LAG Berlin-Brandenburg: Rücknahme eines Rechtsmittels aufgrund eines Vergleiches

Die Parteien des Rechtsstreites schlossen in einem anderen Verfahren einen Vergleich, der keine Kostenregelung enthielt. Aufgrund dieses Vergleiches nahm die Klägerin die im hiesigen Verfahren eingelegte Berufung zurück. Alsdann stritten die Parteien darüber, ob der Klägerin gemäß § 516 ZPO die Kosten des Berufungsverfahrens aufzuerlegen oder ob die Kosten nach § 98 ZPO gegeneinander aufzuheben wären. Das LAG Berlin-Brandenburg (Beschl. v. 26.6.2024 – 12 Sa 1069/23) entscheidet im Sinne des § 98 ZPO.

Grundsätzlich hat derjenige, der eine eingelegte Berufung wieder zurücknimmt, gemäß § 516 Abs. 3 S. 1 ZPO die durch das Rechtsmittel entstandenen Kosten zu tragen. Diese – allgemeine – Vorschrift gilt jedoch nur dann, wenn es keine gesetzlichen Sonderregelungen gibt. Vorliegend ist als eine solche gesetzliche Sonderregelung § 98 ZPO einschlägig. Danach sind die Kosten eines Vergleiches als gegeneinander aufgehoben anzusehen, falls die Parteien keine abweichende Regelung treffen. Dies gilt auch für einen außergerichtlichen Vergleich. Eine solche abweichende Regelung haben die Parteien hier in dem Vergleich nicht getroffen. Die Parteien wollten vielmehr mit dem Vergleich bereits das Verfahren endgültig beenden.

Eine Rückausnahme zur Anwendung des § 98 ZPO greift dann, wenn das zuvor ergangene Urteil zwischen den Parteien als endgültig angesehen werden soll. Da hier in dem Vergleich weitere Vereinbarungen zwischen den Parteien getroffen wurden, die über das Urteil hinausgingen, liegt diese Rückausnahme nicht vor. Auch aus einer Auslegung des Vergleiches ergibt sich schließlich nichts anderes.

Das LAG hat sich mit dieser Sicht der Dinge an der Entscheidung des BGH v. 15.3.2006 – XII ZR 209/05, MDR 2006, 1125 orientiert und diese zu Recht auf den hier zu beurteilenden Fall angewendet.

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Diese Woche geht es um die Bindung an ein per E-Mail übersandtes Vergleichsangebot.

Bindung an ein per E-Mail übersandtes Vergleichsangebot
BGH, Urteil vom 6. Oktober 2022 – VII ZR 895/21

Der VII. Zivilsenat wendet den Allgemeinen Teil des BGB auf ein elektronisch übermitteltes Angebot an.

Die Klägerin hatte für die Beklagte Metallbau- und Fassadenbegrünungsarbeiten durchgeführt. Die Beklagte nahm Kürzungen an der Schlussrechnung vor und überwies den von ihr als noch offen ermittelten Betrag. Die Klägerin widersprach den Kürzungen und forderte die Beklagte schriftlich zur Zahlung eines weiteren Betrags von 14.347,23 Euro nebst Anwaltskosten in Höhe von 1.029,35 Euro auf.

Rund zwei Wochen später bot die Beklagte eine Zahlung in der genannten Höhe zur Erledigung der Angelegenheit an. Drei Tage danach teilte der Anwalt der Klägerin um 9:19 Uhr per E-Mail mit, die Forderung aus der Schlussrechnung belaufe sich noch auf 14.347,23 Euro. Eine weitere Forderung werde nicht erhoben. Ferner seien die geltend gemachten Anwaltskosten zahlbar und fällig. Rund eine halbe Stunde später teilte er in einer weiteren E-Mail mit, die Prüfung der Forderungshöhe sei noch nicht abgeschlossen; die vorangegangene E-Mail müsse daher unberücksichtigt bleiben.

