Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um die Haftung als Zustandsstörer gemäß § 1004 BGB

Haftung als Zustandsstörer für vermietete Abfallcontainer
Urteil vom 26. März 2021 – V ZR 77/20

Mit den Pflichten des Vermieters eines Abfallcontainers gegenüber einem Grundstückseigentümer befasst sich der V. Zivilsenat.

Die Klägerin hatte ein Grundstück an eine später insolvent gewordene UG vermietet. Die Beklagte stellte im Auftrag der Mieterin zwei Abfallcontainer auf dem Grundstück auf und übernahm es, diese nach Befüllung mit Altholz zur Entsorgung abzuholen. Zur Abholung der befüllten Container kam es nicht, weil die Mieterin die Rechnung der Beklagten nicht bezahlte. Nach Beendigung des Grundstücksmietvertrags verlangte die Klägerin von der Beklagten die Entfernung der befüllten Container. Das AG verurteilte die Beklagte lediglich zur Abholung in leerem Zustand. Das LG gab der Klage in vollem Umfang statt.

Die Revision der Beklagten bleibt erfolglos. Der Klägerin steht aus § 1004 Abs. 1 BGB ein Anspruch auf Entfernung der Container samt Inhalt zu. Das der Mieterin zustehende Recht zum Besitz des Grundstücks, das gemäß § 1004 Abs. 2 BGB Beseitigungsansprüche der Klägerin gegen Dritte ausschloss, ist mit Beendigung des Grundstücksmietvertrags erloschen. Von diesem Zeitpunkt an stellt der weitere Verbleib der Container auf dem Grundstück eine rechtswidrige Beeinträchtigung des Grundstückseigentums dar. Die Beklagte haftet für diese Beeinträchtigung als Zustandsstörerin, weil sie die Container zum Zweck der späteren Abholung in befülltem Zustand auf dem Grundstück abgestellt hat. Der hieraus resultierenden Verantwortung gegenüber der Klägerin darf sie sich nicht deshalb entziehen, weil die Mieterin die aus dem Auftrag resultierende Zahlungspflicht nicht erfüllt hat. Die Störerhaftung der Beklagten erstreckt sich auch auf Abfall, den Dritte unbefugt in die Container eingeworfen haben, weil diese frei zugänglich waren. Ob dies auch für Gift- oder Gefahrstoffe gilt, deren Entsorgung mit hohen Kosten verbunden ist, lässt der BGH offen.

Praxistipp: Der Beklagte kann in solchen Konstellationen das Kostenrisiko reduzieren, indem er die Pflicht zur Abholung in leerem Zustand bereits vorgerichtlich und nach Klageerhebung unverzüglich auch gegenüber dem Gericht anerkennt.

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Diese Woche geht es um die Hemmung der Verjährung durch eine im EU-Ausland zuzustellende Klage

Demnächst erfolgte EU-Auslandszustellung
Urteil vom 25. Februar 2021 – IX ZR 156/19

Mit den Möglichkeiten der Klagezustellung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union und deren Auswirkungen auf die Hemmung der Verjährung befasst sich der IX. Zivilsenat.

Der klagende Insolvenzverwalter macht gegen die in Frankreich ansässige Beklagte Ansprüche aus Insolvenzanfechtung geltend. Er reichte die Klage am 15.12.2015 – gut zwei Wochen vor Ablauf der Verjährungsfrist – in deutscher Sprache ein und bat um Übersendung einer Kostenrechnung für die „notwendige Übersetzung“. Den am 29.12.2015 angeforderten Gerichtskostenvorschuss zahlte er am 31.12.2015. Eine Anfrage des LG, ob die Klageschrift übersetzt werden solle, bejahte er umgehend. Den dafür angeforderten Auslagenvorschuss zahlte er innerhalb einer Woche. Die daraufhin vom LG in Auftrag gegebene Übersetzung ging am 24.10.2016 bei Gericht ein. Sie wurde zusammen mit der Klageschrift am 09.12.2016 zugestellt, also knapp ein Jahr nach Einreichung der Klage. Das LG verurteilte die Beklagte antragsgemäß. Das OLG wies die Klage wegen Verjährung ab.

