Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um die Voraussetzungen einer Anschlussberufung.

Keine Wiedereinsetzung nach Ablauf der Frist für eine Anschlussberufung
BGH, Beschluss vom 23. Februar 2024 – V ZB 111/23

Der V. Zivilsenat befasst sich mit § 524 Abs.  2 Satz 2 ZPO – und mit der Frage, wann eine Klageerweiterung vorliegt.

Die Parteien sind Eigentümer benachbarter Grundstücke. Sie streiten um den Verlauf der Grenzen.

In erster Instanz hat der Kläger zunächst begehrt, den Grenzverlauf entsprechend den Ermittlungen des gerichtlichen Sachverständigen festzustellen. Nach einem Hinweis des LG, ein exakter Grenzverlauf lasse sich auf der Grundlage des Gutachtens nicht feststellen, hat er die Grenzscheidung (§ 920 BGB) entlang der im Gutachten festgestellten Grenzpunkte beantragt. Das LG hat dem Klagebegehren entsprochen.

Das OLG hat nach Eingang von Berufungsbegründung und -erwiderung mitgeteilt, der Hinweis des LG sei nicht zutreffend gewesen. Der Kläger hat daraufhin erneut seinen ursprünglichen Klageantrag gestellt. Das OLG hat den Tenor des erstinstanzlichen Urteils entsprechend geändert und die Berufung der Beklagten mit dieser Maßgabe zurückgewiesen.

Die Revision der Beklagten bleibt ohne Erfolg.

Entgegen der Auffassung des OLG wäre die erneute Umstellung des Klageantrags nicht zulässig gewesen, wenn sie als Anschlussberufung anzusehen wäre.

Im Zeitpunkt der Umstellung war die nach § 524 Abs. 2 Nr. 2 ZPO maßgebliche Frist zur Berufungserwiderung bereits abgelaufen. Ein Antrag auf Wiedereinsetzung nach Versäumung dieser Frist ist gemäß § 233 Satz 1 ZPO nicht statthaft. Eine analoge Anwendung von § 233 ZPO ist auch dann nicht möglich, wenn dem erstinstanzlichen Gericht ein Verfahrensfehler unterlaufen ist und der mit der Anschlussberufung gestellte Antrag bei fehlerfreiem Verfahren schon in erster Instanz gestellt worden wäre.

Im Streitfall erweist sich die Entscheidung des OLG aber im Ergebnis als zutreffend, weil die in zweiter Instanz vorgenommene Umstellung des Klageantrags keine Anschlussberufung darstellt.

Wenn ein in erster Instanz erfolgreicher Kläger seinen Antrag in zweiter Instanz umstellt, liegt darin nur dann eine Anschlussberufung, wenn eine Klageänderung im Sinne von § 263 ZPO oder eine Klageerweiterung im Sinne von § 264 Nr. 2 ZPO vorliegt. Der Übergang von einer Grenzscheidungs- zu einer Grenzfeststellungsklage stellt weder eine Klageänderung noch eine Klageerweiterung dar, sofern derselbe Grenzverlauf geltend gemacht wird. Dass der eine Antrag auf eine richterliche Gestaltung und der andere auf eine Feststellung gerichtet ist, steht dem nicht entgegen. Maßgeblich ist, dass beide Anträge auf dieselben Tatsachen gestützt und auf dasselbe Ziel gerichtet sind, nämlich die verbindliche Festlegung eines bestimmten Grenzverlaufs.

Praxistipp: Wenn ein Klageantrag nach richterlichem Hinweis geändert wird, empfiehlt es sich, den ursprünglichen Antrag als Hilfsantrag weiterzuverfolgen.

Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um die Sondereigentumsfähigkeit von Teilen einer Tiefgarage.

Sondereigentumsfähigkeit von Duplex- und Palettenparkern
BGH, Beschluss vom 7. März 2024 – V ZB 46/23

Der V. Zivilsenat befasst sich der alten und der neuen Fassung von § 3 und mit § 5 Abs. 2 WEG.

