Montagsblog: Neues vom BGH

Dass ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand einer äußerst sorgfältigen Begründung bedarf, belegt die in dieser Woche vorgestellte Entscheidung.

Eintrag im Fristenkalender und Erledigungsvermerk in der Handakte
Beschluss vom 12. Juni 2018 – II ZB 23/17

Mit den Sorgfaltspflichten des Anwalts bei Anweisung und Überwachung seiner mit der Führung des Fristenkalenders betrauten Mitarbeiter befasst sich der II. Zivilsenat.

Der in erster Instanz erfolglos gebliebene Kläger ließ durch seinen – erstmals für die zweite Instanz mandatierten – Prozessbevollmächtigten fristgerecht Berufung einlegen. Eine Berufungsbegründung ging innerhalb der dafür maßgeblichen Frist nicht ein. Auf Hinweis des OLG machte der Kläger geltend, sein Prozessbevollmächtigter habe seine erfahrene und ansonsten zuverlässige Rechtsanwaltsfachangestellte angewiesen, eine Akte anzulegen und die (jeweils konkret bezeichneten) Fristen zur Einlegung und Begründung der Berufung zu notieren. Die Angestellte habe beide Fristen auf dem Urteilsausdruck notiert, jedoch nur die Frist für die Einlegung in das Fristenbuch eingetragen. Das OLG wies das Wiedereinsetzungsgesuch zurück und verwarf die Berufung als unzulässig.

Die Rechtsbeschwerde des Klägers bleibt erfolglos. Ein Rechtsanwalt muss seine mit der Führung des Fristenkalenders betrauten Mitarbeiter anweisen, eine Frist zunächst in den Kalender einzutragen und erst danach einen Erledigungsvermerk oder eine damit vergleichbare Notiz in der Handakte anzufertigen. Im Streitfall hat der Kläger im Wiedereinsetzungsgesuch nicht vorgetragen, dass sein Prozessbevollmächtigter eine solche Weisung erteilt hat. Dies wäre zwar unschädlich, wenn der Prozessbevollmächtigte eine ordnungsgemäße Einzelweisung erteilt hätte. Hierzu hätte er seiner Mitarbeiterin aber ebenfalls aufgeben müssen, die Frist zuerst im Kalender und erst danach auf dem Urteilsausdruck zu vermerken. Dass die im Streitfall erteilte Weisung diesen Inhalt hatte, ergab sich aus dem Wiedereinsetzungsgesuch nicht. Eine Ergänzung nach Ablauf der Wiedereinsetzungsfrist ist nicht zulässig.

Praxistipp: Ein Wiedereinsetzungsgesuch hat nur dann Aussicht auf Erfolg, wenn darin alle Maßnahmen vorgetragen und glaubhaft gemacht werden, die nach der Rechtsprechung zur Einhaltung der anwaltlichen Sorgfaltspflichten erforderlich sind. Dies betrifft auch vermeintlich selbstverständliche Punkte.

Montagsblog: Neues vom BGH

Um die verfahrensrechtlichen Konsequenzen eines abgelehnten Befangenheitsgesuchs geht es im (urlaubsbedingt etwas verspäteten) Montagsblog in dieser Woche

Säumnis trotz anhängiger Verfassungsbeschwerde gegen Ablehnung eines Befangenheitsgesuchs
Urteil vom 5. Juli 2018 – IX ZR 264/17

Der IX. Zivilsenat befasst sich mit den Wirkungen einer anhängigen Verfassungsbeschwerde für ein laufendes Zivilverfahren.

Der klagende Rechtsanwalt und die Beklagte machten wechselseitig Forderungen aus einem beendeten Mandatsverhältnis geltend. In zweiter Instanz verpflichtete sich der Kläger in einem gerichtlichen Vergleich zur Zahlung von 16.000 Euro. Kurz danach focht er den Vergleich an. Nach Terminsbestimmung lehnte er die Mitglieder des Berufungssenats wegen Befangenheit ab. Dieses Gesuch wies das OLG in anderer Besetzung zurück. Dagegen legte der Kläger Verfassungsbeschwerde ein. Zu dem vom OLG anberaumten Verhandlungstermin erschien er nicht. Das OLG stellte durch erstes Versäumnisurteil fest, dass der Rechtsstreit durch den Vergleich erledigt ist. Den Einspruch des Klägers, der wiederum nicht zur Verhandlung erschien, verwarf das OLG als unzulässig.