Der BGH verweist die Sache an das OLG zurück. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz ist die Verjährung gemäß § 167 ZPO mit Einreichung der Klageschrift gehemmt worden, weil die Klage demnächst zugestellt wurde.

Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH stehen Verzögerungen bei der Zustellung der Klageschrift einer Rückwirkung nach § 167 ZPO nur insoweit entgegen, als sie durch nachlässige Prozessführung des Klägers verursacht worden sind.

Im Streitfall war der Kläger nicht gehalten, eine Zustellung ohne Übersetzung zu beantragen. Eine solche Zustellung wäre nach Art. 5 der Verordnung (EG) Nr. 1393/2007 über die Zustellung von Schriftstücken (EuZVO) zwar zulässig gewesen. Sie hätte aber die Gefahr begründet, dass die Beklagte die Annahme gemäß Art. 8 Abs. 1 EuZVO mangels Kenntnis der deutschen Sprache verweigert. Dies hätte zu mindestens ebenso großen Verzögerungen führen können wie die vorherige Anfertigung einer Übersetzung.

Der Kläger war auch nicht gehalten, schon vor der Einreichung der Klage selbst eine Übersetzung in Auftrag zu geben. Eine vom Gericht in Auftrag gegebene Übersetzung bot eine höhere Richtigkeitsgewähr. Deshalb war der Kläger auch dann nicht zu weiteren Maßnahmen verpflichtet, als sich abzeichnete, dass sich die Fertigstellung der vom Gericht angeforderten Übersetzung verzögert. Ihn traf insoweit nicht einmal eine Nachfrageobliegenheit.

Praxistipp: Auch wenn grundsätzlich keine Nachfrageobliegenheit besteht, sollte der Klägeranwalt in solchen Fällen regelmäßig überprüfen und in Zweifelsfällen bei Gericht nachfragen, ob von seiner Seite noch etwas zu veranlassen ist.

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Diese Woche geht es um die Haftung eines Sportverbands und von Übungsleitern bei einem Kadertraining

Unterlassene Erste-Hilfe-Maßnahmen bei einem Kadertraining
Urteil vom 19. Januar 2021 – VI ZR 188/17

Mit den Anspruchsgrundlagen und dem Sorgfaltsmaßstab bei Gesundheitsschäden während einer Trainingsveranstaltung eines Sportverbands befasst sich der VI. Zivilsenat.

Der damals fünfzehnjährige Kläger nahm im Jahr 2009 an einem Kreiskadertraining für minderjährige Tischtennisspieler teil. Veranstalter war der Beklagte zu 1, ein Verband von Tischtennisvereinen. Die Beklagten zu 2 und 3 waren bei der Veranstaltung als Trainer eingesetzt. Nach einem Schnelligkeitstraining brach der Kläger zusammen und verlor das Bewusstsein. Der Beklagte zu 3 brachte ihn in stabile Seitenlage, andere Anwesende suchten in der Sporttasche des Klägers nach Asthmamitteln. Nach einiger Zeit wurde ein Notarzt verständigt. Dieser traf vier Minuten später ein und stellte einen Herz-Kreislauf-Stillstand sowie eine komplette Blaufärbung von Haut und Schleimhäuten fest. Sofort eingeleitete Wiederbelebungsmaßnahmen führten nach fünf Minuten dazu, dass der Kläger kreislaufstabil war. In der Folgezeit zeigte sich eine Hirnschädigung aufgrund von Sauerstoffmangel. Der Kläger ist auf Dauer schwerst pflegebedürftig. Die auf Zahlung von Schmerzensgeld und Feststellung der Ersatzpflicht für zukünftige materielle Schäden gerichtete Klage hatte in erster Instanz gegenüber den Beklagten zu 2 und 3 Erfolg. Das OLG wies die Klage insgesamt ab.

Der BGH verweist die Sache an das OLG zurück.

