Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erstattung außergerichtlicher Kosten in Verfahren nach dem FamFG.

Reichweite einer Kostengrundentscheidung
BGH, Beschluss vom 23. April 2025 – IV ZB 18/24

Der IV. Zivilsenat befasst sich mit dem Unterschied zwischen § 81 und § 84 FamFG.

Der Beteiligte zu 1 beantragte die Einziehung eines Erbscheins, der den Beteiligten zu 2 als Alleinerben ausweist. Das AG hat den Antrag abgewiesen und dem Beteiligten zu 1 unter Bezugnahme auf § 81 FamFG die Kosten des Einziehungsverfahrens auferlegt. Das OLG hat die dagegen gerichtete Beschwerde zurückgewiesen und unter Bezugnahme auf § 84 FamFG ausgesprochen, dass der Beteiligte zu 1 die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen hat.

Der Beteiligte zu 2 hat daraufhin die Festsetzung zu erstattender Kosten in Höhe von rund 14.000 Euro beantragt. Das AG hat die Kosten antragsgemäß festgesetzt. Die dagegen gerichtete Beschwerde des Beteiligten zu 1 ist erfolglos geblieben.

Die Rechtsbeschwerde des Beteiligten zu 1 hat hinsichtlich der zweitinstanzlichen Kosten ebenfalls keinen Erfolg. Den Antrag auf Festsetzung der erstinstanzlichen Kosten weist der BGH hingegen zurück.

Entgegen der Auffassung des OLG ist einer erstinstanzlichen Entscheidung in einem Nachlassverfahren, in der ein Antrag kostenpflichtig zurückgewiesen wird oder dem Antragsteller die Kosten des Verfahrens auferlegt werden, regelmäßig nicht zu entnehmen, dass der Antragsteller außergerichtliche Kosten der anderen Beteiligten zu tragen hat. Dies hat der BGH bereits vor kurzem so entschieden (Beschluss vom 29. Januar 2025 – IV ZB 2/24, MDR 2025, 482 Rn. 12 ff.). Aus den Entscheidungsgründen kann sich zwar im Einzelfall etwas anderes ergeben. Ein bloßer Verweis auf § 81 FamFG reicht hierfür aber nicht aus. Im Kostenfestsetzungsverfahren kann eine solche Entscheidung nicht nachgeholt werden,

Eine Beschwerdeentscheidung, in der dem Beschwerdeführer unter Verweis auf § 84 FamFG die zweitinstanzlichen Kosten auferlegt werden, verpflichtet hingegen in der Regel auch zur Erstattung notwendiger Aufwendungen weiterer Beteiligter im Sinne von § 80 Satz 1 FamFG. Auch dies hat der BGH vor kurzem bereits entschieden (Beschluss vom 27. November 2024 – IV ZB 12/24,        MDR 2025, 346 Rn. 12).

Hintergrund dieser Unterscheidung ist, dass die Kostenentscheidung in erster Instanz gemäß § 81 FamFG dem Ermessen des Gerichts obliegt, während § 84 FamFG die Auferlegung der gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten der zweiten Instanz als Regelfall vorsieht.

Praxistipp: Soweit dem erstinstanzlichen Gericht ein Ermessen zusteht, hat das Beschwerdegericht gegebenenfalls eine eigene Ermessensentscheidung zu treffen (so zu § 18 VersAusglG: BGH, Beschluss vom 12. Oktober 2016 – XII ZB 372/16, MDR 2017, 296 Rn. 10). Deshalb empfiehlt sich in solchen Fällen ein Antrag des Beschwerdegegners, dem Beschwerdeführer auch die außergerichtlichen Kosten der ersten Instanz aufzuerlegen.

Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um den Neubeginn der Verjährung wegen Vollstreckungshandlungen

Vollstreckung aus unbestimmtem Titel
BGH, Beschluss vom 19. Februar 2025 – XII ZB 377/24

Der XII. Zivilsenat füllt eine Gesetzeslücke durch entsprechende Anwendung von § 204 Abs. 2 Satz 1 BGB.

Der Antragsteller ist im Jahr 2008 rechtskräftig zur Zahlung von Kindesunterhalt an den Antragsgegner verurteilt worden. In der Folgezeit ergriff der Antragsgegner – ein Jobcenter, das den unterhaltsberechtigten Kindern Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts erbrachte – verschiedene Vollstreckungsmaßnahmen. Im Juni 2021 erklärte das OLG die Zwangsvollstreckung wegen Unbestimmtheit der Tenorierung für unzulässig. Einen Monat später beantragte der Antragsgegner, den vollstreckungsfähigen Inhalt des Urteils festzustellen. Diese Feststellung erging im September 2022. Nach einem erneuten Vollstreckungsversuch beantragte der Antragsteller, die Zwangsvollstreckung wegen Verjährung für unzulässig zu erklären. Dieser Antrag hatte in den beiden ersten Instanzen keinen Erfolg.

Die Rechtsbeschwerde des Antragstellers bleibt ebenfalls ohne Erfolg.

Die vor Juni 2021 erfolgten Vollstreckungshandlungen haben gemäß § 212 Abs. 1 Nr. 2 BGB jeweils zum Neubeginn der Verjährung geführt.

Nach § 212 Abs. 2 Alt. 2 BGB gilt diese Wirkung (rückwirkend) als nicht eingetreten, wenn die Vollstreckungshandlung wegen Mangels der gesetzlichen Voraussetzungen aufgehoben wird. Entgegen der Auffassung des OLG fällt die im Juni 2021 ergangene Entscheidung, mit der die Zwangsvollstreckung wegen Unbestimmtheit des Titels für unzulässig erklärt worden ist, unter den Tatbestand dieser Vorschrift. Die hinreichende Bestimmtheit des Vollstreckungstitels ist eine wesentliche Grundlage für die Vollstreckung.