Drei Tage darauf übersandte die Klägerin eine neue Schlussrechnung, die eine Restforderung von rund 22.000 Euro auswies. Die Beklagte überwies weitere vier Tage später – also eine Woche nach Erhalt der E-Mail – den zuvor mitgeteilten Betrag von 14.347,23 Euro.

Die Klage auf Zahlung der Differenz zu dem Restbetrag aus der neuen Schlussrechnung blieb in den beiden ersten Instanzen erfolglos.

Die Revision der Klägerin hat ebenfalls keinen Erfolg. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf weitere Zahlungen, weil durch ihre erste E-Mail und die Zahlung der Beklagten ein wirksamer Vergleich zustande gekommen ist.

Das OLG hat zu Recht angenommen, dass die erste E-Mail ein Angebot zum Abschluss eines Vergleichs enthält. Diese Willenserklärung ist gemäß § 130 Abs. 1 BGB zugegangen, als die Nachricht im elektronischen Postfach der Beklagten einging, weil die Beklagte hierdurch die Möglichkeit der Kenntnisnahme hatte und der Zeitpunkt des Eingangs innerhalb der üblichen Geschäftszeiten lag. Von diesem Zeitpunkt an war das Angebot gemäß § 145 BGB bindend – unabhängig davon, ob die Beklagte es bereits gelesen hatte. Der eine halbe Stunde später erklärte Widerruf war damit wirkungslos.

Die Beklagte durfte das nicht befristete Angebot gemäß § 147 Abs. 2 BGB bis zu dem Zeitpunkt annehmen, zu dem die Klägerin den Eingang einer Antwort unter regelmäßigen Umständen erwarten durfte. Dieser Zeitraum war im Zeitpunkt der Zahlung – eine Woche nach Eingang des Angebots – noch nicht verstrichen.

Praxistipp: Wer einen per E-Mail übermittelten Vorschlag zur gütlichen Einigung nicht als verbindliches Vergleichsangebot gewertet wissen will, muss unmissverständlich klarstellen, dass die Nachricht keine rechtsverbindliche Erklärung enthält.

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Diese Woche geht es um die Haftung eines Rechtsanwalts für den Abschluss eines nicht eindeutig formulierten gerichtlichen Vergleichs

Anwaltshaftung für gerichtlichen Vergleich
Urteil vom 16. Dezember 2021 – IX ZR 223/20

Mit den anwaltlichen Sorgfaltspflichten bei der Formulierung eines gerichtlichen Vergleichs befasst sich der IX. Zivilsenat.

Ein Versicherungsnehmer des klagenden Krankenversicherungs-Unternehmens hatte eine Orthopädin wegen eines Aufklärungsfehlers gerichtlich auf Ersatz materieller und immaterieller Schäden in Höhe von rund 660.000 Euro sowie auf Feststellung der Pflicht zum Ersatz künftiger Schäden Anspruch genommen. Mit der Prozessführung war ein bei der Sozietät der Beklagten angestellter Rechtsanwalt betraut. Das Gericht stellte die durch Grund- und Teilurteil die Ersatzpflicht der Ärztin dem Grunde nach fest und sprach dem Versicherungsnehmer 200.000 Euro zu. Nach Rechtskraft dieses Urteils schlossen die Prozessparteien einen Vergleich, in dem sich die Ärztin zur Zahlung weiterer 580.000 Euro verpflichtete und der Versicherungsnehmer auf alle Ansprüche aus dem Behandlungsverhältnis verzichtete, soweit diese nicht auf Dritte übergegangen sind. Die Klägerin verlangt von den Beklagten Ersatz von Versicherungsleistungen, die sie nach Abschluss des Vergleichs erbracht hat. Nach ihrer Auffassung ist sie aufgrund der Abgeltungsklausel daran gehindert, diese Leistungen von der Ärztin ersetzt zu verlangen.

Das LG wies die Klage ab. Das OLG verurteilte die Beklagten antragsgemäß.

Der BGH stellt das erstinstanzliche Urteil wieder her.