Entgegen der Auffassung der Vorinstanz haftet der Beklagte zu 1 dem Kläger für eventuelle Pflichtverletzungen aus Vertrag. Der BGH lässt offen, ob sich eine Vertragsbeziehung schon daraus ergibt, dass der Kläger Mitglied eines dem Beklagten zu 1 angehörenden Vereins war, und ob die Einladung zu dem Kadertraining als Angebot auf Abschluss eines Betreuungsvertrags anzusehen ist. Ein Trainingsvertrag kam jedenfalls konkludent durch Aufnahme des Trainings zustande. Der Beklagte war aufgrund dieses Vertrags verpflichtet, diejenigen Sicherheitsvorkehrungen zu treffen, die ein gewissenhafter Veranstalter für ausreichend halten darf, um die Teilnehmer vor Schäden zu bewähren. Hierbei haftet er für jede Art der Fahrlässigkeit. § 680 BGB, der für Geschäftsführer ohne Auftrag eine Haftungsbeschränkung auf grobe Fahrlässigkeit vorsieht, ist nicht anwendbar, weil eine Vertragsbeziehung bestand. Für Pflichtverletzungen der Beklagten zu 2 und 3 hat der Beklagte zu 1 nach § 278 BGB einzustehen.

Die Beklagten zu 2 und 3 haften nach Maßgabe von § 823 Abs. 1 BGB. Auch ihnen gegenüber greift die Haftungsbeschränkung nach § 680 BGB nicht. Sie waren nicht als eigenständige Geschäftsführer tätig, sondern als Erfüllungsgehilfen des Beklagten zu 1.

Eine Pflichtverletzung der Beklagten zu 2 und 3, die über eine Ausbildung in Erster Hilfe verfügen, liegt vor, wenn sie den Notarzt erst zehn Minuten nach dem Zusammenbruch verständigt oder wenn sie von sofortigen Maßnahmen zur Wiederbelebung abgesehen haben, obwohl deren Notwendigkeit für sie erkennbar war. Zur ersten Frage haben die Vorinstanzen keine Feststellungen getroffen, die zweite Frage haben sie unter der unzutreffenden Prämisse beurteilt, die Beklagten hafteten nur für grobe Fahrlässigkeit.

Praxistipp: Bei einer Klage gegen einen Verband ist besonders sorgfältig auf die zutreffende Parteibezeichnung zu achten. Insbesondere sollte die Klage nicht gegen unselbständige Unterorganisationen gerichtet werden.

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Im Montagsblog Nr. 200 geht es um die Reichweite des Formerfordernisses aus § 311b Abs. 1 BGB

Auftrag zur Beschaffung eines Grundstücks
Urteil vom 15. Januar 2021 – V ZR 210/19

Mit der Heilung eines zunächst formnichtigen Auftrags befasst sich der V. Zivilsenat.

Der Kläger war Eigentümer eines bebauten Grundstücks, das er selbst nutzte. Im Jahr 1999 wurde das Insolvenzverfahren über sein Vermögen eröffnet. Um den Verlust des Grundstücks zu vermeiden, vereinbarte er mit den Beklagten mündlich, dass diese das Grundstück in der Zwangsversteigerung erstehen, dass der Kläger es gegen Erstattung der für die Finanzierung anfallenden Zins- und Tilgungsleistungen weiter nutzen darf und dass der Kläger berechtigt ist, das Objekt jederzeit gegen Erstattung aller noch offenen Kosten zurückzuerwerben. Nach Erwerb des Grundstücks schlossen die Beklagten mit dem Kläger einen schriftlichen Mietvertrag. Darin bestätigten sie ihre zuvor getroffenen mündlichen Vereinbarungen. Im Jahr 2017 kündigten die Beklagten das Mietverhältnis. Der Kläger erhob Stufenklage auf Auskunft über den noch valutierten Betrag der zur Finanzierung aufgenommenen Hypothek und auf Übereignung des Grundstücks Zug um Zug gegen Zahlung dieses Betrags. Die Klage blieb in den beiden ersten Instanzen erfolglos.

Der BGH verweist die Sache an das OLG zurück.

