Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um Ansprüche auf Entschädigung wegen Nutzungsausfall bei Beschädigung eines Leasingfahrzeugs.

Entschädigung für Nutzungsausfall bei Leasingfahrzeugen
BGH, Urteil vom 7. Oktober 2025 – VI ZR 246/24

Der VI. Zivilsenat befasst sich mit der Anrechnung von Vorteilen, die einem Geschädigten von dritter Seite zufließen.

Die klagende GmbH verlangt Entschädigung für Nutzungsausfall nach der Beschädigung eines Fahrzeugs bei einem Unfall, für dessen Folgen die Beklagte vollständig einzustehen hat. Die Klägerin hatte das beschädigte Fahrzeug – einen Porsche 911 – geleast und ihrem Geschäftsführer zur dienstlichen und privaten Nutzung überlassen. Bei dem Unfall entstand wirtschaftlicher Totalschaden. Die Leasinggeberin stellte der Klägerin bis zur Beschaffung eines Ersatzfahrzeugs für 30 Tage einen Citroen DS3 Cross zur Verfügung. Die für die Miete dieses Fahrzeugs entstandenen Kosten hat die Leasinggeberin der Beklagten in Rechnung gestellt. Diese erkannte eine Mietzeit von 15 Tagen an und zahlte dafür 286,66 Euro. Die Klägerin machte zunächst weitere Mietwagenkosten geltend, verlangte dann aber eine Nutzungsausfallentschädigung für 23 Tage in Höhe von 175 Euro pro Tag, abzüglich der gezahlten Betrags. Sowohl die Leasinggeberin als auch der Geschäftsführer der Klägerin haben ihnen zustehende Ansprüche gegen die Beklagte an die Klägerin abgetreten.

Das AG hat die auf Zahlung von 3.738,34 Euro gerichtete Klage abgewiesen. Das LG hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt.

Der BGH stellt das Urteil des AG wieder her.

Der BGH stellt klar, dass die Klage lediglich auf abgetretene Ansprüche des Geschäftsführers gestützt ist. Das LG durfte die Verurteilung deshalb nicht auf abgetretene Ansprüche der Leasinggeberin stützen. Eine entsprechende Erweiterung der Klage in der Revisionsinstanz ist schon deshalb unzulässig, weil die Klägerin keine Anschlussrevision eingelegt hat.

Dem Geschäftsführer, auf dessen Ansprüche die Klage gestützt ist, steht als Nutzungsberechtigtem ein eigener Anspruch gegen die Beklagte wegen Beschädigung des Fahrzeugs zu. Dieser Anspruch umfasst grundsätzlich auch eine Entschädigung wegen Nutzungsausfall.

Ein Anspruch auf Entschädigung für Nutzungsausfall kann auch dann bestehen, wenn ein Dritter dem Geschädigten im betreffenden Zeitraum ein anderes Fahrzeug zur Verfügung gestellt hat und der daraus entstandene Vorteil nach dem Sinn der schadensrechtlichen Vorschriften den Schädiger nicht entlasten soll. An der zuletzt genannten Voraussetzung fehlt es, wenn der Dritte wegen der Beschaffung des Ersatzfahrzeugs einen eigenen Anspruch gegen den Schädiger hat.

Im Streitfall stand der Leasinggeberin ein eigener Anspruch gegen die Beklagte zu, weil sie Eigentümerin des beschädigten Fahrzeugs war. Damit sind Entschädigungsansprüche des zur Nutzung berechtigten Geschäftsführers ausgeschlossen. Die Nutzung eines verfügbaren Ersatzfahrzeugs war dem Geschäftsführer nicht deshalb unzumutbar, weil er diesem Fahrzeug ein geringeres Prestige oder ein anderes Fahrgefühl beimaß (dazu BGH, Urteil vom 11.10.2022 – VI ZR 35/22, MDR 2023, 31 Rn. 13).

Praxistipp: Wenn Ansprüche alternativ auf abgetretenes Recht verschiedener Personen gestützt werden sollen, muss dies aus dem Klagevorbringen hinreichend deutlich hervorgehen. Ferner muss die Reihenfolge angegeben werden, in der das Gericht die Ansprüche beurteilen soll.

Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um die Postulationsbefugnis bei Ansprüchen aus der Datenschutz-Grundverordnung

Anwaltszwang bei Ansprüchen wegen Datenschutzverstößen
BGH, Beschluss vom 15. September 2025 – I ZB 36/25

Der I. Zivilsenat befasst sich mit dem Verhältnis zwischen § 78 ZPO und Art. 80 DSGVO.

Die Klägerin wendet sich gegen die Verarbeitung von personenbezogenen Daten zur Erstellung eines familienpsychologischen Gutachtens, das der Beklagte im Auftrag des Gerichts in einem anderen Verfahren erstellt hat, an dem die hiesige Klägerin als Beklagte beteiligt ist.

Die im vorliegenden Verfahren erhobene, auf Art. 79 DSGVO gestützte Klage ist vor dem AG ohne Erfolg geblieben. Dagegen hat die Klägerin, vertreten durch einen Verein, dessen Tätigkeit auf den Schutz personenbezogener Daten gerichtet ist, Berufung eingelegt. Das LG hat das Rechtsmittel als unzulässig verworfen, weil es nicht durch einen Rechtsanwalt eingelegt worden ist.

Der BGH lehnt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für ein Rechtsbeschwerdeverfahren ab.

Das LG hat die Berufung zu Recht verworfen, weil die Klägerin entgegen § 78 Abs. 1 Satz 1 ZPO im Berufungsverfahren nicht anwaltlich vertreten war.

