Montagsblog: Neues vom BGH

Drei kurz hintereinander ergangene Entscheidungen befassen sich mit der Akteneinsicht zum Zwecke der Berufungsbegründung

Akteneinsicht und Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist
Beschluss vom 16. Januar 2018 –VIII ZB 61/17

Der VIII. Zivilsenat entscheidet, dass die Frist zur Begründung der Berufung ohne Zustimmung des Gegners auch dann nicht um mehr als einen Monat verlängert werden darf, wenn der Berufungskläger noch keine Gelegenheit zur Akteneinsicht hatte.

Die Klägerin machte Ansprüche auf Zahlung von Miete geltend. Das AG wies die Klage ab. In der Berufungsschrift bat der erstmals für die zweite Instanz bestellte Prozessbevollmächtigte um Übersendung der Akten und um Verlängerung der Begründungsfrist bis zum Ablauf von einem Monat nach Einsichtnahme. Die Akteneinsicht wurde bewilligt, der Antrag auf Fristverlängerung blieb unbeantwortet. Kurz vor Ablauf der bis 19.06.2017 laufenden, nicht verlängerten Frist erinnerte der Prozessbevollmächtigte an sein Verlängerungsgesuch und beantragte hilfsweise die Verlängerung „um einen weiteren Monat bis zum 19.06.2017“. Das LG ließ auch diesen Antrag zunächst unbeantwortet. Die Berufungsbegründung ging Mitte August 2017 ein – einen Monat nach Überlassung der Akten. Das LG verwarf die Berufung als unzulässig.

Die Rechtsbeschwerde der Klägerin bleibt ohne Erfolg. Der BGH sieht in dem Umstand, dass das LG die Anträge auf Fristverlängerung nicht beschieden hat, keinen Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin durfte zwar erwarten, dass die Begründungsfrist auf seine Anträge hin bis 19.07.2017 verlängert wird. Mit einer weiteren Fristverlängerung ohne Zustimmung des Gegners durfte er aber nicht rechnen. Anders als im Revisionsverfahren (§ 551 Abs. 2 Satz 6 ZPO) ist im Berufungsverfahren (§ 520 Abs. 2 ZPO) eine Verlängerung der Begründungsfrist um mehr als einen Monat ohne Zustimmung des Gegners auch dann nicht möglich, wenn dem Berufungskläger die Gerichtsakten nicht zur Verfügung gestellt wurde. Einen Antrag auf Wiedereinsetzung hat die Klägerin nicht gestellt. Sie hat innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist auch nicht vorgetragen, weshalb ihr Prozessbevollmächtigter an einer früheren Erstellung und Einreichung der Berufungsbegründung gehindert war.

Praxistipp: Um die mit einem Antrag auf Wiedereinsetzung verbundenen Unwägbarkeiten nach Möglichkeit zu vermeiden, sollte stets versucht werden, die Einwilligung des Gegners zu einer weiteren Verlängerung der Begründungsfrist einzuholen.

Antrag auf Wiedereinsetzung wegen verzögerter Überlassung der Akten
Beschluss vom 11. Januar 2018 –III ZB 81/17

Dass der Weg über einen Antrag auf Wiedereinsetzung grundsätzlich gangbar ist, belegt eine Entscheidung des III. Zivilsenats.

Die in erster Instanz unterlegene Klägerin beantragte in der Berufungsschrift die Übersendung der Akten und die Verlängerung der Begründungsfrist um einen Monat. Die Frist wurde antragsgemäß verlängert. Die Akten konnten auch innerhalb der verlängerten Frist nicht zur Verfügung gestellt werden. Einem darauf gestützten Antrag auf nochmalige Verlängerung traten die Beklagten entgegen. Die Klägerin reichte hierauf „vorsorglich“ eine Berufungsbegründung ein und beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Nach Gewährung der Akteneinsicht ergänzte sie die Begründung und beantragte erneut Wiedereinsetzung. Das Berufungsgericht versagte die Wiedereinsetzung und verwarf die Berufung als unzulässig.

Der BGH hebt die angefochtene Entscheidung auf und gewährt der Klägerin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin war nicht gehalten, vor Gewährung der beantragten Akteneinsicht eine Berufungsbegründung einzureichen. Die Überlassung der Akten ist erforderlich, um eine Prüfung auf Verfahrensfehler durchzuführen und um die Vollständigkeit der eigenen Unterlagen zu überprüfen. Der Berufungskläger darf diese Möglichkeit nutzen. Wenn ihm die Akten trotz eines rechtzeitig gestellten Antrags nicht zur Verfügung gestellt werden, braucht er auch keine vorläufige Berufungsbegründung zu fertigen. Ihm ist auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Berufungsbegründung nach Überlassung der Akten innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist einreicht und zugleich die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Dies gilt auch dann, wenn er innerhalb der Frist vorsorglich eine vorläufige Berufungsbegründung eingereicht hat.

Praxistipp: Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und die Berufungsbegründung müssen gemäß § 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO innerhalb eines Monats nach Überlassung der Akten eingereicht werden.

Verspäteter Antrag auf Überlassung der Akten
Beschluss vom 12. Dezember 2017 –VI ZB 24/17

Dass ein Antrag auf Wiedereinsetzung nur dann Aussicht auf Erfolg hat, wenn der Anwalt von Beginn an große Sorgfalt walten lässt, zeigt eine Entscheidung des VI. Zivilsenats.

