OLG Brandenburg: Einwände im Kostenfestsetzungsverfahren

Gegen den Antragsteller war in einer Familiensache ein rechtskräftig gewordener Versäumnisbeschluss ergangen. Alsdann wurden gegen ihn aufgrund der in dem Beschluss enthaltenen Kostenentscheidung Kosten festgesetzt. Dagegen wendete sich der Antragsgegner mit der Beschwerde, der das AG nicht abhalf. Er machte geltend, die Kostenentscheidung sei falsch, die Entscheidung inhaltlich zu hinterfragen und er könne ohnehin keine Kosten bezahlen.

Das OLG Brandenburg (Beschl. v. 4.1.2019 – 13 WF 1/19) weist ihn unzweideutig darauf hin, dass diese Einwände im Kostenfestsetzungsverfahren alle nicht relevant sind. Im Kostenfestsetzungsverfahren kann die Kostengrundentscheidung nicht mehr in Frage gestellt werden. Auch kann gegen die Entscheidung, die die Kostengrundentscheidung enthält, nicht mehr vorgegangen werden, wenn diese rechtskräftig ist. Und schließlich ist auch die mangelnde finanzielle Leistungsfähigkeit kein Gesichtspunkt, der im Rahmen des Kostenfestsetzungsverfahrens berücksichtigt werden könnte.

Selbst weitergehende materiell-rechtliche Einwände können im Kostenfestsetzungsverfahren nicht berücksichtigt werden, mit einer wichtigen Ausnahme: Sie sind unstreitig. Dies wird freilich nur selten der Fall sein, vorliegend ist dafür nichts ersichtlich. Das Kostenfestsetzungsverfahren muss von derartigen Einwänden entlastet werden. Gibt es einmal tatsächlich solche Einwände, so bleibt der betroffenen Partei die Möglichkeit, eine Vollstreckungsgegenklage gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss zu erheben.

Die amtlichen Leitsätze der Entscheidung lauten wie folgt: Das Kostenfestsetzungsverfahren hat nur den Zweck, auf der Grundlage eines zur Zwangsvollstreckung geeigneten Titels die Kostengrundentscheidung der Höhe nach zu beziffern, und hierzu hat der Rechtspfleger lediglich die Entstehung, Notwendigkeit und Zugehörigkeit der geltend gemachten Kosten zum Verfahren zu prüfen. Die Kostengrundentscheidung ist über die gegebenenfalls zulässige und gebotene Auslegung hinaus im Festsetzungsverfahren unkorrigierbar bindend. Entsprechend seiner Zwecksetzung sind im Kostenfestsetzungsverfahren auch materiell-rechtliche Einwendungen gegen den Erstattungsanspruch grundsätzlich nicht zu berücksichtigen, es sei denn, sie sind zwischen den Parteien unstreitig.

Manchmal schadet es nicht, auch einmal Basiswissen in Leitsätze zu gießen, um an die Grundsätze zu erinnern, die im Laufe der Jahre durchaus einmal vergessen werden können. Dies getreu der alten Devise: Manche halten das für gängige Praxis, was sie 30 Jahre lang falsch gemacht haben.

 

 

Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um das Recht zum Widerruf eines an einem Messestand geschlossenen Kaufvertrags.

Konkretes Erscheinungsbild eines Messestands
Urteile vom 10. April 2019 –VIII ZR 244/16 und VIII ZR 82/17

Mit der Umsetzung der Vorgaben aus der EuGH-Entscheidung zur Grünen Woche befasst sich der VIII. Zivilsenat in zwei Urteilen.

In beiden Verfahren ging es darum, ob der Käufer einen auf einer Verbrauchermesse geschlossenen Kaufvertrag nach § 312g Abs. 1 BGB widerrufen konnte. Zu der hierfür relevanten Frage, ob der Messestand, an dem der Vertragsschluss stattfand, als beweglicher Gewerberaum im Sinne von § 312b Abs. 2 Satz 1 BGB und der Richtlinie 2011/83/EU anzusehen ist, hat der EuGH mit Urteil vom 7. August 2018 (C-485/17) die maßgeblichen Kriterien herausgestellt. Danach ist maßgeblich, ob der Käufer damit rechnen muss, dass ihm auf der Messe ein Kaufangebot unterbreitet wird. Relevant dafür sind sowohl der Gesamtcharakter der Messe als auch das konkrete Erscheinungsbild des jeweiligen Messestands. Nur in einem der beiden Verfahren vor dem BGH reichten die von den Vorinstanzen getroffenen Feststellungen für eine abschließende Entscheidung aus.

