Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um den Anwendungsbereich der Regeln über die Kontrolle von Allgemeinen Geschäftsbedingungen.

Individuell vereinbarte Bestimmung als Allgemeine Geschäftsbedingung
BGH, Urteil vom 13. November 2025 – III ZR 165/24

Der III. Zivilsenat befasst sich mit der AGB-Kontrolle von Vertragsverhältnissen mit mehr als zwei Parteien.

Die Kläger kauften im August 2015 von einer Projektentwicklungsgesellschaft eine noch zu errichtende Eigentumswohnung in einem für Ferienhäuser und -wohnungen vorgesehenen Baugebiet.

Die Verkäuferin hatte sich gegenüber der für die Bauplanung zuständigen Gemeinde verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass alle Einheiten der Anlage in den ersten zehn Jahren nach Fertigstellung über einen einzigen Vermittler weitgehend an Feriengäste vermietet werden. Zur Umsetzung dieser Verpflichtung hatte sie als vollmachtlose Vertreterin der künftigen Wohnungseigentümer im Juli 2015 einen Vermittlungsvertrag mit der Beklagten geschlossen. Dieser sah in § 9 Nr. 1 eine Laufzeit bis Anfang 2020 und in § 9 Nr. 3 eine Laufzeit bis mindestens Anfang 2027 vor.

Die Kläger erklärten im Kaufvertrag über ihre Wohnung, dass sie in die Rechte und Pflichten aus dem Vermittlungsvertrag eintreten. Im Februar 2022 kündigten sie den Vermittlungsvertrag und machten geltend, die Vereinbarung über die Laufzeit des Vertrags sei unwirksam. In der Folgezeit verwehrten sie eine Vermietung der Wohnung. Im Oktober 2022 erklärten sie erneut die Kündigung.

Die Kläger haben die Feststellung beantragt, dass der Vermittlungsvertrag ihnen gegenüber keine Wirkung entfaltet, hilfsweise, dass er wirksam gekündigt worden ist. Die Beklagte hat widerklagend Ersatz entgangener Vermittlungsprovisionen in Höhe von 1.298 Euro begehrt.

Das LG hat die Klage abgewiesen und die Kläger entsprechend der Widerklage verurteilt. Das OLG hat festgestellt, dass der Vermittlungsvertrag seit Oktober 2022 beendet ist, und den auf die Widerklage zu zahlenden Betrag auf 893 Euro reduziert.

Der BGH weist die Revision der Beklagten und die Anschlussrevision der Kläger zurück.

Aufgrund der nicht angefochtenen Abweisung des mit der Klage geltend gemachten Hauptantrags steht rechtskräftig fest, dass der Vermittlungsvertrag zwischen den Parteien wirksam zustande gekommen ist.

Im Ergebnis zu Recht hat das OLG angenommen, dass die Kläger den Vertrag im Oktober 2022 wirksam gekündigt haben. Die Vereinbarung über die Laufzeit ist jedenfalls wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot gemäß § 307 Abs. 1 BGB unwirksam.

Die Vereinbarung unterliegt der AGB-Kontrolle nach §§ 305 ff. BGB, obwohl sie zwischen der Beklagten und der Projektentwicklungsgesellschaft individuell ausgehandelt worden ist. Ausschlaggebend hierfür ist, dass die Projektgesellschaft nur als Vertreterin ohne Vertretungsmacht gehandelt hat, die ausgehandelten Bestimmungen für eine Vielzahl von Vertragsverhältnissen mit den einzelnen Käufern der Wohnungen vorgesehen waren und diesen gegenüber weder die Projektgesellschaft noch die Beklagte zu Verhandlungen über den Inhalt der Vereinbarung bereit waren.

Die Anschlussrevision der Kläger bleibt erfolglos, weil nicht bewiesen ist, dass die Kündigung vom Februar 2022 der Beklagten zugegangen ist. Diesbezüglicher Tatsachenvortrag im Revisionsverfahren ist nach § 559 Abs. 1 ZPO unzulässig.

Praxistipp: Eine Anschlussrevision ist auch dann zulässig, wenn die Revision nur zugunsten einer Partei zugelassen worden ist.

OLG Köln: Verlängerung der Widerrufsfrist bei einem Prozessvergleich

Die Parteien hatten einen Widerrufsvergleich geschlossen. Der Vergleich enthielt einen Widerrufsvorbehalt bis zum 26.7.2024. Am 25.7.2024 baten die Anwälte der Klägerin bei den Anwälten der Beklagten telefonisch um eine Verlängerung der Widerrufsfrist bis zum 9.8.2024. Am selben Tage noch erhielten die Anwälte der Klägerin eine Mail von den Anwälten der Beklagten. Danach bestünden keine Bedenken gegen eine Fristverlängerung. Unterzeichnet war die Mail mit O.X., Assistentin. Beide Rechtsanwälte waren mit der Fristverlängerung einverstanden. Mit Schriftsatz vom selben Tag informierten die Anwälte der Klägerin das Gericht. Mit am 8.8.2024 eingegangenem Schriftsatz widerriefen sie den Vergleich.