Die Beteiligten sind Mitglieder einer seit 1996 bestehenden Gemeinschaft von Wohnungseigentümern. Im Grundbuch ist unter anderem Sondereigentum an 18 Stellplätzen in der Tiefgarage eingetragen, die ausweislich des Aufteilungsplans auf einem auf Laufschienen gelagerten, horizontal verschiebbaren Palettensystem eingerichtet sind, um die Zufahrt zu dahinter liegenden Stellplätzen zu ermöglichen.

Im Vorfeld einer Sanierung beantragen die Beteiligten, die Eintragung im Grundbuch dahingehend zu ändern, dass es sich nicht um Sondereigentum handelt, sondern um isolierte Miteigentumsanteile (dazu BGH, Urteil vom 5. Dezember 2003 – V ZR 447/01, NJW 2004, 1798). Das AG hat den Antrag abgelehnt. Die dagegen gerichtete Beschwerde ist erfolglos geblieben.

Der BGH verweist die Sache an das Kammergericht zurück.

Das KG ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Antrag zurückzuweisen ist, wenn an den in Rede stehenden Stellplätzen wirksam Sondereigentum begründet worden ist. Diese Voraussetzung ist auf der Grundlage von § 3 Abs. 2 WEG in der für den Streitfall noch maßgeblichen, bis 30. November 2020 geltenden Fassung jedoch nicht gegeben.

Gemäß § 3 Abs. 2 Satz 2 WEG aF gelten Garagenstellplätze als sonderrechtsfähige abgeschlossene Räume, wenn ihre Flächen durch dauerhafte Markierungen ersichtlich sind. Dadurch wird, wie der BGH nunmehr erstmals entscheidet, nicht die Raumeigenschaft fingiert, sondern nur die Abgeschlossenheit. Das danach verbleibende Erfordernis eines Raums ist nur dann erfüllt, wenn dem Stellplatz ein lichter Raum eindeutig zugeordnet ist.

Bei vertikal verstellbaren Duplexparkern ist diese Voraussetzung nicht erfüllt, weil ein Teil des Raums abwechselnd vom einen oder vom anderen Parker eingenommen wird.

Bei horizontal verschiebbaren Palettenparkern gilt Entsprechendes, weil sie abwechselnd jeweils einen unterschiedlichen Teil des Raums belegen. Darüber können diejenigen Bereiche, die zum Erreichen dahinter liegender Stellplätze benötigt werden, nach § 5 Abs. 2 WEG nicht zum Gegenstand des Sondereigentums gehören, weil sie von mehreren Wohnungseigentümern gemeinschaftlich genutzt werden.

Nach der im Streitfall noch nicht anwendbaren Regelung in § 3 Abs. 1 Satz 2 WEG nF gelten Stellplätze als Räume. Damit sind Stellplätze in Doppelstockgaragen sondereigentumsfähig. Für Palettenstellplätze gilt dasselbe, wenn ein bestimmter Platz auf einer Palette zum alleinigen Gebrauch fest zugewiesen ist.

Praxistipp: Schon nach altem Recht ist ein Doppelstockparker in seiner Gesamtheit sondereigentumsfähig. Sondereigentum an einzelnen Stellplätzen in einem Doppelstockparker oder an Palettenstellplätzen kann in Altanlagen nur durch Änderung der Teilungserklärung begründet werden.

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Diese Woche geht es um die Zulässigkeit einer Berufung gegen ein zweites Versäumnisurteil.

Fernbleiben vom Termin nach Verlegungsantrag und Ablehnungsgesuch
BGH, Beschluss vom 8. Februar 2024 – V ZB 53/23

Der V. Zivilsenat befasst sich mit den Sorgfaltspflichten im Vorfeld eines Einspruchstermins.

Die Klägerin begehrt eine Löschungsbewilligung. Das AG hat gegen den Beklagten antragsgemäß ein Versäumnisurteil erlassen. Der Beklagte hat Einspruch eingelegt.

