Bestellung des Prüfers des Nachhaltigkeitsberichts durch die HV 2024 vor Inkrafttreten des CSRD-Umsetzungsgesetzes? (Teil 2 – Deep Dive)

In einem Blog-Beitrag v. 13.2.2024 haben sich die Autoren zur Bestellung des Prüfers des Nachhaltigkeitsberichts durch die HV 2024 vor Inkrafttreten des CSRD-Umsetzungsgesetzes geäußert. In diesem Beitrag gehen die Autoren noch näher auf die Entscheidungsgrundlage und -möglichkeiten der betroffenen Unternehmen ein – insbesondere warum der „Vorratsbeschluss“ das Mittel der Wahl sein kann.

Nichtstun und hoffen oder Vorratsbeschluss? – das ist die Frage, die sich derzeit zahlreiche große börsennotierte Unternehmen im Hinblick auf ihre diesjährige Hauptversammlung stellen. Große kapitalmarktorientierte Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern, die in den nächsten Wochen – und damit noch vor Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens und Inkrafttreten des CSRD-Umsetzungsgesetzes – ihre Hauptversammlung einberufen werden, stehen vor der Frage, ob sie die Bestellung des Prüfers des Nachhaltigkeitsberichts noch auf die Tagesordnung ihrer Hauptversammlung setzen oder später eine entsprechende gerichtliche Bestellung beantragen sollten (siehe hierzu den Blog-Beitrag v. 13.2.2024).

1. Die Krux und die Vertrauensfrage für Unternehmen

Die Krux für die betroffenen Unternehmen ist wie folgt:

  • Wenn die Hauptversammlung keinen (Vorrats-)Beschluss über die Bestellung des Prüfers des Nachhaltigkeitsberichts fasst und der Gesetzgeber keine taugliche Übergangsregelung schafft, dann müsste der Prüfer des Nachhaltigkeitsberichts gerichtlich bestellt werden. Ein solcher Antrag könnte – de lege lata und so wie es auch die derzeitige unveröffentlichte Fassung des Referentenentwurfs des CSRD-Umsetzungsgesetzes vorsieht – erst nach dem Ablauf des Geschäftsjahres 2024 gestellt werden (vgl. § 318 Abs. 4 HGB, § 324d HGB-E) und es wäre möglich, dass das Gericht sehr spät etwa erst im März 2025 hierüber entscheidet und ggf. sogar nicht dem Kandidatenvorschlag des Vorstands folgt, sondern einen anderen WP oder eine andere WPG zum Prüfer des Nachhaltigkeitsberichts bestellt. Da der (Konzern-)Nachhaltigkeitsbericht Bestandteil des (Konzern-)Lageberichts sein wird, bestünde auch das Risiko, dass die Rechnungslegungsunterlagen nicht mehr innerhalb der 90-Tagesfrist (vgl. Empfehlung F.2 DCGK) offengelegt werden können und ggf. sogar die 4-Monatsfrist zur Übermittlung an das Unternehmensregister (vgl. § 325 Abs. 4 i.V.m. Abs. 1 und Abs. 1a HGB) nicht eingehalten werden kann.
  • Bei einem Vorratsbeschluss der Hauptversammlung über die Bestellung des Prüfers des Nachhaltigkeitsberichts wäre hingegen – wie bei allen HV-Beschlüssen – nicht ausgeschlossen, dass ein Aktionär diesen mit einer Nichtigkeits- und/oder Anfechtungsklage angreift. Bei der im Blog-Beitrag v. 13.2.2024 vorgeschlagenen Ausgestaltung des Hauptversammlungsbeschusses dürften allerdings sowohl das Risiko einer solchen Klageerhebung als auch die Erfolgsaussichten einer Beschlussmängelklage sehr gering sein. Sollte tatsächlich eine Beschlussmängelklage gegen den Hauptversammlungsbeschluss erhoben werden, dann wäre zudem nach der Gerichtspraxis und der h.M. eine gerichtliche Bestellung des Prüfers während der anhängigen Beschlussmängelklage möglich. Eine solche (absichernde) gerichtliche Bestellung des Prüfers des Nachhaltigkeitsberichts könnte sich aber auch erübrigen, falls der Gesetzgeber (noch) eine Übergangsregelung vorsehen sollte, wonach der Abschlussprüfer als der Prüfer des Nachhaltigkeitsberichts für das Geschäftsjahr 2024 gilt, soweit die Hauptversammlung bei diesem Bestellungsbeschluss nichts Abweichendes beschließt. Sollte eine dann noch anhängige Beschlussmängelklage wider (jegliches) Erwarten durchgreifen und den Hauptversammlungsbeschluss rückwirkend beseitigen, so hätte dies (wenn überhaupt) wohl nur geringe Folgen für die Reputation der Gesellschaft, da der Vorratsbeschluss und die Bestellung eines Nachhaltigkeitsprüfers im wohlverstandenen Unternehmensinteresse und ganz im Sinne der Aktionärsdemokratie erfolgten. Und schließlich bestünde zudem die Möglichkeit, den Tagesordnungspunkt betreffend die Bestellung des Prüfers des Nachhaltigkeitsberichts bis zum Beginn der Hauptversammlung noch abzusetzen, wenn das Gesetzgebungsverfahren eine Übergangsregelung erwarten lässt, die eine entsprechende Beschlussfassung der Hauptversammlung obsolet werden ließe. Mit einem Vorratsbeschluss auf der Tagesordnung würde die Gesellschaft also auch Zeit gewinnen, um dann hoffentlich in der komfortableren Situation zu sein, nicht blind auf eine taugliche Übergangsregelung des Gesetzgebers zu hoffen.