Das LG stellte jedoch fest, dass der Rechtsstreit durch den Vergleich beendet worden ist. Es hielt die Vereinbarung zur Verlängerung der Widerrufsfrist für formunwirksam. Das OLG (Urt. v. 22.10.2025 – 11 U 116/24) folgt dem nicht, sondern hebt das Urteil auf und verweist den Rechtsstreit an das LG zurück. Die Verlängerung der Widerrufsfrist ist eine Prozesshandlung und unterliegt daher dem Anwaltszwang (§ 78 ZPO). Eine besondere Formvorschrift existiert für eine solche Vereinbarung allerdings nicht. Die §§ 129 ff. ZPO sind nicht einschlägig, da die Erklärung gegenüber dem Prozessgegner und nicht gegenüber dem Gericht zu erfolgen hat. Es verhält sich vorliegend ähnlich wie bei der Zustimmung des Gegners zur Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist. Von daher ist es hier ausreichend, dass sich die beiden Rechtsanwälte über die Assistentin über die Verlängerung geeinigt haben. Damit war die Verlängerung der Widerrufsfrist wirksam und der Widerruf des Prozessvergleichs rechtzeitig.

Diese Sicht der Dinge ist jedenfalls gut vertretbar und auch praxisgerecht. Es gibt jedoch auch abweichende Entscheidungen (z. B.: LG Bonn, Urt. v. 30.12.1996 – 9 O 173/96,  MDR 1997, 783, wonach die Verlängerung der Form des Vergleiches bedarf). Sicherheitshalber sollte eine solche Vereinbarung jedoch zwischen den Prozessbevollmächtigten direkt getroffen werden, und zwar ohne die Assistenz einzuschalten.

Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um die Abgrenzung zwischen einer Vertragsstrafe und einer Vereins- oder Verbandsstrafe.

Vertragsstrafevereinbarung in der Gemeinschaftsordnung einer Gemeinschaft der Wohnungseigentümer
BGH, Urteil vom 24. Oktober 2025 – V ZB 129/24

Der V. Zivilsenat entscheidet, dass die §§ 339 ff. BGB jedenfalls für bestimmte Konstellationen anwendbar sind.

Die Beklagte zu 1, eine GmbH & Co. KG mit der Beklagten zu 2 als persönlich haftender Gesellschafterin, ist Sondereigentümerin einer Wohneinheit in einer Wohnungseigentumsanlage. Nach der in der Teilungserklärung enthaltenen Gemeinschaftsordnung ist der Eigentümer dieser Wohneinheit berechtigt, den Dachbereich (mit einer Fläche von über 1000 m²) auszubauen und das Dach aufzustocken. Für den Fall, dass die Bauzeit länger als fünfzehn Monate beträgt, ist eine Konventionalstrafe an die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer in Höhe von 15 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche und Monat vorgesehen.

Die Bauzeit ist um mehr als ein Jahr überschritten worden. Die klagende Gemeinschaft der Wohnungseigentümer verlangt deshalb Zahlung von rund 230.000 Euro nebst Zinsen und die Feststellung, dass die Beklagten bis zum Abschluss der Bauarbeiten zu weiteren monatlichen Zahlungen verpflichtet sind.

Die Klage hatte vor dem AG und dem LG Erfolg.

Der BGH verweist die Sache an das LG zurück.

In Literatur und Instanzrechtsprechung ist umstritten, ob eine in der Gemeinschaftsordnung einer Gemeinschaft der Wohnungseigentümer vorgesehene Strafe den Regelungen über Strafversprechen (§§ 339 ff. BGB) unterliegt oder als Verbandsstrafe anzusehen ist, die im Hinblick auf Art. 9 Abs. 1 GG einer weniger weitgehenden gerichtlichen Überprüfung unterliegt.

Der BGH entscheidet die Frage nicht abschließend. Die im Streitfall vereinbarte Strafe sieht er aber – wie die Vorinstanzen – als Vertragsstrafe im Sinne von § 339 BGB an.

Für diese Einordnung spricht schon, dass die Strafe im Falle einer Überschreitung der vorgesehenen Bauzeit anfällt, ohne dass es einer Entscheidung der Wohnungseigentümer bedarf. Ob dies ausreicht, lässt der BGH ebenfalls offen. Im Streitfall kommt jedenfalls entscheidend hinzu, dass die Strafe ausdrücklich als Konventionalstrafe bezeichnet ist und dass sie nicht jeden Wohnungseigentümer treffen kann, sondern nur den Ausbauberechtigten.

Der BGH tritt den Vorinstanzen auch darin bei, dass eine Gemeinschaftsordnung Regelungen über eine Vertragsstrafe im Sinne von §§ 339 ff. BGB wirksam treffen kann. Die Vereinbarung einer solchen Regelung ist von der Privatautonomie gedeckt. Die Regelung unterliegt auch nicht einer Inhaltskontrolle nach den Regelungen für Allgemeine Geschäftsbedingungen (§§ 307 ff. BGB) oder einer Missbrauchskontrolle nach § 242 BGB.

Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen ist § 343 Abs. 1 Satz 1 BGB, wonach eine verwirkte Strafe auf Antrag des Schuldners durch Urteil auf den angemessenen Betrag herabgesetzt werden, wenn sie unverhältnismäßig hoch ist, im Streitfall jedoch anwendbar. Diese Regelung wird nicht durch § 10 Abs. 2 WEG verdrängt, der jedem Wohnungseigentümer das Recht gibt, die Anpassung einer Vereinbarung zu verlangen, soweit ein Festhalten an der geltenden Regelung aus schwerwiegenden Gründen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, insbesondere der Rechte und Interessen der anderen Wohnungseigentümer, unbillig erscheint. Ein Antrag auf Herabsetzung der Strafe nach § 343 BGB zielt nicht auf eine Änderung der Gemeinschaftsordnung ab, sondern lediglich auf eine Abmilderung der Risiken aus einer im Voraus erfolgten Pauschalierung der Strafhöhe.

Einer Anwendung von § 343 BGB steht im Streitfall auch nicht der Umstand entgegen, dass die Beklagte zu 1 eine Handelsgesellschaft ist. Nach § 348 HGB kann eine Vertragsstrafe zwar nicht herabgesetzt werden, wenn sie von einem Kaufmann im Betrieb seines Handelsgewerbes versprochen worden ist. In der Konstellation des Streitfalls erfolgt aber nur der Erwerb des Wohnungseigentums im Betrieb des Handelsgeschäfts. Die Vertragsstrafe ergibt sich hingegen aus dem Eintritt in die Gemeinschaftsordnung. Dieser erfolgt von Gesetzes wegen mit dem Eigentumserwerb.

Das LG wird deshalb prüfen müssen, ob die Strafe nach § 343 BGB herabzusetzen ist.

Praxistipp: Ein Antrag auf Herabsetzung einer Vertragsstrafe gemäß § 343 BGB muss nicht beziffert werden, weil die Höhe des Ermäßigungsbetrags ggf. dem Ermessen des Gerichts unterliegt (BGH, Urteil vom 22. Mai 1968 – VIII ZR 69/66, MDR 1968, 751).

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Diese Woche geht es um die Zulässigkeit einer Kostenentscheidung nach einem selbständigen Beweisverfahren.

Klageerhebung nach erstinstanzlicher Kostenentscheidung im selbständigen Beweisverfahren
BGH, Beschluss vom 9. Oktober 2025 – V ZB 67/24

Der V. Zivilsenat beantwortet eine in Literatur und Instanzrechtsprechung umstrittene Frage.

Die Antragsteller haben gegen die Antragsgegner ein selbständiges Beweisverfahren geführt. Nach dessen Abschluss setzte das Landgericht ihnen eine Frist von vier Wochen zur Klageerhebung. Die Antragsteller reichten am letzten Tag der Frist eine Klageschrift ein, zahlten den angeforderten Kostenvorschuss zunächst aber nicht.

Auf Antrag der Antragsgegner hat das LG den Antragstellern die im selbständigen Beweisverfahren entstandenen Kosten auferlegt. Die Antragsteller haben hiergegen sofortige Beschwerde eingelegt. Während des Beschwerdeverfahrens wurde die Klage zugestellt. Das OLG hat die erstinstanzliche Kostenentscheidung daraufhin aufgehoben, den Kostenantrag zurückgewiesen und den Antragstellern die Kosten des Beschwerdeverfahrens auferlegt.

Der BGH weist die vom OLG zugelassene Rechtsbeschwerde der Antragsgegner zurück.

Das LG hat den Antragstellern allerdings zu Recht gemäß § 494a Abs. 2 Satz 1 ZPO die Kosten des Beweisverfahrens auferlegt, weil die nach § 494a Abs. 1 ZPO gesetzte Frist für die Erhebung der Klage abgelaufen und die Klage im Zeitpunkt der erstinstanzlichen Entscheidung noch nicht erhoben war.

Auch in diesem Zusammenhang ist § 253 Abs. 1 ZPO maßgeblich, wonach eine Klage erst mit Zustellung der Klageschrift erhoben ist. Eine Rückwirkung auf den Zeitpunkt der Einreichung gemäß § 167 ZPO kommt im Streitfall nicht in Betracht, weil die Zustellung aufgrund der um mehrere Wochen verzögerten Zahlung des Kostenvorschusses nicht demnächst erfolgt ist.

Dennoch hat das OLG die erstinstanzliche Kostenentscheidung zu Recht aufgehoben, weil die Klageschrift im Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung zugestellt war.

Der BGH hat bereits entschieden, dass eine Kostenentscheidung nach § 494 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht ergehen darf, wenn die Klage zwar nach Ablauf der Frist, aber vor der Entscheidung über den Kostenantrag erhoben worden ist (BGH, Beschluss vom 28 Juni 2007 – VII ZB 118/06, MDR 2007, 1089).

Der BGH ergänzt dies nunmehr dahin, dass eine bereits ergangene Kostenentscheidung auf eine zulässige sofortige Beschwerde hin aufzuheben ist, wenn die Klage vor der Entscheidung über die Beschwerde zugestellt wird. Dies entspricht dem allgemeinen Grundsatz, dass der Entscheidung über eine sofortige Beschwerde die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung zugrunde zu legen ist. § 494a ZPO enthält keine hiervon abweichende Regelung.