Die Entscheidung des OLG ist jedoch im Ergebnis zutreffend. Entsprechend § 204 Abs. 2 Satz 1 BGB kann der Gläubiger den Eintritt der Verjährung verhindern, indem er innerhalb von sechs Monaten nach Rechtskraft der die Zwangsvollstreckung für unzulässig erklärenden Entscheidung weitere Maßnahmen zur Rechtsverfolgung ergreift.

Nach dem bis Ende 2001 geltenden Verjährungsrecht hat der BGH in der im Streitfall gegebenen Konstellation die Regelung in § 212 Abs. 2 BGB a.F. entsprechend angewendet, wonach die Unterbrechung der Verjährung durch Klageerhebung trotz Abweisung der Klage fortgilt, wenn der Berechtigte binnen sechs Monaten von neuem Klage erhebt. Die damals konstatierte Regelungslücke ist durch das seit 2002 geltende Verjährungsrecht nicht geschlossen worden. Sie ist wie früher durch entsprechende Anwendung der – nunmehr in § 204 Abs. 2 Satz 1 BGB enthaltenen – Regelung über die Abwendung der Verjährung nach Abweisung einer Klage zu schließen. Dass die Klageerhebung nach neuem Recht nicht mehr zur Unterbrechung, sondern nur noch zur Hemmung der Verjährung führt, steht dem nicht entgegen.

Im Streitfall hat der Antragsgegner den Eintritt der Verjährung mithin durch den Antrag auf Feststellung des vollstreckbaren Inhalts und durch die nachfolgenden Vollstreckungsmaßnahmen abgewendet.

Praxistipp: Ansprüche auf regelmäßig wiederkehrende Leistungen unterliegen gemäß § 197 Abs. 2 BGB auch dann der regelmäßigen Verjährung nach § 195 und § 199 BGB, wenn sie rechtskräftig festgestellt sind.

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Diese Woche geht es um die Verjährung von Pflichtteilsansprüchen vor rechtskräftiger Feststellung der Vaterschaft

Beginn der Verjährung trotz Rechtsausübungssperre
BGH, Beschluss vom 5. Februar 2025 – XII ZB 187/24

Der IV. Zivilsenat befasst sich mit dem Verhältnis zwischen § 199 Abs. 1, § 2317 Abs. 1 und § 1600d Abs. 5 BGB.

Die Klägerin ist die nichteheliche Tochter des im August 2017 verstorbenen Erblassers. Der Beklagte war dessen eingetragener Lebenspartner und ist testamentarisch zum Alleinerben eingesetzt. Die Klägerin erlangte im Jahr 2017 Kenntnis vom Erbfall. Im Mai 2022 leitete sie ein Vaterschaftsfeststellungsverfahren ein. Ende Juni 2022 stellte das Amtsgericht die Vaterschaft des Erblassers fest. Die Entscheidung ist rechtskräftig. Die im Juni 2023 erhobene Stufenklage auf Auskunft über den Bestand des Nachlasses und Zahlung eines entsprechenden Pflichtteils blieb vor dem LG ohne Erfolg. Das OLG hat den Beklagten im Wesentlichen antragsgemäß zu Auskunft und Wertermittlung verurteilt.

Der BGH verweist die Sache an das OLG zurück.

Entgegen der Auffassung des OLG ist es nicht ausgeschlossen, dass die Verjährung des Pflichtteilsanspruchs schon vor der Feststellung der Vaterschaft begonnen hat.

Gemäß § 1600d Abs. 5 BGB können die Rechtswirkungen der Vaterschaft zwar grundsätzlich erst vom Zeitpunkt ihrer Feststellung geltend gemacht werden. Diese Durchsetzungssperre steht einer Entstehung des Anspruchs im Sinne von § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB jedoch nicht entgegen. Nach § 2317 Abs. 1 BGB entsteht der Anspruch auf den Pflichtteil vielmehr mit dem Erbfall.

Die nach § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB erforderliche Kenntnis vom Bestehen des Anspruchs liegt allerdings erst dann vor, wenn die Vaterschaft rechtskräftig festgestellt ist. Eine grob fahrlässige Unkenntnis kann nach Auffassung des BGH hingegen schon vor diesem Zeitpunkt gegeben sein – etwa dann, wenn der Berechtigte die Einleitung des gerichtlichen Feststellungsverfahrens aufgrund eines schweren Obliegenheitsverstoßes hinausgeschoben hat. Das OLG wird nach der Zurückverweisung zu prüfen haben, ob diese Voraussetzung im Streitfall erfüllt ist.

Praxistipp: Wenn ein Verjährungsbeginn wegen grob fahrlässiger Unkenntnis in Betracht kommt, die Verjährungsfrist aber auch unter dieser Prämisse noch nicht abgelaufen ist, dürfte es den sichersten Weg darstellen, die Pflichtteilsansprüche rechtzeitig vor Fristende gerichtlich geltend zu machen und eine Aussetzung des Verfahrens gemäß § 148 Abs. 1 ZPO bis zum Abschluss des Vaterschaftsfeststellungsverfahrens zu beantragen.

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Diese Woche geht es um die Auskunftspflicht eines Rechtsanwalts und Notars als Ehegatte im Zusammenhang mit Ansprüchen auf Zugewinnausgleich.

Auskunftserteilung und Belegvorlage in Zugewinnausgleichsverfahren
BGH, Beschluss vom 25. September 2024 – XII ZB 508/23

Der XII. Zivilsenat befasst sich mit der Reichweite der Verpflichtung aus § 1379 Abs. 1 Satz 1 BGB.