Die Klägerin nahm den Beklagten wegen fehlerhafter ärztlicher Behandlung in Anspruch. Das LG wies die Klage ab. Am letzten Tag der antragsgemäß um einen Monat verlängerten Frist zur Berufungsbegründung beantragte die Klägerin die nochmalige Verlängerung um einen Monat und die Gewährung von Akteneinsicht, um einem von ihr beauftragten Privatgutachter eine wissenschaftlich fundierte Beurteilung zu ermöglichen. Die Fristverlängerung wurde nicht gewährt. Drei Tage nach Überlassung der Akten – und zugleich einen Monat nach Ablauf der auf den ersten Antrag hin verlängerten Frist – reichte die Klägerin die Berufungsbegründung ein. Zugleich beantragte sie Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Das OLG wies diesen Antrag zurück und verwarf die Berufung als unzulässig.

Die Rechtsbeschwerde der Klägerin bleibt ohne Erfolg. Zwar ist ein Berufungskläger als an der fristgerechten Einreichung der Berufungsbegründung gehindert anzusehen, wenn ihm die Prozessakten innerhalb der Frist nicht oder nicht vollständig zur Verfügung stehen. Dies setzt aber voraus, dass er rechtzeitig die Gewährung von Akteneinsicht beantragt hat. Ein am letzten Tag der nicht mehr ohne Zustimmung des Gegners verlängerbaren Begründungsfrist gestellter Einsichtsantrag reicht hierfür nicht aus.

Praxistipp: Um die Möglichkeit der Wiedereinsetzung zu wahren, sollte stets schon in der Berufungsschrift um Überlassung der Akten und um Verlängerung der Begründungsfrist um einen Monat gebeten werden.

 

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Sorgfaltspflichten beim Versand fristgebundener Schriftsätze per Telefax
Beschluss vom 6. Dezember 2017 – XII ZB 335/17

Der XII. Zivilsenat zeigt auf, wie anspruchsvoll die Anforderungen an den Versand fristgebundener Schriftsätze und an ein Wiedereinsetzungsgesuch sind.

Die Beklagte war in erster Instanz zur Rückzahlung eines Darlehens in Höhe von 122.000 Euro an ihren früheren Lebensgefährten verurteilt worden. Ihre per Telefax eingereichte Berufungsbegründung ging ausweislich des Empfangsgeräts wenige Minuten nach Fristablauf bei Gericht ein. In ihrem Wiedereinsetzungsgesuch machte die Prozessbevollmächtigte der Beklagten geltend, sie habe am letzten Tag der Frist aufgrund eines unvorhersehbaren epileptischen Anfalls ihrer Tochter erst um 22:15 Uhr in ihre Kanzlei zurückkehren und die Berufungsbegründung deshalb erst um 23:44 Uhr fertigstellen können. Den Versand des Telefax habe sie bereits um 23:52 Uhr eingeleitet. Das OLG wies den Antrag auf Wiedereinsetzung zurück und verwarf die Berufung als unzulässig.

Die Rechtsbeschwerde der Beklagten bleibt ohne Erfolg. Ebenso wie das OLG sieht der BGH das vorgetragene Verhalten der Rechtsanwältin als schuldhaft an. Bei einem Telefaxversand kurz vor Fristablauf muss eine Zeitreserve für den Fall eingeplant werden, dass die Übertragungsleitung durch andere Teilnehmer belegt ist. Bei einem Schriftsatz von sieben Seiten ist ein Versandbeginn deshalb um 23:52 Uhr zu spät. Der unvorhergesehene Anfall der Tochter führt nicht zu einer abweichenden Beurteilung, weil der Schriftsatz dennoch bereits um 23:44 Uhr fertig war und die Rechtsanwältin nicht vorgetragen hat, warum sie nicht bereits zu diesem Zeitpunkt die Übermittlung eingeleitet hat.

Praxistipp: Die Entscheidung belegt erneut, dass der Versand eines Schriftsatzes per Telefax in letzter Minute ein Vabanque-Spiel ist.

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Um die Voraussetzungen eines Vertrags mit Schutzwirkung für Dritte und um die Zurückweisung einer Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO geht es in dieser Woche.

Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte bei mehreren Schadensverursachern
Urteil vom 7. Dezember 2017 – VII ZR 204/14

Der VII. Zivilsenat befasst sich mit der subjektiven Reichweite der Haftung aus einem Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte.

Der klagende Unfallversicherer begehrte aus übergegangenem Recht zweier bei ihr versicherter Arbeitnehmer den Ersatz von Schäden aus einem Arbeitsunfall. Die Beklagte zu 3 hatte die Arbeitgeberin der Geschädigten mit Abbrucharbeiten auf einem früher zum Betrieb einer Brauerei genutzten Gelände beauftragt. Des Weiteren hatte sie den Beklagten zu 1 damit betraut, die betroffenen Gebäude auf eventuelle Gefahrenquellen zu untersuchen. Während der Abbrucharbeiten wurden die Geschädigten durch den Austritt von Ammoniak aus einer Kälteanlage verletzt. Im Gutachten des Beklagten zu 1 war diese Gefahrenquelle nicht ausgewiesen, weil der Beklagte zu 1 nur die Außenanlagen besichtigt hatte. Die gegen die Beklagten zu 1 und 3 gerichtete Klage hatte in den beiden ersten Instanzen überwiegend Erfolg.

