, sondern deren Lebensgefährte. Entgegen der Auffassung des OLG hat die Erblasserin dieses Bezugsrecht nicht konkludent widerrufen.

Das OLG hatte angenommen, eine Kündigungserklärung sei im Regelfall dahin auszulegen, dass der Versicherungsnehmer konkludent auch ein zu Gunsten eines Dritten bestehendes Bezugsrecht widerrufe. Dies entspreche der regelmäßigen Interessenlage. Ähnlich hat mehrfach der IX. Zivilsenat des BGH für den Fall entschieden, dass ein Insolvenzverwalter die weitere Erfüllung eines Lebensversicherungsvertrags ablehnt.

Der IV. Zivilsenat tritt dieser Auffassung für die Konstellation des Streitfalls nicht bei.

Sofern aus dem Kündigungsschreiben nicht hervorgeht, aus welchen Gründen die Kündigung erfolgt, ist für den Versicherer nicht erkennbar, welche Dispositionen der Versicherungsnehmer für den Fall seines Todes treffen möchte. Ein konkludenter Widerruf der Bezugsberechtigung kann bei dieser Ausgangslage nur dann angenommen werden, wenn sich aus dem Kündigungsschreiben selbst oder aus sonstigen für den Versicherer erkennbaren Umständen konkrete Anhaltspunkte für einen diesbezüglichen Willen ergeben. Solche Anhaltspunkte gab es – anders als bei der Erfüllungsverweigerung durch einen Insolvenzverwalter – im Streitfall nicht. Deshalb steht die für den Todesfall vorgesehene Zahlung dem früheren Lebensgefährten der Erblasserin zu.

Praxistipp: Für den Widerruf eines Bezugsrechts sehen die Allgemeinen Versicherungsbedingungen in der Regel eine besondere Form vor. Im hier entschiedenen Fall war Schriftform vorgeschrieben. Nach neueren Verträgen reicht oft Textform.

Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um einen Mietvertrag mit besonderem Gegenstand.

Vertrag über die Aufstellung eines Geldautomaten als Mietvertrag
Urteil vom 4. November 2020 – XII ZR 104/19

Mit unterschiedlichen Arten von Automatenaufstellverträgen befasst sich der XII. Zivilsenat.

Der Betreiber einer Pizzeria hatte im Juni 2015 eine Teilfläche seines Lokals gegen eine monatliche Miete von 350 Euro zum Betrieb eines Geldautomaten an die Beklagte vermietet. Die Vertragslaufzeit beträgt fünf Jahre mit Verlängerungsmöglichkeit. Im August 2017 kündigte der Vermieter das Mietverhältnis zum Jahresende. Die Beklagte wies die vorzeitige Kündigung zurück und bestätigte eine fristgerechte Kündigung zum 31.03.2020. Die Klägerin, die die Fläche für die Aufstellung eines eigenen Geldautomaten nutzen will, begehrt aus abgetretenem Recht des Vermieters die Räumung. Das LG verurteilte die Beklagte antragsgemäß. Das OLG wies die Klage ab.

Die Revision der Klägerin führt zur Wiederherstellung des erstinstanzlichen Räumungsurteils – allerdings nur deshalb, weil die fünfjährige Laufzeit des Vertrags mittlerweile beendet ist.

Der BGH tritt dem OLG darin bei, dass der Vertrag über die Aufstellung des Geldautomaten als Raummietvertrag zu qualifizieren ist. Anders als bei Verträgen über die Aufstellung von Spielautomaten – bei denen die Eingliederung des Automaten in den Betrieb der Gaststätte im Vordergrund steht und die deshalb als Gestattungsvertrag eigener Art anzusehen sind – geht es bei Geldautomaten im Wesentlichen um die Überlassung der benötigten Fläche.

