Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um die Darlegungslast des Reiseveranstalters für die Angemessenheit einer pauschalen Entschädigung bei Rücktritt vom Vertrag.

Entschädigung bei Rücktritt des Reisenden vor Reisebeginn
Urteil vom 24. Mai 2022 – X ZR 12/21

Mit einer besonderen Vertragsgestaltung auf Seiten des Reiseveranstalters befasst sich der X. Zivilsenat.

Der Kläger schloss mit der Beklagten für seine Ehefrau und sich einen Vertrag über eine knapp sechswöchige Pauschalreise nach Australien. Fünf Tage vor Reise trat er wegen Erkrankung der Ehefrau von der Reise zurück. Die Beklagte erstattete 30 % des bereits vollständig gezahlten Reisepreises. Den Rest behielt sie unter Bezugnahme auf ihre AGB als Entschädigung ein. Die AGB sehen für den Fall eines Rücktritts nach dem vierzehnten und vor dem fünften Tag vor Reiseantritt eine pauschale Entschädigung von 70 % des Reisepreises vor. Dieselben Pauschalsätze sind in dem Vertrag zwischen der Beklagten und einer Schwestergesellschaft vorgesehen, von der die Beklagte sämtliche Reiseleistungen bezieht.

Der Kläger hält allenfalls eine Entschädigung von 50 % für angemessen und verlangt deshalb Rückzahlung von weiteren 20 % des Reisepreises. Das AG wies die Klage ab. Das LG sprach den geltend gemachten Betrag von rund 4.000 Euro mit Ausnahme eines Teils der verlangten Zinsen zu.

Die Revision der Beklagten bleibt ohne Erfolg.

Nach § 651i BGB aF (seit 1.7.2018: § 651h BGB) verliert der Reiseveranstalter den Anspruch auf den Reisepreis, wenn der Reisende vor Beginn der Reise vom Vertrag zurücktritt. Der Reiseveranstalter kann jedoch eine angemessene Entschädigung verlangen. Diese bestimmt sich nach dem Reisepreis abzüglich ersparter Aufwendungen und abzüglich dessen, was der Veranstalter durch anderweitige Verwendung der Reiseleistungen erwirbt. Der Reiseveranstalter darf in seinen AGB angemessene Entschädigungspauschalen festlegen.

Nach der Rechtsprechung des BGH muss der Reiseveranstalter sowohl bei konkreter Berechnung als auch bei Geltendmachung einer Pauschale die Umstände darlegen, aus denen sich die Angemessenheit der geforderten Entschädigung ergibt. Hierfür genügt es in der Konstellation des Streitfalls nicht, wenn die Beklagte auf die entsprechenden Pauschalsätze im Vertrag mit ihrer Schwestergesellschaft verweist. Die Beklagte muss sich vielmehr so behandeln lassen, als habe sie die Reiseleistungen unmittelbar von den Vertragspartnern der Schwestergesellschaft bezogen. Sie hätte deshalb zu den Ersparnissen und anderweitigen Verwendungsmöglichkeiten in diesen Vertragsverhältnissen vortragen müssen.

Praxistipp: Nach der seit 1.7.2018 geltenden Regelung in § 651h Abs. 3 BGB kann der Reiseveranstalter keine Entschädigung verlangen, wenn am Bestimmungsort oder in dessen unmittelbarer Nähe unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände auftreten, die die Durchführung der Pauschalreise oder die Beförderung von Personen an den Bestimmungsort erheblich beeinträchtigen.

Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um das Nachreichen einer Prozessvollmacht.

Heilung des Mangels der Prozessvollmacht
Beschluss vom 4. Mai 2022 – VII ZB 18/18

Mit den Anforderungen an die Prozessvollmacht eines Inkassodienstleisters befasst sich der VII. Zivilsenat.