Aus Art. 80 Abs. 1 DSGVO ergibt sich keine abweichende Beurteilung. Nach dieser Vorschrift hat eine betroffene Person das Recht, eine gemeinnützige Einrichtung, die zum Schutz von personenbezogenen Daten tätig ist, mit der Einreichung von Beschwerden und der Wahrnehmung von Rechten aus Art. 77, 78, 79 und 82 DSGVO zu beauftragen. Daraus ergibt sich nicht, dass eine solche Einrichtung Rechtsbehelfe selbst einlegen kann. Die Anforderungen an die Postulationsfähigkeit ergeben sich auch im Anwendungsbereich von Art. 80 Abs. 1 DSGVO aus § 78 ZPO.

Praxistipp: Nach § 522 Abs. 1 Satz 4 und § 544 Abs. 2 Satz 2 ZPO kann die Verwerfung einer Berufung als unzulässig unabhängig vom Streitwert mit der Rechtsbeschwerde (gegen einen verwerfenden Beschluss) bzw. der Nichtzulassungsbeschwerde (gegen ein verwerfendes Urteil) angefochten werden. Das Rechtsmittel muss gemäß § 78 Abs. 1 Satz 3 ZPO durch einen beim BGH zugelassenen Rechtsanwalt eingelegt und begründet werden.

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Diese Woche geht es um die Frage der Gegenseitigkeit der Forderungen bei der Aufrechnung mit einem auf Drittschadensliquidation gestützten Anspruch.

Aufrechnung bei Drittschadensliquidation
BGH, Urteil vom 11. September 2025 – III ZR 274/23

Der III. Zivilsenat bestätigt eine in Literatur und Instanzrechtsprechung etablierte Auffassung.

Die Beklagte betraute den Kläger im Jahr 2010 in einer als Vorvertrag bezeichneten Vereinbarung mit der Unterstützung bei der Einziehung von Forderungen einer insolventen Gesellschaft. Kurz darauf gründete die Beklagte eine GmbH, die die Forderungen der Insolvenzschuldnerin für rund 75 % des Nennbetrags erwarb und eine unter Zwangsverwaltung stehende Wohnung anmietete, in der der Kläger die geschuldete Tätigkeit ausübte. Bis Anfang 2019 zahlte die Beklagte dem Kläger eine monatliche Vergütung von 1.000 Euro. Danach stellte sie die Zahlungen ein und die GmbH kündigte den Mietvertrag über die dem Kläger überlassene Wohnung. Der Kläger nutzte diese rund vier Jahre lang weiter.

Der Kläger verlangt nunmehr Zahlung einer monatlichen Vergütung von 1.000 Euro für den Zeitraum von Februar 2019 bis einschließlich November 2020. Die Beklagte rechnet hilfsweise mit einem Anspruch auf Schadensersatz wegen unbefugter Weiternutzung der Wohnung auf.

Das LG hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers ist erfolglos geblieben.

Der BGH verweist die Sache an das OLG zurück.

Die Vorinstanzen sind zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass der geltend gemachte Vergütungsanspruch begründet ist und dass der Beklagten ein Anspruch auf Schadensersatz zusteht, weil der Kläger die Wohnung unbefugt genutzt hat.

Die Beklagte darf den ihr entstandenen Schaden nach den Grundsätzen der Drittschadensliquidation auf der Grundlage der Nutzungsentschädigung berechnen, die nach der Kündigung des Mietvertrags an den Zwangsverwalter der Wohnung zu entrichten war. Zur Zahlung dieser Entschädigung war zwar nicht die Beklagte verpflichtet, sondern nur die von ihr gegründete GmbH als Mieterin der Wohnung. Die Beklagte darf diesen Schaden aber geltend machen, weil er aus Sicht des zum Ersatz verpflichteten Klägers nur zufällig auf die GmbH verlagert worden ist.

Ebenfalls zu Recht haben die Vorinstanzen entschieden, dass in dieser Konstellation die für eine Aufrechnung erforderliche Gegenseitigkeit der Forderungen gegeben ist. In den Fällen der Drittschadensliquidation steht der Anspruch nicht derjenigen Partei zu, die den Schaden erlitten hat, sondern derjenigen, die zum Schadensersatz berechtigt ist. Diese Partei darf ihren Anspruch auch zur Aufrechnung gegenüber Forderungen des Schuldners einsetzen.

Das angefochtene Urteil hat (lediglich) deshalb keinen Bestand, weil das OLG zu Unrecht davon ausgegangen ist, dass der Kläger als freiberuflich Tätiger keinen Pfändungsschutz nach § 850 und § 850c ZPO genießt. Nach der Rechtsprechung des BGH gelten die genannten Vorschriften auch für freiberuflich Tätige, sofern sie fortlaufend Vergütungen für persönliche Dienste erhalten, die ihre Erwerbstätigkeit ganz oder zu einem wesentlichen Teil in Anspruch nehmen und deshalb ihre Existenzgrundlage bilden (BGH, B. v. 20.5.2014 – VII ZB 50/14, MDR 2015, 1037 Rn. 15). Das OLG wird deshalb nach der Zurückverweisung zu prüfen haben, ob der Kläger im relevanten Zeitraum weitere Einkünfte hatte.

Praxistipp: Wenn nicht klar ist, ob ein eigener Anspruch des Beklagten aus Drittschadensliquidation oder (nur) ein Ersatzanspruch des Dritten besteht, sollte der Dritte seine Forderung vorsorglich an den Beklagten abtreten.

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Diese Woche geht es um prozessuale Aspekte der Schadensberechnung bei Ansprüchen auf Ersatz von Reparaturkosten.