Die allein vom Beklagten zu 1 eingelegte Revision führt zur Zurückverweisung der Sache an das OLG. Abweichend von den Vorinstanzen verneint der BGH eine Schutzwirkung des Vertrags zwischen der Beklagten zu 3 und dem Beklagten zu 1 zugunsten der geschädigten Arbeitnehmer. Diese sind im Verhältnis zum Beklagten zu 1 nicht schutzbedürftig, weil schon der Vertrag zwischen der Beklagten zu 3 und ihrer Arbeitgeberin Schutzwirkungen zu ihren Gunsten entfaltet und die Beklagte zu 3 für pflichtwidriges Handeln des Beklagten zu 1 nach § 278 BGB haftet. Das Berufungsgericht muss nach Zurückverweisung der Sache prüfen, ob gegen den Beklagten zu 1 deliktische Ansprüche bestehen.

Praxistipp: Auch wenn im Ergebnis nur einer von zwei Beklagten vertraglich haftet, sollte die Klage vorsorglich gegenüber beiden (auch) auf vertragliche Ansprüche gestützt werden, solange nicht feststeht, ob die Voraussetzungen des § 278 BGB erfüllt sind.

Zurückweisung der Berufung durch Beschluss ohne Berufungserwiderung
Urteil vom 21. November 2017 – XI ZR 106/16

Eine allgemeine prozessuale Frage beantwortet der XI. Zivilsenat.

Die Kläger nahmen die Beklagte nach Widerruf eines Darlehensvertrags auf Erstattung einer Vorfälligkeitsentschädigung in Anspruch. Die Klage blieb in erster Instanz erfolglos. Das OLG wies die Berufung der Kläger nach vorherigem Hinweis durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurück. Eine Berufungserwiderung lag zu diesem Zeitpunkt nicht vor.

Der BGH verweist die Sache hinsichtlich des überwiegenden Teils der Klageforderung an das OLG zurück, weil dieses die Widerrufsbelehrung zu Unrecht als ausreichend angesehen hatte. Die von den Klägern ergänzend erhobene Rüge, die Berufungsentscheidung sei insgesamt aufzuheben, weil eine Zurückweisung nach § 522 Abs. 2 ZPO erst nach Vorliegen einer Berufungserwiderung zulässig sei, sieht der BGH hingegen als unbegründet an. Er stützt dies auf den Wortlaut der Vorschrift, die den Eingang einer Berufungserwiderung oder die ergebnislose Setzung einer Erwiderungsfrist nicht vorsieht, und den Umstand, dass sich aus der Gesetzgebungsgeschichte keine abweichenden Anhaltspunkte ergeben.

Praxistipp: Die volle Verfahrensgebühr für einen Antrag auf Zurückweisung der Berufung ist nur dann nach § 91 ZPO erstattungsfähig, wenn der Berufungskläger sein Rechtsmittel begründet und die Begründung dem Gegner zugestellt ist. Vom Zeitpunkt der Zustellung an steht dem Gegner auch dann ein Erstattungsanspruch zu, wenn er seinen Antrag auf Zurückweisung schon zuvor gestellt hat.

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Der Strom der Entscheidungen reißt auch zum Jahreswechsel nicht ab. Allen Blog-Lesern wünsche ich ein erfolgreiches neues Jahr 2018!

Haftung des Anwalts für versehentlich versandte Selbstanzeige
Beschluss vom 9. November 2017 – IX ZR 270/16

Der IX. Zivilsenat baut seine Rechtsprechung zum normativen Schadensbegriff bei der Anwaltshaftung aus.

Die Klägerin hatte über mehrere Jahre hinweg Zahlungen an ihren Lebensgefährten zu Unrecht als Betriebsausgaben verbucht. Nach dem Tod des Lebensgefährten beauftragte sie den beklagten Rechtsanwalt mit der Vorbereitung einer Selbstanzeige, deren Freigabe sie sich ausdrücklich vorbehielt. Wegen eines Kanzleiversehens wurde die Selbstanzeige ohne Zustimmung der Klägerin an das Finanzamt versandt. Dieses setzte zusätzliche Steuern in Höhe von rund 70.000 Euro fest. Ferner entstanden der Klägerin Steuerberaterkosten in Höhe von rund 3.500 Euro. Die auf Ersatz dieser Beträge gerichtete Klage blieb in den beiden ersten Instanzen erfolglos.

Die Revision der Klägerin bleibt ebenfalls ohne Erfolg. Der Beklagte hat allerdings seine Pflichten aus dem Anwaltsvertrag verletzt, indem er zugelassen hat, dass die Selbstanzeige ohne Freigabe seitens der Klägerin an das Finanzamt versandt wurde. Hierdurch wurde auch ein Schaden verursacht, weil die Klägerin Steuern und Steuerberaterkosten zahlen musste. Bei wertender Betrachtung ist dieser Schaden aber nicht ersatzfähig, weil die Steuernachzahlungen in Einklang mit dem materiellen Recht standen. Das Interesse der Beklagten, ihr die Vorteile der eingetretenen Steuerverkürzung zu erhalten, ist nicht schutzwürdig. Deshalb kann die Beklagte auch nicht Ersatz der im Zusammenhang mit der Nachzahlung entstandenen Beraterkosten verlangen.