Die Gläubigerin betreibt die Zwangsvollstreckung aus einem Urteil über eine Forderung in Höhe von rund 5.500 Euro zuzüglich Zinsen und Kosten. Sie ist durch eine in das Rechtsdienstleistungsregister eingetragene Inkassodienstleisterin vertreten. Auf deren Antrag erließ das AG im Januar 2017 einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss. Eine Erinnerung des Schuldners blieb erfolglos. Mit seiner Beschwerde rügte er unter anderem das Fehlen einer Prozessvollmacht. Die Inkassodienstleisterin legte daraufhin eine Inkassovollmacht der Gläubigerin im Original vor. Das LG wies die Beschwerde zurück.

Die Rechtsbeschwerde des Schuldners bleibt ebenfalls ohne Erfolg.

Ohne Vorlage einer Vollmachtsurkunde hätte der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss allerdings nicht ergehen dürfen. Die Ausnahmeregelung in § 88 Abs. 2 ZPO, wonach Mängel der Vollmacht nicht von Amts wegen zu berücksichtigen sind, wenn ein Rechtsanwalt als Bevollmächtigter auftritt, ist nach der Rechtsprechung des BGH auf Inkassodienstleister, die nach § 79 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 ZPO zur Vertretung befugt sind, nicht entsprechend anwendbar. Die für diesen Personenkreis geltende Ausnahmeregelung in § 753a ZPO gab es im hier relevanten Zeitraum noch nicht.

Dieser Fehler führte jedoch nicht zur Nichtigkeit des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses, sondern nur zu dessen Anfechtbarkeit. Der Mangel der Vollmacht konnte deshalb bis zur Entscheidung über die Beschwerde geheilt werden. Dies ist im Streitfall durch Vorlage der Inkassovollmacht geschehen. Die Heilung wirkt auf den Zeitpunkt der Antragstellung zurück.

Praxistipp: Nach der seit 1.1.2021 geltenden Ausnahmeregelung in § 753a ZPO ist die Vorlage einer Vollmacht durch Inkassodienstleister und öffentlich geförderte Verbraucherverbände entbehrlich, wenn diese ihre ordnungsgemäße Bevollmächtigung versichern.

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Diese Woche geht es um die prozessuale Stellung eines einfachen Streithelfers.

Widerspruch zwischen dem Sachvertrag von Partei und Streithelfer
Urteil vom 26. April 2022 – VI ZR 1321/20

Mit den Konsequenzen von § 67 Satz 1 ZPO befasst sich der VI. Zivilsenat.

Der Kläger verlangt Ersatz materieller und immaterieller Schäden wegen eines Katzenbisses, in dessen Gefolge ein stationärer Krankenhausaufenthalt und sechs Operationen stattfanden. Die beklagte Halterin der Katze ist anwaltlich nicht vertreten. Ihre Haftpflichtversicherung hat vorprozessual 1.000 Euro gezahlt und danach ihre Einstandspflicht in Abrede gestellt. Sie ist dem Rechtsstreit als Streithelferin der Beklagten beigetreten und hat geltend gemacht, der Kläger sei Miteigentümer und Mithalter der Katze; unabhängig davon sei die Schilderung des Unfallhergangs unplausibel. Die Beklagte hat bei einer persönlichen Anhörung vor dem Landgericht die Darstellung des Klägers bestätigt. Dennoch blieb die Klage in den beiden ersten Instanzen ohne Erfolg.

Der BGH verweist die Sache an das OLG zurück.

Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen hängt die Haftung der Beklagten als Halterin der Katze gemäß § 833 Satz 1 BGB nicht davon ab, dass der Kläger den genauen Hergang des Unfalls beweisen kann. Es genügt, wenn die Katze ihn gebissen hat und der geltend gemachte Schaden dadurch verursacht worden ist. Letzteres haben die Vorinstanzen zugunsten des Klägers unterstellt. Auf dieser Grundlage kann die Klage nicht abgewiesen werden. Besonderheiten des Unfallhergangs können allenfalls zu einer Haftungsminderung oder ausnahmsweise zu einem Haftungsausschluss führen; die Beweislast für die dafür relevanten Umstände liegt bei der Beklagten.

