Montagsblog: Neues vom BGH

Um die Abgrenzung zwischen Miteigentums- und Mietrecht geht es in dieser Woche.

Überlassung von gemeinschaftlichen Räumen an einen Miteigentümer
Urteil vom 25. April 2018 – VIII ZR 176/17

Der VIII. Zivilsenat befasst sich mit der rechtlichen Einordnung eines Vertrags, mit dem einem Miteigentümer gegen Entgelt die alleinige Nutzung einer Wohnung auf dem gemeinschaftlichen Grundstück gestattet wird.

Die klagenden Eheleute bewohnten auf der Grundlage eines im Jahr 2009 geschlossenen Mietvertrags eine Wohnung in einem Mehrfamilienhaus, das der Klägerin und einigen ihrer Verwandten gemeinschaftlich gehörte. Zum Abschluss des Vertrags verwendeten die Beteiligten ein Formular für einen Wohnungs-Einheitsmietvertrag. Auf Vermieterseite unterschrieben alle Miteigentümer, auf Mieterseite die beiden Kläger. Nach dem Tod eines Miteigentümers erwarb die Beklagte vom Insolvenzverwalter einen Miteigentumsanteil an dem Grundstück. Sie vertrat die Auffassung, der Mietvertrag sei ihr gegenüber nicht bindend. Die Kläger begehrten daraufhin die Feststellung, dass das Mietverhältnis bis auf weiteres fortbesteht und insbesondere nicht durch den Erwerb des Miteigentumsanteils durch die Beklagte beendet worden ist. Die Klage blieb in den ersten beiden Instanzen erfolglos.

Der BGH spricht die begehrte Feststellung aus. Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen steht einem wirksamen Abschluss des Vertrags nicht entgegen, dass die Klägerin diesen sowohl als Mieterin als auch als Vermieterin abgeschlossen hat. Etwas anderes gälte nur dann, wenn auf beiden Seiten vollständige Personenidentität bestände. Der danach wirksam geschlossene Vertrag ist rechtlich nicht als bloße Regelung des Gemeinschaftsverhältnisses gemäß § 745 BGB zu bewerten, sondern – jedenfalls auch – als Wohnungsmietverhältnis. Eine solche Einordnung liegt regelmäßig nahe, wenn einem einzelnen Miteigentümer eine Wohnung gegen Entgelt zur alleinigen Nutzung überlassen wird. Für diese Auslegung spricht im Streitfall zudem, dass der Umfang der eingeräumten Nutzung weit über den Miteigentumsanteil der Klägerin hinausgeht und dass die ursprünglichen Vertragsparteien ein Formular für einen Mietvertrag verwendet haben. Die Einordnung als Mietvertrag führt dazu, dass die Kläger unter dem Kündigungsschutz des Wohnraummietrechts stehen und dass ein neuer Miteigentümer, der Anteile an dem Grundstück erwirbt, gemäß § 566 Abs. 1 BGB an den Mietvertrag gebunden ist. Eine bloße Regelung des Gemeinschaftsverhältnisses im Sinne von § 745 BGB ist für einen neuen Miteigentümer gemäß § 1010 BGB hingegen nur bindend, wenn sie im Grundbuch eingetragen ist. Diese Einschränkung gilt im Falle eines Mietvertrags weder für § 566 Abs. 1 BGB noch für andere Vorschriften des Mietrechts.

Praxistipp: An eine Vertragsdauer von mehr als einem Jahr ist der Erwerber nur dann gebunden, wenn der Mietvertrag den Formerfordernissen des § 550 BGB genügt. Ein nicht wirksam befristeter Wohnraummietvertrag kann allerdings nur nach Maßgabe von § 573 BGB gekündigt werden.

Montagsblog: Neues vom BGH

Eine seit Inkrafttreten des HGB im Jahr 1900 in der Literatur umstrittene Frage ist Gegenstand einer aktuellen Entscheidung.

Handelsgeschäft und unerlaubte Handlung
Urteil vom 27. Februar 2018 – VI ZR 121/17

Der VI. Zivilsenat befasst sich mit der Frage, ob die von einer Mahnung unabhängige Verzinsung nach § 353 HGB auch für Forderungen aus unerlaubter Handlung gilt.