Die Beteiligten sind seit 2010 verheiratet und streben die Scheidung der Ehe an. Im Verbundverfahren machen sie im Wege von Stufenanträgen wechselseitig Ansprüche auf Zugewinnausgleich geltend. Maßgeblicher Stichtag ist der 1.9.2018. Der Ehemann ist selbständiger Rechtsanwalt. Seit 2014 ist er zusätzlich als Notar tätig. Die Ehefrau begehrt umfangreiche Auskünfte zum Gewinn und zu den Vermögensverhältnissen seiner Kanzlei.

Das AG hat den Ehemann unter Zurückweisung der weitergehenden Anträge verpflichtet, die Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG bezüglich seiner Kanzlei für das Jahr 2018 vorzulegen. Auf die Beschwerde der Ehefrau hat das OLG den Ehemann darüber hinaus verpflichtet, Auskunft über die offenen Forderungen, die am 1.9.2018 zu seinen Gunsten in der Kanzlei bestanden, und über den Sachwert des Notariats durch Angabe der wertbildenden Faktoren einschließlich der am 1.9.2018 offenen Forderungen des Notariats zu erteilen sowie die Auskünfte stichtagsbezogen durch Vorlage vollständiger Listen der offenen Forderungen zu belegen.

Die Rechtsbeschwerde des Ehemanns bleibt ohne Erfolg.

Nach § 1379 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BGB können Ehegatten nach Stellung eines Scheidungsantrags wechselseitig Auskunft über das für die Berechnung des Anfangs- und Endvermögens maßgebliche Vermögen verlangen. Die Pflicht zur Auskunftserteilung entfällt nur dann, wenn sich die Auskunft unter keinen denkbaren Umständen auf die Höhe des Ausgleichsanspruchs auswirken kann.

Bei der Bewertung einer freiberuflichen Praxis sind ihr Substanzwert und der übertragbare Teil ihres ideellen Werts (Goodwill) zu berücksichtigen. Der Substanzwert wird auch durch die offenen Forderungen für bereits geleistete Arbeiten bestimmt. Dies reicht aus, um eine Auskunftspflicht zu bejahen – unabhängig davon, mit welchem Betrag die Forderungen letztlich bei der Wertermittlung zu berücksichtigen sind.

Ob ein Notariat einen veräußerbaren ideellen Wert hat, obwohl der Notar Träger eines öffentlichen Amtes ist und dieses nicht veräußern kann, ist in der Literatur umstritten. Der BGH lässt die Frage offen. Jedenfalls die offenen Forderungen eines Notars sind veräußerbare Vermögensgegenstände, die den Sachwert des Notariats mitbestimmen.

Der Ehemann ist auch dann zur Auskunft über offene Forderungen verpflichtet, wenn er in Kanzlei und Notariat keine diesbezüglichen Listen führt. Er muss ein solches Verzeichnis gegebenenfalls zum Zwecke der Auskunft erstellen. Solche Listen sind entgegen der Auffassung des OLG keine Belege im Sinne von § 1379 Abs. 1 Satz 2 BGB, sondern Bestandsverzeichnisse im Sinne von § 260 Abs. 1 BGB.

Praxistipp: Die Pflicht zur Vorlage von Belegen gemäß § 1379 Abs. 1 Satz 2 BGB bezieht sich lediglich auf vorhandene Unterlagen, nicht hingegen auf die Erstellung von Unterlagen durch eigene schöpferische Leistung.

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Diese Woche geht es um die Zuständigkeit des so genannten Großen Familiengerichts. Der Bundesgerichtshof hat hierzu am 18. September 2024 gleich zwei Entscheidungen getroffen.

Gläubigeranfechtung als sonstige Familiensache
BGH, Beschluss vom 18. September 2024 – XII ZB 25/24

In der ersten Entscheidung geht es (erneut) um die Zuständigkeit nach § 266 Abs. 1 Nr. 3 FamFG.

Dem Kläger stehen gegen die Beklagte zu 1, seine geschiedene Ehefrau, titulierte Forderungen auf Zahlung von Unterhalt und Erstattung von Prozesskosten zu. Die Beklagte zu 1 hat nach der Scheidung Vermögenswerte auf den Beklagten zu 2 , ihren Vater, übertragen. Dieser ist zudem als Inhaber eines von ihr betriebenen Gewerbes angemeldet.

Der Kläger macht geltend, diese Vorgänge dienten der Vereitelung der Zwangsvollstreckung. Mit seiner Ende 2019 erhobenen Stufenklage begehrt er Auskunft über das Ergebnis der Geschäftstätigkeit und über weitere Zahlungen an den Beklagten zu 2 sowie Zahlung von noch zu bezifferndem Wertersatz.

Das vom Kläger angerufene LG hat den Rechtsstreit an das Familiengericht verwiesen. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde des Klägers ist erfolglos geblieben.

Die Rechtsbeschwerde des Klägers hat ebenfalls keinen Erfolg.

Nach § 266 Abs. 1 Nr. 3 FamFG ist das Familiengericht zuständig für Ansprüche zwischen miteinander verheirateten oder ehemals miteinander verheirateten Personen oder zwischen einer solchen und einem Elternteil im Zusammenhang mit Trennung, Scheidung oder Aufhebung der Ehe. Grund hierfür ist die Sachnähe des Familiengerichts zum Verfahrensgegenstand. Der dafür erforderliche Zusammenhang mit Trennung, Scheidung oder Aufhebung der Ehe liegt vor, wenn der Rechtsstreit durch die familienrechtlichen Verhältnisse nicht unwesentlich mitgeprägt ist.

Im Streitfall liegt der erforderliche Zusammenhang vor, weil es um die Durchsetzung titulierter Forderungen geht, die aus der geschiedenen Ehe resultieren. Dem Umstand, dass die nach Auffassung des Klägers zur Vereitelung der Zwangsvollstreckung dienenden Handlungen erst nach Scheidung stattgefunden haben, kommt demgegenüber keine entscheidende Bedeutung zu.