Die Revision des Klägers bleibt erfolglos. Der Kläger durfte nicht darauf vertrauen, dass das OLG mit einer Entscheidung in der Sache zuwarten würde, bis das BVerfG über die Verfassungsbeschwerde entschieden hat. Die Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs war nicht mit ordentlichen Rechtsmitteln anfechtbar. Deshalb waren die abgelehnten Richter dazu berufen, der Sache Fortgang zu geben. Eine Aussetzung analog § 148 ZPO kam nicht in Betracht.

Praxistipp: Ein Befangenheitsgesuch gegen einen erstinstanzlichen Richter ist nach der Rechtsprechung des BGH erst mit Ablauf der Beschwerdefrist oder mit der Entscheidung des Beschwerdegerichts endgültig erledigt.

Montagsblog: Neues vom BGH

Dass die sorgfältige rechtliche Qualifikation eines Vertrags nicht nur theoretische Bedeutung hat, belegt eine aktuelle Entscheidung des BGH.

Lieferung und Montage einer Einbauküche
Urteil vom 19. Juli 2018 – VII ZR 19/18

Der VII. Zivilsenat erinnert daran, dass ein Vertrag über Lieferung und Montage einer Einbauküche je nach den Umständen des Einzelfalls rechtlich unterschiedlich zu qualifizieren ist.

Die Klägerin hatte bei der Beklagten für 10.020 Euro eine Küche einschließlich Lieferung und Montage bestellt. Nach der Montage unterzeichnete sie ein Übergabeprotokoll, in dem vermerkt ist, dass die Arbeitsplatte in Ordnung sei. Später bemängelte die Klägerin, die Arbeitsplatte sei abweichend von der Bestellung nicht durchgehend in schwarz-weiß-grau gehalten, sondern weise über weite Strecken eine beigefarbene, rote und braune Färbung auf. Die auf Ersatz der Mängelbeseitigungskosten in Höhe von 3.800 Euro gerichtete Klage blieb in den beiden ersten Instanzen erfolglos. Das LG sah den geltend gemachten Anspruch gemäß § 640 Abs. 2 BGB (seit 28.4.2017: § 640 Abs. 3 BGB) als unbegründet an, weil die Klägerin das Werk in Kenntnis des geltend gemachten Mangels vorbehaltlos abgenommen habe.

Der BGH verweist die Sache an das LG zurück. Er verweist auf seine Rechtsprechung, wonach ein Vertrag über Lieferung und Montage einer Küche je nach Leistungsschwerpunkt als Kauf mit Montageverpflichtung oder als Werkvertrag einzuordnen ist. Weder das AG noch das LG haben sich mit dieser Frage befasst. Sie durfte im Streitfall nicht offen bleiben, weil das Kaufrecht eine dem § 640 Abs. 3 BGB vergleichbare Regelung nicht kennt.

Praxistipp: Ob § 640 Abs. 3 BGB, der seinem Wortlaut nach nur die Ansprüche auf Nacherfüllung und Ersatz der Aufwendungen zur Mangelbeseitigung sowie das Recht auf Minderung und Rücktritt ausschließt, auch einem auf Ersatz der Mängelbeseitigungskosten gerichteten Schadensersatzanspruch entgegensteht, ist für das seit 1.1.2002 geltende Werkvertragsrecht noch nicht abschließend geklärt; vgl. dazu etwa Schwenker/Rodemann in Erman, BGB, 15. Auflage 2017, § 640 Rn. 22).  

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Um die formellen Mindestanforderungen an den Inhalt eines Beschlusses gemäß § 522 Abs. 2 ZPO geht es in dieser Woche.

Erkennbarkeit der Berufungsanträge in Zurückweisungsbeschluss
Urteil vom 12. Juni 2018 – II ZR 229/16

Der II. Zivilsenat stellt klar, dass ein mit Rechtsmitteln anfechtbarer Beschluss, mit dem eine Berufung gemäß § 522 Abs. 2 zurückgewiesen wird, denselben formellen Inhaltsanforderungen unterliegt wie ein Berufungsurteil.

Der klagende Insolvenzverwalter verlangt von der Mehrheitsgesellschafterin der insolventen GmbH und deren ehemaligem Geschäftsführer Ersatz wegen einer Zahlung aus dem zur Erhaltung des Stammkapitals erforderlichen Vermögens. Das LG verurteilte die beiden Beklagten unter Abweisung der weitergehenden Klage zur Zahlung von 24.750 Euro. Das OLG wies die Berufung der Beklagten nach vorherigem Hinweis durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO als offensichtlich unbegründet zurück.