Unabhängig davon durften die Vorinstanzen den Vortrag des Klägers zum Unfallhergang nicht als streitig ansehen. Das Bestreiten seitens der Streithelferin ist gemäß § 67 Satz 1 ZPO unbeachtlich, weil es in Widerspruch zum Vortrag der von ihr unterstützten Beklagten steht. Für die Frage, ob ein Widerspruch in diesem Sinne vorliegt, ist auch im Anwaltsprozess unerheblich, ob die widersprechenden Angaben von der unterstützten Partei oder von ihrem Anwalt stammen. Ein Streithelfer darf nur dann abweichend von der unterstützten Partei vortragen, wenn er gemäß § 69 ZPO als Streitgenosse gilt. Diese Voraussetzungen liegen bei einem Haftpflichtversicherer nicht vor.

Praxistipp: Der Widerspruch der Versicherungsnehmerin gegen den Vortrag des Haftpflichtversicherers führt zu Beschränkungen der Interventionswirkung nach § 68 ZPO. Er kann darüber hinaus Auswirkungen auf die Deckungspflicht haben.

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Diese Woche geht es um die Heilung eines Verfahrensmangels bei der Zustellung eines Urteils – und um eine auf den ersten Blick überraschende Konsequenz der Zustellung an das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA).

Zustellung eines Urteils in nicht beglaubigter Abschrift
Urteil vom 11. April 2022 – V ZR 15/21

Mit den Voraussetzungen des § 189 ZPO befasst sich der V. Zivilsenat.

Der Kläger verlangt von der Beklagten Herausgabe eines Autos. Die Beklagte erschien nicht zur mündlichen Verhandlung. Am Ende des Sitzungstages diktierte der Richter den Tenor des beantragten Versäumnisurteils in das Protokoll. Eine nicht beglaubigte Abschrift dieses Protokolls wurde nebst elektronischem Empfangsbekenntnis in das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) des Prozessbevollmächtigten der Beklagten übermittelt. Dieser sandte das Empfangsbekenntnis zurück und bestätigte darin den Erhalt des Protokolls am 11.5.2020. Am 9.6.2020 machte er geltend, das im Protokoll wiedergegebene Versäumnisurteil sei nicht wirksam zugestellt. Das LG stellte am Tag darauf eine beglaubigte Abschrift zu. Am 10.6.2020 später ging der Einspruch gegen das Versäumnisurteil ein. Das LG verwarf diesen als unzulässig. Die Berufung der Beklagten blieb erfolglos.

Die Revision der Beklagten hat ebenfalls keinen Erfolg.

Der Einspruch ist verspätet eingelegt worden, weil das Versäumnisurteil bereits am 11.5.2020 wirksam zugestellt wurde.

Die Zustellung war zwar fehlerhaft, weil das Gericht eine beglaubigte Abschrift des Urteils hätte übersenden müssen. Ein solcher Verfahrensmangel wird aber – ebenso wie bei Schriftsätzen der Gegenseite – auch bei einem Urteil gemäß § 189 ZPO geheilt, wenn das Dokument mit Zustellungswillen versandt wird und dem Empfänger tatsächlich zugeht und wenn keine Zweifel an der Authentizität und Amtlichkeit der Abschrift bestehen.

Im Streitfall ergeben sich der Zustellungswille des Gerichts aus der Übersendung des elektronischen Empfangsbekenntnisses und der Zugang beim Empfänger aus der Vervollständigung und Rücksendung des Empfangsbekenntnisses durch den Prozessbevollmächtigten. Zweifel an der Authentizität und Amtlichkeit der Abschrift bestehen jedenfalls deshalb nicht, weil das Dokument an das beA versandt worden ist, das gemäß § 130a Abs. 4 Nr. 2 ZPO einen sicheren Übermittlungsweg darstellt.