Der BGH lässt allerdings offen, ob nach der seit 2020 geltenden, im Streitfall noch nicht anwendbaren Rechtslage die Landgerichte zuständig sind. Hintergrund sind ein mit Wirkung vom 1.1.2020 in § 348 Abs. 2 Satz 2 ZPO eingefügter Verweis auf § 72a GVG, der unter anderem die Einrichtung von Spezialkammern für Anfechtungssachen bei den Landgerichten vorsieht und eine in § 266 Abs. 1 Nr. 3 FamFG vorgesehene Ausnahme für Verfahren nach § 348 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a bis k ZPO. Anfechtungssachen fallen nicht unter die Auflistung in den Buchstaben a bis k, wohl aber unter § 72a GVG.

Berufungszuständigkeit für sonstige Familiensachen
BGH, Beschluss vom 18. September 2024 – XII ZR 116/23

In der zweiten Entscheidung befasst sich der XII. Zivilsenat mit der Frage, welcher OLG-Senat für die Berufung zuständig und welche Verfahrensordnung maßgeblich ist, wenn in erster Instanz ein Landgericht über eine Familiensache im Sinne von § 266 Abs. 1 FamFG entschieden hat.

Die Parteien waren verheiratet und sind seit Mai 2017 geschieden. Im Rahmen der Scheidung trafen sie eine Vereinbarung über die Aufteilung ihres gemeinsamen Immobilienbesitzes. In diesem Vertrag verpflichtete sich der Kläger, die Beklagte im Innenverhältnis von bestimmten Kreditverbindlichkeiten freizustellen. Für den Fall eines Verstoßes gegen diese Verpflichtung räumte er der Beklagten ein Rücktrittsrecht eing. Nach Tilgung der Kredite verlangte der Kläger die Löschung der zur Sicherung des Rücktrittsrechts eingetragenen Auflassungsvormerkung. Die Beklagte machte ein Zurückbehaltungsrecht wegen anderweitiger Ansprüche aus dem Vertrag geltend.

Der Kläger hat die Beklagte vor dem Familiengericht auf Zustimmung zur Löschung der Vormerkung in Anspruch genommen. Das Familiengericht hat das Verfahren an das LG verwiesen. Dieses hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Das OLG hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen, aber einer in zweiter Instanz erhobenen Widerklage stattgegeben.

Die dagegen erhobene Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers bleibt ohne Erfolg.

Das Rechtsmittel war allerdings zulässig, obwohl es sich um eine Familiensache im Sinne von § 266 Abs. 1 Nr. 3 FamFG handelt.

Der nach § 266 Abs. 1 Nr. 3 FamFG erforderliche Zusammenhang ist im Streitfall gegeben, weil der Vertrag, aus dem die Parteien ihre Ansprüche herleiten, im Zusammenhang mit der Scheidung geschlossen wurde und ehemals gemeinschaftliches Vermögen der Ehegatten betrifft.

Das Familiengericht hätte die Sache also nicht an das LG verweisen dürfen. Die erfolgte Verweisung war aber gemäß § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG für das LG bindend. Ob diese Bindungswirkung sich nur auf die Zuständigkeit bezieht oder auch auf das einzuhaltende Verfahren, war umstritten. Der BGH bejaht eine umfassende Bindungswirkung. Aufgrund der Verweisung war das LG also nicht nur gehalten, die Sache zu entscheiden, sondern auch, das Verfahren nach den für Zivilsachen geltenden Vorschriften zu führen. Dasselbe gilt für die nachfolgenden Instanzen. Da der Wert der Beschwer mehr als 20.000 Euro beträgt, war deshalb gemäß § 544 ZPO eine Nichtzulassungsbeschwerde statthaft.

Der BGH stellt jedoch klar, dass diese Rechtsfolgen nur im Falle einer bindenden Verweisung nach § 17a GVG eintreten. Ist die Klage beim Landgericht erhoben worden und hat dieses seine Zuständigkeit zu Unrecht bejaht, muss das Berufungsgericht nach den Regeln des FamFG verfahren. Anders als nach der bis Ende 2001 geltenden Rechtslage ist in solchen Fällen zwar ein Zivilsenat des OLG zuständig, weil ein Rechtsmittel nicht darauf gestützt werden darf, dass die erste Instanz sich zu Unrecht für zuständig gehalten hat. Nach Auffassung des BGH hat dies aber – anders als ein Verweisungsbeschluss – keine Auswirkungen auf die anzuwendende Verfahrensordnung. Der zuständige Zivilsenat des OLG muss in solchen Fällen mithin über die Berufung gemäß den Regeln des FamFG durch Beschluss entscheiden. Eine Rechtsbeschwerde ist gemäß § 70 Abs. 1 FamFG nur statthaft, wenn das OLG sie zulässt. Letzteres gilt auch dann, wenn das OLG fehlerhaft die Regeln der ZPO angewendet und durch Urteil oder durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO entschieden hat.

In der Sache bleibt die Nichtzulassungsbeschwerde ohne Erfolg. Der BGH hält sie für unbegründet und sieht insoweit von einer näheren Begründung ab.

Praxistipp: Um Unsicherheiten zu vermeiden, sollten bei Klagen gegen geschiedene Ehegatten oder deren Eltern beide Parteien frühzeitig darauf hinwirken, dass das angerufene Gericht gemäß § 17a Abs. 3 GVG vorab über seine Zuständigkeit entscheidet. Verweist das Gericht die Sache an ein anderes Gericht, steht das einzuhaltende Verfahren für alle Instanzen bindend fest. Erklärt es sich für zuständig, besteht immerhin für die erste Instanz Klarheit.

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Diese Woche geht es um die Voraussetzungen für die Adoption eines durch private Samenspende gezeugten Kindes durch die Ehefrau der Mutter.