Im Verfahren VIII ZR 82/17, das die Messe Rosenheim betrifft, hatte das LG festgestellt, dass der Käufer sowohl aufgrund des Gesamtcharakters der Messe als auch aufgrund des konkreten Erscheinungsbilds des Messestands mit der Unterbreitung von Kaufangeboten rechnen musste. Der BGH sah diese Feststellungen als rechtsfehlerfrei an und verneinte deshalb mit der Vorinstanz ein Widerrufsrecht.

Im Verfahren VIII ZR 244/16, das die Grüne Woche in Berlin betrifft, hatte das LG hingegen nur Feststellungen zum Gesamtcharakter der Messe getroffen. Der BGH konnte auf dieser Grundlage nicht ausschließen, dass der konkrete Messestand so ausgestaltet war, dass der Käufer ihn als reinen Informationsstand ansehen durfte. Deshalb verwies er die Sache an das LG zurück.

Praxistipp: Die Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen des Widerrufsrechts liegen bei der Partei, die einen wirksamen Widerruf geltend macht.

Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um eine bislang ungeklärte Frage im Zusammenhang mit Wohnungseigentümergemeinschaften.

Prozesskostenhilfe für Wohnungseigentümergemeinschaften
Beschluss vom 21. März 2019 – V ZB 111/18

Mit einer in Literatur und Rechtsprechung bislang umstrittenen Frage befasst sich der V. Zivilsenat.

Die beklagte Wohnungseigentümergemeinschaft beantragte Prozesskostenhilfe für die Berufungsinstanz. Das LG wies den Antrag zurück, ließ aber die Rechtsbeschwerde zu.

Das Rechtsmittel der Beklagten bleibt ohne Erfolg. Der BGH bestätigt die von der Vorinstanz zugrunde gelegte Auffassung, dass eine Wohnungseigentümergemeinschaft nach § 116 Satz 1 Nr. 2 ZPO nur dann ein Recht auf Prozesskostenhilfe hat, wenn weder sie noch die ihr angehörenden Wohnungseigentümer in der Lage sind, die Kosten aufzubringen. Verfügt die Gemeinschaft nicht über die erforderlichen Mittel, muss sie die Finanzierungslücke durch eine Umlage auf die Eigentümer oder durch eine Kreditaufnahme schließen. Können einzelne Eigentümer den auf sie entfallenden Anteil der Kosten nicht erbringen, muss dies durch eine ergänzende Umlage bei den übrigen Eigentümern ausgeglichen werden. Hierbei ist unerheblich, ob die Kostentragung für die Eigentümer zumutbar ist.

Praxistipp: Um die Voraussetzungen darzulegen, muss sowohl für die Eigentümergemeinschaft als auch für jeden einzelnen Eigentümer eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorgelegt werden. Darüber hinaus muss dargelegt werden, weshalb die Aufnahme eines Kredits nicht in Betracht kommt.

LG München zu Influencer „Werbung“ auf Instagram (Fall Cathy Hummels)

Nun ist sie da, die lange mit Spannung erwartete Entscheidung des Landgericht München im Fall der Instragram-Aktivitäten von Cathy Hummels. Der Verband Sozialer Wettbewerb e.V. hat in seinem Feldzug (auch) durch die Kinder- und Jugendzimmer der Influencer der Republik mit einer sehr „Argument-resistenten“ Rechtsprechung insbesondere von LG und KG Berlin nun die erste Schlappe erlitten. Das in dem Münchner Verfahren beanstandete Verhalten von Cathy Hummels begründet nach Ansicht des Gerichts keinen Wettbewerbsverstoß. Cathy Hummels hatte keine Werbekennzeichnung für solche Beiträge vorgenommen, für die nach Angaben von Hummels keine Gegenleistung erfolgte.

Anders, als propagiert, ist die Entscheidung aber kein Freibrief für sämtliche Aktivitäten in sozialen Netzwerken, die einen Bezug zu unternehmerischen Leistungen aufweisen.