Die Klägerin zu 1 hatte bei der in Italien ansässigen Beklagten zwei Maschinen zum Mischen von Kunststoff gekauft. Knapp acht Jahre nach dem Erwerb kam es zu einem Störfall, bei dem Salzsäure austrat. Dadurch wurden unter anderem technische Einrichtungen des der Klägerin zu 2 gehörenden Fabrikgebäudes beschädigt. Die Klägerin zu 2 verlangte Ersatz der Kosten für die Schadensbeseitigung, Verzugszinsen für den Zeitraum ab der ersten Mahnung und Zinsen gemäß § 353 HGB (in Höhe von rund 112.000 Euro) für den Zeitraum zwischen Schadensentstehung und Mahnung. Die Zinsforderung blieb in erster Instanz erfolglos. Das OLG verurteilte die Beklagte auch insoweit antragsgemäß.

Der BGH verweist die Sache hinsichtlich des Zinsanspruchs an das OLG zurück. Anders als die Vorinstanz hält er § 353 HGB, der bei beiderseitigen Handelsgeschäften eine Verzinsungspflicht ab Fälligkeit vorsieht, für nicht anwendbar, wenn die Hauptforderung auf einer unerlaubten Handlung beruht. Die Gegenauffassung, die die Vorschrift anwenden will, wenn die unerlaubte Handlung in einem inneren Zusammenhang mit einem Handelsgeschäft steht, ermöglicht nach seiner Auffassung keine konsequente Abgrenzung. Zudem hält er eine enge Auslegung der Vorschrift auch deshalb für geboten, weil die ihr zugrunde liegende Erwägung, ein Kaufmann werde ihm zustehendes Geld stets nutzbringend anlegen, unter modernen Verhältnissen ohnehin zweifelhaft sei. Nach Zurückverweisung wird das OLG zu prüfen haben, ob die geltend gemachten Zinsen als eigenständiger Schadensposten zu ersetzen sind, etwa als Finanzierungskosten.

Praxistipp: Eine von einer Mahnung unabhängige Verzinsungspflicht sieht § 849 BGB für den Fall vor, dass wegen Entziehung oder Beschädigung einer Sache Wertersatz zu leisten ist.

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Um die Wahrung des rechtlichen Gehörs bei Nichteinholung eines Sachverständigengutachtens geht es in dieser Woche.

Hinweis auf eigene Sachkunde des Gerichts
Urteil vom 9. Januar 2018 – VI ZR 106/17

Der VI. Zivilsenat befasst sich mit den prozessualen Voraussetzungen für die Ablehnung eines Antrags auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zu einer entscheidungserheblichen Frage.

Die Klägerin nahm den Beklagten nach dem Einsetzen von Zahnimplantaten und einer Kieferbrücke auf Schadensersatz in Anspruch. Sie machte unter anderem geltend, die eingesetzte Brücke sei von ihrer Konstruktion her nicht geeignet gewesen, einen festsitzenden Zahnersatz herzustellen. Zum Beweis dafür bot sie die Einholung eines Sachverständigengutachtens ein. Die Klage blieb in den beiden ersten Instanzen erfolglos.

Der BGH verweist die Sache an das OLG zurück, soweit es um Ersatzansprüche wegen der Zahnbrücke geht. Das OLG hat insoweit den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör verletzt, weil es von der Einholung eines Sachverständigengutachtens abgesehen hat, ohne zuvor darauf hinzuweisen, dass und aus welchem Grund es selbst über die erforderliche Sachkunde verfügt. Zu einem diesbezüglichen Hinweis ist das Gericht auch dann verpflichtet, wenn es aufgrund eigener Sachkunde zu der Einschätzung gelangt, dass die Einholung eines Gutachtens nicht geeignet ist, die entscheidungsrelevante Frage zu klären.

Praxistipp: Wenn das Gericht den gebotenen Hinweis erteilt, und die Partei die Darlegungen zur eigenen Sachkunde für nicht ausreichend hält, muss sie entsprechende Rügen noch in der Berufungsinstanz erheben, um einen Rügeverlust in der Revisionsinstanz zu vermeiden.

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Welche Schwierigkeiten bei der Anrechnung von Teilzahlungen auf offene Mietforderungen entstehen können, zeigt eindrucksvoll eine Entscheidung des VIII. Zivilsenats

Klage auf rückständige Bruttomiete
Urteil vom 21. März 2018 – VIII ZR 68/17

Der VIII. Zivilsenat befasst sich mit der Bestimmtheit eines auf Zahlung rückständiger Bruttomiete gerichteten Klageantrags.