Der BGH tritt dem OLG auch darin bei, dass die Vereinbarung über die Mindestlaufzeit von fünf Jahren formwirksam ist. Beim Abschluss des Vertrags haben die Vertragsparteien die in § 550 Satz 1 BGB vorgeschriebene Form zwar nicht gewahrt, weil sie nur die Vorderseite des beidseitig bedruckten Vertragsformulars unterschrieben haben. Ein wenige Monate später vereinbarter Nachtrag, der inhaltlich auf den ursprünglichen Vertrag Bezug nimmt, ist aber ordnungsgemäß unterschrieben. Dies reicht für die Einhaltung der – weniger strengen Anforderungen als nach § 126 BGB – unterliegenden Schriftform nach § 550 Satz 1 BGB aus.

Die Revision bleibt im Ergebnis dennoch erfolglos, weil die vereinbarte Laufzeit mittlerweile beendet ist. Dieser Umstand ist zwar erst während des Revisionsverfahrens eingetreten. Der BGH darf ihn aber berücksichtigen, weil er unstreitig ist und schützenswerte Belange einer Partei nicht entgegenstehen. Das Vorbringen der Beklagten, sie habe während des Revisionsverfahrens mit dem Vermieter einen neuen Vertrag geschlossen und sei deshalb wieder zum Besitz berechtigt, lässt der BGH demgegenüber unberücksichtigt, weil es streitig geblieben ist.

Praxistipp: Will der Beklagte in der gegebenen Konstellation ein allein aufgrund des Zeitablaufs ergehendes Räumungsurteil vermeiden, muss er den neuen Mietvertrag vor der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz abschließen und den Abschluss des Vertrags spätestens in dieser Verhandlung vortragen.

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Diese Woche geht es um Hinweispflichten des Verkäufers einer Immobilie.

Keine Pflicht des Verkäufers zu Hinweis auf Kündigung der Gebäudeversicherung
Urteil vom 20. März 2020 – V ZR 61/19

Mit einer zwar nur ein Detail betreffenden, aber dennoch grundsätzlichen Frage befasst sich der V. Zivilsenat.

Der Kläger hatte von den Beklagten im Februar 2017 ein Hausgrundstück gekauft. Die Übergabe erfolgte Anfang April. Kurz zuvor hatte die von den Beklagten unterhaltene Wohngebäudeversicherung den Versicherungsvertrag auf Anfang Mai gekündigt. Mitte Juni kam es zu einem schweren Unwetter, bei dem das Dach des Gebäudes nach dem Vorbringen des Klägers stark beschädigt wurde. Die Klage auf Ersatz der Reparaturkosten in Höhe von rund 38.000 Euro blieb in den beiden ersten Instanzen erfolglos.

Die Revision des Klägers hat ebenfalls keinen Erfolg. Der BGH tritt den Vorinstanzen darin bei, dass keine Gewährleistungsansprüche bestehen, weil die Gefahr bereits bei Übergabe auf den Kläger übergegangen war. Die Beklagten waren auch nicht verpflichtet, den Kläger auf das Auslaufen des Gebäudeversicherungsvertrags hinzuweisen. Der Erwerber eines Grundstücks tritt zwar gemäß § 95 Abs. 1 VVG in die Rechte und Pflichten eines bestehenden Versicherungsvertrags ein. Dennoch liegt es in seiner Verantwortung, rechtzeitig abzuklären, ob Versicherungsschutz besteht, und zwar unabhängig davon, ob der Abschluss einer solchen Versicherung üblich ist. Der Verkäufer muss auf die Beendigung eines bestehenden Vertrags nur dann hinweisen, wenn er zuvor mitgeteilt hat, dass Versicherungsschutz besteht. Eine solche Mitteilung hatte es im Streitfall nicht gegeben.

Praxistipp: Ein Grundstückskäufer sollte darauf achten, dass die Mitteilung über das Bestehen von Versicherungsschutz in den Kaufvertrag aufgenommen wird. Der Verkäufer ist aber auch dann zu einem Hinweis auf eine spätere Veränderung verpflichtet, wenn er die Mitteilung auf anderem Wege abgegeben hat.

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Um eine besondere Form der Veräußerung einer Mietwohnung geht es in dieser Woche.

