Versagung des Zutritts zu einer Musikveranstaltung wegen zu hohen Alters

Der VII. Zivilsenat des BGH hat sich mit Urteil vom 5.5.2021 – VII ZR 78/20 mit dem Benachteiligungsverbot aus §§ 19, 21 AGG befasst. Der BGH wies die Revision des Klägers zurück, der gegen den Veranstalter eines Open-Air-Events in München Zahlungsansprüche geltend gemacht hatte, weil ihm wegen seines Alters der Zutritt verwehrt worden war.

Dieses Open-Air-Event, das am 26.08.2017 auf der Praterinsel in München unter dem Titel „Beim Isarrauschen“ stattfand, war nach dem Willen des privatrechtlich tätigen Veranstalters ausschließlich für Personen im Alter von 18 bis 28 Jahren vorgesehen. Die angebotene Musik war die, die mehrheitlich von jungen Leuten in der vom Veranstalter vorgegebenen Altersgruppe gehört wird. Eintrittskarten konnten nicht im Vorverkauf, sondern erst nach dem Passieren der Einlasskontrolle an der Tageskasse erworben werden. In den Veranstaltungsanzeigen war nur auf das Mindestalter von 18 Jahren hingewiesen worden. Wegen der Örtlichkeit war die Teilnehmerzahl auf höchstens 1.500 Personen beschränkt. Die Türsteher überprüften nur durch Augenschein, ob die Besucher zwischen 18 und 28 Jahren alt sein dürften. Dem damals 44-jährigen Kläger, der nach seinem Aussehen zu alt für diese Veranstaltung erschien, wurde der Zutritt verwehrt. Er fühlte sich deshalb wegen seines Alters i.S.d. § 19 Abs. 1 AGG diskriminiert und verlangte nach dem gescheiterten Schlichtungsverfahren von dem Veranstalter gem. § 21 Abs. 2 AGG die Erstattung der Kosten für dieses Verfahren in Höhe von 142,80 € sowie eine Entschädigung in Höhe von 1.000 €. Das AG München wies dem Urteil vom 10.10.2018 – 122 C 5020/10 die Klage ab. Das LG München I wies unter Zulassung der Revision die Berufung des Klägers mit Urteil vom 31.3.2020 – 13 S 17353/18 zurück. Es begründete seine Entscheidung im Wesentlichen damit, dass sich das Benachteiligungsverbot aus § 19 Abs. 1 AGG auf Massengeschäfte beschränke. Das streitgegenständliche Open-Air-Event sei schon deshalb kein Massengeschäft i.S.d. § 19 Abs. 1 AGG gewesen, weil der Veranstalter die Zielgruppe altersmäßig definiert habe, um ein möglichst homogenes Publikum zu haben. Außerdem habe wegen der Höchstkapazität von 1.500 Personen der Zutritt auf eine bestimmte Personengruppe beschränkt werden müssen.

Die Revisionszurückweisung durch den BGH, der in der Altersbeschränkung ebenfalls keinen Verstoß gegen das zivilrechtliche Benachteiligungsverbot des § 19 Abs. 1 AGG gesehen hat, ist zu begrüßen. Es muss einem privatrechtlich tätigen Veranstalter möglich sein, den Zugang zu seiner Musikveranstaltung altersmäßig auf eine Personengruppe zu beschränken, wenn er dadurch die von ihm gewünschte Partystimmung gewährleisten will. Auch die eingeschränkte Kapazität eines Veranstaltungsorts stellt einen nachvollziehbaren Grund dar, nur einer bestimmten Personengruppe, die zur Veranstaltung passt, den Zugang zu gewähren. Eine andere Entscheidung des BGH hätte zu einem Kontrahierungszwang in der Weise geführt, dass jeder zahlungswilligen und zahlungsfähigen Person der Zutritt zu einer solchen Veranstaltung zu gewähren wäre. Es wäre dann ganz egal, ob sie altersmäßig zu den anderen Besuchern passen würde oder ein störender Fremdkörper innerhalb der Veranstaltung wäre. Der Gesetzgeber hat das Benachteiligungsverbot im § 19 Abs. 1 AGG bewusst auf Massengeschäfte und auf Verträge beschränkt, bei denen die Person des Vertragspartners für den Anbieter einer Leistung eine untergeordnete Rolle spielt. Massengeschäfte liegen vor, wenn diese „typischerweise ohne Ansehen der Person zu vergleichbaren Bedingungen in einer Vielzahl von Fällen zustande kommen“ – z.B. im Supermarkt und im Personennahverkehr. Ähnliches gilt, wenn das „Ansehen der Person nach der Art des Schuldverhältnisses eine nachrangige Bedeutung hat“. In beiden Fällen geht es dem Anbieter einer Leistung primär darum, dass sein Vertragspartner, den von ihm verlangten Preis zahlt und sich im Übrigen gesittet aufführt.