Praxistipp: Der Streitfall zeigt, dass ein Urteil auch dann wirksam zugestellt ist, wenn das Dokument im Begleitschreiben nur als „Protokoll“ bezeichnet ist. Zur Beurteilung der Frage, ob eine Zustellung eine Frist auslöst, ist deshalb stets der gesamte Inhalt des zugestellten Dokuments zu überprüfen.

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Diese Woche geht es um die Befugnis zur Geltendmachung von Abwehransprüchen gegen Beeinträchtigungen des Gemeinschaftseigentums in einer Wohnungseigentumsanlage

Geltendmachung von Abwehransprüchen bei Wohnungseigentum
Urteil vom 28. Januar 2022 – V ZR 106/21

Mit der Abgrenzung der Befugnisse einzelner Eigentümer und der Gemeinschaft sowie mit den Übergangsregeln für Altfälle befasst sich der V. Zivilsenat.

Der Klägerin gehört eine Eigentumswohnung im Dachgeschoss des Hinterhauses einer Wohnungseigentumsanlage. Die Beklagte betreibt im Erdgeschoss des Vorderhauses als Mieterin einen Supermarkt. Im Jahr 2008 erlaubte die Wohnungseigentümergemeinschaft der Beklagten durch einstimmigen Beschluss, die Durchfahrt zum Hinterhaus täglich für einige Stunden zum Abstellen von Lieferfahrzeugen zu benutzen. Die Wohnung der Klägerin ist diesen Zeiträumen nur über einen Fußweg mit Treppenstufen zu erreichen. Das LG wies die Klage ab. Das OLG verbot der Beklagten antragsgemäß das Abstellen von Fahrzeugen in der Durchfahrt.

Die Revision der Beklagten bleibt ohne Erfolg.

Die Klägerin ist prozessführungsbefugt, weil sie ihre Klage vor Inkrafttreten von § 9a WEG (d.h. vor dem 01.12.2020) erhoben und die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer der weiteren Geltendmachung des Anspruchs nicht widersprochen hat.

Nach § 9a Abs. 2 WEG ist die Klägerin nur dann zur Geltendmachung von Unterlassungs- und Beseitigungsansprüchen befugt, wenn das beanstandete Verhalten zumindest auch ihr Sondereigentum beeinträchtigt. Diese Voraussetzung wäre im Streitfall nur dann erfüllt, wenn die Wohnung der Klägerin in den betroffenen Zeiträumen nicht mehr zugänglich wäre. Im Streitfall bleibt der Zugang über den Fußweg möglich. Dass dieser nicht barrierefrei ist, führt jedenfalls deshalb nicht zu einer rechtlich relevanten Beeinträchtigung des Sondereigentums, weil die Wohnung ohnehin nur über das Treppenhaus erreichbar ist.

Nach altem Recht konnte ein einzelner Eigentümer Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche in Bezug auf das Gemeinschaftseigentum geltend machen, solange die Gemeinschaft diese Befugnis nicht durch Beschluss an sich gezogen hat.

Diese Befugnis des einzelnen Eigentümers bleibt nach den vom BGH entwickelten Übergangsregeln bei Klagen, die vor dem 01.12.2020 erhoben sind, grundsätzlich bestehen. Sie fällt aber weg, wenn die Gemeinschaft, vertreten durch den Verwalter, der weiteren Geltendmachung im Hinblick auf die eingetretene Rechtsänderung widerspricht. Ob ein solcher Widerspruch auf einem wirksamen Beschluss beruht, ist unerheblich. Im Streitfall hat die Verwalterin lediglich auf den Beschluss aus dem Jahr 2008 verwiesen. Darin liegt kein auf das neue Recht gestützter Widerspruch.

Mit dem Beschluss aus dem Jahr 2008 hat die Gemeinschaft die Geltendmachung der Ansprüche schon auf der Grundlage des alten Rechts an sich gezogen. Dieser Beschluss steht der Klage – anders als ein auf das neue Recht gestützter Widerspruch – aber nur dann entgegen, wenn er wirksam ist. Hieran fehlt es im Streitfall, weil die Durchfahrt zugleich als Feuerwehrzufahrt dient und deshalb nach den einschlägigen Vorschriften der Landesbauordnung ständig freigehalten werden muss. Ein Eigentümerbeschluss, der gegen diese Vorschriften verstößt, ist nichtig, weil die verletzte Norm der Gefahrenabwehr und dem Brandschutz dient und ein Verstoß zugleich den Versicherungsschutz im Brandfall gefährden kann.