Wie sich betroffene Unternehmen entscheiden, ist daher letzten Endes auch eine gewisse Frage des Vertrauens in die Arbeit des Gesetzgebers und der Registergerichte, nämlich zum einen ob der Gesetzgeber eine taugliche Übergangsregelung für die (erstmalige) Bestellung des Prüfers in Bezug auf den Nachhaltigkeitsbericht für das Geschäftsjahr 2024 schafft und, falls nicht, ob das jeweils zuständige Registergericht den Prüfer des Nachhaltigkeitsberichts zügig und gemäß dem Antrag des Vorstands bestellt. Bei Zweifeln und entsprechender Folgenabschätzung kann auch ein sorgfältig zu gestaltender Vorratsbeschluss das Mittel der Wahl sein (siehe hierzu den Formulierungsvorschlag im Blog-Beitrag v. 13.2.2024) – zumal man sich anderenfalls ggf. der Frage von Aktionären, Stimmrechtsberatern und institutionellen Investoren stellen muss, warum man die Bestellung des Prüfers des Nachhaltigkeitsberichts gerade nicht auf die Tagesordnung gesetzt hat und nicht die Aktionäre hierüber entscheiden lässt.

2. Warum der „Vorratsbeschluss“ das Mittel der Wahl sein kann

Die Nichtigkeitsgründe für Hauptversammlungsbeschlüsse sind im Interesse der Rechtssicherheit im Gesetz abschließend geregelt (vgl. § 241 AktG: „nur dann nichtig, wenn“). Ungeschriebene Nichtigkeitsgründe gibt es nicht (Ehmann in Grigoleit, 2. Aufl. 2020, § 241 AktG Rz. 10). Die Nichtigkeitsfolge ist damit im Beschlussmängelrecht die Ausnahme.

Gemäß § 241 Nr. 3 AktG ist ein Hauptversammlungsbeschluss nur dann nichtig, wenn er mit dem Wesen der Aktiengesellschaft nicht zu vereinbaren ist oder durch seinen Inhalt Vorschriften verletzt, die ausschließlich oder überwiegend zum Schutze der Gläubiger der Gesellschaft oder sonst im öffentlichen Interesse gegeben sind. Der Tatbestand des § 241 Nr. 3 AktG ist von einer Vielzahl unbestimmter Rechtsbegriffe geprägt und es gibt insbesondere keine allgemein akzeptierte Definition dessen, was das „Wesen der Aktiengesellschaft“ ausmacht (vgl. Austmann in MünchHdb/AG, 5. Aufl. 2020, § 42 Rz. 12). Der BGH spricht von den „Grundprinzipien des Aktienrechts“, ohne allerdings erkennen zu lassen, welche der drei Tatbestandsvarianten des § 241 Nr. 3 AktG er dabei im Blick hat (BGH. 20.9.2004 – II ZR 288/02, NJW 2004, 3561, 3562 = AG 2004, 673). Nach dem OLG München liegt ein Verstoß gegen das Wesen der AG vor, „wenn gegen einen fundamentalen Grundsatz des aktuell geltenden Aktienrechts verstoßen wird, der nicht bereits durch eine speziellere Regelung geschützt bzw. sanktioniert wird und dieser Verstoß auch unter Berücksichtigung der Wertung des Gesetzgebers, wonach die Nichtigkeit die Ausnahme eines Rechtsverstoßes darstellt, die Nichtigkeit nach sich ziehen soll“ (OLG München v. 14.11.2012 – 7 AktG 2/12, NZG 2013, 459, 461 = AG 2013, 173).