Die Vorinstanzen sind zwar zu Recht davon ausgegangen, dass die mündlich getroffene und schriftlich bestätigte Abrede zwischen den Parteien ursprünglich unwirksam war, weil der Vertrag gemäß § 311b Abs. 1 Satz 1 BGB der notariellen Form bedurfte. Das Formerfordernis ergab sich jedoch nur aus dem Umstand, dass sich die Beklagten zum Erwerb eines Grundstücks verpflichtet haben. Der daraus resultierende Formmangel ist gemäß § 311b Abs. 1 Satz 2 BGB durch Eintragung der Beklagten als Eigentümer im Grundbuch geheilt worden.

Der Umstand, dass sich die Beklagten zugleich verpflichtet haben, das Grundstück auf Verlangen an den Kläger zu übereignen, führt hingegen nicht zur Formbedürftigkeit. Diese Pflicht ergibt sich nicht aus der Vereinbarung der Parteien. Sie folgt schon aus § 667 BGB, wonach der Auftragnehmer das aus der Geschäftsbesorgung Erlangte an den Auftraggeber herauszugeben hat. Solche Pflichten fallen nicht unter den Tatbestand des § 311b Abs. 1 BGB. Dies gilt auch dann, wenn die Parteien die aus dem Gesetz folgende Verpflichtung eingeschränkt haben. Deshalb ist im Streitfall unschädlich, dass die Beklagten das Grundstück nicht sofort an den Kläger weitergeben sollten.

Praxistipp: Die Form des § 311b Abs. 1 BGB ist auch dann erforderlich, wenn sich der Auftraggeber verpflichtet, das erworbene Grundstück vom Beauftragten zu übernehmen.

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Diese Woche geht es um die Zuständigkeit zur Beglaubigung einer Vorsorgevollmacht

Beglaubigung einer Vorsorgevollmacht
Beschluss vom 12. November 2020 – V ZB 148/19

Mit der Beglaubigungsbefugnis der Betreuungsbehörden gemäß § 6 BtBG befasst sich der V. Zivilsenat.

Ein im Jahr 2016 verstorbener Erblasser hatte den beiden Verfahrensbeteiligten im Jahr 2011 in einer als Vorsorgevollmacht bezeichneten Urkunde jeweils Einzelvollmacht zu seiner Vertretung in der Gesundheitsfürsorge, vertraglichen Angelegenheiten und Rechtsstreitigkeiten sowie in allen Vermögensangelegenheiten einschließlich des Erwerbs und der Veräußerung von Vermögen erteilt, und zwar mit der Maßgabe, dass die Vollmacht über den Tod hinaus gültig sein soll. Die Urkundsperson der Betreuungsbehörde beglaubigte die Echtheit der Unterschrift gemäß § 6 Abs. 2 Satz 1 des Betreuungsbehördengesetzes (BtBG). Im Jahr 2019 übertrug die Beteiligte zu 1 im Namen der unbekannten Erben den zum Nachlass gehörenden Grundbesitz unentgeltlich auf den Beteiligten zu 2. Das Grundbuchamt gab den Beteiligten durch Zwischenverfügung auf, eine Genehmigungserklärung der Erben und einen Erbnachweis vorzulegen. Die dagegen gerichtete Beschwerde blieb ohne Erfolg.

Der BGH hebt die Zwischenverfügung auf.

Entgegen der Auffassung des Grundbuchamts hat die Beteiligte zu 1 ihre Vollmacht in der nach § 29 Abs. 1 Satz 1 GBO erforderlichen Form nachgewiesen. Die nach § 6 Abs. 2 Satz 1 BtBG zulässige Beglaubigung einer Vorsorgevollmacht durch einen dafür gemäß § 6 Abs. 4 Satz 1 BtBG ermächtigten Mitarbeiter der Betreuungsbehörde ist eine öffentliche Beglaubigung im Sinne von § 29 Abs. 1 Satz 1 GBO.