Der BGH tritt dem OLG darin bei, dass der mit der Prozessführung betraute Rechtsanwalt eine Pflichtverletzung begangen hat. Der Anwalt war verpflichtet, Ersatzansprüche, die gemäß § 86 VVG auf die Klägerin übergehen, auch insoweit von der Abgeltungsklausel auszunehmen, als der Übergang erst nach Abschluss des Vergleichs stattfindet. Dies umfasste die Pflicht, den Vergleich so zu formulieren, dass Zweifel über den Umfang der Abgeltungsklausel insoweit möglichst ausgeschlossen sind. Diesen Anforderungen wird die verwendete Formulierung – unabhängig davon, wie sie im Ergebnis auszulegen ist – nicht gerecht.

Es fehlt aber an einem Schaden, weil der Vergleich trotz der verwendeten Formulierung dahin auszulegen ist, dass auch Ansprüche, die erst nach Vergleichsschluss auf die Klägerin übergehen, von der Abgeltungsklausel ausgenommen sind. Ausschlaggebend dafür ist insbesondere der Umstand, dass der Versicherte mit der Schadensersatzklage ausschließlich Schadensposten geltend gemacht hatte, die nicht von der Krankenversicherung gedeckt sind, und Ansprüche, die auf einen Sozialversicherungsträger übergegangen sind, ausdrücklich vom Streitgegenstand ausgenommen hatte.

Praxistipp: Wenn nicht sicher ausgeschlossen werden kann, dass eine private Kranken- oder Unfallversicherung besteht, sollten stets auch künftig übergehende Ansprüche von einer Abgeltungsklausel ausgenommen werden.

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Diese Woche geht es um die analoge Anwendbarkeit von § 839a BGB.

Haftung des gerichtlichen Sachverständigen bei Verfahrensbeendigung durch Vergleich
Urteil vom 25. Juni 2020 – III ZR 119/19

Mit der Möglichkeit einer analogen Anwendung von § 839a BGB befasst sich der III. Zivilsenat.

Die Klägerin hatte in einem Vorprozess gegen Gewährleistungsansprüche wegen Sachmängeln einer Druckmaschine geltend gemacht. Das LG hatte den Beklagten mit der Erstellung eines Sachverständigengutachtens betraut. Der Beklagte kam zu dem Ergebnis, die Druckgeschwindigkeit der Maschine sei entgegen der Auffassung der Klägerin nicht zu beanstanden. Das LG wies die Klage daraufhin ab. In der Berufungsinstanz äußerte das OLG Zweifel an der Verwertbarkeit des Gutachtens. Auf Vorschlag des Gerichts einigten sich die Parteien darauf, dass die Klägerin Eigentümerin der Maschine wird und alle anderen Ansprüche erledigt sind. Die Klägerin nahm daraufhin den Beklagten wegen Erstattung eines unrichtigen Gutachtens auf Schadensersatz in Anspruch. Die Klage blieb in den ersten beiden Instanzen erfolglos.

Der BGH verweist die Sache an das OLG zurück. Er tritt dem OLG darin bei, dass die Haftung eines gerichtlichen Sachverständigen für fehlerhafte Gutachten in § 839a BGB abschließend geregelt ist. Deshalb kommen konkurrierende Ansprüche aus § 823 oder § 826 BGB nicht in Betracht. Eine unmittelbare Anwendung von § 839a BGB setzt voraus, dass das Verfahren durch eine gerichtliche Entscheidung erledigt wird. Ein Vergleich wird davon auch dann nicht erfasst, wenn er auf einem Vorschlag des Gerichts beruht. Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen kommt im Falle eines Vergleich aber eine entsprechende Anwendung von § 839a BGB in Betracht. Wie im Falle einer gerichtlichen Entscheidung setzt die Haftung voraus, dass der Inhalt des Vergleichs durch das Gutachten beeinflusst worden ist. Ob diese und die weiteren Voraussetzungen vorliegen, wird das OLG im wieder eröffneten Berufungsverfahren zu prüfen haben.