Der BGH verweist die Sache aus formellen Gründen an das OLG zurück. Um eine Überprüfung in der Revisionsinstanz zu ermöglichen, muss ein mit Revision oder Nichtzulassungsbeschwerde anfechtbares Berufungsurteil erkennen lassen, was der Berufungskläger mit seinem Rechtsmittel begehrt hat. Diese Anforderungen gelten auch für einen mit der Nichtzulassungsbeschwerde anfechtbaren Beschluss, mit dem die Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen wird. Hierbei reicht es aus, wenn der nach § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO zu erteilende Hinweis die erforderlichen Angaben enthält und das Gericht im Zurückweisungsbeschluss darauf Bezug nimmt. Im Streitfall ließ sich weder dem Zurückweisungs- noch dem Hinweisbeschluss entnehmen, was die Beklagten mit ihrer Berufung anstrebten. Deshalb war der Beschluss ohne Sachprüfung aufzuheben und die Sache an das OLG zurückzuverweisen. In seiner „Segelanweisung“ führt der BGH ergänzend aus, dass die vom LG angestellten Erwägungen rechtlich nicht tragfähig sind, der geltend gemachte Anspruch nach entsprechender Aufklärung des Sachverhalts unter anderen rechtlichen Gesichtspunkten aber dennoch begründet sein kann.

Praxistipp: Nach der derzeit bis 31.12.2019 befristeten Regelung in § 26 Nr. 8 EGZPO ist eine Nichtzulassungsbeschwerde in Zivilsachen statthaft, wenn der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20.000 Euro übersteigt.

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Um grundlegende Anforderungen an die Zulässigkeit einer Berufung geht es in dieser Woche.

Festhalten an erstinstanzlich vertretener Rechtsauffassung
Beschluss vom 7. Juni 2018 – I ZB 57/17

Der I. Zivilsenat sieht eine Berufung, die auf die bloße Wiederholung einer in erster Instanz erfolglos vertretenen Rechtsauffassung gestützt wird, als zulässig an.

Das LG hatte eine auf Unterlassung bestimmter Werbemaßnahmen gerichtete Klage als unzulässig abgewiesen, weil die Klägerin ihre ladungsfähige Anschrift nicht substantiiert dargelegt habe. Mit ihrer Berufung wiederholte die Klägerin ihr erstinstanzliches Vorbringen, an der in der Klageschrift benannten Adresse könnten auch an solchen Tagen Zustellungen vorgenommen werden, an denen ihr Geschäftsführer nicht anwesend sei, weil die Mitarbeiter eines anderen, an derselben Adresse ansässigen Unternehmens entsprechend bevollmächtigt seien. Das OLG verwarf die Berufung als unzulässig.

Der BGH verweist die Sache an das OLG zurück. Eine Berufung ist zwar grundsätzlich unzulässig, wenn der Berufungskläger lediglich seinen erstinstanzlichen Tatsachenvortrag wiederholt, ohne sich mit abweichenden Feststellungen des erstinstanzlichen Gerichts auseinanderzusetzen. Ist der Berufungskläger in erster Instanz aus rechtlichen Gründen erfolglos geblieben, genügt es aber, wenn er seine bereits in erster Instanz vertretene Rechtsauffassung erneut darlegt. Im Streitfall beruhte die erstinstanzliche Klageabweisung allein auf der rechtlichen Erwägung, die vorgetragene Bevollmächtigung reiche zur Begründung einer ladungsfähigen Anschrift nicht aus. Deshalb durfte die Klägerin ihre Berufungsbegründung auf die Wiederholung ihrer abweichenden Rechtsauffassung beschränken.

Praxistipp: Ungeachtet der relativ großzügigen Mindestanforderungen sollte sich der Berufungskläger in seiner Rechtsmittelbegründung vorsorglich auch mit der rechtlichen Argumentation des erstinstanzlichen Gerichts auseinandersetzen.

Glaubhaftmachung des Werts des Beschwerdegegenstands
Beschluss vom 21. Juni 2018 – V ZB 254/17

Der V. Zivilsenat bekräftigt die höchstrichterliche Rechtsprechung, wonach die fristgerechte Glaubhaftmachung des Werts des Beschwerdegegenstands nicht zu den Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Berufung gehört.

Eine Wohnungseigentümergemeinschaft hatte beschlossen, die Außenfassade des bisher in grün gehaltenen Gebäudes grau anstreichen zu lassen. Die Anfechtung dieses Beschlusses blieb in erster Instanz erfolglos. Das LG verwarf die Berufung als unzulässig.