Das Landgericht München I lehnt einen Verstoß gegen § 5a Abs.6 UWG einerseits deswegen ab, weil bei einem Instagram-Account mit mehreren hunderttausend Followern, der zudem durch einen „blauen Haken“ als verifiziert angezeigt wird, für die angesprochenen Verkehrskreise klar sei, dass es sich nicht um freundschaftliche Empfehlungen handele, sondern eben hier das Unternehmen Cathy Hummels tätig sei. Auch habe man in Betracht gezogen, dass nicht – anders als z.B. bei Pamela Reif kürzlich in Karlsruhe – Kinder und Jugendliche die Hauptzielgruppe der Inhalte waren. Ein Instagram-Profil rückt damit näher an das, was es schon seit Jahrzehnten – beanstandungsfrei – gibt: Branchenzeitschriften für zum Beispiel, Mode, Reisen oder Kraftfahrzeuge.

Zu recht wird an der Entscheidung kritisiert, dass ein Profil in sozialen Netzwerken, dass ähnlich wie hier aufgestellt ist, damit nach Ansicht des LG München I stets unternehmerisch ist. Auch wirklich private Postings würden dann an den strengeren Maßstäben gemessen, die für eine unternehmerische Kommunikation gelten. Damit wären prominente Instagrammer dann eben doch nur Schaufensterpuppen.

Ausblick

Bis zu einer höchstrichterlichen Entscheidung dürfte eine werbliche Kennzeichnung von Inhalten, die zumindest auch mittelbar absatzfördernd wirken können, einige Unannehmlichkeiten vermeiden.

Selbst dann ist zu erwarten, dass zu einem großen Umfang Wertungsfragen zu beantworten sind, um die Kennzeichnungspflicht zu beurteilen, sodass es keine klaren Vorgaben ähnlich einer Checkliste geben wird. Dies gilt alleine schon deshalb, weil die betroffenen Medien in ihrer Außenwirkung und damit auch in der Erwartung der Betrachter, die für eine Kennzeichnungspflicht entscheidend sind, einem sehr massiven Wandel unterliegen.

Dass eine übertriebene Kennzeichnung den gegenteiligen Effekt haben dürfte, zeigt bereits das im Zuge der DSGVO verstärkt aufgekommene Ärgernis der Cookie-Banner. Gerade in diesem Licht wirkt das Vorgehen des Verband Sozialer Wettbewerb e.V. noch fragwürdiger.

 

LG München I, Urt. v. 29.04.2019, Az. 4 HK O 14312/18

Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um eine nicht selten auftretende Frage aus dem Mietrecht.

Rückgabe der Mietsache
Urteil vom 27. Februar 2019 – XII ZR 63/18

Mit der Frage, zu welchem Zeitpunkt die kurze Verjährungsfrist für Ansprüche wegen Verschlechterungen der Mietsache (§ 548 Abs. 1 ZPO) beginnt, befasst sich der XII. Zivilsenat.

Der Beklagte hatte ein Mietverhältnis über ein Bürogebäude zum 30. September 2012 gekündigt. Nach dem Mietvertrag hatte er beim Auszug die von ihm vorgenommenen Einbauten zu entfernen. Im Oktober räumte er das Objekt. Im November ließ er der Klägerin durch Anwaltschreiben mitteilen, er biete die sofortige Rückgabe der Räume an und schlage einen kurzfristigen Vor-Ort-Termin vor, um denkbare Interessenlagen abzustimmen, zum Beispiel im Hinblick auf die von ihm installierte Zentralschließanlage. Nach einer Besprechung im Dezember ließ er im Januar die von der Klägerin gewünschten Rückbauten vornehmen. Am 8. Februar 2013 gab er die Räume an die Klägerin zurück. Diese begehrt mit einer am 1. August 2013 zugestellten Klage Schadensersatz wegen Verschlechterung der Mietsache in Höhe von rund 100.000 Euro. Das LG sprach ihr rund 20.000 Euro zu. Das OLG wies die Klage insgesamt ab.