Die Klägerin hatte an den Beklagten eine Wohnung vermietet. Die monatliche Kaltmiete betrug rund 600 Euro, die Vorauszahlung auf die Nebenkosten rund 150 Euro. Die Klage war auf rückständige Miete in Höhe von rund 13.500 Euro für einen Zeitraum von rund 18 Monaten gerichtet. Zur Aufschlüsselung der Klageforderung bezog sie sich auf eine (im Tatbestand des Urteils wiedergegebene) Tabelle, in der für jeden Monat die Miete sowie angefallene Kosten für Rücklastschriften, Mahnungen und Rechtsanwälte, die (nur sehr sporadisch) erbrachten Zahlungen und der insgesamt offene Rückstand aufgelistet waren. Das AG wies die Klage als unzulässig ab. Die Berufung blieb erfolglos.

Der BGH verweist die Sache an das LG zurück. Er zeigt in 55 Randnummern und mit 14 (auf drei Gliederungsebenen verteilten) Leitsätzen auf, dass der Klageantrag entgegen der Auffassung der Vorinstanzen hinreichend bestimmt ist. Zentrale Bedeutung misst er hierbei der Anrechnungsvorschrift des § 366 Abs. 2 BGB bei. Wenn sich aus dem Klagevortrag nichts Abweichendes ergibt, ist davon auszugehen, dass der Kläger die Forderungen einklagt, die sich ergeben, wenn auf die aufgelisteten Ansprüche die angegebenen Zahlungen und Gutschriften nach Maßgabe dieser Vorschrift angerechnet werden. Sie ist sowohl im Verhältnis zwischen den Forderungen für die einzelnen Monate als auch – insoweit analog – im Verhältnis zwischen dem Anspruch auf Kaltmiete und dem Anspruch auf Nebenkostenvorauszahlung für einen einzelnen Monat anzuwenden. Für die Reihenfolge der Anrechnung sind zwei Kriterien maßgeblich: In erster Linie sind die Nebenkosten zu berücksichtigen, weil diese nur in beschränktem Umfang nachgefordert werden können. Innerhalb derselben Kategorie ist zunächst die älteste Forderung zu berücksichtigen.

Praxistipp: Um unnötige Auseinandersetzungen zu vermeiden, dürfte es in der Regel zweckmäßig sein, dass der Kläger die Zuordnung der Zahlungen selbst vornimmt und nicht darauf hofft, dass ihm das Gericht diese Arbeit abnehmen wird. Ergänzend empfiehlt sich die Klarstellung, dass die Anrechnung nach § 366 Abs. 2 BGB erfolgen soll, sofern sich die vorgenommene Zuordnung als unzureichend erweisen sollte.

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Mit den Anforderungen an die Form eines längerfristigen Grundstücksmietvertrags befasst sich der XII. Zivilsenat.

Formwirksamer Mietvertrag in zwei Urkunden mit je einer Unterschrift
Urteil vom 7. März 2018 – XII ZR 129/16

Der XII. Zivilsenat baut seine Rechtsprechung zur zweckorientierten Auslegung des Formerfordernisses in § 550 BGB aus.

Die Parteien stritten über den Fortbestand eines Vertrags über Errichtung und Betrieb einer Photovoltaikanlage. Der Vertrag sah eine Laufzeit von dreißig Jahren und ein einmaliges Nutzungsentgelt von einem Euro vor. Er wurde in zwei Ausfertigungen niedergelegt, von denen jede Vertragspartei nur diejenige unterschrieb, die in ihrem Besitz verblieb. Sieben Monate nach Abschluss kündigte der Vermieter den Vertrag. Kurz darauf veräußerte er das Grundstück an die Beklagte. Diese verweigerte dem Mieter den weiteren Zutritt. Die unter anderem auf Feststellung des Fortbestands des Vertrags gerichtete Klage des Mieters blieb in den ersten beiden Instanzen erfolglos.