Praxistipp: Ein rechtlicher Berater darf sich vertraglich verpflichten, seinen Mandanten vor den Folgen einer Steuerstraftat zu schützen. Er darf es aber nicht übernehmen, dem Mandanten die Früchte einer vorsätzlich verübten Steuerhinterziehung zu wahren.

Bürgschaft und Stillhalteabkommen
Urteil vom 28. November 2017 – XI ZR 211/16

Mit der Reichweite des Einwendungsdurchgriffs nach § 768 Abs. 1 BGB befasst sich der XI. Zivilsenat.

Die klagende Bank hatte einem Unternehmen einen Kontokorrentkredit in Höhe von 4,6 Millionen Euro gewährt. Die Beklagte hatte dafür eine selbstschuldnerische Bürgschaft übernommen. Nach Insolvenz der Hauptschuldnerin schloss die Klägerin mit dieser und einem anderen Bürgen einen Vergleich, in dem sie sich unter anderem verpflichtete, die Darlehensforderung vorbehaltlich einer Zahlung von rund 400.000 Euro nicht mehr gegen die Hauptschuldnerin geltend zu machen. Ihre gegen die Beklagte gerichtete Klage auf Zahlung des restlichen Darlehensbetrags blieb in den ersten beiden Instanzen erfolglos.

Die Revision der Klägerin bleibt ebenfalls ohne Erfolg. Aufgrund des mit der Hauptschuldnerin wirksam vereinbarten Stillhalteabkommens ist die Klägerin gemäß § 768 Abs. 1 BGB auch gegenüber der Beklagten an einer weiteren Geltendmachung der Darlehensforderung gehindert. Dies gilt auch dann, wenn sie sich in dem Abkommen eine Inanspruchnahme des Bürgen ausdrücklich vorbehalten hat. Gläubiger und Hauptschuldner können die im Gesetz vorgesehene Akzessorietät der Bürgschaft nicht ohne Mitwirkung des Bürgen einschränken.

Praxistipp: In einer Bürgschaftsvereinbarung kann wirksam vorgesehen werden, dass der Bürge auch für Ansprüche haften soll, die der Gläubiger gegen den Hauptschuldner aus Rechtsgründen nicht durchsetzen kann.

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Darlegung der Einkommensverhältnisse bei Pkh-Antrag
Beschluss vom 16. November 2017 – IX ZA 21/17

Mit den Anforderungen an die Darlegung der Einkommensverhältnisse durch einen nach eigenen Angaben einkommens- und vermögenslosen Antragsteller befasst sich IX. Zivilsenat.

Der Kläger, über dessen Vermögen das Insolvenzverfahren anhängig ist, wandte sich gegen die Feststellung von Forderungen der Beklagten zur Insolvenztabelle. Die Klage blieb in den beiden ersten Instanzen erfolglos. Beim BGH beantragte der Kläger – erstmals im Verlauf des Verfahrens – Prozesskostenhilfe, mit dem Ziel, die Berufungsentscheidung mit einer Nichtzulassungsbeschwerde anzufechten.

Der BGH lehnt den Antrag ab, weil der Kläger seine wirtschaftlichen Verhältnisse nicht nachvollziehbar dargelegt hat. Im amtlich vorgeschriebenen Formular hat der Kläger angegeben, er verfüge nicht über Einkommen oder Vermögen und nehme keine öffentlichen Hilfen in Anspruch; für seine Wohnung müsse er weder Miete noch Heizkosten zahlen. Vor diesem Hintergrund hätte der Kläger konkret darlegen müssen, wie er seinen Lebensunterhalt bestreitet, weshalb er keiner Erwerbstätigkeit nachgeht, die ihm im Falle einer Freigabe durch den Insolvenzverwalter (§ 35 Abs. 2 InsO) ermöglichen würde, nicht dem Insolvenzbeschlag unterliegendes Vermögen zu bilden, weshalb er eine Wohnung nutzen kann, ohne Miete und Heizkosten zu zahlen, und wie er die Prozesskosten für die beiden ersten Instanzen aufbringen konnte.

Praxistipp: Dient der Antrag auf Prozesskostenhilfe der Einlegung oder Begründung eines fristgebundenen Rechtsmittels, müssen die Angaben zu den wirtschaftlichen Verhältnissen innerhalb der dafür maßgeblichen Fristen eingereicht werden.

Kein Widerruf des Darlehenswiderrufs
Urteil vom 7. November 2017 – XI ZR 369/16

Eine Frage der allgemeinen Rechtsgeschäftslehre behandelt der XI. Zivilsenat in einer Segelanweisung.

Der Kläger nahm die Beklagte nach Widerruf eines Darlehensvertrags unter anderem auf Rückzahlung von nicht geschuldeten Zinsleistungen in Anspruch. Die Klage blieb in den beiden ersten Instanzen erfolglos.