Der BGH verweist die Sache an das OLG zurück. Entgegen der Auffassung des OLG war die sechsmonatige Verjährungsfrist des § 548 Abs. 1 BGB bei Zustellung der Klage noch nicht abgelaufen. Der Beklagte hat die Sache erst am 8. Februar 2013 zurückerhalten. Der BGH lässt offen, ob die kurze Verjährungsfrist stets zu dem Zeitpunkt beginnt, zu dem der Vermieter die unmittelbare Sachherrschaft über die Mietsache dauerhaft wiedererlangt, oder ob es ausreicht, wenn der Vermieter mit der Rücknahme in Annahmeverzug gerät. Im Streitfall fehlt es bereits an einem für die Begründung von Annahmeverzug ausreichenden Angebot des Beklagten. Dieser hat im Anwaltschreiben vom November 2012 zwar die sofortige Rückgabe angeboten, zugleich aber erkennen lassen, dass er zunächst noch Gespräche über den Verbleib der Zentralschließanlage und anderer Einbauten führen will.

Praxistipp: Wenn nicht auszuschließen ist, dass der Vermieter mit der Rücknahme der Mietsache in Annahmeverzug war, sollte die Verjährungsfrist des § 548 Abs. 1 BGB aus Gründen anwaltlicher Vorsicht von dem Tag an berechnet werden, an dem der Annahmeverzug ggf. begonnen hat.

Montagsblog: Neues vom BGH

Im Montagsblog nach Ostern geht es um eine grundlegende Frage aus dem Kaufrecht.

Nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung der Kaufsache
Urteil vom 10. März 2019 – VIII ZR 213/18

Mit der Frage, welche Eigenschaften einer Kaufsache als vereinbart oder als vorausgesetzt anzusehen sind, befasst sich der VIII. Zivilsenat.

Die Klägerin hatte bei der Beklagten eine Maschine zum Verpacken von Vogelfutter in Plastikbeutel gekauft. Kurz nach Inbetriebnahme rügte sie, die Maschine arbeite zu langsam und erzeuge keine hinreichend stabilen Nähte. In einem selbständigen Beweisverfahren kam der gerichtliche Sachverständige zu einem der Klägerin im Wesentlichen günstigen Ergebnis. Ihre Klage auf Rückzahlung des Kaufpreises hatte in den ersten beiden Instanzen Erfolg.

Der BGH verweist die Sache an das OLG zurück. Die von den Vorinstanzen getroffenen Feststellungen tragen nicht die Annahme eines Mangels. Eine Beschaffenheitsvereinbarung im Sinne von § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB darf nach dem seit 2002 geltenden Kaufrecht nur noch in eindeutigen Fällen bejaht werden. Dass die Klägerin in einer dem Vertragsschluss vorangegangenen E-Mail eine Taktzahl von zwanzig Beuteln pro Minute gefordert und die Beklagte in der Auftragsbestätigung sogar eine Taktzahl von bis zu vierzig Beuteln pro Minute angegeben hat, reicht nicht aus, um eine bestimmte Taktzahl als vereinbart anzusehen. An der Eignung für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung im Sinne von § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BGB fehlt es nur dann, wenn der vom Käufer angestrebte und für den Verkäufer erkennbare Einsatzzweck bestimmte Eigenschaften zwingend erfordert und die Kaufsache diese nicht aufweist. Aus den Feststellungen der Vorinstanzen ergibt sich nicht, dass für den im Streitfall vorausgesetzten Einsatzzweck – das Verpacken von Vogelfutter in Plastikbeutel – eine Taktzahl von zwanzig Beuteln pro Minute zwingend erforderlich oder zumindest üblich ist. Ob die Maschine deshalb an einem Mangel leidet, weil sie keine hinreichend stabilen Nähte erstellen kann, hat das OLG offengelassen. Nach der Zurückverweisung wird es sich mit beiden Aspekten nochmals zu befassen haben.

Praxistipp: Für den Fall, dass eine Beschaffenheitsvereinbarung im Sinne von § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht bewiesen werden kann, sollte möglichst umfassend dargelegt und unter Beweis gestellt werden, welche Eigenschaften für die nach dem Vertrag vorausgesetzte oder die übliche Verwendung der Kaufsache objektiv erforderlich sind.

Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um die Klage eines Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung gegen die Zulassung einer bei ihr versicherten Person als Rechtsanwältin.