Der BGH verweist die Sache an das LG zurück. Ein Berufungskläger muss zwar gemäß § 511 Abs. 3 ZPO darlegen und glaubhaft machen, dass der Wert des Beschwerdegegenstands die für die Statthaftigkeit des Rechtsmittels maßgebliche Wertgrenze (600 Euro, § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) übersteigt. Anders als bei einer Nichtzulassungsbeschwerde führt ein Verstoß gegen diese Obliegenheit aber nicht zur Unzulässigkeit der Berufung. Vielmehr muss das Berufungsgericht den Wert auch ohne Glaubhaftmachung auf Grund eigener Lebenserfahrung und Sachkenntnis nach freiem Ermessen schätzen. Im Streitfall sah sich der BGH außer Stande, die Schätzung selbst vorzunehmen. Auch wenn es nur um die Farbe geht, kann zwar der auf den Kläger entfallenden Anteil an den Kosten des Neuanstrichs als Anhaltspunkt genommen werden. Aus dem für die Rechtsbeschwerdeinstanz relevanten Tatsachenvorbringen ließ sich aber nicht entnehmen, wie hoch die maßgeblichen Gesamtkosten sind.

Praxistipp: Um eine ihm ungünstige Schätzung zu vermeiden, sollte der Berufungskläger stets bestrebt sein, die Überschreitung der Wertgrenze eingehend vortragen und glaubhaft machen.

 

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Um das Spannungsverhältnis zwischen Auskunfts- und Geheimhaltungsinteressen unterschiedlicher Mandanten eines Rechtsanwalts geht es in dieser Woche.

Anspruch des Mandanten auf Herausgabe der anwaltlichen Handakte
Urteil vom 17. Mai 2018 – IX ZR 243/17

Der IX. Zivilsenat bejaht einen grundsätzlichen Anspruch des Mandanten auf Herausgabe der gesamten Handakte seines Rechtsanwalts.

Die beklagte Rechtsanwaltsgesellschaft hatte eine später insolvent gewordene Gesellschaft in zwei Verfahren gerichtlich und außergerichtlich vertreten. Die Klage des Insolvenzverwalters auf Herausgabe der Handakten dieser Verfahren blieb vor dem AG und dem LG erfolglos.

Der BGH verweist die Sache an das LG zurück. Nach § 675 und § 667 BGB hat ein Rechtsanwalt an seinen Mandanten grundsätzlich alles herauszugeben, was er aus Anlass der Mandatsausübung erhalten hat. Dazu gehören seine Handakten. Ein Anspruch ist zwar ausgeschlossen, soweit der Anwalt durch die Herausgabe der Akten seine Verschwiegenheitspflicht gegenüber anderen Mandanten verletzen würde. Persönliche Geheimhaltungsinteressen von dritten Personen, die an Besprechungen beteiligt waren, reichen hierfür aber nicht aus. Der Anwalt darf sich auch nicht auf die Behauptung beschränken, die Handakte enthalte Schriftstücke von Personen, zu denen ein Mandatsverhältnis bestehe. Er muss zumindest aufzeigen, inwiefern das Mandat Berührungspunkte zu anderen Mandaten haben kann. Ferner muss er darlegen, weshalb er entgegen § 50 Abs. 1 BRAO für die unterschiedlichen Mandate nicht gesonderte Handakten geführt hat.

Praxistipp: Schon beim Ablegen eines Schriftstücks in eine Handakte sollte nach Möglichkeit sichergestellt werden, dass darin keine Geheimnisse eines anderen Mandanten enthalten sind.

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Um eine immer wieder auftretende Frage geht es in dieser Woche.

Berufung per Fax an die Referendarabteilung
Beschluss vom 6. Juni 2018 – IV ZB 10/17

Der IV. Zivilsenat ergänzt die Rechtsprechung zu den Voraussetzungen einer wirksamen Übermittlung fristgebundener Schriftsätze per Telefax.

Der Kläger wendet sich gegen die Abweisung seiner Klage in erster Instanz. Sein Anwalt übermittelte die Berufungsschrift am letzten Tag der Frist kurz vor 17 Uhr per Telefax. Die hierzu verwendete Faxnummer ist der Referendarabteilung des Berufungsgerichts zugewiesen, die in einem anderen Gebäude untergebracht ist als gerichtliche Abteilung. Die Referendarabteilung leitete den Schriftsatz am nächsten Arbeitstag per Telefax an die gemeinsame Briefannahmestelle weiter. Das Berufungsgericht verwarf das Rechtsmittel als unzulässig.