Fünf Tage vor der mündlichen Verhandlung hat der Beklagte die Verlegung des Termins wegen fehlender Akteneinsicht begehrt. Mit einem unmittelbar vor Verhandlungsbeginn eingegangenen Schreiben hat er den zuständigen Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Das AG hat den Einspruch durch den abgelehnten Richter durch Versäumnisurteil verworfen. Das LG hat die dagegen gerichtete Berufung des Beklagten als unzulässig verworfen.

Die Rechtsbeschwerde des Beklagten bleibt ohne Erfolg.

Das LG hat die Berufung zu Recht als gemäß § 514 Abs. 2 Satz 1 ZPO unzulässig angesehen, weil der Beklagte in seiner Berufungsbegründung einen Fall der fehlenden oder schuldlosen Säumnis nicht dargelegt hat.

Der Beklagte durfte sich nicht darauf verlassen, dass sein unmittelbar vor dem Termin eingereichtes Ablehnungsgesuch dem abgelehnten Richter vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung vorgelegt wird. Deshalb war er gehalten, vorsorglich zum Termin zu erscheinen und sein Ablehnungsgesuch ggf. zu wiederholen.

Unabhängig davon reicht die Rüge, ein vor dem Termin gestelltes Ablehnungsgesuch sei fehlerhaft behandelt worden, zur Darlegung fehlender oder unverschuldeter Säumnis im Sinne von § 514 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht aus. Entsprechendes gilt für die Rüge, durch die Nichtgewährung von Akteneinsicht vor der mündlichen Verhandlung sei der Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt worden.

Praxistipp: Bei einem Ablehnungsgesuch während der mündlichen Verhandlung kann der Termin gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 ZPO unter Mitwirkung des abgelehnten Richters fortgesetzt werden, wenn anderenfalls eine Vertagung erforderlich wäre.

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Diese Woche geht es um die Präklusion von Vorbringen in der Berufungsinstanz.

Zustellung eines Versäumnisurteils
BGH, Beschluss vom 21. Februar 2024 – XII ZR 65/23

Der XII. Zivilsenat befasst sich mit dem Anwendungsbereich von § 531 Abs. 2 ZPO.

Die Kläger nehmen den Beklagten nach dem Scheitern der Übernahme einer Gaststätte auf Rückzahlung von 60.000 Euro in Anspruch. Das LG hat gegen den Beklagten antragsgemäß ein Versäumnisurteil erlassen. Dieses wurde ausweislich der Postzustellungsurkunde am 14.5.2022 zugestellt. Das LG hat den am 1.6.2022 eingelegten Einspruch des Beklagten wegen Versäumung der Einspruchsfrist verworfen. Das OLG hat die dagegen gerichtete Berufung zurückgewiesen.

Der BGH verweist die Sache an das OLG zurück.

Das OLG durfte den zweitinstanzlichen Vortrag des Beklagten, wonach das Versäumnisurteil entgegen den Angaben in der Zustellungsurkunde nicht in seinen Briefkasten eingeworfen wurde, sondern in den Briefkasten einer in demselben Haus wohnenden Person gleichen Nachnamens, nicht gemäß § 531 Abs. 2 ZPO unberücksichtigt lassen.

Die ordnungsgemäße Zustellung eines Versäumnisurteils ist von Amts wegen zu prüfen. Diesbezügliches Vorbringen darf nicht nach § 531 Abs. 2 ZPO als verspätet zurückgewiesen werden.

Das OLG wird nach Zurückverweisung zu klären haben, ob das Versäumnisurteil an dem in der Zustellungsurkunde angegebenen Tag in den Briefkasten des Beklagten eingeworfen wurde. Hierbei wird es sich mit der Frage zu befassen haben, ob die Beweiskraft der Zustellungsurkunde dadurch beeinträchtigt ist, dass der Vorname des Beklagten darin nicht vollständig angegeben ist.