Dem Antragsgegner entsteht dadurch kein Kostennachteil. Der Antragsteller hat in der genannten Situation grundsätzlich gemäß § 97 Abs. 2 ZPO die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Praxistipp: Eine Rückwirkung nach § 167 ZPO kommt nicht in Betracht, wenn die Zustellung der Klage durch schuldhaftes Verhalten des Klägers um mehr als zwei Wochen verzögert wird.

BGH: Nichtanordnung einer Videoverhandlung als Verletzung des rechtlichen Gehörs

In der längeren Entscheidung ging es – einmal wieder – um den Widerruf einer Anwaltszulassung wegen Vermögensverfalls. Nachdem in der Sache nichts zu gewinnen war, versucht die betroffene Rechtsanwältin das Urteil des Anwaltsgerichtshof durch die Rüge von Verfahrensfehlern zu Fall zu bringen.

Passiert war Folgendes: Am 13.2.2025 bestimmt der Vorsitzende Termin auf den 25.4.2025. Mit am 22.4.2025 13.30 Uhr eingegangenen Schreiben beantragte die Klägerin, ihr die Teilnahme von einem anderen Ort aus zu gestatten. Sie sei chronisch krank und zu 100 % schwerbehindert. Sie leide an beständigen Migräneattacken, die meistens 72 Stunden andauerten und medikamentös kaum bekämpft werden könnten. Sie sei nicht reisefähig.

Die Berichterstatterin wies darauf hin, dass die Entscheidung über diesen Antrag erst am Sitzungstag erfolgen könne, da dafür der Senat zuständig sei, der vorher nicht zusammentreten könne. Eine positive Entscheidung könne sie nicht in Aussicht stellen. Die Klägerin könne sich vertreten lassen oder müsse ein aussagefähiges Attest vorlegen. Am Terminstag teile die Klägerin mit, sie stehe für eine Videoverhandlung zur Verfügung, ein Attest könne sie nicht vorlegen, da sie einen Arzttermin erst für den 29.4.2025 erhalten habe. Hilfsweise beantragte sie, den Termin zu verlegen. Der Anwaltsgerichtshof wies sodann den Antrag zurück.

Der BGH (Beschl. v. 29.9.2025 – AnwZ (Brfg) 26/25) erkennt in dieser Verfahrensweise keinen Verfahrensfehler in Gestalt eines Gehörsverstoßes. Grundsätzlich müsse über einen Antrag auf Videoverhandlung zwar so rechtzeitig entschieden werden, dass sich der Antragsteller darauf einstellen kann. Dies gelte aber nur, wenn auch die Beteiligten selbst ihren prozessualen Mitwirkungsobliegenheiten nachkommen. Vorliegend hat die Klägerin diese Pflichten verletzt, weil sie den Antrag zu spät gestellt hat. Da der Senat des Anwaltsgerichtshofes aus fünf Mitgliedern einschließlich dreier anwaltlicher Mitglieder besetzt ist, liegt auf der Hand, dass in kürzerer Frist kein Beratungstermin mehr bestimmt werden kann. (Dies ist natürlich bei einem Senat, der nur aus drei Berufsrichtern besteht, anders!) Die Klägerin hätte sich im Übrigen vertreten lassen können. Soweit die Klägerin insoweit eingewandt hat, dies sei wegen umfangreicher tatsächlicher und rechtlicher Schwierigkeiten nicht möglich gewesen, folgt der BGH dem nicht. Die Einarbeitung auch in derartige Sachverhalte gehört zu den normalen Aufgaben von Rechtsanwälten. Wenn die Klägerin rechtzeitig einen Antrag gestellt hätte, hätte ihr auch genug Zeit zur Verfügung gestanden, um einen Kollegen zu beauftragen und diesem ihre besondere Situation darzulegen. Durch die Mitteilung der Berichterstatterin war die Klägerin im Übrigen gewarnt worden.

Folgendes interessantes Argument darf wörtlich wiedergegeben werden: „Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass der Anwaltsgerichtshof die Ablehnung einer Videoübertragung unter anderem auch damit begründet hat, dass er eine Verhandlung mit persönlicher Anwesenheit der Beteiligten im Hinblick auf die tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten für geboten erachte. Damit bringt er nur zum Ausdruck, dass er angesichts der zu erörternden Fragen eine direkte Kommunikation mit den Beteiligten im Sitzungssaal als erforderlich ansieht und es beispielsweise vermeiden will, durch technische Schwierigkeiten von der Erörterung der Sache abgelenkt zu werden.“

Auch die Ablehnung der Verlegung des Termins begründet keinen Verstoß gegen das rechtliche Gehör. Ein erheblicher Grund liegt nicht vor. Eine plötzliche Erkrankung kann zwar einen solchen Grund darstellen, nicht jedoch eine seit bereits geraumer Zeit bestehende Erkrankung. Weiterhin geltend die vorstehenden Ausführungen entsprechend. Damit scheiterte die Klägerin mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung.