Der BGH verweist die Sache an das OLG zurück. Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen ist der Widerruf des Darlehens nicht schon deshalb rechtmissbräuchlich, weil er nicht durch den Schutzzweck des Widerrufsrechts – Schutz vor Übereilung – motiviert war, sondern durch das Absinken des allgemeinen Zinsniveaus. Das OLG wird deshalb nach Zurückverweisung der Sache anhand der in der neueren Rechtsprechung entwickelten Kriterien (BGH, Urt. v. 12.7.2016 – XI ZR 564/15, BGHZ 211, 1213 Rz. 31 ff.) zu prüfen haben, ob das Widerrufsrecht verwirkt war oder ob dessen Geltendmachung als unzulässige Rechtsausübung anzusehen ist. Für das weitere Verfahren weist der BGH ergänzend darauf hin, dass ein nach Zugang des Widerrufs übersandtes Schreiben, in dem der Kläger von dieser Erklärung Abstand nahm, für die Entscheidung nicht erheblich ist, weil der Widerruf als Gestaltungsrecht nach Zugang der Widerrufserklärung nicht zurückgenommen oder widerrufen werden kann.

Praxistipp: Der Zugang der Widerrufserklärung sollte sorgfältig dokumentiert werden, etwa durch eine Versendung als Einwurf-Einschreiben.

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Abstandnahme von Grundstücksverkauf
Urteil vom 13. Oktober 2017 – V ZR 11/17

Mit Treuepflichten vor Abschluss eines formbedürftigen Vertrags befasst sich der V. Zivilsenat.

Der Kläger wollte von der Beklagten eine Eigentumswohnung kaufen. Der für die Beklagte tätige Vermittler übersandte mehrere Vertragsentwürfe und teilte mit, außer der Fertigstellungsanzeige für Renovierungsmaßnahmen und der Eintragung im Grundbuch stünden einer Abwicklung des Kaufvertrags keine Hindernisse entgegen. Nach Mitteilung des Notartermins schloss der Kläger einen Darlehensvertrag zur Finanzierung des größten Teils des Kaufpreises. Acht Tage vor dem Notartermin ließ die Beklagte mitteilen, sie sei nicht mehr bereit, die Wohnung zu dem bisher angebotenen Preis von 376.700 Euro zu verkaufen; der neue Kaufpreis betrage 472.400 Euro. Die auf Erstattung der Kosten für die Rückabwicklung des Darlehensvertrags gerichtete Klage blieb in den beiden ersten Instanzen erfolglos.

Der BGH bestätigt die Entscheidung der Vorinstanzen. Er nimmt Bezug auf seine Rechtsprechung, wonach die Abstandnahme von einem in Aussicht genommenen formbedürftigen Vertrag grundsätzlich nur bei einer besonders schwerwiegenden, in der Regel vorsätzlichen Treupflichtverletzung  Schadensersatzansprüche des anderen Teils auslöst. Eine solche Pflichtverletzung käme etwa in Betracht, wenn die Beklagte von vornherein nicht bereit gewesen wäre, zu dem ursprünglich genannten Preis zu verkaufen, oder wenn sie dem Beklagten ihren Sinneswandel zunächst verschwiegen hätte. Diese Voraussetzungen waren nach den vom BGH als rechtsfehlerfrei angesehenen tatrichterlichen Feststellungen der Vorinstanzen im Streitfall nicht erfüllt. Zu einem allgemeinen Hinweis darauf, dass sie sich eine eventuelle Preiserhöhung vorbehält, war die Beklagte nach Auffassung des BGH nicht verpflichtet. Der Kläger handelte deshalb auf eigenes Risiko, wenn er bereits vor der notariellen Beurkundung des Kaufvertrags verbindliche Vereinbarungen zur Finanzierung schloss.

Praxistipp: Der potentielle Käufer kann das Risiko von vergeblichen Finanzierungsaufwendungen nur dadurch ausschließen, dass er sich gegenüber der Bank eine Annahmefrist oder ein kostenloses Löserecht bis zum Abschluss des Kaufvertrags einräumen lässt.

Änderung von technischen Normen nach Abschluss eines Werkvertrags
Urteil vom 14. November 2017 – VII ZR 65/14

Eine grundlegende Entscheidung zur geschuldeten Beschaffenheit eines Werks trifft der VII. Zivilsenat.

Die Klägerin hatte den Beklagten Anfang 2007 mit der Errichtung von drei Pultdachhallen zum Festpreis beauftragt.  Nach dem Vertrag war das Dach für eine Schneelast von 80 kg/m² auszulegen. Dies entsprach der bis Ende 2006 geltenden DIN-Vorschrift und der im Jahr 2006 erteilten Baugenehmigung. Nach der ab 2007 geltenden DIN-Vorschrift war eine Schneelast von 139 kg/m² anzusetzen. Nach Errichtung der Halle beanstandete die Beklagte das Dach als mangelhaft. Ihre auf  Vorschuss der Kosten für eine Neuerrichtung der Dachkonstruktion gerichtete Klage war in erster Instanz vollständig und in zweiter Instanz zum überwiegenden Teil erfolgreich. Das OLG ging davon aus, dass ursprünglich nur eine Schneelast von 80 kg/m² einzuhalten war, und stellte fest, dass das Werk der Beklagten schon dieser Anforderung nicht entspreche. Auf dieser Grundlage sprach es der Klägerin die (deutlich höheren) Kosten für eine Neuerrichtung auf der Grundlage von 139 kg/m² zu, weil die Klägerin nunmehr zur Einhaltung der neuen Vorgaben verpflichtet sei und dies eine Folge des Werkmangels sei, für den die Beklagte einzustehen habe.