Wegen der Nichtigkeit des im Jahr 2008 gefassten Beschlusses ist die Klage nicht nur zulässig, sondern auch begründet. Ohne Zustimmung der Eigentümer darf die Beklagte die Durchfahrt nicht zum Abstellen von Fahrzeugen nutzen.

Praxistipp: Auf der Grundlage des neuen Rechts ist ein einzelner Eigentümer in solchen Fällen auf die Geltendmachung von Ansprüchen gegen die Gemeinschaft beschränkt. Lehnt diese ein Vorgehen gegen den Dritten rechtswidrig ab, kommen Schadensersatzansprüche in Betracht.

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Diese Woche geht es um das Verhältnis zwischen Prozesszinsen und Darlehenszinsen

Anrechnung von Prozesszinsen auf zu erstattende Darlehenszinsen
Urteil vom 2. Juli 2021 – V ZR 95/20

Mit dem Grundsatz der Vorteilsausgleichung befasst sich der V. Zivilsenat.

Die Klägerin hatten von der Beklagten im März 2007 für rund 130.000 Euro eine Eigentumswohnung gekauft. Zur Finanzierung nahmen sie einen Bankdarlehen über einen Gesamtbetrag von rund 140.000 Euro auf. Im Juli 2015 wurde die Beklagte wegen fehlerhafter Beratung zur Erstattung des gesamten Darlehensbetrags nebst Prozesszinsen seit Dezember 2012 verurteilt. Nach Rechtskraft des Urteils zahlte die Beklagte den Darlehensbetrag zuzüglich Prozesszinsen in Höhe von rund 27.000 Euro an die Klägerin. Im nunmehr anhängigen Rechtsstreit verlangt die Klägerin Ersatz der an die Bank gezahlten Zinsen und weiterer Finanzierungskosten in Höhe von insgesamt rund 36.000 Euro. Die Klage war in den beiden ersten Instanzen im Wesentlichen erfolgreich.

Die Revision der Beklagten hat Erfolg und führt zur Zurückverweisung der Sache an das OLG.

Entgegen der Auffassung des OLG sind die zugesprochenen Prozesszinsen auf den Anspruch auf Ersatz für die im gleichen Zeitraum angefallenen Darlehenszinsen anzurechnen. Dies ergibt sich aus den Grundsätzen über die Vorteilsanrechnung. Prozesszinsen dienen dem Ausgleich von Nachteilen, die der Gläubiger erleidet, weil er einen ihm zustehenden Geldbetrag nicht nutzen kann. Dieser Nachteil ist im Streitfall deckungsgleich mit dem Nachteil, den die Klägerin dadurch erlitten hat, dass sie weiterhin Zinsen auf das zur Finanzierung des Wohnungserwerbs aufgenommene Darlehen zahlen musste. Die Prozesszinsen sind deshalb auf den Anspruch auf Ersatz der ab Dezember 2012 angefallenen Darlehenszinsen anzurechnen. Welcher Betrag danach verbleibt, hat das OLG im wieder eröffneten Berufungsverfahren zu klären.

Praxistipp: Um die Klage schlüssig zu machen, muss der Kläger im Einzelnen darlegen, welche Darlehenszinsen in dem Zeitraum angefallen sind, für den ihm Prozesszinsen zugesprochen wurden.

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Diese Woche geht es um eine fast immer auftretende, aber nur selten im Fokus stehende Frage des Schadensersatzrechts.

Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten
Urteil vom 22. Juni 2021 – VI ZR 353/20

Mit den Voraussetzungen für einen Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten befasst sich der VI. Zivilsenat.