Veräußerung eines Miteigentumsanteils an einer vermieteten Wohnung an den anderen Miteigentümer
Beschluss vom 9. Januar 2019 –VIII ZB 26/17

Mit einem besonderen Aspekt des Grundsatzes „Kauf bricht nicht Miete“ befasst sich der VIII. Zivilsenat.

Die Klägerin und ihr Ehemann waren Miteigentümer eines Zweifamilienhauses. Eine der Wohnungen vermieteten sie an den Beklagten. Später übertrug der Ehemann seinen Miteigentumsanteil auf die Klägerin, die dadurch Alleineigentümerin wurde. Wiederum später kündigte die Klägerin, die die andere Wohnung in dem Haus bewohnt, den Mietvertrag gemäß § 573a BGB. Der Beklagte zog erst aus, nachdem die Klägerin auf Räumung geklagt hatte. Das AG legte die Kosten des Rechtsstreits gemäß § 91a ZPO dem Beklagten auf. Die dagegen gerichtete Beschwerde blieb ohne Erfolg.

Der BGH legt die Kosten des Rechtsstreits der Klägerin auf. Die Kündigungserklärung hätte durch die Klägerin und deren Ehemann gemeinsam erfolgen müssen. Der Ehemann ist mit der Veräußerung des Miteigentumsanteils nicht aus dem Mietvertrag ausgeschieden. § 566 Abs. 1 BGB ist nicht unmittelbar anwendbar, weil die Mietsache nicht an einen Dritten veräußert wurde. Eine entsprechende Anwendung scheidet mangels vergleichbarer Interessenlage aus. § 566 Abs. 1 BGB dient dem Zweck, den Erwerber an das Mietverhältnis zu binden. Dieser Zweck ist nicht berührt, wenn der Erwerber bereits Partei des Mietvertrags ist.

Praxistipp: In der gegebenen Konstellation darf die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen werden, weil das Verfahren nach § 91 ZPO nicht dazu dient, grundsätzliche Fragen des materiellen Rechts zu klären. Die vom Beschwerdegericht ausgesprochene Zulassung ist für den BGH aber bindend.

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Mit der rechtlichen Möglichkeit einer dauerhaften Vermietung befasst sich der VIII. Zivilsenat.

Wohnungsmietvertrag mit dauerhaften Ausschluss des Rechts zur ordentlichen Kündigung
Urteil vom 8. Mai 2018 – VIII ZR 200/17

Der VIII Zivilsenat lässt einen dauerhaften Ausschluss des Rechts zur ordentlichen Kündigung eines Wohnungsmietvertrags grundsätzlich zu.

Die Rechtsvorgänger des Klägers hatten an die Beklagten eine Wohnung in einem Zweifamilienhaus vermietet. In dem Mietvertragsformular hatten die Vertragsparteien eine Klausel angekreuzt, wonach beide Parteien nicht berechtigt sind, das Vertragsverhältnis ordnungsgemäß zu kündigen. Die im Formulartext enthaltene Passage, wonach dies nur für die ersten vier Jahre gilt, hatten sie durchgestrichen. Zwei Jahre später erwarb der Kläger das Anwesen. Er kündigte den Mietvertrag wegen Eigenbedarfs. Seine Räumungsklage blieb in erster Instanz erfolglos. Das LG verurteilte die Beklagten zur Räumung.

Die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten führt zur Zurückverweisung der Sache an das LG. Dieses hat Vortrag der Beklagten übergangen, aus dem sich ergibt, dass die Vereinbarung über den Ausschluss des Kündigungsrechts individuell vereinbart wurde. Die Entscheidung des LG, das in der Klausel eine unwirksame Allgemeine Geschäftsbedingung gesehen hat, kann deshalb keinen Bestand haben. In einer Individualabrede kann das Recht zur ordentlichen Kündigung eines Wohnungsmietvertrags grundsätzlich dauerhaft ausgeschlossen werden. Eine Grenze bildet lediglich § 138 BGB. Nicht abschließend entschieden hat der BGH die Frage, ob entsprechend § 544 BGB nach Ablauf von dreißig Jahren eine außerordentliche Kündigung zulässig ist.