Zustimmung des privaten Samenspenders zur Adoption
BGH, Beschluss vom 31. Juli 2024 – XII ZB 147/24

Der XII. Zivilsenat bestätigt und ergänzt seine Rechtsprechung zu § 1747 BGB.

Die Beteiligte zu 1 und die Beteiligte zu 2 sind seit Dezember 2017 miteinander verheiratet. Im Juli 2020 gebar die Beteiligte zu 2 ein Kind, das durch private Samenspende gezeugt worden war. Anfang 2020 beantragte die Beteiligte zu 1 mit Zustimmung der Beteiligten zu 2 die Annahme des Kindes. Namen und Adresse des Samenspenders haben sie nicht mitgeteilt. Nach ihrem Vorbringen hat der Spender anlässlich des gerichtlichen Verfahrens in einem Telefongespräch erklärt, auf keinen Fall namentlich benannt werden zu wollen. Deshalb bestehe die Befürchtung, dass er sich bei Preisgabe seines Namens gegen seinen Willen zurückziehe und zu einem späteren Kontakt mit dem Kind nicht mehr bereit sei. Zum Beweis ihres Vortrags haben sie Screenshots einer WhatsApp-Kommunikation vorgelegt.

Das AG hat den Adoptionsantrag zurückgewiesen. Die Beschwerde der Beteiligten zu 1 ist erfolglos geblieben.

Die Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 1 bleibt ebenfalls ohne Erfolg.

Nach § 1747 Abs. 1 Satz 1 BGB ist für die Adoption die Einwilligung beider Eltern erforderlich. Wenn es keinen rechtlichen Vater im Sinne von § 1592 BGB gibt, gilt gemäß § 1747 Abs. 1 Satz 2 BGB als Vater, wer die Voraussetzungen des § 1600d Abs. 2 Satz 1 (Geschlechtsverkehr während der Empfängniszeit) glaubhaft macht. Im Zusammenhang mit § 1747 Abs. 1 BGB steht hierbei eine private Samenspende dem Geschlechtsverkehr gleich.

Die Sonderregelung in § 1600d Abs. 4 BGB, wonach ein Samenspender nicht als Vater festgestellt werden kann (und deshalb auch dessen Zustimmung zur Adoption nicht erforderlich ist), wenn die künstliche Befruchtung mit ärztlicher Unterstützung erfolgt ist und der Samen in einer Entnahmeeinrichtung im Sinne von § 2 Absatz 1 Satz 1 des Samenspenderregistergesetzes gespendet wurde, gilt für eine private Samenspende nicht.

Nach § 1747 Abs. 4 Satz 1 BGB ist die Einwilligung eines Elternteils entbehrlich, wenn dieser zur Abgabe einer Erklärung dauernd außerstande oder sein Aufenthalt dauernd unbekannt ist. Dieser Ausnahmetatbestand ist nicht erfüllt, wenn die Verfahrensbeteiligten Name und Kontaktdaten des Samenspenders kennen, diese Informationen dem Gericht aber nicht zur Verfügung stellen.

Bei einer privaten Samenspende ist die Zustimmung des Spenders ferner nicht erforderlich, wenn der Spender dem Adoptionsverfahren nicht beitritt. Dies gilt jedoch nur, wenn das Gericht den Spender gemäß § 7 Abs. 4 FamFG von der Einleitung des Verfahrens benachrichtigt hat. Hierzu müssen die Beteiligten dem Gericht Name und Kontaktdaten des Spenders mitteilen, sofern sie über diese Informationen verfügen. Die bloße Mitteilung, der Spender sei an einem Beitritt nicht interessiert, genügt nicht. Die Vorlage von schriftlicher Kommunikation zwischen den Beteiligten und dem Spender genügt ebenfalls nicht, wenn daraus die Identität des Spenders nicht hervorgeht.

Im vorliegenden Fall darf die Adoption danach nicht ausgesprochen werden, weil die Beteiligten Namen und Kontaktdaten des Spenders kennen, aber nicht mitgeteilt haben. Besondere Umstände, die die Mitteilung dieser Informationen als unzumutbar erscheinen lassen können, sind nicht ersichtlich.

Praxistipp: Die Einwilligung in eine Adoption bedarf gemäß § 1750 Abs. 1 Satz 2 BGB der notariellen Beurkundung.

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Diese Woche geht es um das Erfordernis einer familiengerichtlichen Genehmigung für die Ausschlagung einer Erbschaft.

Kein Genehmigungserfordernis für lenkende Ausschlagung
BGH, Beschluss vom 4. September 2024 – IV ZB 37/23

Der IV. Zivilsenat befasst sich mit § 1643 Abs. 3 Satz 1 BGB.

Die Beteiligten sind der Witwer, die beiden Kinder und der Enkel einer im Jahr 2022 verstorbenen Erblasserin. Diese hatte im Rahmen einer gegenseitigen Erbeinsetzung durch Erbvertrag ihren Ehemann zum Alleinerben bestimmt. Als Ersatzerben sind im Vertrag die beiden Kinder vorgesehen, ersatzweise deren Abkömmlinge.

Der Witwer und die beiden Kinder streben aus steuerlichen Gründen an, anstelle der vertraglich bestimmten Erbfolge die gesetzliche Erbfolge eintreten zu lassen. Deshalb haben sie die Erbschaft aus dem Berufungsgrund der gewillkürten Erbenstellung ausgeschlagen. Der Sohn und dessen Ehefrau haben dieselbe Erklärung auch im Namen ihres Kindes abgegeben.

Den daraufhin gestellten Antrag auf Erteilung eines Europäischen Nachlasszeugnisses, das den Witwer und die beiden Kinder als gesetzliche Erben zu ½ bzw. zu jeweils ¼ ausweist, wies das AG zurück. Die dagegen gerichtete Beschwerde blieb erfolglos.