Praxistipp: Bei einer Verfahrensbeendigung durch Vergleich wird sich in der Regel die Frage stellen, ob der Geschädigte den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels – d.h. durch Weiterführen des Prozesses – hätte abwenden können, was nach § 839a Abs. 2 und § 839a Abs. 3 BGB zum Wegfall des Ersatzanspruchs führt.

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Kosten des Vergleichs
Beschluss vom 14. Juni 2017 – I ZB 1/17

Mit der Auslegung einer Kostenregelung in einem gerichtlichen Vergleich befasst sich der I. Zivilsenat.

Der Kläger hatte den Beklagten im Wege der Teilstufenklage auf Zahlung von Maklerhonorar für die Vermittlung von Kaufverträgen in Anspruch genommen. Vor dem LG schlossen die Parteien einen umfassenden Vergleich, in den auch nicht rechtshängige Ansprüche einbezogen wurden. Darin wurde u.a. vereinbart, dass der Beklagte die Kosten des Rechtsstreits trägt und die Kosten des Vergleichs gegeneinander aufgehoben werden. Im Kostenfestsetzungsverfahren machte der Kläger eine Terminsgebühr aus dem vollen Vergleichswert geltend. Die Rechtspflegerin setzte nur eine Gebühr aus dem Wert der eingeklagten Forderungen an. Die dagegen eingelegte Beschwerde des Klägers blieb erfolglos.

Der BGH weist die Rechtsbeschwerde zurück. Mit den Vorinstanzen sieht er als „Kosten des Rechtsstreits“ nur diejenigen Kosten an, die durch die Geltendmachung der bereits vor dem Vergleichsabschluss rechtshängigen Ansprüche entstanden sind. „Kosten des Vergleichs“ sind demgegenüber alle Mehrkosten, die durch den Vergleichsabschluss und durch die Einbeziehung weiterer Forderungen in den Vergleich entstanden sind. Hierzu gehört nicht nur die Vergleichsgebühr, sondern auch die Terminsgebühr, soweit sich diese aufgrund der Einbeziehung dieser Forderungen erhöht hat.

Praxistipp: Um Schwierigkeiten bei der Kostenfestsetzung zu vermeiden, sollten die Parteien darauf hinwirken, dass der Wert der eingeklagten und der Wert der zusätzlich in den Vergleich einbezogenen Ansprüche im Streitwertfestsetzungsbeschluss separat ausgewiesen werden.

Haftung des anwaltlichen Mediators
Urteil vom 21. September 2017 – IX ZR 34/17

Eine grundlegende Entscheidung zur Haftung eines anwaltlichen Mediators trifft der IX. Zivilsenat.

Im Vorfeld eines Scheidungsverfahrens hatten sich die betroffenen Eheleute an eine von der beklagten Rechtsanwältin betriebene Schlichtungsstelle gewandt, um eine einvernehmliche und kostengünstige Scheidung zu ermöglichen. Die Eheleute erteilten ihr unter anderem eine Vollmacht zur Einholung von Auskünften bei den zuständigen Trägern der Rentenversicherung. Im Scheidungstermin trat für die Ehefrau der Kläger als Prozessbevollmächtigter auf. Er war kurz zuvor – ebenso wie die Anwältin des Ehemannes – auf Vermittlung der Beklagten eingeschaltet worden und mit Einzelheiten nicht vertraut. Kurz vor dem Termin teilte die Beklagte der Anwältin der Ehefrau per E-Mail mit, ein Verzicht auf die Durchführung des Versorgungsausgleichs solle nicht protokolliert werden, sofern mit der Mandantin nichts anderes besprochen werde. Dem Kläger teilte sie mit, die angestrebte Vereinbarung über die Scheidungsfolgen liege bislang lediglich als Entwurf vor. Im Termin erschien der Kläger erst zur Erörterung des Versorgungsausgleichs. Er ließ sich von der Ehefrau, mit der er zuvor noch nie zusammengetroffen war, mündlich mandatieren und stimmte in deren Namen dem Verzicht auf die Durchführung des Versorgungsausgleichs zu. Später eingeholte Auskünfte der Versorgungsträger ergaben, dass der Ehefrau ein Ausgleichsanspruch in Höhe von mehr als 90.000 Euro zugestanden hätte. In einem Haftungsprozess mit der Ehefrau verpflichtete sich der Kläger vergleichsweise zur Zahlung von rund 64.000 Euro. Zwei Drittel dieses Betrags verlangte er im Wege des Gesamtschuldnerausgleichs von der Beklagten erstattet. Das LG wies die Klage ab. Das OLG sprach dem Kläger die Hälfte des an die Ehefrau gezahlten Betrags zu.