Praxistipp: Wenn die Wirksamkeit einer Vereinbarung davon abhängt, ob sie als Individualvereinbarung oder als Allgemeine Geschäftsbedingung einzustufen ist, sollte die begünstigte Partei die Umstände, die für eine Individualvereinbarung sprechen, möglichst umfassend vortragen und unter Beweis stellen.

OLG Düsseldorf / OLG München: Kündigung des Telefonanschlusses bei Umzug erst bei Umzug möglich

Durch § 46 Abs. 8 S. 3 TKG ist eine bis dahin in der Rechtsprechung teils gelebte Praxis in das Gesetz gelangt: Wer umzieht und am Zielort nicht die (zumindest) identische Leistung von Telekommunikdationsdiensten erbracht bekommt, kann vor Ablauf der regulären Vertragslaufzeit aus dem Vertrag aussteigen. Dies soll mit einer Dreimonatsfrist möglich sein (dazu eingehend: Böse in: MMR-Aktuell 2012, 334893)

Anbieter von öffentlich zugänglichen Telekommunikationsdiensten haben dies seitdem regelmäßig zum Anlass genommen, die unklare Regelung, zu der auch in der Hinsicht keine Gesetzgebungsmaterialien vorhanden sind, zu ihren Gunsten auszulegen. Die drei Monate, so die Anbieter, beginnen erst mit dem Umzug. Die Folge: Der Kunde zahlt noch drei weitere Monate für eine nicht erbrachte Leistung.

Diese, in meinen Augen rechtswidrige Auffassung, wurde nun gleich von zwei Gerichten bestätigt: Sowohl das OLG München, als auch das OLG Düsseldorf halten dieses vorgehen für lauterkeitsrechtlich zulässig, also für mit dem Gesetzteswortlaut vereinbar. Als Argument soll angeführt worden sein, dass andernfalls ein hohes Missbrauchspotential bestünde, falls ein angekündigter Umzug dann doch nicht durchgeführt würde.

Kommentar

Wenn auch die Entscheidungsgründe noch nicht veröffentlicht sind, ist es schwer vorstellbar, dass die Entscheidungen im Wesentlichen auf dieser Erwägung beruhen sollen: Ein vorgetäuschter Umzug führt eben nicht zur wirksamen Kündigung sondern dazu, dass weiterhin Monatsentgelte geschuldet sind. Der Überwachungsaufwand ist dabei auch nicht größer, als bisher, sollten die Anbieter tatsächlich die Vorlage einer Meldebescheinigung verlangen. Käme es zu Mehrkosten durch die neuerliche Bestellung einer Teilnehmeranschlussleitung (TAL), so wären diese Kosten als Schadensersatz vom pflichtwidrig handelnden Kunden zu tragen.

Auch im Übrigen hier den Kunden heranziehen zu wollen, damit sich etwaige Investitionen des Anbieters amortisieren, ist unpassend. Einerseits kann eine erstmalige Mindestvertragslaufzeit zum Zwecke der Amortisation bereits verstreichen sein, wenn der Kunde umzugsbedingt kündigt. Andererseits führ die Lesart des § 46 Abs. 8 S. 3 TKG dazu, dass „faule“ Anbieter belohnt werden: Wer fleissig in den Netzausbau investiert und an vielen Orten seine Leistungen anbietet, vielleicht auch auf neue Technologien wie LTE setzt, führt schlicht nach einem Umzug den Vertrag mit dem Kunden fort und erhält die geschuldete Vergütung im Gegenzug zu erbrachten TK-Leistungen. Wer sich nur auf besonders lukrative Regionen konzentriert, den Ausbau daher in dünn besiedelten Gebieten nur schwach vorantreibt oder gar keine Leistungen dort anbietet, muss eben zurückstecken. Bei einer durchschnittlichen jährlichen Umzugsquote von 9 % gehört ein Umzug aufgrund der geänderten Anforderungen insbesonderes der beruflichen Entwicklung nun einfach zur Normalität.