Nichtig wegen Verstoßes gegen das Wesen der Aktiengesellschaft sind nach h.M. kompetenzüberschreitende Hauptversammlungsbeschlüsse, die in die Zuständigkeit eines anderen Gesellschaftsorgans eingreifen (vgl. Englisch in Hölters/Weber, 4. Aufl. 2022, § 241 AktG Rz. 66: „Angelegenheit ausschließlich der Kompetenz eines anderen Organs zugeordnet“; Ehmann in Grigoleit, 2. Aufl. 2020, § 241 AktG Rz. 16: „Verletzung der aktienrechtlichen Kompetenzverteilung zwischen den Organen“; Drescher in BeckOGK/AktG, Stand: 1.10.2023, § 241 AktG Rz. 238: „Beschluss fällt in die ausschließliche Zuständigkeit eines anderen Organs“; Koch, ZHR 182 [2018], 378, 389 f.: „Kompetenzverletzungen zu Lasten anderer Gesellschaftsorgane“; hingegen weniger deutlich, aber i.E. auch Koch, 17. Aufl. 2023, § 241 AktG Rz. 17; Schäfer in MünchKomm/AktG, 5. Aufl. 2021, § 241 AktG Rz. 62).

Unseres Erachtens greift ein Beschluss der Hauptversammlung über die Bestellung des Prüfers des Nachhaltigkeitsberichts vor Inkrafttreten des CSRD-Umsetzungsgesetzes nicht in die Kompetenz eines anderen Gesellschaftsorgans ein. Der Aufsichtsrat ist weder nach derzeitiger Rechtslage noch nach Inkrafttreten des CSRD-Umsetzungsgesetzes dafür zuständig, den Prüfer des Nachhaltigkeitsberichts zu bestellen. De lege lata ist der Aufsichtsrat zwar befugt, eine (freiwillige) externe inhaltliche Überprüfung der nichtfinanziellen Berichterstattung i.S.d. §§ 289b, 315b HGB zu beauftragen (vgl. § 111 Abs. 2 Satz 4 AktG) – eine Befugnis, über die der Aufsichtsrat im Übrigen (nur) verfügt, weil der von der Hauptversammlung zu bestellende Abschlussprüfer keine (verpflichtende) inhaltliche Prüfung der nichtfinanziellen Berichterstattung vornimmt (vgl. § 317 Abs. 2 Satz 4 HGB). Um den Prüfer der nichtfinanziellen Berichterstattung geht es aber vorliegend nicht, sondern um den Prüfer des Nachhaltigkeitsberichts im Sinne der CSRD, für den die CSRD eine externe Prüfung durch den Abschlussprüfer oder – nach Wahlmöglichkeit des jeweiligen Mitgliedstaats – einen anderen (Abschluss-)Prüfer oder einen sog. unabhängigen Erbringer von Bestätigungsleistungen vorsieht.

Wenn man die Nichtigkeit des Hauptversammlungsbeschlusses – abseits eines Eingriffs in die Kompetenz eines anderen Gesellschaftsorgans – allein damit begründen wollte, dass die Hauptversammlung zum Zeitpunkt der Beschlussfassung (noch) nicht über die Kompetenz zur Bestellung des Prüfers des Nachhaltigkeitsberichts verfügt, weil sie ihr im Gesetz (bislang) nicht (ausdrücklich) zugeordnet ist (vgl. § 119 Abs. 1 AktG), wäre dies wegen des Ausnahmecharakters der Nichtigkeit sehr fraglich und unseres Erachtens nicht ausreichend.

Damit käme allenfalls eine Anfechtungsklage wegen vermeintlicher Unzuständigkeit der Hauptversammlung für die Bestellung des Prüfers des Nachhaltigkeitsberichts vor Inkrafttreten des CSRD-Umsetzungsgesetzes infrage.

Dagegen könnte allerdings argumentiert werden, dass die für die Bestellung des Abschlussprüfers zuständige Hauptversammlung (vgl. § 119 Abs. 1 Nr. 5 AktG) erst recht auch für die Bestellung des Prüfers des Nachhaltigkeitsberichts zuständig sein muss (argumentum a maiore ad minus). Denn wenn die Hauptversammlung bereits für die Bestellung des Abschlussprüfers zuständig ist und der Abschlussprüfer auch den Lagebericht prüfen muss (vgl. § 316 Abs. 1 HGB), der zukünftig um den Nachhaltigkeitsbericht als weiteren prüfungspflichtigen Gegenstand zu erweitern ist, dann muss – in dem (starren) Organisationsgefüge bestehend aus Vorstand, Aufsichtsrat und Hauptversammlung – dieser Hauptversammlungsbefugnis auch die Kompetenz zur Bestellung des Prüfers des Nachhaltigkeitsberichts immanent sein.