Praxistipp: Eine Postzustellungsurkunde erbringt nach § 415 ZPO vollen Beweis für die darin angegebenen Zustellungshandlungen. Die Beweiskraft einer solchen Urkunde kann aber gemindert sein, wenn die darin enthaltenen Angaben unvollständig, unklar oder unstimmig sind.

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Diese Woche geht es um die Kosten für Schönheitsreparaturen in einer Mietwohnung.

Individuell vereinbarte Quotenabgeltungsklausel
BGH, Beschluss vom 6. März 2024 – VIII ZR 79/22

Der VIII. Zivilsenat ergänzt seine Rechtsprechung zu Klauseln, die den Mieter für den Fall eines Auszugs vor Fälligkeit von Schönheitsreparaturen zur anteiligen Kostentragung verpflichten.

Die Beklagte hatte seit Mai 2015 eine Wohnung vermietet. Die Kläger traten im Oktober 2015 anstelle des vorherigen Mieters in den Mietvertrag ein. Damals vereinbarten die Parteien, dass die Kläger die vom Vormieter eingegangene Verpflichtung zur Zahlung anteiliger Kosten bei Auszug vor Fälligkeit von Schönheitsreparaturen übernehmen und dass es deshalb bei einer dem Vormieter gewährten Reduzierung der monatlichen Miete um 80 Euro verbleibt.

Das Mietverhältnis endete mit Ablauf des Monats Mai 2018. Die Beklagte behielt von der geleisteten Kaution einen Teilbetrag von rund 1.250 Euro wegen anteiliger Kosten für Schönheitsreparaturen ein. Das AG wies die auf Zahlung dieses Betrags gerichtete Klage ab. Das LG verurteilte die Beklagte antragsgemäß.

Der BGH verweist die Sache an das LG zurück.

Entgegen der Auffassung des LG ist für die Entscheidung des Streitfalls erheblich, ob die vertragliche Regelung über die anteilige Kostenpflicht eine Allgemeine Geschäftsbedingung oder eine Individualvereinbarung darstellt.

Als Allgemeine Geschäftsbedingung ist eine solche Klausel nach § 307 Abs. 1 BGB unwirksam, weil für den Mieter nicht absehbar ist, welche Kostenbelastung auf ihn zukommt (BGH, Urt. v. 18.3.2015 – VIII ZR 242/13, MDR 2015, 636).

Eine Individualvereinbarung dieses Inhalts ist hingegen wirksam.

  • 556 Abs. 4 BGB, wonach Vereinbarungen über Betriebskosten nicht zum Nachteil des Mieters von den Vorgaben in § 556 Abs. 1 BGB abweichen dürfen, steht solchen Regelungen entgegen der Auffassung des LG nicht entgegen. Kosten für Schönheitsreparaturen sind keine Betriebskosten. Sie betreffen vielmehr die Instandhaltung und Instandsetzung der Mietsache. Die diesbezügliche Pflicht obliegt zwar gemäß § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB dem Vermieter. Diese Regelung ist aber dispositiv.

Das LG wird deshalb zu prüfen haben, ob die für den Streitfall relevante Regelung individuell ausgehandelt worden ist. Hierfür genügt es nicht, dass die Kläger die Wahl zwischen der vereinbarten Klausel und einer um 80 Euro höheren Miete hatten. Vielmehr müssen sie die Möglichkeit gehabt haben, alternativ eigene Textvorschläge mit der effektiven Möglichkeit ihrer Durchsetzung einzubringen.

Praxistipp: Eine Pflicht zur Vornahme von Renovierungsarbeiten für den Fall, dass die Räume mehr als unerhebliche Gebrauchsspuren aufweisen, kann nach der neueren Rechtsprechung des BGH in AGB nicht wirksam vereinbart werden, wenn die Wohnung in nicht renoviertem Zustand übergeben worden ist (BGH, Urt. v. 18.3.2015 – VIII ZR 185/14, MDR 2015, 578).

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Diese Woche geht es um formelle Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung.