Fazit: Wenn ein Veranstalter – wie hier geschehen – aus nachvollziehbaren Gründen nur Teilnehmer aus einer bestimmten Altersgruppe haben will, dann sollte er dies in der Veranstaltungsanzeige bereits angeben. Man darf gespannt sein, ob der Kläger noch vor das BVerfG zieht.

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Diese Woche geht es um die Haftung als Zustandsstörer gemäß § 1004 BGB

Haftung als Zustandsstörer für vermietete Abfallcontainer
Urteil vom 26. März 2021 – V ZR 77/20

Mit den Pflichten des Vermieters eines Abfallcontainers gegenüber einem Grundstückseigentümer befasst sich der V. Zivilsenat.

Die Klägerin hatte ein Grundstück an eine später insolvent gewordene UG vermietet. Die Beklagte stellte im Auftrag der Mieterin zwei Abfallcontainer auf dem Grundstück auf und übernahm es, diese nach Befüllung mit Altholz zur Entsorgung abzuholen. Zur Abholung der befüllten Container kam es nicht, weil die Mieterin die Rechnung der Beklagten nicht bezahlte. Nach Beendigung des Grundstücksmietvertrags verlangte die Klägerin von der Beklagten die Entfernung der befüllten Container. Das AG verurteilte die Beklagte lediglich zur Abholung in leerem Zustand. Das LG gab der Klage in vollem Umfang statt.

Die Revision der Beklagten bleibt erfolglos. Der Klägerin steht aus § 1004 Abs. 1 BGB ein Anspruch auf Entfernung der Container samt Inhalt zu. Das der Mieterin zustehende Recht zum Besitz des Grundstücks, das gemäß § 1004 Abs. 2 BGB Beseitigungsansprüche der Klägerin gegen Dritte ausschloss, ist mit Beendigung des Grundstücksmietvertrags erloschen. Von diesem Zeitpunkt an stellt der weitere Verbleib der Container auf dem Grundstück eine rechtswidrige Beeinträchtigung des Grundstückseigentums dar. Die Beklagte haftet für diese Beeinträchtigung als Zustandsstörerin, weil sie die Container zum Zweck der späteren Abholung in befülltem Zustand auf dem Grundstück abgestellt hat. Der hieraus resultierenden Verantwortung gegenüber der Klägerin darf sie sich nicht deshalb entziehen, weil die Mieterin die aus dem Auftrag resultierende Zahlungspflicht nicht erfüllt hat. Die Störerhaftung der Beklagten erstreckt sich auch auf Abfall, den Dritte unbefugt in die Container eingeworfen haben, weil diese frei zugänglich waren. Ob dies auch für Gift- oder Gefahrstoffe gilt, deren Entsorgung mit hohen Kosten verbunden ist, lässt der BGH offen.

Praxistipp: Der Beklagte kann in solchen Konstellationen das Kostenrisiko reduzieren, indem er die Pflicht zur Abholung in leerem Zustand bereits vorgerichtlich und nach Klageerhebung unverzüglich auch gegenüber dem Gericht anerkennt.