Darüber hinaus kann das Risiko einer Nichtigkeits- oder Anfechtungsklage dadurch minimiert werden, dass der Hauptversammlungsbeschluss über die Bestellung des Prüfers des Nachhaltigkeitsberichts (i) mit Wirkung zum Inkrafttreten des CSRD-Umsetzungsgesetzes gefasst wird und (ii) seine Durchführung nur für den Fall angeordnet wird, dass ein für das Geschäftsjahr 2024 zu erstellender Nachhaltigkeitsbericht extern durch einen von der Hauptversammlung zu bestellenden Prüfer zu prüfen ist (siehe hierzu den Formulierungsvorschlag im Blog-Beitrag v. 13.2.2024).

Der Beschluss wird also nur wirksam, wenn das CSRD-Umsetzungsgesetz in Kraft tritt und die entsprechende Bestellungskompetenz der Hauptversammlung ausdrücklich zuweist; ansonsten entfaltet der Beschluss keinerlei Rechtswirkungen. Eine Kompetenzüberschreitung durch die Hauptversammlung wäre daher unseres Erachtens fernliegend. Zudem ist mit einer solchen Ausgestaltung des Beschlusses auch dessen Vereinbarkeit mit der Rechtslage nach dem CSRD-Umsetzungsgesetz sichergestellt.

Darüber hinaus kann der Beschluss während der Schwebezeit bis zum Eintritt der Wirksamkeitsvoraussetzung auch nicht mit einer Nichtigkeits- oder Anfechtungsklage angegriffen werden (Schäfer in MünchKomm/AktG, 5. Aufl. 2021, § 241 AktG Rz. 16; Austmann in MünchHdb/AG, 5. Aufl. 2020, § 42 Rz. 13).

Bestellung des Prüfers des Nachhaltigkeitsberichts durch die Hauptversammlung 2024 vor Inkrafttreten des CSRD-Umsetzungsgesetzes? (Teil 1 – Intro)

Der Beitrag wurde am 15.2.2024 aktualisiert und ergänzt. In einem weiteren Blog-Beitrag v. 15.2.2024 (Deep Dive) gehen die Autoren noch näher auf die Entscheidungsgrundlage und -möglichkeiten der betroffenen Unternehmen ein – insbesondere warum der Vorratsbeschluss das Mittel der Wahl sein kann.

Nach der am 5.1.2023 in Kraft getretenen Corporate Sustainability Reporting Directive („CSRD“) müssen große kapitalmarktorientierte Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern bereits für nach dem 31.12.2023 beginnende Geschäftsjahre ihren Lagebericht um einen Nachhaltigkeitsbericht erweitern, der extern durch den Abschlussprüfer oder – nach Wahlmöglichkeit des jeweiligen Mitgliedstaats – einen anderen (Abschluss-)Prüfer oder einen sog. unabhängigen Erbringer von Bestätigungsleistungen zu prüfen ist. Damit müssen also Unternehmen, die bereits heute der nichtfinanziellen Berichterstattung i.S.d. § 289b Abs. 1, § 315b Abs. 1 HGB unterliegen, erstmals für das Geschäftsjahr 2024 einen Nachhaltigkeitsbericht aufstellen und extern prüfen lassen. Im ersten Quartal 2025 werden somit die ersten Nachhaltigkeitsberichte veröffentlicht. Die Mitgliedstaaten haben die CSRD bis zum 6.7.2024 in nationales Recht umzusetzen.

I. Gesetzgebungsverfahren und seine Folgen für die HV-Saison 2024

Mit der Veröffentlichung des Referentenentwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung der CSRD in deutsches Recht („RefE“) ist in Kürze zu rechnen. Die derzeit in der Ressortabstimmung befindliche (unveröffentlichte) Fassung des RefE vom 11.12.2023 sieht vor, dass der Prüfer des Nachhaltigkeitsberichts nicht zwingend der Abschlussprüfer des Jahres- bzw. Konzernabschlusses sein muss, sondern auch ein anderer Wirtschaftsprüfer („WP“) bzw. eine andere Wirtschaftsprüfungsgesellschaft („WPG“) sein kann. Eine Übergangsregelung für die (erstmalige) Bestellung des Prüfers in Bezug auf den Nachhaltigkeitsbericht für das Geschäftsjahr 2024 sieht die Entwurfsfassung des RefE nicht vor.

Zahlreiche Unternehmen, die in den nächsten Wochen – und damit noch vor Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens und Inkrafttreten des CSRD-Umsetzungsgesetzes – ihre Hauptversammlung einberufen werden, stehen daher vor der Frage, ob sie die Bestellung des Prüfers des Nachhaltigkeitsberichts noch auf die Tagesordnung ihrer Hauptversammlung setzen sollten. Eine spätere Bestellung des Prüfers des Nachhaltigkeitsberichts durch eine weitere (außerordentliche) Hauptversammlung nach Inkrafttreten des CSRD-Umsetzungsgesetzes scheidet schon aus Kostengründen aus, so dass der Prüfer des Nachhaltigkeitsberichts gerichtlich bestellt werden müsste.