OLG München, Urteil vom 18. Januar 2018, Az.: 29 U 757/17

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Schriftform, Heilungsklausel, Treu und Glauben
Urteil vom 27. September 2017 – XII ZR 114/16

Mit der Kündigung eines langfristigen Mietvertrags über Gewerberäume befasst sich der XII. Zivilsenat.

Die Parteien hatten im Jahr 1998 einen langfristigen Mietvertrag über Ladenräume geschlossen. Ende 2009 hatten sie in einem schriftlichen Nachtrag die Verlängerung der Mietzeit bis Ende Mai 2020 vereinbart. Anfang 2011 bat die Klägerin schriftlich darum, die im Vertrag enthaltene Wertsicherungsklausel zu ihren Gunsten zu ändern. Der Beklagte schickte dieses Schreiben mit dem unterschriebenen Vermerk „einverstanden“ zurück. Mitte 2014 kündigte die Klägerin den Vertrag zum 31.12.2014. Ihr Räumungsbegehren blieb in den beiden ersten Instanzen erfolglos.

Die Revision der Klägerin bleibt ohne Erfolg. Der Vertrag gilt zwar gemäß § 550 BGB als auf unbestimmte Zeit geschlossen, weil die im Jahr 2011 getroffene Vereinbarung über die Änderung der Wertsicherungsklausel nicht die erforderliche Bezugnahme auf den Ausgangsvertrag enthält und deshalb dem Schriftformerfordernis des § 550 BGB nicht genügt. Abweichend vom OLG hält der BGH die Kündigung nicht deshalb für treuwidrig, weil der ursprüngliche Vertrag eine so genannte Schriftformheilungsklausel enthält, die die Pflicht vorsieht, alle Erklärungen abzugeben, die zur Einhaltung der gesetzlichen Schriftform erforderlich ist. Eine solche Klausel ist nach Auffassung des BGH mit dem Schutzzweck des § 550 ZPO nicht vereinbar. Im Streitfall hält der BGH die Kündigung aber dennoch für treuwidrig, weil die Vereinbarung, die zur Formunwirksamkeit geführt hat, allein der Klägerin vorteilhaft ist.

Praxistipp: Um nicht auf die Grundsätze von Treu und Glauben angewiesen zu sein, sollte bei jeder nachträglichen Änderung eines langfristigen Mietvertrags sorgfältig darauf geachtet werden, dass die Anforderungen an die Einhaltung der in § 550 BGB vorgeschriebenen Form gewahrt sind. Dafür ist unerlässlich, dass der Nachtrag eine Bezugnahme auf alle für den Vertragsinhalt relevanten früheren Vereinbarungen enthält.

Neuerung in § 309 Nr. 13 BGB: Textform für Erklärungen ausreichend

Fast still und heimlich hat sich eine neue Regelung in die AGB-Regelungen des BGB geschlichen, § 309 Nr. 13 besagt:

§ 309 Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit

Auch soweit eine Abweichung von den gesetzlichen Vorschriften zulässig ist, ist in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam

[…]eine Bestimmung, durch die Anzeigen oder Erklärungen, die dem Verwender oder einem Dritten gegenüber abzugeben sind, gebunden werden

a) an eine strengere Form als die schriftliche Form in einem Vertrag, für den durch Gesetz notarielle Beurkundung vorgeschrieben ist oder

b) an eine strengere Form als die Textform in anderen als den in Buchstabe a genannten Verträgen oder

c) an besondere Zugangserfordernisse;

Diese Regelung führt im Rechtsverkehr zu erheblichen Erleichterungen. Immer dann, wenn AGB im Spiel sind (und nicht ausnahmsweise § 309 nicht anwendbar ist, z.B. § 310 BGB) haben Vertragspartner die Möglichkeit, Erklärungen auch in Textform abzugeben. Die Regelung gilt für Verträge, die nach dem 30.09.2016 geschlossen wurden (Art. 229 § 37 EGBGB), wobei der BGH auch für davor geschlossene Verträge ein „Türchen“ gegen Schriftformklauseln geöffnet hatte.