Der BGH verweist die Sache an das OLG zurück. Er billigt zwar die von der Rechtsprechung anderer Oberlandesgerichte abweichende Auffassung der Vorinstanz, dass es sich nicht um einen Pacht- sondern um einen Mietvertrag handelt. Anders als das OLG kommt er jedoch zu dem Ergebnis, dass die für die Vereinbarung der Laufzeit erforderliche Form des § 550 BGB eingehalten ist. Wenn ein Vertrag in zwei Ausfertigungen erstellt wird, von denen jede Partei nur eine unterschreibt, genügt dies zwar der gesetzlichen Schriftform nach § 126 Abs. 2 Satz 2 BGB nur dann, wenn jeder Partei die vom jeweils anderen Teil unterschriebene Ausfertigung zugegangen ist. Die besondere Formvorschrift in § 550 BGB dient aber anderen Zwecken, im Wesentlichen der Dokumentation des Mietverhältnisses für den Fall einer Veräußerung des Grundstücks. Hierfür reicht es nach Auffassung des BGH aus, wenn jede Partei die von ihr unterschriebene Ausfertigung behält.

Praxistipp: Wegen des unterschiedlichen Zwecks von § 126 und § 550 BGB darf Rechtsprechung zur einen Vorschrift nie unbesehen auf die anderen übertragen werden – weder in die eine Richtung noch in die andere.

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Mit einem besonderen Unfall im Straßenverkehr befasst sich der VI. Zivilsenat

Kein Direktanspruch des mitfahrenden Kfz-Diebs
Urteil vom 27. Februar 2018 – VI ZR 109/17

Über einen Direktanspruch gegen den Haftpflichtversicherer im Gefolge eines ungewöhnlichen Verkehrsunfalls hatte der VI. Zivilsenat zu entscheiden.

Der damals 15 Jahre alte Geschädigte entwendete zusammen mit dem 16 Jahre alten späteren Schädiger einen Motorroller. Am Tag darauf kollidierte das vom Schädiger gesteuerte Fahrzeug an einer Kreuzung mit einem vorfahrtsberechtigten Pkw. Der als Sozius mitfahrende Geschädigte erlitt dabei unter anderem ein schweres Schädelhirntrauma, das zu starken Sehbehinderungen und motorischen Einschränkungen führte. Acht Jahre nach dem Unfall besuchte er eine Werkstatt für behinderte Menschen. Die klagende Bundesagentur für Arbeit, die hierfür die Kosten zu tragen hatte, nahm den Haftpflichtversicherer des Motorrollers aus übergegangenem Recht auf Ersatz von 50 % dieser Kosten in Anspruch. Das LG wies die Klage ab, das OLG verurteilte die Beklagte antragsgemäß.

Der BGH stellt das erstinstanzliche Urteil wieder her. Mit dem OLG bejaht er einen Anspruch des Geschädigten gegen den Schädiger, weil dieser fahrlässig die Vorfahrt des anderen Fahrzeugs nicht beachtet hat. Er billigt auch die Einschätzung, dass das Mitverschulden des Geschädigten mit nicht mehr als 50 % zu bemessen ist. Ferner tritt er dem OLG darin bei, dass der Direktanspruch gegen den Haftpflichtversicherer aus § 3 Nr. 1 PflVG a.F. (jetzt § 115 Abs. 1 VVG) nicht deshalb ausgeschlossen ist, weil der Geschädigte an dem Diebstahl des Fahrzeugs als Mittäter beteiligt war. Hierbei ist unerheblich, ob die Versicherung gegenüber dem Schädiger wegen der in dem Diebstahl liegenden Obliegenheitsverletzung von der Leistungspflicht frei geworden ist. Nach § 3 Nr. 4 PflVG a.F. (jetzt § 117 Abs. 1 VVG) darf dieser Umstand dem Geschädigten als Drittem nicht entgegengehalten werden. Abweichend vom OLG sieht der BGH in der Geltendmachung des Direktanspruchs jedoch einen Verstoß gegen die Gebote von Treu und Glauben (§ 242 BGB). Mit der Zubilligung eines Anspruchs gegen die Haftpflichtversicherung würde dem Geschädigten ein Vorteil zugewendet, der sich aus der unbefugten Benutzung des Fahrzeugs ergibt und für den der Bestohlene mit den von ihm gezahlten Versicherungsprämien die Voraussetzungen geschaffen hat. Damit würde die mit dem Diebstahl einhergehende Vermögensverschiebung weiter vertieft.