Der BGH verweist die Sache an das Berufungsgericht zurück. Anders als die Vorinstanz kommt er zu dem Ergebnis, dass die Berufung rechtzeitig eingelegt wurde, weil die Berufungsschrift bereits durch die Übermittlung an die Referendarabteilung in die Verfügungsgewalt des Berufungsgerichts gelangt ist. Als Berufungsgericht in diesem Sinne sind grundsätzlich alle zu diesem Gericht gehörenden Organisationsabteilungen anzusehen, unabhängig von ihrer konkreten Aufgabe und dem Ort ihrer Unterbringung. Ob etwas anderes gilt, wenn das Gericht die für die Übermittlung fristwahrender Schriftsätze zu benutzende(n) Faxnummer(n) bekanntgegeben und die Verwendung anderer Nummern hinreichend deutlich ausgeschlossen hat, lässt der BGH offen. Ein solcher Ausschluss ergibt sich jedenfalls weder daraus, dass das Gericht eine veröffentlichte Faxnummer als solche der Referendarabteilung kennzeichnet, noch aus dem Umstand, dass es eine gemeinsame Briefannahmestelle gibt.

Praxistipp: Um mögliche Probleme zu vermeiden, sollte vor der Verwendung einer Faxnummer sorgfältig geprüft werden, ob das Gericht auf seinen Internetseiten oder in einer sonst üblichen Weise die Verwendung bestimmter Nummern vorgegeben hat.

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Mit einem ungewöhnlichen Verfahrensverlauf befasst sich die Entscheidung aus dieser Woche.

Keine Aussetzung des Rechtsstreits bis zur Zustellung einer Streitverkündung
Beschluss vom 22. März 2018 – I ZR 76/17

Der I. Zivilsenat stellt klar, dass Schwierigkeiten bei der (Auslands-)Zustellung einer Streitverkündung keinen zureichenden Grund für eine Aussetzung des betreffenden Rechtsstreits bilden.

Die Klägerin nimmt die in den USA ansässige Beklagte wegen Verletzung eines Gemeinschaftsgeschmackmusters durch Vertrieb von Schutzhüllen für iPads in Anspruch. Die Beklagte machte unter anderem geltend, die von ihr angebotenen Hüllen seien von zwei Unternehmen in Taiwan und Hongkong entworfen worden. Vorsorglich verkündete sie diesen beiden Unternehmen den Streit. Der Versuch, die Streitverkündungsschrift in Taiwan zuzustellen, scheiterte. Aus Hongkong ging keine Rückmeldung ein. Das LG verurteilte die Beklagte antragsgemäß. Ihre Berufung blieb erfolglos.

Der BGH weist die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten zurück. Er legt dar, dass eine Aussetzung des Rechtsstreits bis zur Zustellung der Streitverkündungsschriften weder in unmittelbarer noch in entsprechender Anwendung von § 148 ZPO zulässig ist, weil es an einem anderen Verfahren fehlt, das vorgreiflich sein könnte. Die Fortsetzung des Verfahrens trotz eines gescheiterten oder mit ungewissem Ausgang gebliebenen Zustellungsversuchs verstößt auch nicht gegen die Rechte auf ein faires Verfahren und auf rechtliches Gehör. Eine Streitverkündung hat nicht den Zweck, einer Partei die Möglichkeit eröffnen, sich auf ergänzendes Vorbringen des Streitverkündeten zu stützen.

Praxistipp: Vor dem aufgezeigten Hintergrund ist die streitverkündende Partei im eigenen Interesse gehalten, das Gericht bei der Zustellung nach besten Kräften zu unterstützen.

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Mit den Voraussetzungen einer subjektiven Klagehäufung befasst sich der X. Zivilsenat in einem Rechtsstreit mit hohem Aktualitätsbezug.

Klage gegen Autohersteller und Händler
Beschluss vom 6. Juni 2018 – X ARZ 303/18

Der X. Zivilsenat lässt die gemeinsame Inanspruchnahme eines Automobilherstellers und eines Händlers wegen Mängeln der Abgasreinigungsanlage zu.