Der BGH weist das AG an, das Europäische Nachlasszeugnis wie beantragt zu erteilen.

Zu Recht haben die Vorinstanzen angenommen, dass der Witwer und die beiden Kinder ihre Stellung als vertraglicher Erbe wirksam ausgeschlagen haben.

Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen ist auch die im Namen des Enkels erklärte Ausschlagung wirksam.

Nach § 1643 Abs. 1 und § 1851 Nr. 1 BGB können Eltern im Namen ihres minderjährigen Kindes eine Erbschaft nur mit Genehmigung des Familiengerichts ausschlagen. Nach§ 1643 Abs. 3 Satz 1 BGB ist eine Genehmigung entbehrlich, wenn die Erbschaft erst infolge der Ausschlagung eines Elternteils eintritt, der das Kind allein oder gemeinsam mit dem anderen Elternteil vertritt.

Wie auch die Vorinstanzen nicht verkannt haben, ist der Tatbestand dieser Ausnahmevorschrift im Streitfall dem Wortlaut nach erfüllt. Entgegen einer in Literatur und Instanzrechtsprechung verbreiteten Auffassung ist eine so genannte lenkende Ausschlagung – d.h. eine Ausschlagung, die zur Folge hat, dass der die Erklärung im Namen des Kindes abgebende Elternteil gesetzlicher Erbe wird – von diesem Tatbestand nicht aus anderen Gründen ausgenommen. Für eine teleologische Reduktion der Vorschrift fehlt es schon an einer planwidrigen Regelungslücke.

Nach § 1643 Abs. 3 Satz 1 BGB bleibt eine Genehmigung erforderlich, wenn ein ausschlagender Elternteil und das von ihm vertretene Kind Miterben sind. In dieser Konstellation besteht nach Einschätzung des Gesetzgebers ein Interessenkonflikt, weil es um eine Rechtsstellung geht, die das Kind unabhängig von der Entscheidung des Elternteils innehat. Ein vergleichbarer Interessenskonflikt droht nicht, wenn das Kind nur deshalb zum Erben berufen ist, weil ein Elternteil die Erbschaft ausgeschlagen hat. Wenn in diesem Fall der im Namen des Kindes ausschlagende Elternteil gesetzlicher Erbe wird, kann zwar ebenfalls ein Interessenkonflikt drohen. Der Gesetzgeber hat sich aber bewusst dafür entschieden, diese Konstellation dennoch vom Genehmigungserfordernis auszunehmen.

Praxistipp: Die Ausschlagung einer Erbschaft muss gemäß § 1944 BGB innerhalb von sechs Wochen nach Kenntnis von Anfall und Grund erfolgen, und zwar gemäß §1945 BGB durch öffentlich beglaubigte oder zu Protokoll abgegebene Erklärung gegenüber dem Nachlassgericht.

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Diese Woche geht es um die verfahrensrechtlichen Möglichkeiten zur Feststellung der Vaterschaft.

Feststellung der Vaterschaft nach Adoption des Kindes
BGH, Beschluss vom 15. Mai 2024 – XII ZB 358/22

Der XII. Zivilsenat befasst sich mit den Voraussetzungen der Verfahren nach § 169 und § 167a FamFG.

Die Beteilige zu 2 brachte im April 2015 ein Kind zur Welt. Zwei Monate später willigte sie in die Adoption durch die Beteiligten zu 4 ein. Im Juni 2016 wurde die Adoption ausgesprochen. Die Einwilligung des leiblichen Vaters wurde als entbehrlich angesehen, weil er und sein Aufenthalt dauernd unbekannt seien. Der Beteiligte zu 1, der nach seinem Vorbringen Ende 2018 von der Geburt erfahren hat, begehrt die Feststellung, dass er der leibliche Vater des Kindes ist.

Das AG hat den Antrag als unzulässig zurückgewiesen. Die erstmals im Beschwerdeverfahren hinzugezogenen Beteiligten zu 4 verweigern die Zustimmung zur Mitwirkung des Kindes an einer Abstammungsuntersuchung. Das OLG hat durch Zwischenbeschluss festgestellt, dass die Weigerung nicht rechtmäßig sei.

Der BGH erklärt die Weigerung für rechtmäßig.

Die in § 178 Abs. 1 FamFG normierte Pflicht zur Duldung von Untersuchungen zur Feststellung der Abstammung gilt nur in Abstammungssachen im Sinne von § 169 FamFG. Dazu gehören nach § 169 Nr. 1 FamFG Verfahren auf Feststellung der rechtlichen Vaterschaft gemäß § 1600d Abs. 1 BGB. Der im Streitfall zu beurteilende Antrag fällt nicht unter diese Vorschrift. Er ist entgegen der Auffassung des OLG nur auf Feststellung der leiblichen Vaterschaft gerichtet.

Unabhängig davon ist ein Antrag auf Feststellung der rechtlichen Vaterschaft nach einer Adoption nur zulässig, soweit der Antragsteller ein rechtliches Interesse an der Feststellung hat. Ein solches kann vorliegen, wenn der Antragsteller Rechte aus seiner Vaterschaft bis zum Zeitpunkt der (ex nunc wirkenden) Adoption geltend machen will. Darum geht es im Streitfall nicht. An einer Feststellung der Vaterschaft „auf Vorrat“, d.h. für den Fall, dass die Adoption später aufgehoben wird, besteht kein rechtliches Interesse.

Zu den Abstammungssachen gehören nach § 169 Nr. 2 FamFG auch Verfahren auf Ersetzung der Einwilligung in eine genetische Abstammungsuntersuchung und auf Anordnung der Duldung einer Probenentnahme. Diesbezügliche Ansprüche stehen nach § 1598a BGB nur den rechtlichen Eltern und dem Kind zu. Diese Regelung ist abschließend. Deshalb ist der Beteiligte zu 1 nicht befugt, solche Ansprüche geltend zu machen.