Zulassung als Syndikusanwältin während der Elternzeit
Urteil vom 18. März 2019 – AnwZ (Brfg) 6/18

Mit der Frage, ob ein befristetes Ruhen des Beschäftigungsverhältnisses der Zulassung als Syndikusanwältin entgegensteht, befasst sich der Anwaltssenat.

Die Beigeladene ist als politische Sekretärin bei einer Gewerkschaft tätig. Im März 2016 beantragte sie die Zulassung als Syndikusrechtsanwältin. Die beklagte Rechtsanwaltskammer erteilte die Zulassung im Oktober 2016. Zu diesem Zeitpunkt nahm die Beigeladene Elternzeit nach § 15 BEEG. Die Klägerin, die als Trägerin der gesetzlichen Rentenversicherung für die Beigeladene zuständig ist, focht den Zulassungsbescheid mit Widerspruch und Klage an. Der Anwaltsgerichtshof wies die Klage ab. Dagegen wandte sich die Klägerin mit der Berufung zum BGH.

Das Rechtsmittel bleibt erfolglos. Der BGH bestätigt zwar eine vor kurzem ergangene Entscheidung, wonach der Träger der gesetzlichen Rentenversicherung befugt ist, die Zulassung als Syndikusanwalt anzufechten, weil er gemäß § 46a Abs. 2 Satz 4 BRAO an die damit verbundene Befreiung von der Rentenversicherungspflicht gebunden ist. Mit der Vorinstanz kommt der BGH aber zu dem Ergebnis, dass die Inanspruchnahme von Elternzeit der Zulassung nicht entgegensteht. Die Zulassung als Syndikusanwalt setzt zwar voraus, dass der Antragsteller die betreffende Tätigkeit tatsächlich ausübt. Ein vorübergehendes Ruhen des Beschäftigungsverhältnisses infolge von Elternzeit ist aber ebenso unschädlich wie eine vorübergehende Unterbrechung wegen Urlaubs oder Krankheit.

Praxistipp: Die Berufung gegen eine Entscheidung des Anwaltsgerichtshofs bedarf gemäß § 112e BRAO der Zulassung. Diese kann der Anwaltsgerichtshof oder – wenn der Berufungskläger dies innerhalb eines Monats nach Zustellung des erstinstanzlichen Urteils beantragt – der BGH aussprechen.

Montagsblog: Neues vom BGH

Pünktlich zum Beginn der Wachstumsperiode hat der BGH einen Nachbarstreit entschieden.

Anspruch auf Zurückschneiden herüberragender Äste
Urteil vom 22. Februar 2019 – V ZR 136/18

Mit der Prozessführungsbefugnis auf Seiten des Beklagten und der Verjährung befasst sich der V. Zivilsenat in einem Nachbarstreit.

Der Kläger nahm den Beklagten auf Zurückschneiden von in sein Grundstück hineinragenden Ästen einer Fichte in Anspruch. Die Grundstücke der Parteien stoßen rechtwinklig aufeinander. Der Baum, um den es geht, steht teilweise auf dem Grundstück des Beklagten und teilweise auf dem Grundstück eines weiteren Nachbarn. Die Klage blieb in den beiden ersten Instanzen erfolglos.

Die Revision des Klägers hat ebenfalls keinen Erfolg. Mit dem LG sieht der BGH die Klage allerdings als zulässig an. Die Eigentümer der beiden Grundstücke, auf denen der Baum steht, sind nicht notwendige Streitgenossen im Sinne von § 62 Fall 1 ZPO. Nach § 923 BGB ist jeder Nachbar alleiniger Eigentümer des jeweils auf seinem Grundstück stehenden Teils des Baums. Deshalb darf der Kläger jeden von ihnen gesondert auf Beseitigung derjenigen Störungen in Anspruch nehmen, die von dem im Eigentum des jeweiligen Beklagten stehenden Teil des Baums ausgehen. Ob die herüberragenden Äste die Benutzung des klägerischen Grundstücks beeinträchtigen und ob der Kläger eine solche Beeinträchtigung nach § 1004 Abs. 2 BGB unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit hinnehmen muss, lässt der BGH offen. Er tritt dem LG darin bei, dass der geltend gemachte Anspruch jedenfalls nach § 195 und § 199 BGB verjährt ist. Ein Beseitigungsanspruch unterliegt – anders als Ansprüche auf Unterlassung einer Dauerhandlung – grundsätzlich der Verjährung. Die Sonderregelung in § 26 Abs. 3 des baden-württembergischen Nachbarrechtsgesetzes, wonach Ansprüche auf Beseitigung herüberragender Zweige nicht verjähren, betrifft nur Ansprüche aus diesem Gesetz, nicht aber einen Anspruch, der sich aus § 1004 Abs. 1 BGB ergibt. Eine landesrechtliche Regelung, die die Verjährung eines solchen Anspruchs erleichtern, erschweren oder ausschließen würde, wäre wegen fehlender Gesetzgebungskompetenz des Landes unwirksam.