Eine Vorsorgevollmacht im Sinne von § 6 Abs. 2 Satz 1 BtBG ist eine Vollmacht, die zu dem Zweck erteilt wird, eine künftig mögliche Betreuungsbedürftigkeit zu vermeiden. Eine solche Zwecksetzung ergibt sich im Streitfall schon aus der Bezeichnung als Vorsorgevollmacht. Die Beglaubigungsbefugnis nach § 6 Abs. 2 Satz 1 BtBG besteht auch für Vollmachten, die im Außenverhältnis unbedingt erteilt und nur im Innenverhältnis auf den Vorsorgefall beschränkt werden, und für Vollmachten, die über den Tod des Vollmachtgebers hinaus gelten sollen.

Praxistipp: Welche Behörde auf örtlicher Ebene in Betreuungsangelegenheiten zuständig ist, bestimmt sich gemäß § 1 Abs. 1 BtBG nach Landesrecht. In der Regel ist sie auf Ebene der Stadt- und Landkreise angesiedelt. Örtlich zuständig ist gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 BtBG die Behörde, in deren Bezirk der Betroffene seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Für die Wirksamkeit der Beglaubigung genügt die sachliche Zuständigkeit.

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Diese Woche geht es um die Pflichten des Inhabers einer Internetanschlusses nach einer Urheberrechtsverletzung

Angabe des Täters einer Urheberrechtsverletzung
Urteil vom 17. Dezember 2020 – I ZR 228/19

Mit der Frage einer Auskunftspflicht des Inhabers eines Internetanschlusses befasst sich der I. Zivilsenat.

Die Klägerin nahm den Beklagten wegen des unbefugten Anbietens eines urheberrechtlich geschützten Computerspiels auf Schadensersatz in Anspruch. Das Angebot war über einen Internetanschluss verbreitet worden, dessen Inhaberin der Beklagte ist. Auf die Abmahnung der Klägerin hatte der Beklagte eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben, zugleich aber mitgeteilt, er selbst habe das Spiel nicht öffentlich im Internet zugänglich gemacht. Auf die von der Klägerin erhobene Klage auf Erstattung von Abmahnkosten und Schadensersatz in Höhe von insgesamt rund 1.900 Euro trug der Beklagte vor, die Verletzung sei durch den Sohn einer Arbeitskollegin seiner Lebensgefährtin begangen worden. Die Klägerin beantragte zuletzt nur noch die Feststellung, dass der Beklagte ihr die Kosten des Rechtsstreits zu ersetzen hat. Dieser Antrag blieb in den beiden ersten Instanzen ohne Erfolg.

Die Revision der Klägerin hat ebenfalls keinen Erfolg. Der Antrag ist zwar zulässig, weil die Klägerin die zu erstattenden Kosten nicht beziffern und ihren Anspruch wegen der Rücknahme des Hauptantrags nicht im Wege der Kostenfestsetzung geltend machen kann. Er ist aber unbegründet, weil der Beklagte unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt verpflichtet war, den Täter zu benennen. Eine Nebenpflicht zur Auskunftserteilung aus dem Unterlassungsvertrag scheidet aus, weil der Beklagte beim Abschluss dieses Vertrags bereits darauf hingewiesen hat, dass er nicht der Täter ist. Aus der Verletzung des Urheberrechts ergibt sich eine solche Pflicht nicht, weil der Beklagte für die Verletzung nicht verantwortlich ist. Die Stellung als Inhaber des Anschlusses, über den die Verletzung begangen wurde, begründet auch kein vorvertragliches Schuldverhältnis, das zu einer Auskunftspflicht führen könnte. Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag scheiden in dieser Konstellation ebenfalls aus. Eine Ersatzpflicht aus § 826 BGB käme allenfalls dann in Betracht, wenn der Beklagte vorprozessual wissentlich falsche Angaben über den Täter gemacht hätte.

Praxistipp: Im Prozess trifft den Anschlussinhaber eine sekundäre Darlegungslast hinsichtlich der Frage, welchen anderen Personen er den Internetanschluss zur Verfügung gestellt hat. Kommt er dem nicht nach, besteht eine tatsächliche Vermutung für seine Täterschaft.

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Diese Woche geht es um den Mindestinhalt einer Berufungsschrift

Zweifelsfreie Bezeichnung des Berufungsklägers
Beschluss vom 11. November 2022 – V ZB 32/20

Mit den Anforderungen an die Bezeichnung des Berufungsklägers befasst sich der V. Zivilsenat.