Gläubigeridentität in der Zwangsvollstreckung
BGH, Beschluss vom 17. Januar 2024 – VII ZB 54/21

Der VII. Zivilsenat befasst sich mit dem Erfordernis einer Titelumschreibung nach einer Ringabtretung.

Die Gläubigerin betreibt die Zwangsvollstreckung aus einem im Jahr 2005 erlassenen Vollstreckungsbescheid über eine Hauptforderung in Höhe von 525 Euro. Nach ihrem Vorbringen ist die titulierte Forderung im Laufe der Jahre ohne Umschreibung des Titels insgesamt dreimal abgetreten worden: von ihr an eine erste Zessionarin, von dieser an eine zweite, inzwischen insolvente Zessionarin und von dieser wieder an die Gläubigerin.

Das AG hat den Antrag auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses abgelehnt, weil Zweifel daran bestünden, ob die dritte Abtretung wirksam sei. Die Beschwerde der Gläubigerin ist erfolglos geblieben.

Der BGH verweist die Sache an das LG zurück.

Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen sind die Voraussetzungen des § 750 Abs. 1 ZPO gegeben. Die darin normierten Anforderungen an die Angabe des Gläubigers sind im Streitfall schon deshalb erfüllt, weil der Vollstreckungsantrag durch diejenige (juristische) Person gestellt wird, die in dem Titel als Gläubigerin bezeichnet ist.

Dass die titulierte Forderung zwischendurch an Dritte abgetreten war, ist in diesem Zusammenhang unerheblich. Der Verlust der Aktivlegitimation steht einer Vollstreckung durch den im Titel bezeichneten Gläubiger formell nicht entgegen. Darauf gestützte Einwendungen kann der Schuldner nur mit einer Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO geltend machen.

Praxistipp: Eine Vollstreckungsabwehrklage gegen den bisherigen Gläubiger ist unbegründet, wenn der neue Gläubiger diesem die materiellrechtliche Ermächtigung zur Einziehung der abgetretenen Forderung erteilt hat (BGH, Urt. v. 9.12.1992 – VIII ZR 218/91, MDR 1993, 473). Eine nur prozessuale Ermächtigung reicht hingegen nicht aus (BGH, Urt. v. 26.10.1984 – V ZR 218/83, MDR 1985, 309).

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Diese Woche geht es erneut um Fallstricke des elektronischen Rechtsverkehrs.

Beweiskraft eines elektronischen Empfangsbekenntnisses
BGH, Beschluss vom 17. Januar 2024 – VII ZB 22/23

Der VII. Zivilsenat befasst sich mit den Wirkungen eines elektronischen Empfangsbekenntnisses in der Form eines strukturierten Datensatzes im Sinne von § 173 Abs. 3 Satz 2 ZPO.

Der Kläger macht Gewährleistungsrechte wegen mangelhaften Einbaus einer Fußbodenheizung geltend. Das LG hat die Klage abgewiesen. Das OLG hat zwei Anträge auf Wiedereinsetzung nach Versäumung der Frist zur Berufungsbegründung zurückgewiesen und die Berufung des Klägers mangels rechtzeitiger Begründung als unzulässig verworfen.

Der BGH verwirft die Rechtsbeschwerde des Klägers wegen nicht rechtzeitiger Einlegung als unzulässig.

Ausweislich des vom zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten des Klägers übermittelten Empfangsbekenntnisses ist die angefochtene Entscheidung des Berufungsgerichts am 12.6.2023 zugestellt worden. Die am 13.7.2023 eingelegte Rechtsbeschwerde ist deshalb verspätet.

Dass der Prozessbevollmächtigte das Empfangsbekenntnis erst am 13.6.2023 an das OLG übermittelt hat, ist unerheblich. Maßgeblich für das Datum der Zustellung ist nicht der Tag, an dem das Empfangsbekenntnis versandt wird, sondern der im Empfangsbekenntnis angegebene Tag der Entgegennahme des zuzustellenden Dokuments. Dies gilt auch bei einem Empfangsbekenntnis in Form eines strukturierten Datensatzes im Sinne von § 173 Abs. 3 Satz 2 ZPO.