Praxistipp: Die Verjährung des Direktanspruchs endet gemäß § 115 Abs. 2 Satz 2 VVG spätestens nach zehn Jahren von dem Eintritt des Schadens an.

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Mit der rechtlichen Qualifikation eines nicht alltäglichen Vertragstyps befasst sich der III. Zivilsenat

Laufzeit eines Fernüberwachungsvertrags
Urteil vom 15. März 2018 – III ZR 126/17

Der III. Zivilsenat hatte die Wirksamkeit einer AGB-Klausel zu beurteilen, die für einen Fernüberwachungsvertrag eine Laufzeit von sechs Jahren vorsah.

Die Beklagte schloss mit der Klägerin für zwei Geschäftsstandorte einen so genannten Fernüberwachungsvertrag. Zu den von der Klägerin zu erbringenden vertraglichen Leistungen gehörten Lieferung, Installation und Instandhaltung von Bewegungsmeldern, einer Alarmtaste und einem Bedienteil, die Bereithaltung einer permanent besetzten Notruf- und Serviceleitstelle und die Benachrichtigung der Beklagten oder der zuständigen öffentlichen Stellen im Falle eines Alarms. Das monatliche Entgelt betrug rund 300 Euro inklusive Umsatzsteuer. Für die Laufzeit sah das Vertragsformular Ankreuzfelder für 24, 36, 48, 60 und 72 Monate vor; im Streitfall war das Feld für 72 Monate angekreuzt. Einen Tag nach Vertragsschluss kündigte die Beklagte die Vereinbarung. Die Klägerin verlangte das vertraglich vorgesehene Entgelt für die gesamte Laufzeit von sechs Jahren, rund 21.000 Euro. Das LG und das OLG sprachen ihr nur einen Teil des Entgelts für den ersten Monat zu, rund 70 Euro.

Der BGH weist die Revision der Klägerin zurück. Mit den Vorinstanzen sieht er den Vertrag als Dienstvertrag an. Die Klägerin hat sich zwar auch zur Gebrauchsüberlassung der vor Ort zu installierenden Geräte verpflichtet. Der Schwerpunkt der geschuldeten Leistung liegt aber auf der Überwachung der Geschäftsräume. Die – ungeachtet der mit den Ankreuzfeldern eingeräumten Wahlmöglichkeit – als Allgemeine Geschäftsbedingung anzusehende Vereinbarung über die Laufzeit ist nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam. Im unternehmerischen Verkehr gilt zwar nicht die in § 390 Nr. 9 Buchst. a BGB vorgesehene Höchstgrenze von zwei Jahren. Eine Laufzeit von sechs Jahren führt in der hier zu beurteilenden Konstellation aber zu einer unangemessenen Benachteiligung des Kunden. Den von der Klägerin erhobene Einwand, nur bei dieser Vertragsdauer könne sie wirtschaftlich arbeiten, sieht der BGH mit den Vorinstanzen als nicht begründet an, weil die Klägerin ihre Kalkulation nicht offengelegt hat. Nach der gesetzlichen Regelung (§ 621 Nr. 3 BGB) durfte die Beklagte den Vertrag bis zum 15. jedes Monats zum Ende des Kalendermonats kündigen.

Praxistipp: Für die Frage, welche Laufzeit noch als angemessen angesehen werden kann, ist auch von Bedeutung, ob der Verwender im Gegenzug für eine längerfristige Bindung einen günstigeren Preis einräumt.

Montagsblog: Neues vom BGH

Mit einer nicht allzu häufig relevanten, aber durchaus bedeutsamen Frage des Verfahrensrechts befasst sich die Entscheidung aus dem „Ostermontags-Blog“. Frohe Ostern!

Beauftragung eines Richters in überbesetztem Spruchkörper
Beschluss vom 25. Januar 2018 – V ZB 191/17

Mit einer Detailfrage zur internen Geschäftsverteilung in einem überbesetzten Spruchkörper befasst sich der V. Zivilsenat in einer Zurückweisungshaftsache.

Der aus Marokko stammende Betroffene war beim Versuch der Einreise von Österreich nach Deutschland festgehalten worden Das AG ordnete Haft zur Sicherung der Zurückweisung an. Die Beschwerde blieb im Wesentlichen erfolglos.