Die Parteien streiten mit Klage, Widerklage und Drittwiderklage um die Freigabe von hinterlegten Beträgen aus Grundstücksgeschäften. Das LG hat die Klage abgewiesen und der Widerklage sowie der Drittwiderklage im Wesentlichen stattgegeben. Der erstinstanzliche Prozessbevollmächtigte der Klägerin und des Drittwiderbeklagten reichte innerhalb der Berufungsfrist einen Schriftsatz mit folgendem Inhalt ein:

„In dem Rechtsstreit [Name und Vorname der Klägerin] u. a. ./. [Name und Vorname des Beklagten], LG Kempten, [Aktenzeichen] legen wir gegen das Urteil des LG Kempten vom 30.08.2019, zugegangen am 04.09.2019, Berufung ein.“

Dem Schriftsatz waren Rubrum und Tenor des angefochtenen Urteils beigefügt.

Das OLG verwarf die Berufung als unzulässig. Die dagegen eingelegte Rechtsbeschwerde der Klägerin und des Widerbeklagten bleibt ohne Erfolg.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss eine Rechtsmittelschrift für sich allein betrachtet oder mit Hilfe weiterer Unterlagen bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist eindeutig erkennen lassen, wer Rechtsmittelführer und wer Rechtsmittelgegner sein soll. Diese Voraussetzung ist im Streitfall nicht erfüllt. Aus den innerhalb der Berufungsfrist übermittelten Unterlagen geht zwar hervor, dass die Berufung durch den erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten der Klägerin und des Widerbeklagten eingelegt wurde und dass diese durch das angefochtene Urteil beschwert sind. Es gibt aber keine Auslegungsregel, die besagt, dass ein Rechtsmittel im Zweifel für alle unterlegenen Streitgenossen eingelegt wird.

Praxistipp: Um die aufgezeigten Schwierigkeiten zu vermeiden, sollte die Rechtsmittelschrift das komplette Rubrum der angefochtenen Entscheidung wiedergeben und die ausdrückliche Erklärung enthalten, für welche Parteien das Rechtsmittel eingelegt wird.

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Diese Woche geht es um den Anwendungsbereich des Wohnraummietrechts

Vermietung von Wohnräumen an gewerblichen Zwischenmieter
Urteil vom 13. Januar 2021 – VIII ZR 66/19

Mit den Voraussetzungen einer Einordnung als Wohnraummietvertrag befasst sich der VIII. Zivilsenat.

Der Kläger ist Zwangsverwalter eines Grundstücks. Die Schuldnerin hatte acht dazu gehörende Wohnungen an eine GmbH & Co. KG vermietet. Der Vertrag trägt die Überschrift „Mietvertrag über Wohnraum“ und sieht unter anderem vor, dass sich die Kündigungsfristen nach der (für die Wohnraummiete geltenden) Regelung in § 573c BGB richten. Ferner ist vereinbart, dass der Mieter zu einer Untervermietung berechtigt ist. Im August 2011 kündigte der Kläger den Mietvertrag mit der Gesellschaft. Diese vermietete kurz darauf – noch vor Ablauf der Kündigungsfrist – eine der Wohnungen an den Beklagten. Im Juni 2016 kündigte der Kläger das Mietverhältnis mit dem Beklagten wegen Zahlungsverzugs fristlos, hilfsweise fristgemäß. Das AG verurteilte den Beklagten antragsgemäß zu Räumung und Herausgabe sowie zur Zahlung von rückständiger Miete und Nebenkosten. Das LG wies die Klage ab.