Der BGH verweist die Sache auf die Berufung der Beklagten an das OLG zurück. Er hält die Argumentation des OLG für nicht tragfähig, weil die Klägerin danach ein weitaus besseres Werk erhalten würde als dies nach dem Vertrag geschuldet war. Wenn nach dem Vertrag nur eine Schneelast von 80 kg/m² einzuhalten war, hätte die Klägerin für Dach, das 139 kg/m² standhält, auch ohne den Mangel deutlich mehr zahlen müssen; folgerichtig darf sie dann nur Ersatz derjenigen Kosten verlangen, die zur Einhaltung einer Schneelast von 80 kg/m² erforderlich sind. Darüber hinaus hält der BGH allerdings schon die Erwägungen des OLG zur ursprünglich geschuldeten Beschaffenheit des Werks für fehlerhaft. Auch wenn ein Werk den im Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden anerkannten Regeln der Technik entspricht, muss der Auftraggeber den Auftragnehmer auf absehbare oder eingetretene Änderungen dieser Regeln hinweisen. Der Auftragnehmer hat dann zu entscheiden, ob das Werk wie ursprünglich vereinbart ausgeführt oder an die neuen Regeln angepasst werden soll. Entscheidet er sich für letzteres, muss er daraus resultierende Mehrkosten als Sowiesokosten tragen. Das OLG muss deshalb nach der Zurückverweisung klären, ob und welche Vereinbarungen die Parteien im Streitfall bezüglich der schon bei Vertragsschluss absehbaren Regeländerung getroffen haben.

Praxistipp: Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass sich der Auftraggeber trotz Kenntnis der Änderung mit der Einhaltung der alten Regeln begnügt hat, liegt beim Auftragnehmer.

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Streitwert bei Antrag auf Herausgabe, Fristbestimmung und Schadensersatz nach Fristablauf
Beschluss vom 28. September 2017 – V ZB 63/16

Eine bislang umstrittene Frage beantwortet der V. Zivilsenat.

Der Kläger begehrte von der Beklagten die Herausgabe eines Wohnungsschlüssels. Ergänzend beantragte er, der Beklagten eine Frist zu setzen und sie für den Fall nicht rechtzeitiger Herausgabe zur Zahlung von rund 1.400 Euro zu verurteilen. Zur Begründung machte er geltend, ohne Rückgabe des Schlüssels müsse er die Schließanlage im gesamten Anwesen auswechseln lassen. Das AG wies die Klage ab. Das LG verwarf die Berufung mangels ausreichender Beschwer als unzulässig.

Der BGH verweist die Sache an das LG zurück. Er tritt dem LG zwar darin bei, dass der Streitwert für den Herausgabeantrag nicht anhand der Kosten einer neuen Schließanlage zu bemessen ist, sondern allein anhand der (im Streitfall unter 600 Euro liegenden) Kosten eines Ersatzschlüssels, weil die Beschaffung einer neuen Schließanlage nicht zum Gegenstand dieses Antrags gehört, sondern nur eine mittelbare wirtschaftliche Folge darstellt. Entgegen einer verbreiteten Auffassung ist für die Bemessung des Streitwerts aber auch der Antrag auf Zahlung von Schadensersatz bei nicht rechtzeitiger Herausgabe zu berücksichtigen. Weil die beiden Ansprüche wirtschaftlich auf dasselbe Ziel gerichtet sind, ist entsprechend § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG nur einer von ihnen heranzuziehen, und zwar derjenige mit dem höheren Wert. Im Streitfall beträgt die Beschwer deshalb rund 1.400 Euro.

Praxistipp: Die Kombination eines Herausgabeantrags mit Anträgen auf Fristsetzung und Zahlung von Schadensersatz ist nach § 255 und § 260 ZPO möglich. Hinsichtlich des Zahlungsantrags müssen zusätzlich die Voraussetzungen des § 259 ZPO (Besorgnis der nicht rechtzeitigen Erfüllung) vorliegen.

Anwaltswechsel nach selbständigem Beweisverfahren
Beschluss vom 26. Oktober 2017 – V ZB 188/16

Eine weitere umstrittene Frage beantwortet der V. Zivilsenat in einem etwas später ergangenen, aber zeitgleich veröffentlichten Beschluss.

Der Kläger hatte gegen die Beklagte ein selbständiges Beweisverfahren wegen Rissen und Feuchtigkeitsschäden an einem Gebäude durchführen lassen. Seine später wegen derselben Schäden erhobene Klage wurde abgewiesen. Im Kostenfestsetzungsverfahren beantragte die Beklagte die Festsetzung von zwei anwaltlichen Verfahrensgebühren, weil sie im selbständigen Beweisverfahren von einem anderen Anwalt vertreten wurde als im Hauptsacheverfahren. Das LG setzte nur eine der beiden Verfahrensgebühren fest. Die Beschwerde der Beklagten blieb erfolglos.