Abrechnung auf Gutachtenbasis und Feststellung der Ersatzpflicht für weitere Schäden
BGH, Urteil vom 8. April 2025 – VI ZR 25/24
BGH, Urteil vom 25. März 2025 – VI ZR 277/24

Der VI. Zivilsenat räumt dem Unfallgeschädigten eine weitreichende Wahlmöglichkeit ein – und zeigt deren Grenzen auf.

In beiden Fällen begehrte die jeweils klagende Partei nach einem Verkehrsunfall Ersatz von Reparaturkosten auf der Grundlage eines Sachverständigengutachtens. Ergänzend beantrage sie jeweils die Feststellung, dass die Beklagte zum Ersatz weiterer Schäden verpflichtet ist. Die Zahlungsklagen hatten im Wesentlichen Erfolg. Die Feststellungsanträge blieben in der Berufungsinstanz erfolglos.

Der BGH gibt der Klägerin im ersten Fall recht. Im zweiten Fall weist er die Revision zurück.

Nach allgemeinen Grundsätzen ist eine Klage auf Feststellung der Pflicht zum Ersatz weiterer Schäden nach Verletzung eines absoluten Rechts zulässig, wenn die Möglichkeit besteht, dass solche Schäden eintreten. An dieser Möglichkeit fehlt es nur dann, wenn aus Sicht des Klägers bei verständiger Würdigung kein Grund besteht, mit dem Eintritt eines weiteren Schadens wenigstens zu rechnen.

Ein Geschädigter, der auf Ersatz von Reparaturkosten für ein beschädigtes Fahrzeugt klagt, kann seinen Schaden wahlweise auf der Grundlage eines Sachverständigengutachtens oder auf der Grundlage der tatsächlich aufgewendeten Kosten berechnen. Nur im zuletzt genannten Fall kann er auch Ersatz angefallener Umsatzsteuer begehren.

Wenn der Geschädigte seinen Schaden auf Basis eines Gutachtens abgerechnet hat, ist er innerhalb der Verjährungsfrist nicht gehindert, später auf Basis der tatsächlich angefallenen Kosten abzurechnen und den Schädiger wegen eines sich daraus ergebenden Differenzbetrags in Anspruch zu nehmen.

Vor diesem Hintergrund hat ein Kläger, der Ersatz auf Grundlage eines Gutachtens begehrt, grundsätzlich ein Interesse an der Feststellung der Pflicht zum Ersatz künftiger Schäden. Anders als bei der Wahl zwischen großem und kleinem Schadensersatz in Dieselfällen (dazu BGH, Urt. v. 5.10.2021 – VI ZR 136/20, MDR 2021, 1457 Rn. 18 ff.) muss sich der Geschädigte in solchen Fällen bei Klageerhebung nicht endgültig auf eine Berechnungsart festlegen.

Unzulässig ist ein Feststellungsantrag in der Konstellation der beiden Streitfälle nur dann, wenn aus Sicht des Geschädigten bei verständiger Würdigung kein Grund besteht, mit einer Reparatur wenigstens zu rechnen.

Im ersten der beiden Fälle (Urteil vom 8.4.2025) war dieser Ausnahmetatbestand nicht erfüllt. Der von der Beklagten geltend gemachte Umstand, dass das beschädigte Fahrzeug bereits dreizehn Jahre alt ist und eine Laufleistung von mehr als 250.000 Kilometer aufweist, schließt eine Reparatur nicht aus.

Anders lagen die Dinge im zweiten Fall (Urteil vom 25.3.2025). Dort hatte der Kläger das beschädigte Fahrzeug im Laufe des Rechtsstreits veräußert. Dass vor Veräußerung eine Reparatur durchgeführt worden war, konnte er nicht beweisen.

Praxistipp: Veräußert der Kläger das Fahrzeug während des Rechtsstreits in nicht repariertem Zustand, sollte der Feststellungsantrag zur Vermeidung von Kostennachteilen für erledigt erklärt werden.

Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um die Statthaftigkeit eines Einspruchs gegen ein Versäumnisurteil im schriftlichen Vorverfahren.

Einspruch gegen Versäumnisurteil im schriftlichen Vorverfahren
BGH, Urteil vom 11. Juni 2025 – IV ZR 83/24

Der IV. Zivilsenat entscheidet eine bislang umstrittene Rechtsfrage.

Der Kläger macht als Insolvenzverwalter gegen die Beklagte aus übergegangenem Recht einen Deckungsanspruch aus einer Vermögensschadenhaftpflichtversicherung für Geschäftsführer (D&O-Versicherung) in Höhe von 2 Millionen Euro geltend. Das LG hat das schriftliche Vorverfahren angeordnet und nach Ablauf der Frist für die Anzeige der Verteidigungsbereitschaft ein Versäumnisurteil erlassen. Dieses ist dem Kläger am 17. und der Beklagten am 19. Februar 2021 zugestellt worden. Am 18. Februar 2021 hat die Beklagte Einspruch „gegen ein möglicherweise bereits ergangenes Versäumnisurteil eingelegt. Am 4. Mai 2021 hat sie Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und erneut Einspruch eingelegt. Das LG hat das Versäumnisurteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Das OLG hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt.

Der BGH verweist die Sache an das OLG zurück.

Entgegen der Auffassung des OLG war der am 18. Februar 2021 eingelegte Einspruch statthaft. Ein im schriftlichen Verfahren ergangenes Versäumnisurteil wird zwar erst dann wirksam, wenn es allen Parteien zugestellt ist. Ein Einspruch gegen ein solches Urteil ist aber jedenfalls vom Zeitpunkt der ersten Zustellung an statthaft. Von diesem Zeitpunkt an kann das Gericht seine Entscheidung nicht mehr abändern. Spätestens dann gibt es keinen zureichenden Grund mehr, einer durch das Urteil beschwerten Partei die Einlegung eines Rechtsmittels zu verwehren.