Der Kläger macht Ansprüche auf Schadensersatz im Zusammenhang mit dem Erwerb eines Pkw mit nicht regelkonformem Dieselmotor (Typ EA189) geltend. Die Klage war in erster Instanz im Wesentlichen erfolgreich. Das OLG wies die Berufung der Beklagten zum überwiegenden Teil zurück, wies die Klage jedoch ab, soweit der Kläger Freistellung von vorgerichtlichen Anwaltskosten begehrt.

Die Revision des Klägers bleibt ohne Erfolg.

Vorgerichtliche Anwaltskosten für die Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs gehören zu dem zu ersetzenden Schaden, wenn zwei Voraussetzungen erfüllt sind:

Zum einen muss die Beauftragung eines Anwalts mit der außergerichtlichen Geltendmachung aus der Sicht des Geschädigten mit Rücksicht auf seine spezielle Situation zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig gewesen sein. Hierzu hat das OLG im Streitfall keine Feststellungen getroffen.

Darüber hinaus müssen die Kosten tatsächlich entstanden sein. Dies ist nur dann der Fall, wenn das Mandat zunächst auf eine außergerichtliche Tätigkeit beschränkt ist oder wenn ein Prozessauftrag nur bedingt für den Fall des Scheiterns des vorgerichtlichen Mandats erteilt wird. Erteilt der Mandant von Beginn an den unbedingten Auftrag, im gerichtlichen Verfahren tätig zu werden, fällt eine Geschäftsgebühr für außergerichtliche Tätigkeit (Nr. 2300 RVG) hingegen nicht an.

Maßgeblich für die Beurteilung dieser Frage ist das Innenverhältnis zwischen dem Mandanten und dessen Anwalt. Das Auftreten des Rechtsanwalts gegenüber dem Schuldner kann aber ein Indiz bilden. Die Darlegungs- und Beweislast liegt grundsätzlich beim Geschädigten. Im Streitfall hatte der Anwalt des Klägers im ersten Schreiben an die Beklagte mitgeteilt, es werde Klage erhoben, wenn innerhalb der gesetzten Frist keine Zahlung erfolge. Dies durfte das OLG als Indiz für die Erteilung eines unbedingten Klageauftrags werten. Es lag am Kläger, darzulegen und zu beweisen, dass er seinen Anwalt zunächst nur mit der vorgerichtlichen Vertretung betraut hat.

Praxistipp: Um Probleme bei der Beweisführung zu vermeiden, sollte das Mandat schriftlich erteilt oder bestätigt werden.

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Diese Woche geht es um die Organisations- und Sorgfaltspflichten eines Rechtsanwalts beim Versand von Schriftsätzen über beA.

Eingang eines über beA eingereichten Dokuments
Beschluss vom 11. Mai 2021 – VIII ZB 9/20

Mit der automatisierten Eingangsbestätigung nach § 130a Abs. 5 Satz 2 ZPO befasst sich der VIII. Zivilsenat.

Die Klägerin macht Ansprüche aus einem Gebrauchtwagenkauf geltend. Ihre Klage blieb in erster Instanz erfolglos. Die Beklagte legte fristgerecht Berufung ein. Nach Ablauf der Frist für die Begründung des Rechtsmittels wies das OLG darauf hin, dass eine Begründung nicht eingegangen sei. Die Klägerin beantragte Wiedereinsetzung und machte geltend, die dafür zuständige Fachangestellte ihrer Prozessbevollmächtigten habe die Begründung am letzten Tag der Frist über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) übermittelt. Bei der durch Arbeitsanweisung vorgeschriebenen Überprüfung hinsichtlich Versand und Fehlermeldungen seien Fehler nicht zu erkennen gewesen. Das OLG versagte die beantragte Wiedereinsetzung und verwarf die Berufung als unzulässig.

Der BGH verwirft die Rechtsbeschwerde der Klägerin als unzulässig, weil alle relevanten Rechtsfragen bereits geklärt sind.