Praxistipp: Der Kläger sollte stets klarstellen, ob er seinen Anspruch auf das BGB, die landesrechtlichen Vorschriften über das Nachbarrecht oder beide Regelungen stützen will. Hierzu gehört der Vortrag eines die jeweilige Regelung ausfüllenden Lebenssachverhalts.

Montagsblog: Neues vom BGH

Um die Bestimmung des Streitgegenstands und die Wirkungen einer unzulässigen Urteilsergänzung geht es in dieser Woche.

Schadensersatz wegen Planungsmängeln
Urteil vom 21. Februar 2019 – VII ZR 105/18

Mit einem gründlich misslungenen Versuch, ein Versehen durch ein „Ergänzungsurteil“ zu korrigieren, befasst sich der VII. Zivilsenat.

Die Klägerin hatte den beklagten Ingenieur mit Planungsleistungen für eine Tiefgarage beauftragt. Nach Fertigstellung des Gebäudes erwies sich die Bodenplatte als undicht. Die Klägerin warf dem Beklagten einen Planungsfehler vor und verlangte von ihm Ersatz der voraussichtlich anfallenden Kosten für den Austausch der Bodenplatte in Höhe von 532.000 Euro. Das LG verurteilte den Beklagten antragsgemäß. In den Entscheidungsgründen führte es aus, die Klägerin könne aufgrund des festgestellten Planungsmangels einen Vorschuss auf die erforderlichen Aufwendungen zur Beseitigung des Mangels verlangen. Dagegen wandten sich der Beklagte mit der Berufung und die Klägerin mit der Anschlussberufung. Auf Antrag der Klägerin erließ das LG später ein „Ergänzungsurteil“, in dem es ausführte, der zugesprochene Betrag stehe der Klägerin als Schadensersatz zu. Die Beklagte legte gegen diese Entscheidung kein Rechtsmittel ein. Das OLG wies die Berufung als unbegründet zurück und verwarf die Anschlussberufung als unzulässig. Zur Begründung führte es aus, aufgrund des nicht angefochtenen Ergänzungsurteils stehe bindend fest, dass die Klageforderung in vollem Umfang begründet sei.

Der BGH verweist die Sache an das OLG zurück. Entgegen der Auffassung des OLG entfaltet das Ergänzungsurteil des LG keine Bindungswirkung, weil es ohne verfahrensrechtliche Grundlage ergangen ist. Für eine Urteilsergänzung nach § 321 ZPO war kein Raum, weil das LG bereits in seinem ursprünglichen Urteil vollständig über den Streitgegenstand entschieden hat. Die Klage betrifft einen Anspruch auf Schadensersatz, weil sie auf einen Planungsmangel gestützt ist und der Kläger nicht die Beseitigung dieses Mangels, sondern den Ersatz eines aus diesem resultierenden Folgeschadens begehrt. Das ursprüngliche Urteil des LG betrifft diesen Lebenssachverhalt, auch wenn es das Begehren rechtlich unzutreffend als Vorschussanspruch qualifiziert hat. Mit dieser Einordnung hat das LG dem Klagebegehren zwar nicht vollständig entsprochen, weil die Klägerin über erhaltene Vorschüsse später abrechnen muss. Auch insoweit ist das ursprüngliche Urteil aber nicht unvollständig, sondern inhaltlich unzutreffend. Das OLG wird sich deshalb nach Zurückverweisung mit der Begründetheit des Klagebegehrens zu befassen haben.