Wie ein Empfangsbekenntnis, das auf Papier oder als elektronisches (PDF‑)Dokument im Sinne von § 130a ZPO abgegeben wird, erbringt auch ein Empfangsbekenntnis in der Form eines strukturierten Datensatzes vollen Beweis für die Zustellung des Dokuments am darin angegebenen Tag. Der Kläger hat diesen Beweis nicht entkräftet, sondern lediglich eine abweichende Rechtsauffassung vertreten.

Praxistipp: Um die Möglichkeit einer Wiedereinsetzung offenzuhalten, sollten die schriftlichen Organisationsanweisungen einer Anwaltskanzlei vorsehen, dass Rechtsmittelfristen auch bei einem elektronischen Empfangsbekenntnis stets anhand des im Empfangsbekenntnis angegebenen Zustellungsdatums berechnet werden und nicht anhand des Tags der Rücksendung.

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Diese Woche geht es um das Verhältnis zwischen der Verschwiegenheitspflicht eines Notars und dem Akteieinsichtsrecht von Beteiligten.

Einsicht in die Nebenakte eines Notars
BGH, Beschluss vom 11. Januar 2024 – V ZB 63/22

Der V. Zivilsenat beantwortet eine bislang offen gelassene Frage.

Die Beteiligten sind Geschwister und Erben ihrer im Jahr 2016 verstorbenen Mutter. Rund zwei Monate vor ihrem Tod hatte die Erblasserin der Beteiligten zu 2 in einem notariellen Vertrag eine Eigentumswohnung geschenkt. Der Beteiligte zu 1 macht in einem Rechtsstreit vor dem Landgericht geltend, der Vertrag sei wegen Geschäftsunfähigkeit der Erblasserin unwirksam. Das Landgericht hat beschlossen, das Gutachten eines medizinischen Sachverständigen einzuholen. Die beiden Beteiligten und die Präsidentin des Landgerichts (als zuständige Aufsichtsbehörde anstelle der verstorbenen Mutter, § 18 Abs. 2 BNotO) haben den beurkundenden Notar von seiner Verschwiegenheitspflicht befreit.

Der Notar hat einen Antrag des Beteiligten zu 1 auf Einsicht in die Nebenakte dennoch abgelehnt. Ergänzend hat er erklärt, in der Nebenakte finde sich zur Frage der Geschäftsfähigkeit der Erblasserin lediglich der handschriftliche Vermerk „voll geschäftsfähig“. Die Beschwerde des Beteiligten zu 1 gegen die Versagung der Akteneinsicht ist erfolglos geblieben.

Die Rechtsbeschwerde des Beteiligten zu 1 hat ebenfalls keinen Erfolg.

Nach § 51 Abs. 3 BeurkG können die an einer Beurkundung beteiligten Personen vom Notar die Einsicht in die Urschrift verlangen. Ein Einsichtsrecht in die nicht zur Urkundensammlung gehörenden Unterlagen, die gemäß § 40 NotAktVV in der Nebenakte abzulegen und aufzubewahren sind, besteht hingegen nicht.

Der Inhalt der Nebenakte unterliegt der in § 18 Abs. 1 BNotO Pflicht des Notars zur Amtsverschwiegenheit. Ist der Notar von dieser Pflicht befreit worden, so ist er berechtigt, aber nicht verpflichtet, Einsicht in die Nebenakte oder einzelne Bestandteile davon zu gewähren. Die Entscheidung darüber obliegt seinem pflichtgemäßen Ermessen.

Im Streitfall ist die Entscheidung des Notars, die Einsicht zu verweigern, weil die Nebenakten außer dem Vermerk „voll geschäftsfähig“ keine Unterlagen zur Geschäftsfähigkeit der Erblasserin enthalten, nicht zu beanstanden. Der Beteiligte zu 1 hat keinen Anspruch darauf, die Nebenakten nach Unterlagen zu durchsuchen, die möglicherweise doch relevant sind.