Der BGH verweist die Sache an das LG zurück. Entgegen der Auffassung des LG ist der Kläger gemäß § 565 Abs. 1 Satz 1 BGB in das Mietverhältnis zwischen der Gesellschaft und dem Beklagten eingetreten. Die von ihm im August 2011 erklärte Kündigung war wirksam. Sie bedurfte nicht eines berechtigten Interesses im Sinne von § 573 BGB, weil der gekündigte Vertrag nicht den Vorschriften über die Wohnraummiete unterlag. Nach dem Gesetz sind diese Vorschriften nur dann anwendbar, wenn der Mieter die Wohnung zu Wohnzwecken nutzen will. Diese Voraussetzung liegt im Streitfall nicht vor, weil die Gesellschaft die Wohnungen zum Zwecke der Weitervermietung angemietet hat. Entgegen der Auffassung des LG ist dem Vertrag mit der Gesellschaft keine konkludente Einigung über die Geltung der genannten Vorschriften zu entnehmen. Die Bezeichnung als Wohnraummietvertrag und die Vereinbarung der in § 573c BGB geltenden Kündigungsfristen reichen hierfür nicht aus.

Praxistipp: Für den Untermieter hat die Beendigung des Hauptmietvertrags in solchen Konstellationen lediglich einen Vermieterwechsel gemäß § 565 Abs. 1 Satz 1 BGB zur Folge.

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Diese Woche geht es um die Pflicht zur Erhaltung einer Nachbarwand nach Abbrennen eines daran angebauten Gebäudes.

Abbrennen eines an eine Nachbarwand angebauten Gebäudes
Beschluss vom 22. Januar 2021 – V ZB 12/19

Mit den Pflichten aus § 922 Abs. 3 BGB befasst sich der V. Zivilsenat.

Die Parteien sind Eigentümer zweier benachbarter Grundstücke, die durch Teilung entstanden sind. Schon vor der Teilung war auf dem nunmehr dem Beklagten gehörenden Grundstück eine Scheune errichtet worden. An deren Giebelwand wurde später ein nunmehr auf dem Grundstück des Klägers stehendes Wohnhaus angebaut. Im Teilungsvertrag wurde vereinbart, dass die Grundstücksgrenze durch die gemeinsame Giebelmauer verlaufen soll. Im Jahr 2011 wurde die Scheune durch einen Brand, der auch auf das Wohnhaus übergriff, stark beschädigt. Der Kläger erhielt von seiner Gebäudeversicherung 50.000 Euro zur Sanierung der Trennwand. Vom Beklagten verlangt er unter anderem, alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um die Trennwand gegen Witterung, Wärmeverlust und Feuchtigkeitsimmissionen zu schützen. Das LG wies die Klage insoweit ab. Das OLG verurteilte den Beklagten antragsgemäß.

Der BGH verweist die Sache auf die Revision des Beklagten an das OLG zurück – allerdings nur deshalb, weil der Umfang des dem Kläger stehenden Anspruchs näherer Klärung bedarf.

Dem Grunde nach sieht der BGH den Klageanspruch gemäß § 922 Satz 3 und § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB als begründet an. Die Trennwand war zwar weder bei ihrer Errichtung noch beim Bau des Wohnhauses eine gemeinsame Grenzanlage im Sinne von § 921 BGB. Sie erlangte diese Eigenschaft aber mit der einvernehmlichen Aufteilung des Grundstücks. Mangels abweichender Vereinbarung darf die Wand gemäß § 922 Satz 3 BGB nur einvernehmlich beseitigt oder geändert werden. Durch das Abbrennen der Scheune ist eine der Zustimmung bedürfende Änderung eingetreten, weil das Wohnhaus des Klägers nicht mehr in gleicher Weise gegen Witterungseinwirkungen geschützt ist. Hierfür ist der Beklagte als Zustandsstörer verantwortlich, und zwar – anders als hinsichtlich der am Wohnhaus eingetretenen Schäden – unabhängig davon, ob er den Brand zu verantworten hat. Der Kläger kann deshalb analog § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB verlangen, dass die eingetretene Störung beseitigt wird.

Der Anspruch ist nicht gemäß § 86 Abs. 1 VVG auf die Gebäudeversicherung des Klägers übergegangen. Der Anspruch aus § 922 Satz 3 und § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB ist untrennbar mit dem Eigentum am Grundstück verbunden. Zudem fehlt es an der nach § 86 Abs. 1 VVG erforderlichen Kongruenz. Die Gebäudeversicherung deckt zwar auch Schäden an der Trennwand ab. Der Anspruch aus § 922 Satz 3 und § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB ist aber auf Erhalt des Bestandes und der Funktion der Wand als gemeinsame Grenzeinrichtung gerichtet, unabhängig davon, ob eine Substanzverletzung eingetreten ist.