Der BGH bestätigt die Entscheidungen der Vorinstanz. In den beiden Verfahren ist zwar jeweils eine Verfahrensgebühr angefallen. Nach § 91 Abs. 2 Satz 2 ZPO ist aber nur eine davon erstattungsfähig, weil  die Gebühr für das selbständige Beweisverfahren ohne den Anwaltswechsel auf die Gebühr für das Hauptsacheverfahren anzurechnen wäre. Wegen der engen Verflechtung der beiden Verfahren gilt § 92 Abs. 2 Satz 2 ZPO auch für einen Anwaltswechsel nach Abschluss des selbständigen Beweisverfahrens und vor Beginn des Hauptsacheverfahrens.

Praxistipp: Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass ein Anwaltswechsel notwendig war, liegt beim Kostengläubiger.

Rechtzeitige Zahlung des Kostenvorschusses
Urteil vom 29. September 2017 – V ZB 103/16

Eine weitere Entscheidung des V. Zivilsenats betrifft die Frage, wann eine Zustellung noch im Sinne von § 167 ZPO „demnächst“ erfolgt ist.

Der Kläger focht mehrere Beschlüsse einer Wohnungseigentümerversammlung an. Zwei Tage vor Ablauf der einmonatigen Klagefrist  (§ 46 Abs. 1 Satz 2 WEG) erhielt der Prozessbevollmächtigte die Gerichtskostenrechnung übersandt. Dreißig Tage später ging der Vorschuss bei der Justizkasse ein. Das AG wies die Klage als unzulässig ab. Die Berufung blieb erfolglos.

Der BGH verweist die Sache an das LG zurück. Er knüpft an seine Rechtsprechung an, wonach eine Zustellung noch „demnächst“ erfolgt ist, wenn eine durch nachlässiges Verhalten des Klägers verursachte Verzögerung vierzehn Tage nicht übersteigt. Hierbei ist der Zeitraum bis zum Ablauf der Frist (im Streitfall: zwei Tage) nicht zu berücksichtigen. Darüber hinaus hat der Kläger grundsätzlich mindestens eine Woche Zeit, um die Zahlung zu erledigen. Dieser Zeitraum verlängerte sich im Streitfall auf neun Tage, weil innerhalb der Wochenfrist zwei Feiertage lagen. Ferner hat der Prozessbevollmächtigte für die Prüfung und Weiterleitung der an ihn übersandten Rechnung drei Werktage Zeit. Im Streitfall betrug der aus diesem Grund unschädliche Zeitraum fünf Tage, weil er ein Wochenende umfasste. Von den dreißig Tagen zwischen Erhalt der Rechnung und Zahlungseingang sind damit insgesamt sechzehn nicht zu berücksichtigen. Der verbleibende, auf Nachlässigkeit des Klägers zurückzuführende Zeitraum beträgt vierzehn Tage – eine wahre Punktlandung.

Praxistipp: Die Frage, ob eine Kostenrechnung an den Prozessbevollmächtigten oder unmittelbar an die Partei versandt wird, ist nicht bundeseinheitlich geregelt. Die Pflicht des Anwalts, eine erhaltene Rechnung innerhalb von drei Werktagen (gemeint sind wohl Arbeitstage) zu prüfen und an den Mandanten weiterzuleiten, besteht unabhängig davon, ob die Übersendung an ihn der einschlägigen Regelung entspricht..

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Kostenersatz für eigenen Anwalt eines Streitgenossen
Beschluss vom 19. September 2017 – VI ZR 72/16

Eine missbräuchliche Verursachung von Kosten durch einen beklagten Rechtsanwalt bejaht der VI. Zivilsenat in einer besonderen Fallkonstellation.

Der Antragsteller war zusammen mit einer GmbH, deren alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer er ist, auf Schadensersatz in Anspruch genommen worden. In einem gemeinsam unterzeichneten Schriftsatz unter dem Briefkopf einer mit weiteren Anwälten bestehenden Sozietät bestellten sich der Antragsteller als Prozessbevollmächtigter der GmbH und eine in der Sozietät angestellte Anwältin als Prozessbevollmächtigte des Antragstellers. Nach Abschluss des Rechtsstreits begehrte der Antragsteller, die Kosten für die von ihm mandatierte Anwältin zu seinen Gunsten festzusetzen. Der Antrag hatte zunächst Erfolg. Auf die Erinnerung der Kläger hob die Rechtspflegerin ihre Entscheidung wieder auf. Die Beschwerde des Antragstellers blieb erfolglos.

Der BGH bestätigt die Entscheidung der Vorinstanzen. Grundsätzlich ist es im Kostenfestsetzungsverfahren zwar nicht zu beanstanden, wenn mehrere Streitgenossen jeweils einen eigenen Prozessbevollmächtigten bestellen. Etwas anderes gilt aber, wenn nach den Umständen des Einzelfalls feststeht, dass für die Beauftragung eines eigenen Anwalts kein sachlicher Grund bestand. Einen solchen Ausnahmefall sieht der BGH mit den Vorinstanzen im Streitfall als gegeben an. Die Bestellung eines eigenen Anwalts kann in der gegebenen Konstellation insbesondere nicht mit einer drohenden Interessenkollision begründet werden. Im Falle eines Interessenkonflikts hätte die GmbH nicht den Antragsteller mit ihrer Vertretung betrauen dürfen.