Der BGH weist die Revision der Beklagten zurück. Er qualifiziert das Rechtsverhältnis zwischen der Beklagten und den Eheleuten als Mediationsvertrag in der Form des mehrseitigen Anwaltsdienstvertrags, weil es die Beklagte übernommen hat, rechtliche Lösungsvorschläge zu entwickeln und dies eine Rechtsdienstleistung darstellt. Aus diesem Dienstvertrag haftet die Beklagte nach anwaltsrechtlichen Grundsätzen. Eine Pflichtverletzung sieht der BGH darin, dass die Beklagte den Kläger nicht darüber informiert hat, dass noch keine Auskünfte zum Versorgungsausgleich vorliegen. Ob ein entsprechender Hinweis an die Anwältin des Ehemanns ausgereicht hätte, lässt er offen, weil die Beklagte im Streitfall auch insoweit keine hinreichend deutlichen Informationen erteilt hatte. Dass der Kläger ebenfalls seine anwaltlichen Pflichten verletzt hat, führt nicht zu einer Unterbrechung des Kausalverlaufs, sondern lediglich zu einer gleichmäßigen Verteilung der Haftung im Innenverhältnis.

Praxistipp: Um eine Haftung in solchen Konstellationen zu vermeiden, sollte der Mediator von der Durchführung des Scheidungstermins vor endgültiger Klärung aller für die angestrebte Vereinbarung relevanter Fragen dringend abraten. Wollen die Mandanten diesem Rat nicht folgen, sollten die Prozessbevollmächtigten detailliert und unmissverständlich über den Verfahrensstand informiert werden. Zusätzlich sollten die Mandanten persönlich eingehend über die drohenden Risiken belehrt werden.

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Berufungsbegründung per Telefax
Beschluss vom 26. Januar 2017  – I ZB 43/16

Grenzen der anwaltlichen Sorgfaltspflicht bei der Einreichung von fristgebundenen Schriftsätzen per Telefax zeigt der I. Zivilsenat auf.

Der Prozessbevollmächtigte der in erster Instanz unterlegenen Beklagten hatte am letzten Tag der Frist von 23:28 Uhr an mehrfach vergeblich versucht, die sieben Seiten umfassende Berufungsbegründung per Telefax an das Berufungsgericht zu übermitteln. Alle Sendeversuche brachen mit der Meldung „Übertragungsfehler“ ab. Eine nachträgliche Überprüfung ergab, dass es beim Faxgerät des Berufungsgerichts am besagten Tag mehrfach zu vergleichbaren Übermittlungsfehlern gekommen war. Das Berufungsgericht wies den Wiedereinsetzungsantrag dennoch als unbegründet zurück. Es bejahte ein Verschulden, weil die Möglichkeit bestanden habe, den Schriftsatz an den Telefaxanschluss des Pressesprechers zu übermitteln, dessen Nummer auf den Internetseiten des Gerichts veröffentlicht war.