Das OLG hat zu Recht entschieden, dass die Berufungsbegründung nicht fristgerecht eingegangen ist. Aus dem von der Klägerin vorgelegten beA-Übermittlungsprotokoll ergibt sich, dass die vor Fristablauf versandte Nachricht mit der Berufungsbegründung zwar an den Rechner der Bundesrechtsanwaltskammer übermittelt, von dort aber nicht an den Empfangsrechner des OLG, den so genannten Intermediär, weitergeleitet worden ist. Der BGH hat bereits entschieden, dass der Eingang auf dem für das Gericht bestimmten Intermediär ausreichend, aber auch erforderlich ist (MDR 2020, 1272).

Ebenfalls zu Recht hat das OLG die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand versagt. Ein Rechtsanwalt muss seine mit dem Versand von Dokumenten über beA betrauten Mitarbeiter anweisen, nach dem Versand zu überprüfen, ob die automatisierte Eingangsbestätigung im Sinne von § 130a Abs. 5 Satz 2 ZPO vorliegt. Dies hat das BAG bereits vor einiger Zeit entschieden (NJW 2019, 2793). Eine solche Überprüfung war in der im Streitfall maßgeblichen Arbeitsanweisung nicht vorgeschrieben. Wäre sie erfolgt, so wäre der Übermittlungsfehler zu Tage getreten.

Praxistipp: Im beA gibt es zusätzlich zu der Eingangsbestätigung auch ein Prüfprotokoll und ein Übermittlungsprotokoll. Aus diesen Protokollen können zwar bestimmte Fehler ersichtlich sein. Hinreichende Sicherheit, dass die Nachricht beim Gericht eingegangen ist, liefert aber nur die Eingangsbestätigung. Wo diese zu finden ist, wird erläutert im beA-Newsletter 31/2019.

Stornoentschädigung bei sog. Angstkündigung vor Corona-Beeinträchtigung entfällt bei späterer Reiseabsage durch Veranstalter

Das LG Frankfurt/M hat jüngst in einer Wettbewerbssache entschieden, dass eine Pauschalreise auch dann kostenfrei storniert werden kann, wenn Reisende aus Angst vor Corona-Beeinträchtigungen zunächst vorsorglich storniert und sich diese Beeinträchtigungen dann im Nachhinein bestätigt. Bei der Regelung der Verpflichtung zur unverzüglichen Rückerstattung des Reisepreises im Fall des Rücktritts handelt es sich um eine Marktverhaltensregelung gem. § 651h Abs. 5 BGB, § 3aUWG (LG Frankfurt, Urt. v. 04.05.2021 – 3-06 O 40/20, BeckRS 2021, 10387, www.reiserechtfuehrich.com). Damit kommt auch in dieser Entscheidung zum wiederholten Male die Rechtsfrage vor Gericht, ob im Falle eines verfrühten Rücktritts des Reisenden aus Angst wegen der Ungewissheit der weiteren Beeinträchtigung durch das Coronavirus der Anspruch des Veranstalters auf die Stornoentschädigung nachträglich entfällt, wenn er die Reise später selbst durch seinen Rücktritt absagt. Insoweit verweise ich auf meinen Überblicksaufsatz zur Entwicklung des Pauschalreiserechts im Jahre 2020 im neuen Heft 13 der MDR in Führich, MDR 2021, 777.