Praxistipp: Trotz der Entscheidung des BGH sollte ein „auf Verdacht“ eingelegter Einspruch umgehend wiederholt werden, sobald das Versäumnisurteil der Partei zugestellt worden ist – und die Partei gebeten werden, die Zustellung sofort mitzuteilen. Ergänzende Ermittlungen, ob und zu welchem Zeitpunkt das Urteil den anderen Parteien zugestellt wurde, sind hingegen nicht erforderlich.

Anwaltsblog 4/2025: Anwaltshaftung wegen voreiliger Vertragsbeendigung!

In einem Anwaltshaftungsprozess hatte der BGH zu entscheiden, ob das rechtliche Gehör einer Partei verletzt ist, wenn das Gericht deren Vortrag in den Entscheidungsgründen nicht ausdrücklich berücksichtigt hat (BGH, Beschluss vom 12. Dezember 2024 – IX ZR 28/23):

 

Die Klägerin hatte ein Haus unter Gewährleistungsausschluss zu einem Kaufpreis von 230.000 € erworben. Ein halbes Jahr später beauftragte sie die beklagte Rechtsanwältin mit der Beratung und Vertretung gegenüber dem Verkäufer wegen Gewährleistungsansprüchen. Mit Schreiben vom 1. Juli 2014 erklärte die Beklagte namens der Klägerin gegenüber dem Verkäufer wegen 17 arglistig verschwiegener Mängel, u.a. wegen eindringender Feuchtigkeit, „Anfechtung und Rücktritt vom Vertrag“. In einem sodann eingeleiteten selbständigen Beweisverfahren stellte der Sachverständige Feuchtigkeitsschäden fest und schätzte den Aufwand für die erforderliche Erneuerung der Ringdrainage, der Abdichtung der Bodenplatte und der Sanierung der Klinkerfensterbänke auf 27.013 € brutto. Nicht Gegenstand des Sachverständigengutachtens war die weitere Behauptung der Klägerin, die Heizungsanlage funktioniere kaum oder gar nicht, was dem Verkäufer als langjährigem Nutzer des Kaufobjekts bekannt gewesen sei. Der Kostenaufwand für eine Reparatur betrage 11.219,82 €.

Bei anschließenden Vergleichsverhandlungen zeigte sich der Verkäufer allein zu einer Rückabwicklung bereit, da ein Rücktritt vom Rücktritt nicht möglich sei. Die Klägerin behauptet, sie habe eine Rückabwicklung des Vertrags nicht gewollt. Ihr Ziel sei gewesen, das Haus zu behalten und die Kosten für eine Beseitigung der Mängel zu erlangen. Infolge der Erklärung der Beklagten vom 1. Juli 2014 könne sie diese vom Verkäufer nicht mehr verlangen. Sie begehrt die Zahlung von 27.013 € nebst Zinsen sowie u.a. die Feststellung der Verpflichtung zum Ersatz weiterer Schäden. Die Klage blieb in erster und zweiter Instanz erfolglos.

Das angegriffene Berufungsurteil verletzt den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG in entscheidungserheblicher Weise, soweit der Feststellungsantrag abgewiesen wurde. Der Anspruch auf rechtliches Gehör  ist verletzt, wenn im Einzelfall deutlich wird, dass Vorbringen überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist. Dabei ist aber grundsätzlich davon auszugehen, dass das Gericht das von ihm entgegengenommene Parteivorbringen zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat, ohne dass es verpflichtet wäre, sich in den Gründen seiner Entscheidung mit jedem Vorbringen ausdrücklich zu befassen. Nur wenn das Gericht auf den wesentlichen Kern des Tatsachenvortrags einer Partei zu einer Frage, die für das Verfahren von besonderer Bedeutung ist, nicht eingeht, lässt dies auf eine Nichtberücksichtigung des Vortrags schließen, sofern er nicht nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich oder aber offensichtlich unsubstantiiert war. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze liegt eine Verletzung des Anspruchs der Klägerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs vor. Das Berufungsgericht befasst sich in seinen Entscheidungsgründen nicht mit dem Aspekt der mangelnden Funktionstauglichkeit der Heizung. Dieser Aspekt stellte – neben der Frage der ordnungsgemäßen Abdichtung der erworbenen Immobilie – bereits erstinstanzlich einen zentralen Angriffspunkt der Klägerin dar. In der Berufungsinstanz hat die Klägerin ihn ausdrücklich aufrechterhalten. Auch seinem Gewicht nach ist der Mangel von hervorgehobener Bedeutung, da die veranschlagten Mängelbeseitigungskosten 11.219,92 € betragen. Die Beweisaufnahme und -würdigung befasst sich mit der Heizung jedoch ausschließlich unter dem Gesichtspunkt, dass ihre Leckage eine mögliche Ursache der im Keller befindlichen Feuchtigkeit bildete. Nicht nachgegangen ist das Berufungsgericht der unter Beweis gestellten Behauptung, die Heizung schließe einen ordnungsgemäßen Heizbetrieb in den Wintermonaten aus, weil sie entweder gar nicht oder unter voller Leistung laufe und eine Regulierung kaum oder gar nicht möglich sei, dies könne dem Verkäufer während dessen jahrelanger Eigennutzung der Immobilie nicht entgangen sein. Auch in der Würdigung der Aussage des Verkäufers findet sich keine Auseinandersetzung mit Funktionsmängeln der Heizung, während sich das Berufungsgericht mit den Angaben des Verkäufers zu den sonstigen behaupteten Mängeln detailliert auseinandersetzt.