Der BGH hebt die Entscheidung des OLG auf und gewährt Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Er knüpft an seine ständige Rechtsprechung an, wonach die Übersendung eines Schriftsatzes per Telefax am letzten Tag der Frist kein Verschulden begründet, sofern ein ausreichender Zeitpuffer eingeplant wird, um eine vorübergehende Belegung des Anschlusses zu kompensieren. Diese Anforderung war für die Übersendung von sieben Seiten um 23:28 Uhr gewahrt. Aufgrund der vom OLG getroffenen Feststellungen war ferner davon auszugehen, dass die Übermittlung aufgrund eines technischen Fehlers am Empfangsgerät gescheitert ist. Bei dieser Ausgangslage brauchte sich der Anwalt entgegen der Auffassung des OLGs nicht auf das Wagnis einzulassen, den Schriftsatz an den Telefaxanschluss des Pressesprechers zu übermitteln. Dessen Nummer war zwar auf den Internetseiten des OLG veröffentlicht. Daraus ging aber nicht hervor, dass der Anschluss zur Entgegennahme von fristgebundenen Schriftsätzen dient.

Praxistipp: Wenn das zuständige Gericht einen bestimmten Faxanschluss ausdrücklich zur Entgegennahme von fristgebundenen Schriftsätzen benannt hat, ist die Übermittlung an einen anderen, nicht für diesen Zweck eingerichteten Anschluss nicht ohne weiteres zur Fristwahrung geeignet – selbst dann, wenn sie innerhalb der maßgeblichen Frist erfolgt.

Formwahrung durch gerichtlich festgestellten Vergleich
Beschluss vom 1. Februar 2017  – XII ZB 71/16

Die seit langem umstrittene Frage, ob ein nach § 278 Abs. 6 ZPO durch Beschluss festgestellter Vergleich entsprechend § 127a BGB zur Wahrung der notariellen Form geeignet ist, bejaht der XII. Zivilsenat in einer ausführlich begründeten Entscheidung.

In einem Scheidungsverfahren hatten die Beteiligten einen vom Gericht gemäß § 278 Abs. 6 ZPO festgestellten Vergleich geschlossen, der unter anderem einen gegenseitigen Verzicht auf Zugewinn und Unterhalt enthielt. Später focht der Antragsteller den Vergleich wegen arglistiger Täuschung an und begehrte im Wege der Stufenklage Auskunft und Zugewinnausgleich. Das Begehren blieb in den beiden ersten Instanzen erfolglos.

Der BGH weist die vom OLG zugelassene Rechtsbeschwerde zurück. Er teilt die Auffassung der Vorinstanzen, dass der Vergleich dem in § 1410 BGB vorgesehenen  Erfordernis der notariellen Beurkundung genügt. § 127a BGB, wonach ein gerichtlich protokollierter Vergleich die notarielle Beurkundung ersetzt, ist für Vergleiche, deren Zustandekommen das Gericht durch Beschluss gemäß § 278 Abs. 6 ZPO feststellt, zwar nicht unmittelbar anwendbar. Sinn und Zweck der Vorschrift gebieten aber eine analoge Anwendung, und zwar unabhängig davon, ob der Vergleich auf Vorschlag des Gerichts oder aufgrund übereinstimmender Schriftsätze der Beteiligten zustande gekommen ist.

Praxistipp: Noch nicht höchstrichterlich entschieden ist die Frage, ob ein nach § 278 Abs. 6 ZPO festgestellter Vergleich zur Formwahrung auch dann geeignet ist, wenn das Gesetz die gleichzeitige Anwesenheit beider Teile vorschreibt, wie etwa in § 925 BGB für eine Auflassung.

Keine Gebührenermäßigung für Vergleich bei gerichtlich vorbehaltener Kostenentscheidung

Die Beklagten schlossen in der Berufungsinstanz einen Vergleich, konnten sich aber offenbar über die Kostenverteilung nicht einig werden. Sie überließen daher die Kostenentscheidung dem Gericht, verzichteten aber auf eine Begründung der zu treffenden Entscheidung. Das Gericht erließ demgemäß einen entsprechenden Kostenbeschluss.