Der Fall zeigt, dass selbst die höchstrichterliche Rechtsprechung oftmals nicht dazu bereit ist, gekünstelten bzw. selbst provozierten Verfahrensrügen Recht zu geben. Es ist schön, wenn man doch hin und wieder einmal lesen kann, dass auch die höchstrichterliche Rechtsprechung die Bodenhaftung nicht ganz verliert.

OLG Brandenburg: Verjährung von Forderungen der Energieversorger

In der gerichtlichen Praxis entsteht häufig der Eindruck, dass sich Energieversorger aller Art sehr lange Zeit lassen, um ihre Forderungen geltend zu machen. Bei normalen Verbraucherverträgen wird zwar mitunter schon bei Rückständen von wenigen Hunderten Euro eine Zählerausbauklage eingereicht. Demgegenüber dauert es bei gewerblichen Strombeziehern oftmals sehr lange, bis endlich etwas geschieht.

Im konkreten Fall ( OLG Brandenburg, Urt. v. 20.8.2025 -4 U 29/25) musste die Klägerin (Stromlieferantin) lernen, dass für Stromlieferungen im gewerblichen Bereich aufgrund eines entsprechenden Versorgungsvertrages die gesetzlichen Verjährungsfristen gelten. Bei Haushaltskunden hat der Energieversorger demgegenüber meistens Glück: Er kann sich Auf § 17 Abs. 1 S. 1 StromGVV (oder andere entsprechende Vorschriften) berufen. Danach ist die Rechnung Fälligkeitsvoraussetzung, d. h.: Vor Zugang der Rechnung gibt es grundsätzlich keine Fälligkeit und auch keinen Anlauf der Verjährungsfrist. Diese Vorschrift gilt jedoch im gewerblichen Bereich nicht! Vielmehr bleibt es dort bei den allgemeinen Vorschriften des BGB.

Da die Beklagte regelmäßig und vertragsgemäß ihren Zähler abgelesen sowie der Klägerin den (recht hohen) Verbrauch auch der Klägerin mitgeteilt hatte, lag auf Seiten des Energieversorgers sogar eine grob fahrlässige Unkenntnis gemäß § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB vor. Aus demselben Grund scheiden auch deliktische Ansprüche des Energieversorgers gegen die Beklagte aus. Keinesfalls war die Beklagte dazu verpflichtet, von sich aus auf eine Rechnungserstellung zu drängen.

Fazit: Die interne Organisation mancher Energieversorger scheint durchaus optimierungsfähig zu sein. Wer nicht durch geeignete Maßnahmen sicherstellt, dass Forderungen rechtzeitig geltend gemacht werden, hat das Nachsehen, wenn der Gegner die Verjährungseinrede erhebt.

 

 

Blog powered by Zöller: Wiedereinsetzung trotz Signaturfehlers

Nach ständiger Rechtsprechung hindert ein Anwaltsfehler die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht, wenn die Fristversäumung durch rechtzeitige Aufdeckung des Fehlers durch das Gericht noch hätte vermieden werden können. Es fehlt dann an der Kausalität des Anwaltsfehlers; sie wird durch die Unterlassung des Gerichts gewissermaßen überholt.

Zu der Frage, wann und wie das Gericht auf erkennbare Fehler zu reagieren hat, gibt es eine umfangreiche, sehr kasuistische Rechtsprechung, die in jüngster Zeit, vor allem bedingt durch die Gegebenheiten des elektronischen Rechtsverkehrs, weiter ausdifferenziert worden ist (s. Zöller/Greger, § 233 ZPO Rn. 20 ff., 23.15; § 130a Rn. 28). Der BGH betont zwar immer wieder, dass die Gerichte nicht generell dazu aufgerufen sind, einer drohenden Fristversäumnis seitens der Partei entgegenzuwirken. Längst festgeschrieben ist aber (angestoßen durch das BVerfG), dass die Falschadressierung eines Schriftsatzes dann unschädlich ist, wenn er so rechtzeitig beim unzuständigen Gericht eingegangen und der Zuständigkeitsmangel so leicht erkennbar ist, dass die fristgerechte Weiterleitung an das zuständige Gericht im ordentlichen Geschäftsgang erwartet werden konnte. Wann ein solcher Mangel erkannt werden muss und welche Zeit ein ordentlicher Geschäftsgang in Anspruch nehmen darf, darüber wird jedoch sehr einzelfallbezogen gestritten und entschieden.

Der elektronische Rechtsverkehr bringt hierzu permanent neue Fragestellungen hervor. Die letzte BGH-Entscheidung in diesem Kontext betraf den Fall, dass der fristgebundene Schriftsatz über das beA eines anderen als des einfach signierenden Rechtsanwalts eingereicht worden war. Der BGH entschied, dass dieser zur Unwirksamkeit der Prozesshandlung führende Mangel von der Geschäftsstelle des Gerichts hätte erkannt und dem Einreicher ein entsprechender Hinweis gegeben werden müssen. Da bei Eingang des Schriftsatzes noch 30 Kalendertage bis zum Fristablauf offenstanden, hätte die ordnungsgemäße Einreichung dann nachgeholt werden können, denn länger als zehn bis zwölf Kalendertage dürfe eine solche rein formale Prüfung nicht dauern (BGH v. 20.8.2025 – VII ZB 16/24).