Die Gehörsverletzung ist entscheidungserheblich. Das Berufungsgericht hat offengelassen, ob die Beklagte gegenüber der Klägerin ihre Beratungspflichten verletzt hat. Revisionsrechtlich ist daher zu unterstellen, dass die Beklagte „Anfechtung und Rücktritt“ erklärte, ohne dass die Klägerin hinreichend über die Rechtsfolgen der Gestaltungserklärung unterrichtet worden war, ferner, dass sich die Klägerin bei ordnungsgemäßer Beratung gegen eine Ausübung der Gestaltungsrechte entschieden hätte. Hat die Beklagte wegen arglistig verschwiegener Mängel wirksam Anfechtung oder Rücktritt erklärt, kann die Klägerin vom Verkäufer nicht mehr die Kosten für eine Mängelbeseitigung verlangen. Unterstellt, der Vorwurf arglistiger Täuschung greift durch, war die Klägerin berechtigt, den Vertrag anzufechten (§ 123 Abs. 1 BGB) oder den Rücktritt zu erklären (§ 437 Nr. 2, § 434 BGB), ohne dass es insoweit einer Nachfrist bedurfte; ein arglistig verschwiegener, die Funktion der Heizung beeinträchtigender Mangel ist erheblich. Unabhängig davon, ob die Erklärung als Anfechtung oder Rücktritt auszulegen ist, hat sich die Klägerin mit der Erklärung von Anfechtung beziehungsweise Rücktritt unwiderruflich gegen ein Festhalten am Kaufvertrag entschieden. Nachbesserung und Schadensersatz, der auf Erstattung der notwendigen Kosten für eine Beseitigung der Mängel gerichtet ist, kann sie daher vom Verkäufer nicht mehr verlangen. Im Falle der Anfechtung ergibt sich dies daraus, dass durch sie das angefochtene Rechtsgeschäft als von Anfang an nichtig anzusehen ist (§ 142 Abs. 1 BGB). Im Falle des Rücktritts wird das Vertragsverhältnis in ein Rückgewährschuldverhältnis nach § 346 Abs. 1 BGB umgewandelt. Das schließt den Fortbestand von (Nach-)Erfüllungsansprüchen und damit auch den Anspruch auf kleinen Schadensersatz aus.

Im Wege des Schadensersatzes ist die Klägerin so zu stellen, wie sie ohne Pflichtverletzung der Klägerin stünde. Ohne Pflichtverletzung hätte sie gegen den Verkäufer Ansprüche auf Nachbesserung oder entsprechenden Schadensersatz geltend machen können. Tatsächlich kann sie solche Ansprüche nicht geltend machen. Für den Verlust der Ansprüche auf Erstattung der Kosten der Mängelbeseitigung gegen den Verkäufer haftet die Beklagte aus § 280 Abs. 1 BGB.

 

Fazit: Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass das Gericht das von ihm entgegengenommene Parteivorbringen zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat, ohne dass es verpflichtet wäre, sich in den Gründen seiner Entscheidung mit jedem Vorbringen ausdrücklich zu befassen. Nur wenn das Gericht auf den wesentlichen Kern des Tatsachenvortrags einer Partei zu einer Frage, die für das Verfahren von besonderer Bedeutung ist, nicht eingeht, lässt dies auf eine Nichtberücksichtigung des Vortrags schließen, sofern er nicht nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich oder aber offensichtlich unsubstantiiert war.

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Diese Woche geht es um die Beweislast bei Verkehrsunfällen.

Anscheinsbeweis bei berührungslosem Unfall mit einem Motorradfahrer
BGH, Urteil vom 3. Dezember 2024 – VI ZR 18/24

Der VI. Zivilsenat präzisiert die Voraussetzungen für einen Anscheinsbeweises bei Auffahrunfällen und ähnlichen Situationen.

Die Beklagte wollte mit ihrem Pkw in einer leichten Rechtskurve an einem stehenden Müllfahrzeug vorbeifahren und wechselte deshalb auf die Gegenfahrbahn. Ein ihr dort entgegenkommender Pkw bremste stark ab, um eine Kollision zu vermeiden. Der Kläger, der mit seinem Motorrad hinter diesem Pkw fuhr, machte eine Vollbremsung und geriet dabei ins Rutschen. Er stürzte und zog sich erhebliche Verletzungen zu. Zu einer Kollision mit dem vorausfahrenden Pkw kam es nicht.

Das LG hat die auf Feststellung der Pflicht zum Ersatz aller Schäden gerichtete Klage abgewiesen. Das OLG hat festgestellt, dass die Beklagte zum Schadensersatz auf der Grundlage einer Haftungsquote von 40 % verpflichtet ist.

Sowohl die Revision des Klägers als auch die Anschlussrevision der Beklagten haben Erfolg und führen zur Zurückverweisung der Sache an das OLG.

Zu Recht ist das OLG davon ausgegangen, dass der geltend gemachte Schaden beim Betrieb des Fahrzeugs der Beklagten entstanden ist. Der dafür erforderliche Zusammenhang ist auch ohne Kollision der Fahrzeuge gegeben, wenn das Fahrverhalten eines Fahrers über dessen bloße Anwesenheit an der Unfallstelle hinaus in irgendeiner Art und Weise das Fahrmanöver des Unfallgegners beeinflusst hat. Diese Voraussetzung ist im Streitfall erfüllt, weil die Beklagte durch das Wechseln auf die Gegenfahrbahn die Reaktion der beiden ihr entgegenkommenden Fahrer beeinflusst hat. Dieser Zusammenhang besteht auch dann, wenn der Kläger oder der vor ihm fahrende Pkw-Fahrer eine unnötige Paník- oder Schreckbremsung durchgeführt haben.