Der BGH weist die Rechtsbeschwerde des (inzwischen nach Marokko zurückgewiesenen) Betroffenen zurück. Er sieht es nicht als verfahrensfehlerhaft an, dass die Anhörung des Betroffenen in der Beschwerdeinstanz durch einen beauftragten Richter vorgenommen wurde, der an der Beschwerdeentscheidung nicht mitgewirkt hat. Ein aus mehreren Richtern bestehender Spruchkörper darf zwar nur diejenigen Mitglieder gemäß § 375 ZPO (bei Vernehmung oder Anhörung einer Partei iVm § 451 ZPO, vgl. BGH, B. v. 21.1.2016 – X ZB 12/15 Rz. 9 – MDR 2016, 417) mit einer Beweisaufnahme beauftragen, die nach dem internen Geschäftsverteilungsplan zur Mitwirkung in dem betreffenden Verfahren vorgesehen sind. Maßgeblich dafür ist aber nicht der Zeitpunkt der abschließenden Entscheidung, sondern der Zeitpunkt der Beauftragung. Im Streitfall war der mit der Anhörung betraute Richter im maßgeblichen Zeitpunkt noch für das Verfahren zuständig.

Praxistipp: Wenn im Anschluss an eine nach diesen Grundsätzen unzulässige Beweisaufnahme eine mündliche Verhandlung stattfindet, sollte der Fehler ausdrücklich gerügt werden, um einen Rügeverlust nach § 295 ZPO zu vermeiden.

Montagsblog: Neues vom BGH

Um das Recht auf Zuziehung eines Dolmetschers und um die Zuständigkeitsverteilung zwischen Familien- und Zivilgericht geht es in den beiden aktuellen Entscheidungen.

Zuziehung eines Dolmetschers zur persönlichen Anhörung einer Partei
Beschluss vom 1. März 2018 – IX ZR 179/17

Mit dem Recht auf ein faires Verfahren befasst sich der IX. Zivilsenat.

Die Klägerin nahm die Beklagten auf Zahlung von rund 370.000 Euro aus Verwahrung und Darlehen in Anspruch. Die Klage blieb in den beiden ersten Instanzen erfolglos.

Der BGH verweist die Sache auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin an das OLG zurück. Das OLG hat den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör verletzt, weil es von der Vernehmung eines von ihr benannten Zeugen zu Unrecht abgesehen hat. Ergänzend weist der BGH darauf hin, dass das OLG in der neu eröffneten Berufungsinstanz von Amts wegen einen Dolmetscher hinzuziehen muss, wenn die – der deutschen Sprache nicht mächtige – Klägerin sich gemäß § 137 Abs. 4 ZPO persönlich zu den der Klageforderung zugrundeliegenden tatsächlichen Umständen äußern will. Dies ergibt sich zwar nicht aus Art. 103 Abs. 1 GG (vgl. BVerfGE 64, 135), wohl aber aus dem Recht auf ein faires Verfahren.

Praxistipp: Eine Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren kann ggf. mit einer Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 544 ZPO geltend gemacht werden, nicht aber mit einer Anhörungsrüge gemäß § 321a ZPO.

Rechtsmittel gegen die Entscheidung eines Zivilsenats in einer Familiensache
Beschluss vom 28. Februar 2018 – XII ZR 87/17

Dass die Zuständigkeit des „großen Familiengerichts“ immer wieder für Überraschungen sorgen kann, veranschaulicht eine Entscheidung des XII. Zivilsenats.

Die Klägerin verlangte vom Beklagten – ihrem getrennt lebenden Ehemann – die Freigabe eines hinterlegten Betrags von 100.000 Euro. Das Geld stammte aus einer der Klägerin zugefallenen Erbschaft, war aber kurz vor der Trennung der Parteien auf ein Konto des Beklagten überwiesen worden. Der Beklagte verweigerte die Freigabe unter anderem mit der Begründung, die Klägerin habe der Überweisung auf sein Konto zugestimmt, um gemeinsame Schulden zu begleichen und den Unterhalt des gemeinsamen Kindes zu sichern. Das LG verurteilte den Beklagten zur Freigabe des Betrags. Das OLG wies die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO durch Beschluss zurück.