Praxistipp: Wenn der Notar von der Verschwiegenheitspflicht befreit wurde, ist er gemäß § 385 Abs. 2 ZPO nicht mehr zur Zeugnisverweigerung berechtigt.

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Diese Woche geht es um die Voraussetzungen einer Ersatzeinreichung.

Glaubhaftmachung technischer Probleme bei beA
BGH, Beschluss vom 17. Januar 2024 – XII ZB 88/23

Kurz nach dem Anwaltssenat, dessen Entscheidung im Anwaltsblog 8/2024 vorgestellt wird, hat sich auch der XII. Zivilsenat mit den Anforderungen aus § 130d ZPO befasst. 

Die Antragstellerin begehrt Zugewinnausgleich. Das AG hat ihrem Antrag nur teilweise stattgegeben. Dagegen legte sie durch ihren Verfahrensbevollmächtigten fristgerecht Beschwerde ein. Einige Tage vor Ablauf der Frist übermittelte die Antragstellerin, die sich nunmehr als Rechtsanwältin selbst vertritt, per Telefax eine Beschwerdebegründung und einen Schriftsatz, in dem sie darlegte, weshalb sie die Begründung nicht über beA eingereicht hat. Das OLG hat die hilfsweise begehrte Wiedereinsetzung versagt und die Beschwerde als unzulässig verworfen.

Die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin bleibt ohne Erfolg.

Nach der inzwischen gefestigten Rechtsprechung des BGH setzt die Glaubhaftmachung einer vorübergehenden Unmöglichkeit der Einreichung eines Schriftsatzes als elektronisches Dokument eine aus sich heraus verständliche, geschlossene Schilderung der tatsächlichen Abläufe oder Umstände voraus, deren Richtigkeit der Rechtsanwalt unter Bezugnahme auf seine Standespflichten anwaltlich versichern muss. 

Bei einer Störung des beA-Servers oder des Servers für das elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) des Empfängergerichts kann hierfür die Bezugnahme auf Screenshots mit entsprechenden Fehlermeldungen der Bundesrechtsanwaltskammer oder des EGVP-Betreibers genügen. Bei Fehlern, die ihre Ursache im Verantwortungsbereich des Absenders haben, ist hingegen eine detailliertere Darstellung erforderlich.

Im Streitfall hat die Antragstellerin im Wesentlichen vorgetragen, der Fehlbedienungszähler ihrer beA-Karte sei abgelaufen gewesen und sie habe deshalb eine neue beA-Karte beantragen müssen, deren Lieferung ein bis zwei Wochen in Anspruch nehmen könne. Diesem Vorbringen lässt sich nicht hinreichend deutlich entnehmen, ob eine technische Unmöglichkeit im Sinne von § 130d Satz 2 ZPO oder ein schlichter Anwenderfehler vorlag. Eine vollständige Darlegung hätte zumindest Ausführungen dazu erfordert, weshalb ein Zurücksetzen des Fehlbedienungszählers mit Hilfe des hierfür vorgesehenen PUK (Personal Unblocking Key) nicht möglich war.

Praxistipp: Um bei „unerklärlichen“ Fehlern mit der beA-Karte dennoch Schriftsätze wirksam einreichen zu können, empfiehlt sich der zusätzliche Erwerb eines Softwarezertifikats. Dieses kann zwar nicht für eine qualifizierte elektronische Signatur eingesetzt werden, wohl aber für den Versand auf einem sicheren Übermittlungsweg – und für den mobilen Zugriff auf das beA-Postfach.

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Diese Woche geht es um die Frage, in welchem Umfang ein Schenker den Beschenkten durch Auflagen binden kann.

Schenkung unter Auflage zur lebzeitigen Weiterübertragung
BGH, Urteil vom 28. November 2023 – X ZR 11/21

Der X. Zivilsenat befasst sich mit dem Tatbestand des § 2302 BGB.