Der Entscheidung des LG Frankfurt/M ist zuzustimmen. Harke (RRa, 2020, 207, 211; BeckOGK/BGB/Harke, (Stand: 1.11.2020), § 651h Rz. 47) weist zutreffend darauf hin, dass im Falle einer solchen überholenden Kausalität weder der Wortlaut des § 651h BGB noch der zugrunde liegende Art. 12 Abs. 2 der neuen Pauschalreiserichtlinie (EU) 2015/2302 einer Auslegung widerspricht, dass dem Veranstalter keine Entschädigung zusteht, wenn die Reise sich später wegen der Dynamik der Pandemie doch für den Veranstalter als undurchführbar oder für den Reisenden wegen der Gefährdung seiner Gesundheit als unzumutbar erweist. Richtigerweise sollte für die notwendige Prognoseentscheidung des Reisenden grundsätzlich auf den Zeitpunkt seiner Rücktrittserklärung abgestellt werden. Wegen des verbraucherschützenden Charakters des Art. 12 Abs. 2 und des ihn umsetzenden § 651h BGB darf der Reisende auf seine negative Prognose vertrauen, ist aber ausnahmsweise nicht an eine positive Prognose gebunden. Insoweit kann der Reisende auch bei einem frühzeitigen Rücktritt mit einer dadurch begründeten Pflicht zur Zahlung einer Stornoentschädigung hoffen, dass dieser Nachteil für ihn bis zum vertraglichen Reisebeginn wegen des außergewöhnlichen Umstandes wieder entfällt. Es entspricht weder der Natur des Entschädigungsanspruchs und noch dem nicht abgeschlossenen Rückgewährschuldverhältnis für den gezahlten Reisepreis nach § 651h Abs. 5 BGB, wenn dem Reiseveranstalter nach seiner Reiseabsage wegen Unmöglichkeit der Reise durch Corona-Beeinträchtigungen noch ein Entschädigungsanspruch zustehen soll (so auch AG Stuttgart, Urt. v. 23.10.2020 – 3 C 2852/20, RRa 2021, 73).

 

BGH zu Rechthabern und Querulanten

Im Rahmen eines Verfahrens über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe bei dem LG hatte die Antragstellerin erfolglos einen Befangenheitsantrag gestellt. Die sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des LG wurde vom OLG zurückgewiesen. Gegen den entsprechenden Beschluss des OLG legte die Antragstellerin beim BGH Rechtsbeschwerde ein. Der BGH legte diese (offensichtlich unzulässige) Rechtsbeschwerde (sachgemäß) als Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des OLG aus. Der Antrag wurde dann aber selbstredend zurückgewiesen, da die beabsichtigte Rechtsbeschwerde unzulässig gewesen wäre. Das OLG hatte eine Rechtsbeschwerde gegen seinen eigenen Beschluss nicht zugelassen. Damit war der Instanzenzug beendet. Deshalb ist eine Bewilligung von PKH für die Rechtsbeschwerde gleichfalls nicht möglich. Interessant an diesem Beschluss sind vor allem die letzten Sätze, die deswegen wörtlich zitiert werden sollen:

„Dies ist der Antragstellerin bereits aus den Verfahren III ZB 63/20 und III ZB 2/21 bekannt. Der Senat wird in Zukunft vergleichbare – offensichtlich unzulässige und erkennbar rechtsmissbräuchliche – Eingaben der Antragstellerin nicht mehr bescheiden. Er muss es nicht hinnehmen, durch sinnentleerte Inanspruchnahme seiner Arbeitskapazitäten bei der Erfüllung seiner Aufgaben behindert zu werden (…).“

Der Gesetzgeber hat sich des Problems der Querulanz bisher noch nicht angenommen, obwohl es höchste Zeit ist. Erst vor kurzem war eine entsprechende Gesetzesinitiative gescheitert. Danach sollte eine Regelung eingeführt werden, die „Berufskläger“ im Sozialrecht, die für eine hohe Zahl von Verfahren verantwortlich sind, „bestrafen“ sollte.

Fazit: Der BGH (Beschl. v. 15.4.2021 – III ZB 10/21) hat nunmehr einen Weg aufgezeigt, wie bei derartigen Eingaben verfahren werden kann. Es wird der betroffenen Person mitgeteilt, dass weitere Eingaben nicht mehr beschieden werden. Allerdings enthebt dies (leider) die Gerichte nicht davon, die Eingaben zur Kenntnis zu nehmen und rechtlich zu bewerten. Es ist mehr als bedauerlich, dass der Gesetzgeber die Gerichte hier „im Regen“ stehen lässt.