1. Gerichtliche Bestellung des Prüfers des Nachhaltigkeitsberichts

Wird der Prüfer des Nachhaltigkeitsberichts für das Geschäftsjahr 2024 nicht durch die Hauptversammlung gewählt, müsste er auf Antrag durch das zuständige Gericht bestellt werden. Falls das CSRD-Umsetzungsgesetz die für die gerichtliche Bestellung des Abschlussprüfers geltende Regelung des § 318 Abs. 4 HGB für entsprechend anwendbar erklärt (wie in der derzeitigen Entwurfsfassung des RefE vorgesehen), würde dies insbesondere zweierlei bedeuten:

a) Der Antrag auf gerichtliche Bestellung könnte erst nach dem Ablauf des Geschäftsjahres 2024 gestellt werden – und zwar selbst dann, wenn bereits vorher abzusehen ist, dass die Hauptversammlung den Prüfer des Nachhaltigkeitsberichts nicht mehr vor dem Geschäftsjahresende wählen wird (h.M., z.B. Justenhoven/Heinz in BeckBilanzKomm, 13. Aufl. 2022, § 318 HGB Rz. 111 m.w.N.; a.A. etwa Mylich in Hachmeister/Kahle/Mock/Schüppen, 4. Aufl. 2024, § 318 HGB Rz. 156). Bis das zuständige Registergericht am Sitz der Gesellschaft über den Antrag entscheidet, können ggf. mehrere Wochen vergehen (s.u. b)), so dass eine gerichtliche Bestellung des Prüfers des Nachhaltigkeitsberichts etwa auch erst im März 2025 nicht ausgeschlossen wäre.

b) Neben dem zur Antragstellung berechtigten und verpflichten Vorstand und dem antragsbefugten Aufsichtsrat könnte auch jeder Aktionär beim zuständigen Registergericht am Sitz der Gesellschaft einen Antrag auf Bestellung des Prüfers des Nachhaltigkeitsberichts stellen und für den WP bzw. die WPG entsprechende Vorschläge unterbreiten. Solche Aktionärsanträge würden nicht nur das gerichtliche Bestellungsverfahren in die Länge ziehen, sondern hätten aus Sicht des Vorstands zudem das Risiko, dass das Gericht bei der Auswahl des Prüfers nicht seinem Vorschlag folgt. Denn das Gericht ist auch an die Vorschläge der Verwaltungsorgane nicht gebunden, und zwar selbst dann, wenn beantragt wird, dass die WPG, welche die Abschlussprüfung bereits durchführt, auch die Prüfung der Nachhaltigkeitsberichterstattung übernimmt.

Vor diesem Hintergrund wäre für das CSRD-Umsetzungsgesetz eine Übergangsregelung wünschenswert, die eine gerichtliche Bestellung des Prüfers des Nachhaltigkeitsbericht 2024 bereits vor dem Ende des Geschäftsjahrs 2024 gestattet und die Aktionäre von den Antragsberechtigten ausnimmt, etwa wie folgt:

„Ist der Prüfer des Nachhaltigkeitsberichts für das zum 31.12.2024 endende Geschäftsjahr bis zum Ablauf des 31.8.2024 noch nicht gewählt worden, so hat das Gericht auf Antrag des Vorstands oder Aufsichtsrats den Prüfer des Nachhaltigkeitsberichts zu bestellen.“

Noch vorzugswürdiger wäre eine Übergangsregelung, wonach der Abschlussprüfer als der Prüfer des Nachhaltigkeitsberichts für das Geschäftsjahr 2024 gilt, soweit die Hauptversammlung bei diesem Bestellungsbeschluss nichts Abweichendes beschließt.

Da sich Unternehmen kaum auf die Einführung einer solchen Übergangsregelung werden verlassen können, gilt es folgende Handlungsoption zu erwägen:

2. Bestellung des Prüfers des Nachhaltigkeitsberichts durch die HV 2024 vor Inkrafttreten des CSRD-Umsetzungsgesetzes

Sollten also die betroffenen Unternehmen die Bestellung des Prüfers des Nachhaltigkeitsberichts bereits vor Inkrafttreten des CSRD-Umsetzungsgesetzes von ihrer Hauptversammlung beschließen lassen und damit schon vor Abschluss des erst noch einzuleitenden Gesetzgebungsverfahrens auf die Tagesordnung ihrer HV-Einberufung setzen?