Übrigens: Die Regelung gilt nicht nur für online abgeschlossene Verträge, wenn auch das teilweise in den Medien behauptet wird.

Praxistipp:

Wenn es auf den Zugang einer Erklärung ankommt, kommt man um die Zustellung per Gerichtsvollzieher oder durch einen Boten nicht wirklich herum. Bei weniger gravierenden Erklärungen im Alltag (z.B. Kündigungen von Dauerschuldverhältnissen) dürfte das Fax oder nunmehr auch die E-Mail genügen. Der Nachweis des Zugangs bei einer E-Mail ist nicht sehr einfach, wenn der Empfänger keine Reaktion hierauf versendet. Bei einer E-Mail kann ein Versand der E-Mail an eine (oder mehrere) Personen „im cc“ dazu führen, dass eine E-Mail als zugegangen gil (LG Hamburg Urteil vom 7.7.2009 – 312 O 142/09 MMR 2010, 654). Ein solches Vorgehen empfiehlt sich also und ist umso aussagekräftiger, je mehr Empfänger die Mail in (B)CC erhalten.

BGH zur vorzeitigen Kündbarkeit von Fitnessstudioverträgen

In einer Entscheidung vom 04.05.2016 (Az.: XIII ZR 62/15) hat sich der BGH mit der vorzeitigen Kündbarkeit von Fitnessstudioverträgen befasst. Nach Abschluss eines 24-Monats-Vertrages wurde der Beklagte zum Soldaten auf Zeit ernannt, was mit einigen Wohnortwechseln einherging. Den ersten Wohnortwechsel nahm er zum Anlass, den Vertrages außerordentlich zu kündigen.

Dem BGH zufolge sei eine außerordentliche Kündigung nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes möglich, bei dem unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertrages bis zum vereinbarten Vertragsende für den Kunden unzumutbar ist.

Das Gericht verneint dies bei berufsbedingen Umzügen. Dies käme aber beispielsweise bei nutzungsverhindernden Erkrankungen oder einer Schwangerschaft in Frage.

Zu Recht lehnt der BGH eine analoge Anwendung von § 46 Abs. 8 TKG ab. Es handelt sich hierbei um eine Ausnahmeregelung, die auch zu dem Zweck geschaffen wurde, um TK-Anbietern einen Anreiz für einen möglichst weitgehenden Netzausbau zu geben.

Ob die Ausführungen des BGH tatsächlich vollständig durchdacht sind, ist fraglich. Lässt sich ein Fitnessstudiobetreiber von Anfang an auf einen Vertragspartner ein, der über ein gesteigertes „Versetzungsrisiko“ verfügt, wie z.B. einen Soldaten auf Zeit, scheint es fraglich, ob der Studiobetreiber wirklich vor – nahezu vorhersehbaren – Wohnortwechseln geschützt werden muss. Auch im Übrigen weisen die meisten Beschäftigungsverhältnisse das Risiko auf, aus Sicht des Arbeitnehmers ungewollt beendet zu werden, wobei anschließend an die Mobilität von Arbeitssuchenden hohe Anforderungen gestellt werden. Ein Unterschied zu einer Erkrankung, die der BGH als möglichen Kündigungsgrund nennt, ist nur schwer zu erkennen. Auch die Ausführungen in der DSL-Entscheidung des BGH, in der es um ein  umzugsbedingtes Kündigungsrecht ging, was der BGH nach damaligem Recht ablehnte, wobei er auf hohe Anfangsinvestitionen durch Technikertermine und die Hardwarebereitstellung abstellt, passen zu den Wertungen in diesem Fall nicht wirklich.

Verbrauchern ist nach dieser Entscheidung zu raten, bei Vertragsschluss eine Regelung mit den Vertrag aufzunehmen, die für den Fall des Wohnsitzwechsels ohne Rücksicht auf die Gründe ein außerordentliches Kündigungsrecht einräumt.

Siehe auch zum Thema Kündigung von Fitnessstudio-Verträgen: Blattner, MDR 2012, 743; Diekmann/Lube, MDR 2016, 69.

Zur Pressemitteilung des BGH