Ein anderer Senat des BGH hat dies in einer Entscheidung v. 19.1.2023 (V ZB 28/22, MDR 2023, 381) noch anders gesehen. Demnach komme es auf die Erkennbarkeit eines Signaturfehlers für die Geschäftsstelle nicht an, denn dieser obliege nur die Prüfung des Dateiformats. Ob das Dokument ordnungsgemäß übermittelt wurde, betreffe dagegen die vom Gericht vorzunehmende Zulässigkeitsprüfung. Dass der Vorsitzende den Signaturfehler bereits am übernächsten Tag des Eingangs bei der Geschäftsstelle erkennen würde, sei nicht zu erwarten gewesen. Wie der BGH wiederholt (allerdings im Zusammenhang mit Fragen der Zuständigkeit oder Statthaftigkeit) entschieden hat, ist es grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn der Richter die Zulässigkeitsvoraussetzungen eines Rechtsmittels nicht zeitnah nach dessen Eingang, sondern erst bei der Bearbeitung des Falls und ggf. nach Ablauf der Fristen überprüft (zuletzt BGH v. 6.8.2025 – XII ZB 103/25).

Auf der (einigermaßen) sicheren Seite ist der Anwalt daher nur, wenn er (abgesehen natürlich von sorgfältiger Ausgangskontrolle) fristwahrende Schriftsätze zehn bis zwölf Kalendertage vor Fristablauf einreicht.


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Diese Woche geht es um eine Frage der Gefahrtragung.

Verlustgefahr bei Geldüberweisung
BGH, Urteil vom 8. Oktober 2025 – IV ZR 161/24

Der IV. Zivilsenat befasst sich mit einer ungewöhnlichen Fallkonstellation.

Die drei Beklagten habe sich in einem außergerichtlichen Vergleich verpflichtet, an die Klägerin – ihre Schwester – zur Abgeltung eines Pflichtteilsanspruchs 30.000 Euro zu zahlen.

Beide Seiten waren durch Anwälte vertreten. Der Anwalt der Beklagten übermittelte der Anwältin der Klägerin eine schriftliche Fassung des ausgehandelten Vertragstextes per beA. Dieser sah vor, dass der vereinbarte Betrag auf ein Anderkonto des Anwalts der Klägerin zu überweisen ist. Die IBAN dieses Kontos war im Vertragstext angegeben.

Die Anwältin der Klägerin druckte das Dokument aus, unterschrieb es und sandte diese Fassung auf dem Postweg an den Anwalt der Beklagten. Nach der Unterzeichnung durch die Anwältin der Klägerin und vor dem Eingang beim Anwalt der Beklagten ersetzte eine unbekannt gebliebene Person die im Vertragstext angegebene IBAN durch die IBAN eines Kontos, dessen Inhaber unbekannt ist.

Der Anwalt der Beklagten unterzeichnete das Dokument in Unkenntnis dieser Fälschung und sandte es an die Anwältin der Klägerin zurück. Wenige Tage darauf überwies jeder Beklagte jeweils 10.000 Euro auf das angegebene Konto. Versuche, das Geld zurückzuerlangen, blieben erfolglos.

Das LG hat die auf Zahlung von 30.000 Euro nebst Zinsen und Ersatz von Verzugsschäden gerichtete Klage abgewiesen. Das OLG hat die Beklagten zur Zahlung von 30.000 Euro nebst Zinsen verurteilt.

Die Revision der Beklagten bleibt ohne Erfolg.

Zu Recht ist das OLG zu dem Ergebnis gelangt, dass die der Klägerin aus dem Vergleich zustehende Forderung nicht gemäß § 362 Abs. 1 BGB durch Erfüllung erloschen ist.

Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Vertrag trotz der nach der ersten Unterschrift erfolgten Änderung wirksam ist. Selbst wenn die Angabe der IBAN nach dem Willen der Parteien zum Vertragsinhalt gehören sollte, hat ein versteckter Einigungsmangel bezüglich dieses Punktes gemäß § 155 BGB nicht die Unwirksamkeit des Vertrags im Übrigen zur Folge, weil nach dem hypothetischen Parteiwillen der Vertrag auch ohne eine Bestimmung über diesen Punkt geschlossen worden wäre.

Die Zahlung auf das im gefälschten Vertragsdokument angegebene Konto war zur Erfüllung nicht ausreichend. Schuldner und Gläubiger können zwar vereinbaren, dass eine Geldschuld durch Überweisung auf das Konto eines Dritten erfüllt werden kann. Im Streitfall ist der Angabe einer IBAN im Vertragstext aber nicht zu entnehmen, dass eine Zahlung auf dieses Konto unabhängig von der Person des Kontoinhabers schuldbefreiende Wirkung haben soll. Der im Vertrag enthaltenen Angabe, es handle sich um ein Anderkonto die Anwältin der Klägerin, ist vielmehr zu entnehmen, dass nur eine Zahlung an diesen befreiende Wirkung hat.