Auf der Grundlage der bisher getroffenen Feststellungen ist die vom OLG ausgesprochene Verurteilung aber zu weitgehend. Zum einen muss dem Beklagten die Möglichkeit offenbleiben, die vorherige Funktion in der Weise wiederherzustellen, dass er eine neue Scheune an die Wand anbaut. Zum anderen darf der Kläger eine Wärmedämmung nur verlangen, wenn und soweit die Wand durch die abgebrannte Scheune ebenfalls gegen Wärmeverlust geschützt war. Ob diese Voraussetzung gegeben ist, muss das OLG nach Zurückverweisung aufklären.

Praxistipp: Die Anwendung von § 921 und § 922 BGB setzt voraus, dass die gemeinsame Einrichtung die Grundstücksgrenze überschreitet.

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Diese Woche geht es um die Kostenentscheidung bei Rücknahme einer von Beginn an unbegründeten Klage.

Anlass zur Einreichung der Klage
Beschluss vom 17. Dezember 2020 – I ZB 38/20

Mit den Voraussetzungen des § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO befasst sich der I. Zivilsenat.

Die Klägerin hatte die Beklagte wegen Urheberrechtsverletzung abgemahnt, weil über den Internetanschluss der Beklagten an einem bestimmten Tag zwei Folgen einer Fernsehserie öffentlich zum Download angeboten worden waren. Die Beklagte gab ohne Anerkennung einer Rechtspflicht und ohne Angaben zur Nutzung ihres Internetanschlusses eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab. Die Klägerin klagte daraufhin auf Schadensersatz und Erstattung von Rechtsverfolgungskosten in Höhe von insgesamt 1.107,50 Euro. In ihrer Klageerwiderung teilte die Beklagte mit, sie habe ihre Wohnung im betreffenden Zeitraum über Airbnb vermietet und sich andernorts aufgehalten. Die Mieterin habe mitgeteilt, dass vermutlich einer ihrer Brüder die Rechtsverletzung begangen habe. Die Klägerin nahm die Klage zurück und beantragte, der Beklagten die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen. Das AG hob die Kosten gegeneinander auf. Die Beschwerde der Beklagten blieb erfolglos.

Die Rechtsbeschwerde der Beklagten führt zu einer Kostenentscheidung zu Lasten der Klägerin. Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen können die Kosten nicht gemäß § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO ganz oder teilweise der Beklagten auferlegt werden. Es fehlt schon an einem Anlass zur Klage im Sinne dieser Vorschrift. Zur Erfüllung dieser Voraussetzung reicht es zwar aus, wenn die Klage zumindest vor Rechtshängigkeit zu irgendeinem Zeitpunkt zulässig und begründet gewesen wäre und der Kläger bei Einreichung der Klage weder wusste noch wissen musste, dass sich eine Änderung ergeben hat. Nicht ausreichend ist aber, wenn der Kläger nur subjektiv davon ausging, dass seine Klage Erfolg haben würde. Darüber hinaus ist eine Kostenentscheidung zugunsten der Klägerin im Streitfall auch deshalb nicht möglich, weil das Ereignis, das den Anlass zur Klage entfallen ließ, erst nach Rechtshängigkeit eingetreten ist. § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO ist nur dann anwendbar, wenn das ändernde Ereignis vor Rechtshängigkeit stattgefunden hat. Eine Umdeutung der Klagerücknahme in eine Erledigungserklärung oder einen Antrag auf Feststellung eines materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruchs ist nach der ständigen Rechtsprechung des BGH nicht möglich.

Praxistipp: Wegen der fehlenden Möglichkeit der Umdeutung sollte der Kläger in solchen Fällen vor der Rücknahme sorgfältig prüfen, ob nicht eine Erledigungserklärung oder ein Antrag auf Feststellung der materiell-rechtlichen Pflicht zur Kostentragung zweckmäßiger ist.