Nach Abschluss der Instanz wurden vom Kostenbeamten alle vorgesehenen Gebühren (in der Berufungsinstanz vier) in Rechnung gestellt. Der Kostenschuldner wollte aber nur zwei Gebühren zahlen. Bekanntlich ermäßigen sich die vier Gebühren auf zwei wenn ein Vergleich geschlossen wird, der allerdings das gesamte Verfahren erledigen muss. Dies war hier nicht der Fall, da die Kostenregelung offen blieb. Gemäß Nr. 1223 KV GKG fallen allerdings nur drei Gebühren an, wenn das gesamte Verfahren durch ein Urteil beendet wird, das wegen eines Verzichtes der Parteien nach § 313a Abs. 1 S. 1 ZPO keine schriftliche Begründung enthält. Die Voraussetzungen des Wortlautes dieser Vorschrift waren hier ersichtlich nicht erfüllt, da kein Urteil, sondern ein Beschluss ergangen war. Der enttäuschte Kostenschuldner warf aber im Erinnerungsverfahren nach § 66 GKG die Frage auf, ob nicht eine analoge Anwendung dieser Vorschrift auf den vorliegenden Sachverhalt geboten sei.

Das OLG Düsseldorf (Beschl. v. 16.8.2016 – I-10 W 229/16) greift diese Frage auf, verneint sie aber. Es fehlt an der für eine Analogie erforderlichen planwidrigen Regelungslücke. Im Gesetzgebungsverfahren wurden verschiedene Fallkonstellationen von Gebührenermäßigungen erörtert. Alsdann wurde ausdrücklich von einer Ermäßigung nur ausgegangen, wenn das gesamte Verfahren durch den Ermäßigungstatbestand erledigt wird. In der hier vorliegenden Konstellation war das gesamte Verfahren gerade nicht durch den Vergleich erledigt worden. Für derartige Fälle wollte der Gesetzgeber eben keine Ermäßigung anerkennen.

Das OLG Celle (Beschl. v. 19.4.2011 – 2 W 89/11) hatte dies übrigens noch anders gesehen und eine analoge Anwendung befürwortet! Dem OLG Düsseldorf war vor kurzer Zeit das OLG Braunschweig gefolgt (Beschl. v. 2.6.2015 – 2 W 19/15). Interessant ist, dass das OLG Düsseldorf beide Entscheidungen gar nicht erwähnt.

Praxistipp: Damit bleibt hier die Erinnerung des Kostenschuldners erfolglos. Wer auf eine Gebührenermäßigung wert legt, sollte daher auf eine Gesamterledigung des Verfahrens durch einen Vergleich oder ein Urteil nach § 313a Abs. 1 S. 1 ZPO achten und sich damit erst gar nicht auf diese Kontroverse einlassen.

Erwähnenswert ist noch ein kleiner Nebenaspekt der Entscheidung: Da sich der Kostenschuldner auch noch über in Rechnung gestellte Sachverständigenkosten beschwert hatte, sah sich das OLG Düsseldorf zu folgenden Anmerkungen veranlasst: „Soweit die Einwendungen des Kostenschuldners sich auf die Qualität der Sachverständigenleistung beziehen, hat diese auf die Höhe der zu gewährenden Vergütung keinen Einfluss. Der vom Gericht bestellte Sachverständige handelt nicht im Rahmen eines Dienst- oder Werkvertrags. Seine Vergütung bezieht sich nicht auf das Werk des Sachverständigen, sondern auf seine Tätigkeit als Gehilfe des Gerichts, die er in Erfüllung einer staatsbürgerlichen Pflicht erbringt (…). Deshalb sind sachliche Richtigkeit und Überzeugungskraft eines Sachverständigengutachtens kein Maßstab für die Höhe der dem Sachverständigen zu gewährenden Vergütung; es kommt lediglich darauf an, dass diese Leistung überhaupt erbracht wurde, nicht etwa auch darauf, wie das Gericht oder die Parteien das Gutachten inhaltlich beurteilen (…).“ Kann man das schöner sagen?