Vor diesem Hintergrund ergibt sich aus dem Umstand, dass die Klägerin und deren Anwältin nach Rücksendung des gegengezeichneten Vertragsdokuments die Angaben zum Empfängerkonto nicht korrigiert haben, keine stillschweigende Ermächtigung oder Genehmigung (§ 185 BGB), den geschuldeten Betrag auf das angegebene Konto zu überweisen.

Die Beklagten sind auch nicht nach den Regeln über die Gefahrtragung von der Leistungspflicht freigeworden.

Nach § 270 Abs. 1 BGB trägt bei Geldschulden im Zweifel der Schuldner das Übermittlungsrisiko. Dies gilt auch bei einer Überweisung.

Das Verlustrisiko ist nicht in entsprechender Anwendung von § 270 Abs. 3 BGB auf die Klägerin übergegangen. Nach einer in Literatur und Rechtsprechung verbreiteten Auffassung steht es allerdings einer – zum Gefahrübergang auf den Gläubiger führenden – Risikoerhöhung im Sinne dieser Vorschrift gleich, wenn der Verlust auf dem Eintritt einer Gefahr beruht, die der Gläubiger durch ein allein seiner Sphäre zuzurechnendes Verhalten geschaffen hat. Ein solcher Sachverhalt ist im Streitfall jedoch nicht vorgetragen.

Der Sphäre der Klägerin wäre allenfalls eine Verfälschung des Dokuments in der Kanzlei ihrer Anwältin zuzurechnen, nicht aber eine Änderung auf dem Postweg. Dass die Klägerin die Angabe nicht überprüft hat, reicht für eine Zurechnung nicht aus, weil keine Anhaltspunkte für eine Fälschung bestanden haben. Dass die Anwältin der Klägerin das unterschriebene Dokument auf dem Postweg statt per beA übermittelt hat, führt ebenfalls nicht zum Übergang der Gefahr, weil es im außergerichtlichen Verkehr keine beA-Pflicht gibt.

242 BGB führt ebenfalls nicht zu einem abweichenden Ergebnis. Die Anwendung dieser Vorschrift auf die Konstellation des Streitfalls widerspräche der gesetzlichen Verteilung der Verlustgefahr.

Praxistipp: Die Entscheidung belegt, dass die Nutzung von beA auch im außergerichtlichen Verkehr ein erhöhtes Maß an Sicherheit bieten kann. Unabhängig davon kann die seit 9. Oktober 2025 vorgeschriebene Empfängerüberprüfung bei Überweisungen helfen, einen Verlust dieser Art zu vermeiden. Für die Beklagten des Streitfalls ist all dies ein schwacher Trost.

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Diese Woche geht es um drei prozessuale Fragen.

Klageerweiterung in der Berufungsinstanz
BGH, Urteil vom 24. Juni 2025 – VI ZR 204/23

Der VIII. Zivilsenat befasst sich mit § 253 Abs. 2, mit § 264 und mit § 256 ZPO.

Die Kläger nehmen den Beklagten auf Ersatz von Unterhaltsschaden (§ 844 Abs. 2 BGB) in Anspruch. Der Beklagte ist rechtkräftig wegen vorsätzlicher Körperverletzung mit Todesfolge (§ 227 StGB) zum Nachteil der Ehefrau bzw. Mutter der beiden Kläger sowie weiterer Opfer verurteilt. In einem früheren Rechtsstreit haben die Kläger den Beklagten erfolgreich auf Zahlung von Hinterbliebenengeld und Ersatz der Beerdigungskosten in Anspruch genommen.

Im vorliegenden Rechtsstreit haben die Kläger erstinstanzlich die Feststellungen begehrt, dass der Beklagte ihnen zur Zahlung einer Geldrente verpflichtet ist und dass diese Verpflichtung ihren Rechtsgrund in einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung hat. Das LG hat nur die erste Feststellung ausgesprochen und die Klage im Übrigen abgewiesen. Dagegen haben beide Seiten Berufung eingelegt.

Im Berufungsverfahren haben die Kläger die Zahlung einer Unterhaltsrente begehrt. Deren Höhe haben sie in das Ermessen des Gerichts gestellt, jedoch mit mindestens 500 bzw. 400 Euro pro Monat angegeben. Das OLG hat die Zahlungsklage als unzulässig abgewiesen, aber die Feststellung ausgesprochen, dass die Verpflichtung des Beklagten ihren Rechtsgrund in einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung hat. Dagegen wenden sich die Kläger mit der vom BGH zugelassenen Revision und der Beklagte mit der Anschlussrevision.

Der BGH hebt das angefochtene Urteil in vollem Umfang auf und verweist die Sache an das OLG zurück.

Entgegen der Auffassung des OLG ist der Klageantrag hinreichend bestimmt. Ein Kläger darf die Höhe des ihm zuzusprechenden Geldbetrags auch dann in das Ermessen des Gerichts stellen, wenn es um den Ersatz materieller Schäden geht. Erforderlich und ausreichend ist insoweit, dass dem Tatrichter bei der Bemessung der Schadenshöhe gemäß § 287 ZPO ein weites Ermessen zusteht.