Der BGH verwirft die Nichtzulassungsbeschwerde als unzulässig. Bei zutreffender Sachbehandlung wären nicht die Zivilgerichte zur Entscheidung berufen gewesen, sondern das Familiengericht und ein Familiensenat des OLG. Dies ergibt sich aus § 266 Abs. 1 Nr. 3 FamFG, wonach zu den (sonstigen) Familiensachen auch Verfahren gehören, die Ansprüche zwischen Ehegatten im Zusammenhang mit Trennung oder Scheidung betreffen. In einer Familiensache wäre eine Rechtsbeschwerde gegen die zweitinstanzliche Entscheidung gemäß § 70 FamFG nur zulässig gewesen, wenn das OLG sie zugelassen hätte. Nach dem auch für solche Konstellationen geltenden Meistbegünstigungsgrundsatz darf dem Rechtsmittelführer aus der Wahl einer unzutreffenden Verfahrensart zwar kein Nachteil entstehen. Andererseits dürfen die Möglichkeiten zur Einlegung eines Rechtsmittels dadurch aber auch nicht erweitert werden. Folglich ist die an sich gemäß § 522 Abs. 3 und § 544 ZPO statthafte Nichtzulassungsbeschwerde im Streitfall nicht zulässig.

Praxistipp: Wenn ein Ehegatte im Zusammenhang mit Trennung oder Scheidung den anderen Ehegatten oder dessen Eltern in Anspruch nimmt, ist stets sorgfältig zu prüfen, ob die Voraussetzungen des § 266 Abs. 1 Nr. 3 FamFG vorliegen. In Zweifelsfällen sollte bereits in erster Instanz eine Entscheidung gemäß § 17a GVG herbeigeführt werden.

Montagsblog: Neues vom BGH

Um die Erstattungsfähigkeit von Rechtsanwaltskosten nach § 91 ZPO geht es in dieser Woche.

Erstattungsfähigkeit von Rechtsanwaltskosten
Beschluss vom 24. Januar 2018 – VII ZB 60/17

Der VII. Zivilsenat befasst sich mit der Erstattungsfähigkeit von Anwaltskosten, die auf einer Vergütungsvereinbarung und einer Haftpflichtversicherung für Vermögensschäden beruhen.

Die Beklagten begehrten nach Abweisung der Klage im Kostenfestsetzungsverfahren unter anderem Ersatz von Anwaltskosten, die entstanden waren, weil ihr Prozessbevollmächtigter ihnen zusätzlich zu den im Gesetz vorgesehenen Gebühren vereinbarungsgemäß eine an die Haftpflichtversicherung gezahlte Prämie in Rechnung gestellt hatte. Diese Prämie war angefallen, weil der Anwalt die Deckungssumme seiner Versicherung von 2 Millionen auf den dem Streitwert des Verfahrens entsprechenden Betrag von 3,5 Millionen Euro hatte anpassen lassen. Das Begehren blieb in den beiden ersten Instanzen erfolglos.

Der BGH weist die Rechtsbeschwerde der Beklagten zurück. Er zeigt anhand der Gesetzgebungsgeschichte auf, dass zu den nach § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO zu erstattenden gesetzlichen Gebühren und Auslagen nur die im Gesetz vorgesehenen Regelsätze gehören, nicht aber ein aufgrund einer Honorarvereinbarung geschuldeter höherer Betrag. Ein Anspruch auf Erstattung der Versicherungsprämie kann deshalb nicht auf den Umstand gestützt werden, dass sich die Beklagten gegenüber ihrem Anwalt vertraglich zur Tragung dieser Kosten verpflichtet haben. Nach dem Gesetz (Nr. 7007 RVG-VV) kann der Anwalt zusätzlich zu den Gebühren Ersatz von Auslagen für eine Haftpflichtversicherung verlangen, soweit die Prämie auf Haftungsbeträge von mehr als 30 Millionen Euro entfällt. Daraus ist zu folgern, dass kein gesetzlicher Anspruch auf Auslagenersatz besteht, soweit die Prämie auf geringere Haftungsbeträge entfällt.

Praxistipp: Eine Vergütungsvereinbarung, in der sich ein Anwalt die Erstattung von Prämien für die Erhöhung der Deckungssumme auf einen 30 Millionen Euro nicht übersteigenden Betrag zusagen lässt, muss nach § 3a Abs. 1 Satz 3 RVG den Hinweis enthalten, dass die gegnerische Partei, ein Verfahrensbeteiligter oder die Staatskasse im Falle der Kostenerstattung diesen Betrag regelmäßig nicht erstatten muss.