Praxistipp: Der Ablauf des konkreten Verfahrens zeigt, dass es häufig am Antragsgegner liegt, Umstände aufzuzeigen, aus denen sich ein missbräuchliches Verhalten ergibt.

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Darlehenswiderruf per Telefax durch Stellvertreter
Urteil vom 10. Oktober 2017 – XI ZR 457/16

Eine allgemeine Frage zur Wirksamkeit einseitiger Rechtsgeschäfte beantwortet der XI. Zivilsenat.

Die Kläger hatten bei der Beklagten zwei Darlehen zur Finanzierung einer Immobilie aufgenommen. Sieben Jahre später erklärte ein für die Verbraucherzentrale tätiger Rechtsanwalt per Telefax den Widerruf der Verträge. Zusammen mit diesem Schreiben übermittelte er eine Einverständniserklärung, die in der für den Telefax-Versand verwendeten Originalvorlage von einem der beiden Kläger unterschrieben war. Sechs Tage später wies die Beklagte den Widerruf gemäß § 174 Abs. 1 BGB zurück, weil der Erklärung keine Originalvollmacht beigelegen habe. Einige Wochen später erklärte der Prozessbevollmächtigte erneut den Widerruf der Darlehensverträge, diesmal unter Vorlage einer Originalvollmacht. Die auf Feststellung des wirksamen Widerrufs gerichtete Klage blieb in erster Instanz erfolglos. Das OLG stellte fest, dass die Darlehensverträge durch die zweite Widerrufserklärung in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt worden seien.

Der BGH verweist die Sache auf die (nur) von der Beklagten eingelegte Revision an das OLG zurück. Im Anschluss an seine neuere Rechtsprechung hält er das Feststellungsbegehren für unzulässig, weil es den Klägern möglich und zumutbar war, die ihnen aufgrund des Widerrufs zustehenden Ansprüche im Wege der Zahlungsklage geltend zu machen. Ergänzend führt er aus, dass bereits die erste Widerrufserklärung wirksam war, weil die Beklagte diese Erklärung nicht unverzüglich zurückgewiesen hat. In einer Parenthese bringt der BGH schließlich zum Ausdruck, dass der Beklagten ein Recht zum unverzüglichen Widerruf gemäß § 174 Abs. 1 BGB zugestanden hatte, weil die Übermittlung einer Vollmacht per Telefax nicht als Vorlage einer Vollmachtsurkunde im Sinne dieser Vorschrift anzusehen ist. Letzteres ist auch Gegenstand des (einzigen) Leitzsatzes der Entscheidung.

Praxistipp: Eine im Namen des Mandanten abgegebene einseitige Willenserklärung, die an sich nicht formbedürftig ist, sollte wegen § 174 Abs. 1 BGB stets auf dem Postwege (unter Beifügung einer Originalvollmacht) übermittelt werden.

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Schriftform, Heilungsklausel, Treu und Glauben
Urteil vom 27. September 2017 – XII ZR 114/16

Mit der Kündigung eines langfristigen Mietvertrags über Gewerberäume befasst sich der XII. Zivilsenat.

Die Parteien hatten im Jahr 1998 einen langfristigen Mietvertrag über Ladenräume geschlossen. Ende 2009 hatten sie in einem schriftlichen Nachtrag die Verlängerung der Mietzeit bis Ende Mai 2020 vereinbart. Anfang 2011 bat die Klägerin schriftlich darum, die im Vertrag enthaltene Wertsicherungsklausel zu ihren Gunsten zu ändern. Der Beklagte schickte dieses Schreiben mit dem unterschriebenen Vermerk „einverstanden“ zurück. Mitte 2014 kündigte die Klägerin den Vertrag zum 31.12.2014. Ihr Räumungsbegehren blieb in den beiden ersten Instanzen erfolglos.

Die Revision der Klägerin bleibt ohne Erfolg. Der Vertrag gilt zwar gemäß § 550 BGB als auf unbestimmte Zeit geschlossen, weil die im Jahr 2011 getroffene Vereinbarung über die Änderung der Wertsicherungsklausel nicht die erforderliche Bezugnahme auf den Ausgangsvertrag enthält und deshalb dem Schriftformerfordernis des § 550 BGB nicht genügt. Abweichend vom OLG hält der BGH die Kündigung nicht deshalb für treuwidrig, weil der ursprüngliche Vertrag eine so genannte Schriftformheilungsklausel enthält, die die Pflicht vorsieht, alle Erklärungen abzugeben, die zur Einhaltung der gesetzlichen Schriftform erforderlich ist. Eine solche Klausel ist nach Auffassung des BGH mit dem Schutzzweck des § 550 ZPO nicht vereinbar. Im Streitfall hält der BGH die Kündigung aber dennoch für treuwidrig, weil die Vereinbarung, die zur Formunwirksamkeit geführt hat, allein der Klägerin vorteilhaft ist.

Praxistipp: Um nicht auf die Grundsätze von Treu und Glauben angewiesen zu sein, sollte bei jeder nachträglichen Änderung eines langfristigen Mietvertrags sorgfältig darauf geachtet werden, dass die Anforderungen an die Einhaltung der in § 550 BGB vorgeschriebenen Form gewahrt sind. Dafür ist unerlässlich, dass der Nachtrag eine Bezugnahme auf alle für den Vertragsinhalt relevanten früheren Vereinbarungen enthält.