Ebenfalls zu Recht ist das OLG zu dem Ergebnis gelangt, dass der Unfall für den Kläger kein unabwendbares Ereignis darstellte. Ein Idealfahrer, der weiß, dass sein Motorrad kein Antiblockiersystem hat, hätte von vornherein den Abstand zum Vorausfahrenden und die Geschwindigkeit so bemessen, dass er selbst bei einem plötzlichen scharfen Bremsen des Vorausfahrenden noch kontrolliert bremsen kann.

Bei der Abwägung der Verursachungsbeiträge hat das OLG jedoch zu Unrecht einen Anscheinsbeweis zu Lasten des Klägers bejaht. Der Grundsatz, wonach bei einem Auffahrunfall ein Anscheinsbeweis für ein schuldhaftes Verhalten des Auffahrenden spricht, kann allerdings auch dann angreifen, wenn ein Motorradfahrer, der hinter einem stark abbremsenden Pkw fährt, stürzt und es nur durch Zufall nicht zu einer Kollision kommt. Im Streitfall beruht die Feststellung des OLG, eine Kollision habe lediglich von einem Zufall abgehangen, jedoch auf einer widersprüchlichen Würdigung der Angaben des vom LG bestellten gerichtlichen Sachverständigen.

Zu Unrecht hat das OLG auch ein Verschulden der Beklagten bejaht. Nachdem das LG aufgrund der Beweisaufnahme zu dem Ergebnis gelangt war, ein Verschulden der Beklagten sei nicht festzustellen, durfte das OLG nicht ohne erneute Beweisaufnahme zu einer anderen Beurteilung gelangen.

Praxistipp: Zur Erschütterung eines Anscheinsbeweises genügt es, Umstände vorzutragen und erforderlichenfalls zu beweisen, aus denen sich die ernsthafte Möglichkeit eines abweichenden Geschehensablaufs ergibt.

Anwaltsblog 51/2024: Haftung des Autowaschanlagenbetreibers für abgerissenen serienmäßigen Heckspoiler

Mit der Haftung des Betreibers einer Autowaschanlage für die Beschädigung eines mit einem serienmäßigen Heckspoiler ausgestatteten Fahrzeugs hatte sich der BGH zu befassen (BGH, Urteil vom 21. November 2024 – VII ZR 39/24):

Der Kläger verlangt Schadensersatz wegen der Beschädigung seines Fahrzeugs in Autowaschanlage der Beklagten, einer sog. Portalwaschanlage. In der Waschanlage weist ein Schild darauf hin, dass „die Haftung des Anlagenbetreibers (…) insbesondere dann (entfällt), wenn ein Schaden durch nicht ordnungsgemäß befestigte Fahrzeugteile oder durch nicht zur Serienausstattung des Fahrzeugs gehörende Fahrzeugteile (z.B. Spoiler, Antenne, Zierleisten o.ä.) sowie dadurch verursachte Lackkratzer verursacht worden ist, außer den Waschanlagenbetreiber oder sein Personal trifft grobe Fahrlässigkeit oder Vorsatz.“ Der Kläger fuhr Ende Juli 2021 mit seinem Pkw der Marke Land Rover, das serienmäßig mit einem Heckspoiler ausgestattet ist, in die Waschanlage ein, stellte das Fahrzeug ordnungsgemäß ab, verließ die Waschhalle und startete den Waschvorgang. Während des Waschvorgangs wurde der Heckspoiler abgerissen, wodurch Schäden am Heck des Fahrzeugs entstanden. Wegen dieses Vorfalls verlangt der Kläger von der Beklagten u.a. Schadensersatz insgesamt 3.219,31 €.

Das Amtsgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt, das Landgericht die Klage abgewiesen. Die Revision des Klägers hat Erfolg und führt zur Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils. Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht allerdings angenommen, dass es sich bei dem Vertrag über die Reinigung eines Fahrzeugs um einen Werkvertrag handelt und sich aus einem solchen Vertrag als Nebenpflicht die Schutzpflicht des Anlagenbetreibers ergibt, das Fahrzeug des Kunden vor Beschädigungen beim Waschvorgang zu bewahren. Ferner ist davon auszugehen, dass Verkehrssicherungspflichten innerhalb eines Vertragsverhältnisses zugleich Vertragspflichten sind und die auf den Werkvertrag bezogene Verkehrssicherungspflicht des Unternehmers nicht weiter geht als die werkvertragliche Schutzpflicht des Unternehmers. Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht jedoch eine schuldhafte Pflichtverletzung der Beklagten verneint. Zutreffend ist der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, wonach derjenige, der eine Gefahrenlage – etwa durch den Betrieb einer Waschanlage – schafft, grundsätzlich verpflichtet ist, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern. Der Betreiber einer Waschanlage hat dafür Sorge zu tragen, dass die Fahrzeuge seiner Kunden nicht beschädigt werden. Die rechtlich gebotene Verkehrssicherung umfasst diejenigen Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Anlagenbetreiber für notwendig und ausreichend hält, um andere vor Schäden zu bewahren. Dabei ist zu berücksichtigen, dass nicht jeder abstrakten Gefahr vorbeugend begegnet werden kann. Der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt (§ 276 Abs. 2 BGB) ist genügt, wenn im Ergebnis derjenige Sicherheitsgrad erreicht ist, den die in dem entsprechenden Bereich herrschende Verkehrsauffassung für erforderlich hält. Die Zumutbarkeit von Sicherungsvorkehrungen bestimmt sich dabei unter Abwägung der Wahrscheinlichkeit der Gefahrverwirklichung, der Gewichtigkeit möglicher Schadensfolgen und der Höhe des Kostenaufwands, der mit etwaigen Sicherungsvorkehrungen einhergeht.