Die Klägerin begehrt die Rückabwicklung eines Kaufvertrags über einen VW Diesel. Ihre Klage ist gegenüber dem Händler auf kaufrechtliche Gewährleistungsansprüche und gegenüber der mitverklagten Volkswagen AG auf bewusste Täuschungshandlungen gestützt. Das angerufene LG am Sitz des Händlers sah sich für die Klage gegen den Hersteller als nicht zuständig an. Auf Antrag des Klägers wollte das OLG einen gemeinsamen Gerichtsstand gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO bestimmen. Daran sah es sich durch eine Entscheidung des OLG Nürnberg gehindert, das in einem vergleichbaren Fall entschieden hatte, die Ansprüche gegen Hersteller und Händler wiesen nicht den gemäß § 60 ZPO erforderlichen Zusammenhang auf. Gemäß § 36 Abs. 3 ZPO legte es die Sache deshalb dem BGH vor.

Der BGH bestimmt das LG am Sitz des Händlers als zuständiges Gericht. Er nimmt Bezug auf seine ständige Rechtsprechung, wonach für eine gegen mehrere Beklagte gerichtete Klage gemäß § 60 ZPO ein innerer sachlicher Zusammenhang genügt, der die geltend gemachten Ansprüche ihrem Wesen nach als gleichartig erscheinen lässt. Ein solcher Zusammenhang besteht in der gegebenen Konstellation schon deshalb, weil beide Ansprüche auf den Schadstoffausstoß und den Kraftstoffverbrauch des verkauften Fahrzeugs und auf die darauf bezogenen, die Kaufentscheidung beeinflussenden öffentlichen Äußerungen des Herstellers gestützt sind. Ob das LG am Sitz des Händlers schon gemäß´§ 32 ZPO auch für die Klage gegen den Hersteller zuständig ist – etwa deshalb, weil die behauptete unerlaubte Handlung auch an dem Ort begangen wurde, an dem der durch die Äußerungen beeinflusste Käufer den Kaufvertrag geschlossen hat, war in der gegebenen Verfahrenssituation nicht zu entscheiden.

Praxistipp: Der Kläger kann den umständlichen Weg eines Gerichtsstandbestimmungsantrags nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO möglicherweise vermeiden, indem er möglichst konkret Umstände aufzeigt, aus denen sich ergibt, dass das angerufene Gericht nach § 32 ZPO auch für die Klage gegen den Händler zuständig ist.

 

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Mit der rechtlichen Möglichkeit einer dauerhaften Vermietung befasst sich der VIII. Zivilsenat.

Wohnungsmietvertrag mit dauerhaften Ausschluss des Rechts zur ordentlichen Kündigung
Urteil vom 8. Mai 2018 – VIII ZR 200/17

Der VIII Zivilsenat lässt einen dauerhaften Ausschluss des Rechts zur ordentlichen Kündigung eines Wohnungsmietvertrags grundsätzlich zu.

Die Rechtsvorgänger des Klägers hatten an die Beklagten eine Wohnung in einem Zweifamilienhaus vermietet. In dem Mietvertragsformular hatten die Vertragsparteien eine Klausel angekreuzt, wonach beide Parteien nicht berechtigt sind, das Vertragsverhältnis ordnungsgemäß zu kündigen. Die im Formulartext enthaltene Passage, wonach dies nur für die ersten vier Jahre gilt, hatten sie durchgestrichen. Zwei Jahre später erwarb der Kläger das Anwesen. Er kündigte den Mietvertrag wegen Eigenbedarfs. Seine Räumungsklage blieb in erster Instanz erfolglos. Das LG verurteilte die Beklagten zur Räumung.

Die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten führt zur Zurückverweisung der Sache an das LG. Dieses hat Vortrag der Beklagten übergangen, aus dem sich ergibt, dass die Vereinbarung über den Ausschluss des Kündigungsrechts individuell vereinbart wurde. Die Entscheidung des LG, das in der Klausel eine unwirksame Allgemeine Geschäftsbedingung gesehen hat, kann deshalb keinen Bestand haben. In einer Individualabrede kann das Recht zur ordentlichen Kündigung eines Wohnungsmietvertrags grundsätzlich dauerhaft ausgeschlossen werden. Eine Grenze bildet lediglich § 138 BGB. Nicht abschließend entschieden hat der BGH die Frage, ob entsprechend § 544 BGB nach Ablauf von dreißig Jahren eine außerordentliche Kündigung zulässig ist.

Praxistipp: Wenn die Wirksamkeit einer Vereinbarung davon abhängt, ob sie als Individualvereinbarung oder als Allgemeine Geschäftsbedingung einzustufen ist, sollte die begünstigte Partei die Umstände, die für eine Individualvereinbarung sprechen, möglichst umfassend vortragen und unter Beweis stellen.