Die Parteien sind als Miterben nach dem Tod ihres Vaters bzw. Ehemanns Eigentümer eines Grundstücks in München. Die beiden Kläger verlangen die Übereignung des Anwesens an sich selbst und den Beklagten zu 2. Sie stützen diesen Anspruch auf einen im Jahr 1995 geschlossenen und in den Jahren 2003 und 2008 modifizierten Vertrag, mit dem der Vater des Erblassers das Grundstück an diesen unter der Auflage geschenkt hatte, es spätestens bei seinem Ableben an seine leiblichen Kinder zu übereignen. Bis zum Tod des Erblassers im Jahr 2019 war es nicht zu einer Übereignung des Grundstücks gekommen. Die Klage hatte in den beiden ersten Instanzen Erfolg.

Der BGH verweist die Sache an das OLG zurück.

Das OLG hat allerdings zu Recht angenommen, dass eine in einem Schenkungsvertrag enthaltene Auflage, den geschenkten Gegenstand spätestens mit dem Ableben unentgeltlich auf einen Dritten zu übertragen, wirksam sein kann.

Nach § 2302 BGB ist eine vertragliche Verpflichtung, eine Verfügung von Todes wegen zu errichten, nichtig. Dieses Verbot erfasst nur Verpflichtungen im Hinblick auf Verfügungen von Todes wegen, nicht aber in Bezug auf Rechtsgeschäfte unter Lebenden.

Nichtig ist danach eine Auflage, die den Beschenkten verpflichtet, zugunsten eines Dritten ein Schenkungsversprechen unter der Bedingung abzugeben, dass der Dritte den Beschenkten überlebt. Auf solche Versprechen finden nach § 2301 Abs. 1 BGB die Vorschriften über Verfügungen von Todes wegen Anwendung.

Wirksam ist eine Auflage hingegen, wenn die Parteien des Schenkungsvertrags bereits einen – wenn auch bedingten – Anspruch des Dritten auf Übereignung des geschenkten Gegenstands begründen.

Im Streitfall stand die vom Erblasser eingegangene Verpflichtung unter der Bedingung, dass die begünstigten Kinder ihn überleben, denn der Schenkungsvertrag sieht vor, dass der Übereignungsanspruch beim Tod eines Kindes nicht auf dessen Erben übergeht. Die vereinbarte Auflage ist dennoch nicht nach § 2302 BGB nichtig, weil sich der Erblasser im Schenkungsvertrag nicht zur Abgabe eines Schenkungsversprechens gegenüber seinen Kindern verpflichtet hat, sondern zur Übereignung des Grundstücks an diese.

Die Berufungsentscheidung hat jedoch keinen Bestand, weil sich der mit der Klage geltend gemachte Anspruch entgegen der Auffassung des OLG nicht schon aus dem ursprünglichen Vertrag aus dem Jahr 1995 ergibt. Dieser Vertrag sieht einen Übereignungsanspruch des nunmehr geltend gemachten Inhalts nicht vor. Er wurde nur in den Nachträgen aus den Jahren 2003 (zugunsten der beiden Kläger) und 2008 (zugunsten der Kläger und des Beklagten zu 2) vereinbart. Aus diesen Nachtragsvereinbarungen kann entgegen der Auffassung des OLG nicht die Schlussfolgerung gezogen werden, dass ein solcher Übereignungsanspruch schon dem gemeinsamen Willen beider Vertragsparteien im Jahr 1995 entsprach.

Nach der Zurückverweisung wird das OLG deshalb zu klären haben, ob der Nachtrag aus dem Jahr 2008 wirksam zustande gekommen oder mangels Zustimmung der Ehefrau des Erblassers gemäß § 1365 BGB unwirksam ist.

Praxistipp: Ein Schenker, der eine Weiterübereignung an bestimmte Dritte sicherstellen möchte, muss darauf achten, dass bereits im Schenkungsvertrag ein Übereignungsanspruch des Dritten begründet wird.