Ebenfalls zutreffend hat das Berufungsgericht weiter angenommen, dass der Betreiber einer Waschanlage im Grundsatz nur bei Vorliegen einer von ihm zu vertretenden Pflichtverletzung für Fahrzeugschäden während des Waschvorgangs haftet. Eine schuldhafte Pflichtverletzung durch die Beklagte ist entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts – widerleglich – zu vermuten, weil die Schadensursache allein aus ihrem Obhuts- und Gefahrenbereich herrührt. Grundsätzlich trägt der Gläubiger die Beweislast dafür, dass der Schuldner eine ihm obliegende Pflicht verletzt und diese Pflichtverletzung den Schaden verursacht hat. Diese Grundsätze finden auch bei der Verletzung einer Schutzpflicht Anwendung, so dass es – ohne Vorliegen besonderer Umstände – nicht genügt, dass der Gläubiger lediglich nachweist, dass ihm im Zusammenhang mit der Durchführung eines Vertrags ein Schaden entstanden ist. In Abweichung von dieser regelmäßigen Beweislastverteilung hat sich der Schädiger – über den Wortlaut des § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB hinaus – nicht nur hinsichtlich seines Verschuldens zu entlasten, sondern er muss auch darlegen und gegebenenfalls beweisen, dass ihn keine Pflichtverletzung trifft, wenn die für den Schaden in Betracht kommenden Ursachen allein in seinem Obhuts- und Gefahrenbereich liegen. Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts liegt die Ursache für die Beschädigung des klägerischen Fahrzeugs allein im Obhuts- und Gefahrenbereich der Beklagten. Nach dem Gutachten des gerichtlich bestellten Sachverständigen kam es zu der Schädigung, weil die Waschanlage konstruktionsbedingt nicht für das serienmäßig mit einem Heckspoiler ausgestattete Fahrzeug des Klägers geeignet war. Das Risiko, dass eine Autowaschanlage für ein marktgängiges Fahrzeug wie dasjenige des Klägers mit einer serienmäßigen Ausstattung wie dem betroffenen Heckspoiler konstruktionsbedingt nicht geeignet ist, fällt in den Obhuts- und Gefahrenbereich des Waschanlagenbetreibers. Der Kläger, dem mit seinem marktgängigen, serienmäßig ausgestatteten und in ordnungsgemäßem Zustand befindlichen Fahrzeug von der Beklagten als Betreiberin die Nutzung der Waschanlage eröffnet wurde, konnte berechtigt darauf vertrauen, dass sein Fahrzeug so, wie es ist, also mitsamt den serienmäßig außen angebrachten Teilen, unbeschädigt aus dem Waschvorgang hervorgehen werde. Dieses Vertrauen war insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Risikobeherrschung gerechtfertigt, weil nur der Anlagenbetreiber Schadensprävention betreiben kann, wohingegen der Kunde regelmäßig sein Fahrzeug der Obhut des Betreibers überantwortet, ohne die weiteren Vorgänge selbst beeinflussen zu können. Anders als der Betreiber, der es in der Hand hat, bestimmte Fahrzeugmodelle, die er für schadensanfällig hält, von der Benutzung seiner Anlage auszuschließen und dadurch das Risiko einer Beschädigung zu verringern, ist es dem Kunden regelmäßig nicht möglich, solche Waschanlagen von vornherein zu identifizieren und zu meiden, die konstruktionsbedingt nicht geeignet sind, sein Fahrzeug ohne ein erhöhtes Schadensrisiko zu reinigen.

 

Fazit: Das Risiko, dass eine Autowaschanlage für ein marktgängiges Fahrzeug mit einer serienmäßigen Ausstattung konstruktionsbedingt nicht geeignet ist, fällt in den Obhuts- und Gefahrenbereich des Waschanlagenbetreibers. Daher hat sich der Schädiger – über den Wortlaut des § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB hinaus – nicht nur hinsichtlich seines Verschuldens zu entlasten, sondern er muss auch darlegen und gegebenenfalls beweisen, dass ihn keine Pflichtverletzung trifft (vgl. BGH, Urteil vom 30. November 2004 – X ZR 133/03 –, MDR 2005, 617).

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Diese Woche geht es um die formellen Anforderungen an einen Pflichtteilsverzicht.

Keine Vertretung des Erblassers bei Pflichtteilsverzicht
BGH, Urteil vom 20. November 2024 – IV ZR 263/23

Der IV. Zivilsenat befasst sich mit den Folgen eines Verstoßes gegen § 2347 Satz 1 BGB.

Die Klägerin nimmt den beklagten Notar wegen Amtspflichtverletzung in Anspruch.

Der verstorbene Vater der Klägerin war Eigentümer eines Hofs im Sinne der Höfeordnung. Im Dezember 2005 setzte er die Klägerin als Hofes- und Alleinerbin ein. Im Februar 2006 beurkundete der Beklagte einen Vertrag, in dem die Schwester der Klägerin gegenüber dem Vater auf ihr gesetzliches Pflichtteilsrecht und gegenüber der Klägerin und dem Vater auf die Geltendmachung von Abfindungsansprüchen aus § 12 der Höfeordnung verzichtete. Im Gegenzug verpflichtete sich die Klägerin gegenüber ihrer Schwester zur Zahlung einer Abfindung in Höhe von 30.000 Euro. Der Erblasser war bei der Beurkundung durch eine Mitarbeiterin des Beklagten vollmachtlos vertreten. Er genehmigte die Vereinbarung später mit einer vom Beklagten beglaubigten Unterschrift.

Nach dem Tod des Erblassers im Jahr 2020 machte die Schwester der Klägerin Pflichtteilsansprüche geltend. Die Klägerin begehrt deshalb die Feststellung, dass der Beklagte den Schaden zu ersetzen hat, dass die beurkundeten Verzichtserklärungen unwirksam sind.