§ 167a FamFG normiert eine Pflicht zur Duldung von Untersuchungen in Verfahren, in denen ein leiblicher Vater Umgangs- oder Auskunftsrechte nach § 1686a BGB geltend macht. Um solche Ansprüche geht es im Streitfall nicht.

Dass keine Möglichkeit besteht, eine gerichtliche Feststellung der leiblichen Vaterschaft unabhängig von der Geltendmachung von daraus resultierenden Ansprüchen zu beantragen, sieht der BGH nicht als verfassungswidrig an.

Praxistipp: Zwischenentscheidungen über die Pflicht zur Mitwirkung bei einer Beweiserhebung sind nach § 167a Abs. 3 und § 178 Abs. 2 FamG sowie § 387 Abs. 3 ZPO isoliert anfechtbar. Eine Rechtsbeschwerde bedarf aber gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO der Zulassung durch das Beschwerdegericht.

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Diese Woche geht es um die Rechte und Pflichten eines nicht befreiten Vorerben.

Verfügung des Vorerben über Gesamtgutsvermögen einer Gütergemeinschaft
BGH, Urteil vom 26. Juni 2024 – IV ZR 288/22

Der IV. Zivilsenat befasst sich mit der Verfügungsbefugnis und den Verwaltungspflichten eines nicht befreiten Vorerben.

Die Beklagte ist Vorerbin nach ihrem im Jahr 2006 verstorbenen Ehemann, mit dem sie in Gütergemeinschaft gelebt hat. Nacherben sind die Kläger, nämlich der Sohn und die beiden (von ihrer verstorbenen Tochter abstammenden) Enkelinnen der Beklagten. Nach dem maßgeblichen Erbvertrag ist die Beklagte als Vorerbin von den gesetzlichen Beschränkungen befreit. Sie darf aber nicht über den zum Gesamtgut der Gütergemeinschaft gehörenden Grundbesitz verfügen.

Zum Grundbesitz der Gütergemeinschaft gehörten drei mit Wohnhäusern bebaute Grundstücke. Im Zeitpunkt des Erbfalls bestanden Verbindlichkeiten in Höhe von rund 330.000 Euro. Die Beklagte führte diese mit Hilfe der Mieteinnahmen aus zwei der Grundstücke bis zum Jahr 2012 auf rund 210.000 Euro zurück. Anschließend verkaufte sie diese beiden Grundstücke für insgesamt 350.000 Euro.

Die Kläger, machen geltend, durch den Verkauf seien ihnen eine Wertsteigerung in Höhe von rund 450.000 Euro sowie Mieteinnahmen in Höhe von rund 150.000 Euro entgangen. Deshalb verlangen sie Sicherheitsleistung gemäß § 2128 Abs. 1 BGB. Das LG hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Ihre Berufung ist erfolglos geblieben.

Der BGH verweist die Sache an das OLG zurück.

Zu Recht hat das OLG allerdings angenommen, dass die Beklagte nicht von der Pflicht zur Herausgabe der Vorerbschaft in einem ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechenden Zustand gemäß § 2130 BGB und von der Pflicht zur Sicherheitsleistung gemäß § 2128 BGB befreit ist. Der Erbvertrag sieht nur eine (teilweise) Befreiung von (Verfügungs‑)Beschränkungen vor, nicht aber eine Befreiung von Verpflichtungen.

Ebenfalls zu Recht hat das OLG angenommen, dass die Übereignung der beiden Grundstücke wirksam war. Die Beklagte ist im Erbvertrag zwar nicht vollständig von der in § 2113 BGB normierten Verfügungsbeschränkung befreit worden. Diese Beschränkung gilt aber nur für Grundstücke, die zum Nachlass gehören, nicht für Beteiligungen an einer Gesamthandsgemeinschaft, der Grundstücke gehören. Im Streitfall konnte die Beklagte deshalb unbeschränkt über die Grundstücke verfügen, weil diese zum Gesamtgut der Gütergemeinschaft gehören.

Zu Recht hat das OLG ferner angenommen, dass die Beklagte den Klägern zum Schadensersatz verpflichtet ist, wenn die Übereignung der Grundstücke nicht einer ordnungsgemäßen Verwaltung der Vorerbschaft entsprach und deshalb eine Verletzung der Herausgabepflicht nach § 2130 BGB begründet.

Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts war die Beklagte im Rahmen einer ordnungsgemäßen Verwaltung jedoch nicht verpflichtet, die Mieteinnahmen zur Tilgung der Verbindlichkeiten einzusetzen. Nutzungen aus einem zur Vorerbschaft gehörenden Gegenstand stehen dem Vorerben – der gemäß § 2124 Abs. 1 BGB die gewöhnlichen Erhaltungskosten zu tragen hat – nach der Rechtsprechung des BGH zur freien Verfügung zu. Im Streitfall hat die Beklagte deshalb gemäß §$ 2124 Abs. 2 und § 2126 BGB einen Erstattungsanspruch, soweit sie die bestehenden Verbindlichkeiten vor der Veräußerung mit Hilfe der Mieteinnahmen getilgt hat.

Das OLG wird nach Zurückverweisung zu klären haben, ob die Veräußerung der Grundstücke zur Tilgung der Verbindlichkeiten erforderlich war und in welcher Höhe der Verkaufserlös zu diesem Zweck benötigt wurde.

Praxistipp: Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass eine Verfügung zur ordnungsgemäßen Verwaltung erforderlich ist, liegt beim Vorerben.

Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um die Wirksamkeit einer Vormerkung.