Gegen die Bestellung des Prüfers des Nachhaltigkeitsberichts durch die Hauptversammlung vor Inkrafttreten des CSRD-Umsetzungsgesetzes könnte vorgebracht werden, dass die Hauptversammlung zu diesem Zeitpunkt noch nicht über die Kompetenz zur Bestellung des Prüfers des Nachhaltigkeitsberichts verfügt. Denn nach § 119 Abs. 1 AktG beschließt die Hauptversammlung (nur) in den im Gesetz und in der Satzung ausdrücklich bestimmten Fällen; bis zum Inkrafttreten des CSRD-Umsetzungsgesetzes gehört aber die Bestellung des Prüfers des Nachhaltigkeitsberichts noch nicht zu den (ausdrücklichen) Beschlusskompetenzen der Hauptversammlung, sondern (lediglich) die Bestellung des Abschlussprüfers (vgl. § 119 Abs. 1 Nr. 5 AktG).

Dieser Argumentation könnte jedoch wiederum entgegengehalten werden, dass die für die Bestellung des Abschlussprüfers zuständige Hauptversammlung erst recht auch für die Bestellung des Prüfers des Nachhaltigkeitsberichts zuständig sein muss (argumentum a maiore ad minus). Denn wenn die Hauptversammlung bereits für die Bestellung des Abschlussprüfers zuständig ist und der Abschlussprüfer auch den Lagebericht prüfen muss (vgl. § 316 Abs. 1 HGB), der zukünftig um den Nachhaltigkeitsbericht als weiteren prüfungspflichtigen Gegenstand zu erweitern ist, dann muss – in dem (starren) Organisationsgefüge bestehend aus Vorstand, Aufsichtsrat und Hauptversammlung – dieser Hauptversammlungsbefugnis auch die Kompetenz zur Bestellung des Prüfers des Nachhaltigkeitsberichts immanent sein.

Darüber hinaus würde eine vermeintliche Unzuständigkeit der Hauptversammlung für die Bestellung des Prüfers des Nachhaltigkeitsberichts bis zum Inkrafttreten des CSRD-Umsetzungsgesetzes (lediglich) zur Anfechtbarkeit des Beschlusses führen, also nicht seine Nichtigkeit begründen (vgl. § 241, § 243 Abs. 1 AktG). Und falls dann überhaupt eine Anfechtungsklage innerhalb der Einmonatsfrist erhoben werden sollte, dürfte hier die Gerichtspraxis in der Weise helfen, dass bei einer anhängigen Anfechtungsklage analog § 318 Abs. 4 Satz 1 und Satz 2 HGB eine gerichtliche Bestellung des Prüfers des Nachhaltigkeitsberichts zulässig wäre, und zwar auch schon vor Abschluss des Geschäftsjahres (OLG Karlsruhe v. 27.10.2015 – 11 Wx 87/15, AG 2016, 42 ff.; Koch, 17. Aufl. 2023, § 243 AktG Rz. 44f m.w.N.).

Schließlich könnte dem möglichen Vorbringen der (einstweiligen) Unzulässigkeit eines Hauptversammlungsbeschlusses, mit dem die den Jahresabschluss zum 31.12.2024 prüfende WPG auch zum Prüfer des Nachhaltigkeitsberichts für das Geschäftsjahr 2024 bestellt wird, dadurch begegnet werden, dass der Hauptversammlungsbeschluss mit Wirkung zum Inkrafttreten des CSRD-Umsetzungsgesetzes gefasst wird.

Vor dem Hintergrund aber, dass sich das Risiko einer Anfechtungsklage nicht vollständig ausschließen lässt, sollte die Beschlussfassung über die Bestellung des Prüfers des Nachhaltigkeitsberichts für das Geschäftsjahr 2024 aus Vorsichtsgründen als separater Tagesordnungspunkt mit Beschlussvorschlag des Aufsichtsrats aufgenommen werden. Denn dann dürften sogar Berufskläger kaum geneigt sein, eine Anfechtungsklage wegen vermeintlicher Unzuständigkeit der Hauptversammlung zu erheben, weil der gesonderte (Standard-)Hauptversammlungsbeschluss über die Bestellung des Abschlussprüfers davon unberührt bliebe. Wenn dem nicht so wäre, d.h. bei einer einheitlichen Beschlussfassung über die Bestellung des Abschlussprüfers und des Prüfers des Nachhaltigkeitsberichts, hätten die Kläger ein höheres Drohpotenzial, da die möglichen Folgen einer erfolgreichen Wahlanfechtung von der Nichtigkeit des Jahresabschlusses bis zur drohenden Rückabwicklung von Dividendenzahlungen reichen.

Im Falle eines – zu empfehlenden – gesonderten Tagesordnungspunkts bestünde zudem die Möglichkeit, den Tagesordnungspunkt betreffend die Bestellung des Prüfers des Nachhaltigkeitsberichts bis zum Beginn der Hauptversammlung wieder abzusetzen. Eine Absetzung des Tagesordnungspunkts könnte z.B. in Betracht kommen, wenn das Gesetzgebungsverfahren eine Übergangsregelung erwarten lässt, die eine entsprechende Beschlussfassung der Hauptversammlung obsolet werden ließe.