Das LG hat die Klage abgewiesen. Das OLG hat die begehrte Feststellung ausgesprochen.

Die Revision des Beklagten bleibt ohne Erfolg.

Zu Recht ist das OLG davon ausgegangen, dass der Beklagte seine Amtspflichten verletzt hat, weil er die Regelung in § 2347 Satz 1 BGB (damals noch: § 2347 Abs. 2 Satz 1 BGB a.F.) übersehen hat, wonach der Erblasser einen Vertrag über den Verzicht auf ein gesetzliches Erbrecht oder einen Pflichtteil nur persönlich schließen kann. Der Beklagte hätte darauf hinwirken müssen, dass der Erblasser persönlich an der Beurkundung des Vertrags teilnimmt oder dass die beiden Töchter ein notarielles Angebot unter Abwesenden abgeben, das der Vater durch notarielle Erklärung annimmt. Diese Amtspflicht bestand auch gegenüber der Klägerin, weil diese von dem Pflichtteilsverzicht begünstigt war.

Zu Recht hat das OLG einen Schaden der Klägerin bejaht, für den sie nicht anderweitig Ersatz erlangen kann.

Der entgegen § 2347 Satz 1 BGB durch eine Vertreterin des Erblassers geschlossene Vertrag konnte durch die Genehmigung des Erblassers nicht wirksam werden. Ob sich aus dem Vertrag zumindest eine Pflicht zum Verzicht auf das Pflichtteilsrecht ergibt, bedarf keiner Entscheidung, weil eine Erfüllung dieser Pflicht nur vor dem Tod des Vaters möglich war.

Eine ergänzende Auslegung des Vertrags dahin, dass sich die Schwester der Klägerin dieser gegenüber verpflichtet hat, nach dem Erbfall keine Pflichtteilsansprüche geltend zu machen (was nach § 311b Abs. 5 BGB zulässig wäre), scheidet aus, weil der Verzicht auf den Pflichtteil nur gegenüber dem Vater erklärt wurde.

Der Verzicht auf Ansprüche aus der Höfeordnung ist ebenfalls unwirksam, weil der vereinbarte Abfindungsanspruch sowohl diesen Verzicht als auch den Pflichtteilsverzicht abgelten sollte und die beiden Verzichtserklärungen deshalb in untrennbarem Zusammenhang stehen.

Der Ersatzanspruch ist nicht verjährt. Er ist erst mit dem Erbfall entstanden, weil zu diesem Zeitpunkt der relevante Vermögensschaden eintrat, nämlich der Anfall eines um den Pflichtteilsanspruch geminderten Erbschaft.

Praxistipp: Eine Erklärung durch den Erblasser persönlich schreibt das Gesetz auch für Testamente (§ 2064 BGB) sowie für Erbverträge (§ 2274 BGB) und deren Aufhebung (§ 2290 Abs. 2 BGB) vor.

Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um die Ersatzfähigkeit von Verdienstausfallschaden.

Verdienstausfall nach Krankschreibung
BGH, Urteil vom 8. Oktober 2024 – VI ZR 250/22

Der VI. Zivilsenat befasst sich mit den Auswirkungen einer objektiv unrichtigen Krankschreibung im Verhältnis zu einem zum Ersatz von Verdienstausfall verpflichteten Schädiger.

Der Kläger arbeitete in einer Waschstraße. Im Mai 2019 erlitt er durch einen Unfall, für dessen Folgen die Beklagten dem Grunde nach voll einzustehen haben, eine tiefe Riss- und Quetschwunde am linken Unterschenkel. Er war zwei Wochen in stationärer Behandlung und laut fachärztlicher Bescheinigung bis September 2020 arbeitsunfähig. Er begehrt deshalb Ersatz der Differenz zwischen seinem Gehalt und dem Krankengeld für einen Zeitraum von sechzehn Monaten. Dies sind insgesamt rund 2.200 Euro.

Das LG hat dem Kläger Verdienstausfall für zweieinhalb Monate (rund 350 Euro) zugesprochen und die weitergehende Klage abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung des Klägers ist erfolglos geblieben.

Der BGH verweist die Sache an das OLG zurück.

Nach den nicht angegriffenen Feststellungen der Vorinstanzen war der Kläger in dem relevanten Zeitraum objektiv nur zweieinhalb Monate lang arbeitsunfähig.

Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen ist dem Kläger aber schon dann ein ersatzfähiger Schaden entstanden, wenn er im berechtigten Vertrauen auf die fachärztliche Krankschreibung nicht zur Arbeit gegangen ist.

Das OLG wird deshalb im wieder eröffneten Berufungsverfahren zu prüfen haben, ob der Kläger auf die Krankschreibung für den restlichen Zeitraum vertrauen durfte. Dies setzt voraus, dass er den Arzt vollständig und zutreffend informiert hat, insbesondere über die von ihm empfundenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen, die der Arzt zur Grundlage seiner Beurteilung und Empfehlung gemacht hat. Ferner muss das ärztliche Verfahren zur Feststellung der Arbeitsunfähigkeit so gestaltet sein, dass der Geschädigte zu Recht annehmen darf, dass die Feststellung inhaltlich zutreffend ist und auch einer späteren Überprüfung standhalten würde.

Praxistipp: Wegen des bei der Krankschreibung einzuhaltenden Verfahrens verweist der BGH auf die vom Gemeinsamen Bundesausschuss der gesetzlichen Krankenversicherung erlassene Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie. Diese ist im Bundesanzeiger veröffentlicht, aber auch auf den Internetseiten des Gemeinsamen Bundesausschusses abrufbar.