Fortbestand einer Vormerkung bei Verlängerung der Annahmefrist
BGH, Urteil vom 8. März 2024 – V ZR 176/22

Der V. Zivilsenat befasst sich mit einer gehaltvollen Mischung aus internationalem Familienrecht, Sachenrecht und Bereicherungsrecht.

Die Klägerin, eine philippinische Staatsangehörige, lebte seit 2004 mit ihrem späteren Ehemann, einem deutschen Staatsangehörigen, in Südafrika. Im Jahr 2006 heirateten die beiden dort.

Im Jahr 2013 übertrug der Ehemann eine Eigentumswohnung in München, die ihm schon vor der Eheschließung gehört hatte, ohne Zustimmung der Klägerin auf seinen Sohn aus früherer Ehe. Dieser wurde als Eigentümer im Grundbuch eingetragen. In der Folge bot er der Beklagten, seiner Ehefrau, unwiderruflich die unentgeltliche Übereignung der Wohnung an. Zur Annahme des Angebots setzte er eine Frist bis 31.12.2016. Zur Sicherung des künftigen Anspruchs auf Übereignung wurde im Juli 2014 eine Vormerkung im Grundbuch eingetragen.

Im Oktober 2016 wurde ein Widerspruch gegen die Eigentümerstellung des Ehemannes der Beklagten eingetragen. Die Klägerin macht hierzu geltend, sie sei nach südafrikanischem Güterrecht mit der Eheschließung Gesamthandseigentümerin der Wohnung geworden und ihr Ehemann habe über diese nicht ohne ihre Zustimmung verfügen dürfen.

Der Ehemann der Beklagten verlängerte einige Tage nach Eintragung des Widerspruchs die Frist zur Annahme seines Übereignungsangebots bis 31.12.2026, also um zehn Jahre.

Die auf Zustimmung zur Löschung der Vormerkung gerichtete Klage hatte in den ersten beiden Instanzen keinen Erfolg.

Der BGH verweist die Sache an das OLG zurück.

Das OLG hat die Klägerin zu Recht als prozessführungsbefugt angesehen.

Ob die Klägerin Ansprüche aus dem geltend gemachten Gesamthandseigentum alleine geltend machen darf, ist nach dem südafrikanischen Recht zu bestimmen.

Die Prozessführungsbefugnis ist zwar grundsätzlich nach deutschen Prozessrecht zu beurteilen. Soweit es um die Frage geht, ob eine Partei ein ihr nicht oder nicht allein zustehendes Recht im eigenen Namen geltend machen kann, ist jedoch das dafür einschlägige materielle Recht maßgeblich. Dieses ist in Fällen mit Auslandsbezug nach den Regeln des Internationalen Privatrechts zu bestimmen.

Im Streitfall ist danach das südafrikanische Güterrecht anwendbar, weil die Klägerin und ihr Ehemann zum Zeitpunkt der Eheschließung dort beide ihren Wohnsitz hatten. Nach dieser Rechtsordnung kann ein Ehegatte Ansprüche aus Gesamthandseigentum ohne Mitwirkung des anderen Ehegatten geltend machen.

Das OLG durfte aber nicht offenlassen, ob die Klägerin tatsächlich Gesamthandseigentümerin geworden ist und ob der Ehemann der Beklagten das Eigentum an der Wohnung gegebenenfalls gutgläubig erworben hat.

Das OLG hat allerdings zu Recht angenommen, dass die Vormerkung kraft guten Glaubens auch dann wirksam entstanden ist, wenn der Ehemann der Beklagten nicht Eigentümer der Wohnung ist. Der Ehemann war als Eigentümer im Grundbuch eingetragen und die Beklagte hatte keine Kenntnis von einer eventuellen Unrichtigkeit. Ein Widerspruch war bei Eintragung der Vormerkung noch nicht eingetragen. Es handelt sich auch nicht um einen Fall der vorweggenommenen Erbfolge, für die ein gutgläubiger Erwerb nach einer verbreiteten Auffassung generell ausgeschlossen sein soll.

Die Vormerkung hat ihre Wirksamkeit auch über die ursprünglich gesetzte Annahmefrist behalten, weil die Frist rechtzeitig verlängert worden ist.

Durch die Verlängerung wird der gesicherte künftige Anspruch selbst nicht verändert. Dass die Verlängerung aus dem Grundbuch nicht hervorgeht, ist unschädlich. Dem Grundbuch kann gegebenenfalls auch nicht entnommen werden, ob das Angebot innerhalb der ursprünglich bestimmten Frist angenommen worden ist.

Das Berufungsgericht hat aber übersehen, dass die Beklagte im Falle eines gutgläubigen Erwerbs nach § 816 Abs. 1 Satz 2 BGB verpflichtet ist, den dadurch erlangten Vorteil an den Berechtigten herauszugeben, weil sie ihn aufgrund einer unentgeltlichen Verfügung erlangt hat. Zu den danach herauszugebenden Vorteilen gehören auch die Wirkungen einer gutgläubig erworbenen Vormerkung.

Das OLG wird deshalb zu prüfen haben, ob die Klägerin Gesamthandseigentum an der Wohnung erworben hat und ob der Ehemann der Beklagten gegebenenfalls kraft guten Glaubens Eigentum erworben hat. Ferner wird es zu prüfen haben, welche Auswirkungen es auf die Prozessführungsbefugnis der Klägerin hat, dass ihr Ehemann im Laufe des Revisionsverfahrens verstorben und für den Nachlass ein Testamentsvollstrecker eingesetzt worden ist.

Praxistipp: Die Verletzung ausländischer Rechtsnormen kann in der Revisionsinstanz nicht gerügt werden. Der BGH überprüft lediglich, ob das Berufungsgericht das ihm bei der Ermittlung des ausländischen Rechts zustehende Ermessen fehlerfrei ausgeübt hat.