II. Vorschlag für den Tagesordnungspunkt und Beschlussvorschlag zur Bestellung des Prüfers des Nachhaltigkeitsberichts in der HV-Einberufung vor Inkrafttreten des CSRD-Umsetzungsgesetzes

[•]. Beschlussfassung über die Wahl des Prüfers des Nachhaltigkeitsberichts für das Geschäftsjahr 2024

Nach der am 5.1.2023 in Kraft getretenen Corporate Sustainability Reporting Directive  („CSRD“) müssen große kapitalmarktorientierte Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern bereits für nach dem 31.12.2023 beginnende Geschäftsjahre ihren (Konzern-)Lagebericht um einen (Konzern-)Nachhaltigkeitsbericht erweitern, der extern durch den Abschlussprüfer oder – nach Wahlmöglichkeit des jeweiligen Mitgliedstaats – einen anderen (Abschluss-)Prüfer oder einen unabhängigen Erbringer von Bestätigungsleistungen zu prüfen ist. Damit müssen also Unternehmen, die wie die [Firma der Gesellschaft] bereits heute der nichtfinanziellen Berichterstattung i.S.d. § 289b Abs. 1, § 315b Abs. 1 HGB unterliegen, erstmals für das Geschäftsjahr 2024 einen Nachhaltigkeitsbericht für die Gesellschaft und den Konzern aufstellen und extern prüfen lassen.

Die EU-Mitgliedstaaten haben die CSRD bis zum 6.7.2024 in nationales Recht umzusetzen. Es ist somit davon auszugehen, dass der deutsche Gesetzgeber ein Gesetz zur Umsetzung der CSRD in deutsches Recht („CSRD-Umsetzungsgesetz“) verabschieden und das CSRD-Umsetzungsgesetz bis zum Ablauf der Umsetzungsfrist in Kraft treten wird. [ggf. Ausführungen zum aktuellen Stand des Gesetzgebungsverfahren ergänzen]

Der Aufsichtsrat der Gesellschaft schlägt daher – gestützt auf die Empfehlung seines Prüfungsausschusses – vor, die [Wirtschaftsprüfungsgesellschaft], [Sitz], Zweigniederlassung [Ort], mit Wirkung zum Inkrafttreten des CSRD-Umsetzungsgesetzes zum Prüfer des Nachhaltigkeitsberichts für das Geschäftsjahr 2024 zu wählen. Der Beschluss kommt nur zur Durchführung, wenn nach dem CSRD-Umsetzungsgesetz ein für das Geschäftsjahr 2024 zu erstellender Nachhaltigkeitsbericht extern durch einen von der Hauptversammlung zu bestellenden Prüfer zu prüfen ist.

Der Prüfungsausschuss hat in seiner Empfehlung gemäß Art. 16 Abs. 2 Unterabs. 3 der EU-Abschlussprüferverordnung (Verordnung (EU) Nr. 537/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.4.2014 über spezifische Anforderungen an die Abschlussprüfung bei Unternehmen von öffentlichem Interesse und zur Aufhebung des Beschlusses 2005/909/EG der Kommission) erklärt, dass diese frei von ungebührlicher Einflussnahme durch Dritte ist und ihm keine die Auswahlmöglichkeiten der Hauptversammlung beschränkende Klausel der in Art. 16 Abs. 6 der EU-Abschlussprüfungsverordnung genannten Art auferlegt wurde.

Abschließend noch ein Hinweis zur Vorbereitung eines solchen „Vorratsbeschlusses“: Der Prüfungsausschuss ist nicht verpflichtet (etwa abgeleitet aus Art. 16 Abs. 2 UAbs. 2 Abschlussprüferverordnung – „AP-VO“), dem Aufsichtsrat zwei Vorschläge für den Prüfer des Nachhaltigkeitsberichts zu unterbreiten. Die AP-VO gilt (nur) für Abschlussprüfer und Prüfungsgesellschaften, die bei Unternehmen von öffentlichem Interesse (PIEs) Abschlussprüfungen durchführen. Mit der CSRD ist die AP-VO nur marginal dahingehend angepasst worden, dass auch bestimmte Nichtprüfungsleistungen verboten sind, wenn der Abschlussprüfer die Prüfung des Nachhaltigkeitsberichts durchführt. In der CSRD ist insbesondere auch keine Vorgabe vorgesehen, dass für den Prüfer des Nachhaltigkeitsberichts eine vorherige Ausschreibung erforderlich ist, welche gewissermaßen die Grundlage für zwei Vorschläge des Prüfungsausschusses an den Aufsichtsrat bilden würde.