Dem gemäß § 264 Nr. 2 ZPO grundsätzlich zulässigen Übergang von einem Feststellungs- zu einem Zahlungsantrag steht im Streitfall nicht entgegen, dass das LG dem erstinstanzlichen Begehren der Kläger insoweit stattgegeben hatte. Auch eine nach § 264 ZPO zulässige Änderung setzt in zweiter Instanz allerdings voraus, dass der Kläger einen zulässigen Rechtsbehelf eingelegt hat. Wenn ein Kläger in erster Instanz vollständig obsiegt hat, ist diese Voraussetzung nur dann erfüllt, wenn der Kläger sich einer vom Beklagten eingelegten Berufung frist- und formgerecht angeschlossen hat. Im Streitfall sind die Kläger jedoch in erster Instanz mit ihrem zweiten Feststellungsantrag erfolglos geblieben. Ihre hiergegen frist- und formgerecht eingelegte Berufung durften sie unabhängig von den Voraussetzungen einer Anschlussberufung mit einer Erweiterung ihres in erster Instanz erfolgreichen Begehrens verbinden.

Die vom Berufungsgericht ausgesprochene Feststellung, dass die Verpflichtung des Beklagten ihren Rechtsgrund in einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung hat, ist in der derzeitigen Verfahrenslage hingegen unzulässig. Eine vorsätzliche Körperverletzung mit Todesfolge gehört zwar zu den Delikten, bei denen eine solche Feststellung gegebenenfalls auszusprechen ist und die Kläger haben im Hinblick auf § 850f Abs. 2 ZPO auch das erforderliche Feststellungsinteresse. Die Feststellung darf aber nur dann ergehen, wenn das Gericht zu dem Ergebnis gelangt, dass die zugrunde liegende Forderung begründet ist. Sie ist mithin nicht zulässig, wenn das Gericht das zugrunde liegende Begehren als unzulässig oder unbegründet abweist.

Praxistipp: Zur Darlegung eines Unterhaltsschadens im Sinne von § 844 Abs. 2 BGB sind Ausführungen dazu erforderlich, aus welchem Grund der Kläger unterhaltsberechtigt war und in welcher Höhe ihm Unterhaltsleistungen zugestanden haben. Für die Schätzung eines Haushaltsführungsschadens kann auf das Werk von Pardey (Der Haushaltsführungsschaden, 10. Auflage 2021) und die zugehörigen Tabellen (Schulz-Borck/Pardey, Entgelttabellen, zuletzt mit Stand Juni 2025) zurückgegriffen werden.

OLG Frankfurt a. M.: Gebührenfreiheit von Streitwertbeschwerden

Das OLG Frankfurt a. M. hat sich in einem Verfahren (Beschl. v. 2.6.2025 – 3W 12/25) mit der Gerichtsgebührenfreiheit einer zwar statthafter, aber im Einzelfall unzulässigen Streitwertbeschwerde befasst. Dem ging eine Entscheidung des LG Frankfurt voraus, mit der ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen und gleichzeitig der Streitwert festgesetzt wurde. Der Antragsteller legte gegen diesen Beschluss Beschwerde ein und begehrte eine Reduzierung des Streitwertes.

Gemäß § 68 Abs. 1 GKG ist ein Streitwertbeschluss beschwerdefähig. Allerdings muss die Beschwer 200 Euro übersteigen. Die Beschwer wird durch den Unterschied der Gebührenlast zwischen den beiden Alternativen (Vorstellung des Antragstellers und Festsetzung durch das Gericht) ermittelt. Im konkreten Fall ergab sich eine Differenz von unter 200 Euro. Demgemäß wurde die Beschwerde als unzulässig verworfen.

Die Frage war nun, ob für diesen Beschluss des OLG Gebühren anfallen. Dies richtet sich nach § 68 Abs. 8 S. 1 GKG. Danach ist das Verfahren grundsätzlich gebührenfrei. Gleichzeitig besteht jedoch Einigkeit darüber, dass die Gebührenfreiheit nur dann eingreift, wenn die Beschwerde statthaft ist. Insoweit ist zu beachten, dass „statthaft“ nicht „zulässig“ bedeutet. Auch eine unzulässige Beschwerde kann statthaft sein, wenn gegen die angefochtene Entscheidung grundsätzlich die Beschwerde zulässig ist. So liegen die Dinge hier: Gegen eine erstinstanzliche Wertfestsetzung ist stets eine Beschwerde möglich (§ 68 Abs. 1 GKG). Hier ist die Beschwerde damit statthaft, da grundsätzlich gegeben, jedoch nicht zulässig, weil es an der erforderlichen Beschwer von 200 Euro fehlt. Damit greift § 68 Abs. 8 S. 1 GKG: Das Beschwerdeverfahren ist kostenfrei. Entsprechend § 68 Abs. 9 S. 2 GKG werden darüber hinaus keine Kosten erstattet.

Fazit: Die Kostenfreiheit für das Beschwerdeverfahren gegen erstinstanzliche Wertfestsetzungen ist auch dann gegeben, wenn die Beschwerde grundsätzlich statthaft, jedoch im konkreten Fall unzulässig ist.