Praxistipp: Nach der neuen Rechtsprechung des BGH ist der Übergang von einer „echten“ Vorschussklage zu einer auf denselben Mangel gestützten Klage auf Schadensersatz gemäß § 264 Nr. 3 ZPO ebenfalls nicht als Klageänderung anzusehen (BGH, Urt. v. 22.2.2018 – VII ZR 46/17, Tz. 53 – BGHZ 218, 1 = MDR 2018, 465).

BGH: … einmal wieder zur Wiedereinsetzung

Dem Anwalt der Antragstellerin war in einer Familiensache ein Beschluss am 25.7. zugestellt worden, das Empfangsbekenntnis wurde versehentlich auf den 25.6. datiert. Er legte am 27.7. sofortige Beschwerde ein. Das OLG wies zunächst darauf hin, dass die Beschwerde verspätet sei und gab Gelegenheit zur Stellungnahme. In einem von einem Kanzleiangestellten mit „i. A.“ unterzeichneten Schriftsatz wurde darauf hingewiesen, dass der Beschluss erst am 25.7. zugestellt wurde, was sich auch aus dem Verfahrensablauf ergab. Gleichzeitig wurde beantragt, die Stellungnahmefrist um drei Wochen, mithin bis zum 20.9. zu verlängern. Das OLG bestätigte daraufhin, dass die Beschwerde rechtzeitig eingelegt worden sei und verlängerte die Beschwerdebegründungsfrist antragsgemäß. Die Beschwerdebegründung ging am 13.10. ein. Die Antragstellerin beantragte Wiedereinsetzung und begründete dies wie folgt: Sie habe den Kanzleiangestellten angewiesen (was leider unerledigt geblieben sei), einen weiteren Verlängerungsantrag zu stellen und anschließend auch noch von der Geschäftsstelle des OLG die Auskunft erhalten, die Frist liefe bis zum 16.10.

Das OLG hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und das Rechtsmittel verworfen. Der BGH (Beschl. v. 19.12.2018 – XII ZB 53/18, MDR 2019, 302) billigt dies. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Beschwerdebegründungsfrist ohnehin bis zum 25.9. lief. Die vom Gericht ausgesprochene Verlängerung bis zum 20.9. ging damit in jedem Fall ins Leere. Abgesehen davon bezog sich der Verlängerungsbeschluss, da eine antragsgemäße Verlängerung erfolgte, nur auf den von der Antragstellerin gestellten Verlängerungsantrag. Dieser Verlängerungsantrag war jedoch kein Antrag auf Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist, sondern lediglich ein Antrag auf Verlängerung der Stellungnahmefrist zu dem Beschluss.

Eine Wiedereinsetzung scheidet vorliegend aus, da die Frist schuldhaft versäumt wurde. Dem Kanzleiangestellten hätte der Anwalt nicht die Fristverlängerung überlassen dürfen, denn dieser konnte eine solche gar nicht wirksam beantragen. Dieser Antrag unterliegt nämlich nach § 114 Abs. 1 FamFG dem Anwaltszwang. Das hätte der Anwalt wissen müssen. Die angeblich falsche Auskunft der Geschäftsstelle vermag den Anwalt schließlich auch nicht zu entlasten. Nachdem der gestellte Antrag selbst bei großzügigster Auslegung sich lediglich auf den 20.9. bezogen hatte, durfte der Anwalt sich keinesfalls auf die Auskunft der Geschäftsstelle verlassen, sondern hätte selbst den Lauf der Frist gewissenhaft prüfen müssen.

Zwei Dinge sind hier einer Erinnerung wert: Zum einen darf nicht vergessen werden, dass auch der Fristverlängerungsantrag regelmäßig dem Anwaltszwang unterliegt. Zum anderen ist für den Umfang einer gerichtlichen Fristverlängerung grundsätzlich der objektive Inhalt der Mitteilung maßgeblich. Da hier aber die Mitteilung des Gerichts sich auf den Antrag bezog, wird dieser sozusagen einbezogen und damit zum Maßstab der ausgesprochenen Fristverlängerung. In diesem Fall wäre mithin mehr anwaltliche Sorgfalt angezeigt gewesen. Im Übrigen kann nicht oft genug vor der Unsitte gewarnt werden, anwaltliche Schriftsätze mit „i. A.“ von Kanzleiangestellten unterzeichnen zu lassen.