Sustainable Finance: Die nachhaltige Transformation der Finanzwirtschaft und des Kapitalmarkes

Sustainable Finance, Nachhaltigkeit, Klimarisiken – Begriffe, die zunehmend in den Wortschatz der Akteure in der Finanzwirtschaft und am Kapitalmarkt übergehen. Dennoch bleiben vor dem Hintergrund der nicht immer in Einklang miteinander verlaufenden nationalen wie europäischen Regulierungsvorhaben und Nachhaltigkeitsbestrebungen viele Fragen für die Umsetzung neuer Anforderungen offen. Auch deshalb ist Sustainable Finance ein Themenkomplex, der in Bezug auf die Regulierung einer kontinuierlichen Weiterentwicklung und Konkretisierung ausgesetzt ist.

Bereits 2018 formulierte die Europäische Kommission mit ihrem „Aktionsplan: Finanzierung nachhaltigen Wachstums“ die drei Ziele: (1) Kapitalströme hin zu nachhaltigeren Investitionen lenken zu wollen, (2) Nachhaltigkeitsaspekte stärker im Risikomanagement zu verankern und (3) Transparenz und Langfristigkeit zu fördern. Seitdem sind diverse Legislativvorschläge veröffentlicht, Konsultationen durchgeführt und Änderungen diskutiert und manche sogar schon verabschiedet worden.

Im April 2021 stellte die Europäische Kommission ein weiteres umfassendes Maßnahmenpaket vor. Unter dem Titel „EU Sustainable Finance April package“ wurden regulatorische Vorschläge gebündelt, die drei Bereiche umfassen:

  1. die delegierte Verordnung zur EU-Klimataxonomie (EU Taxonomy Climate Delegated Act),
  2. den Richtlinienvorschlag zur Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen (Proposal for a Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) – dazu Scheffler, AG 2021, R167) sowie
  3. sechs delegierte Änderungsakte zu den treuhänderischen Pflichten, zu Aufsichts- und Lenkungsanforderungen bei Finanzprodukten sowie zur Anlage- und Versicherungsberatung.

Nur knapp zwei Wochen später veröffentlichte die Bundesregierung ihre Deutsche Sustainable Finance-Strategie. Die als „wegweisende Strategie für nachhaltige Finanzierung“ beschriebene Strategie geht auf die Empfehlungen des Sustainable Finance-Beirates zurück, der Ende Februar 2021 konkrete Vorschläge und Ideen an die Bundesregierung adressierte. Der Report des Beirates „Shifting the Trillions – Ein nachhaltiges Finanzsystem für die Große Transformation“ umfasste 31 Empfehlungen, die nun in die Sustainable Finance-Strategie der Bundesregierung eingeflossen sind.

Mit der Deutschen Sustainable Finance-Strategie nimmt die Bundesregierung die europäischen Bestrebungen auf und lenkt so ihren Fokus darauf, mit der Umsetzung der Strategie die notwendigen Investitionen für Klimaschutz und Nachhaltigkeit mobilisieren zu können und Klimarisiken für das Finanzsystem zu adressieren. Als Rahmen für die Strategie wurden fünf Ziele definiert:

  1. Sustainable Finance weltweit und europäisch voranbringen;
  2. Chancen ergreifen, Transformation finanzieren, Nachhaltigkeitswirkung verankern;
  3. Risikomanagement der Finanzindustrie gezielt verbessern und Finanzmarktstabilität gewährleisten;
  4. Finanzstandort Deutschland stärken und Expertise ausbauen;
  5. Bund als Vorbild für Sustainable Finance im Finanzsystem etablieren.

Die in der Sustainable Finance-Strategie formulierten 26 Maßnahmen erstrecken sich beispielsweise auf die Umschichtung der Kapitalanlagen des Bundes hin zu nachhaltigeren Anlageformen, auf eine Nachhaltigkeitsampel für Finanzprodukte oder auf umfassendere Berichtspflichten für Unternehmen. 25 der insgesamt 26 Maßnahmen sollen kurz- und mittelfristig umgesetzt werden. Der enge Zeitplan unterstreicht den Ehrgeiz der Bundesregierung, mit dieser Strategie ihren Beitrag für einen sozial-ökologischen Wirtschaftsumbau zu leisten. Denn die Europäische Kommission schätzt den notwendigen Investitionsbedarf allein in diesem Jahrzehnt in Europa auf rund 350 Mrd. € pro Jahr.

Die umfassende Auseinandersetzung der Autorin mit den Inhalten des „EU Sustainable Finance April package“ sowie der Deutschen Sustainable Finance-Strategie erfolgt in den kommenden AG-Heften.