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Diese Woche geht es um die Haftung eines Sportverbands und von Übungsleitern bei einem Kadertraining

Unterlassene Erste-Hilfe-Maßnahmen bei einem Kadertraining
Urteil vom 19. Januar 2021 – VI ZR 188/17

Mit den Anspruchsgrundlagen und dem Sorgfaltsmaßstab bei Gesundheitsschäden während einer Trainingsveranstaltung eines Sportverbands befasst sich der VI. Zivilsenat.

Der damals fünfzehnjährige Kläger nahm im Jahr 2009 an einem Kreiskadertraining für minderjährige Tischtennisspieler teil. Veranstalter war der Beklagte zu 1, ein Verband von Tischtennisvereinen. Die Beklagten zu 2 und 3 waren bei der Veranstaltung als Trainer eingesetzt. Nach einem Schnelligkeitstraining brach der Kläger zusammen und verlor das Bewusstsein. Der Beklagte zu 3 brachte ihn in stabile Seitenlage, andere Anwesende suchten in der Sporttasche des Klägers nach Asthmamitteln. Nach einiger Zeit wurde ein Notarzt verständigt. Dieser traf vier Minuten später ein und stellte einen Herz-Kreislauf-Stillstand sowie eine komplette Blaufärbung von Haut und Schleimhäuten fest. Sofort eingeleitete Wiederbelebungsmaßnahmen führten nach fünf Minuten dazu, dass der Kläger kreislaufstabil war. In der Folgezeit zeigte sich eine Hirnschädigung aufgrund von Sauerstoffmangel. Der Kläger ist auf Dauer schwerst pflegebedürftig. Die auf Zahlung von Schmerzensgeld und Feststellung der Ersatzpflicht für zukünftige materielle Schäden gerichtete Klage hatte in erster Instanz gegenüber den Beklagten zu 2 und 3 Erfolg. Das OLG wies die Klage insgesamt ab.

Der BGH verweist die Sache an das OLG zurück.

Entgegen der Auffassung der Vorinstanz haftet der Beklagte zu 1 dem Kläger für eventuelle Pflichtverletzungen aus Vertrag. Der BGH lässt offen, ob sich eine Vertragsbeziehung schon daraus ergibt, dass der Kläger Mitglied eines dem Beklagten zu 1 angehörenden Vereins war, und ob die Einladung zu dem Kadertraining als Angebot auf Abschluss eines Betreuungsvertrags anzusehen ist. Ein Trainingsvertrag kam jedenfalls konkludent durch Aufnahme des Trainings zustande. Der Beklagte war aufgrund dieses Vertrags verpflichtet, diejenigen Sicherheitsvorkehrungen zu treffen, die ein gewissenhafter Veranstalter für ausreichend halten darf, um die Teilnehmer vor Schäden zu bewähren. Hierbei haftet er für jede Art der Fahrlässigkeit. § 680 BGB, der für Geschäftsführer ohne Auftrag eine Haftungsbeschränkung auf grobe Fahrlässigkeit vorsieht, ist nicht anwendbar, weil eine Vertragsbeziehung bestand. Für Pflichtverletzungen der Beklagten zu 2 und 3 hat der Beklagte zu 1 nach § 278 BGB einzustehen.

Die Beklagten zu 2 und 3 haften nach Maßgabe von § 823 Abs. 1 BGB. Auch ihnen gegenüber greift die Haftungsbeschränkung nach § 680 BGB nicht. Sie waren nicht als eigenständige Geschäftsführer tätig, sondern als Erfüllungsgehilfen des Beklagten zu 1.

Eine Pflichtverletzung der Beklagten zu 2 und 3, die über eine Ausbildung in Erster Hilfe verfügen, liegt vor, wenn sie den Notarzt erst zehn Minuten nach dem Zusammenbruch verständigt oder wenn sie von sofortigen Maßnahmen zur Wiederbelebung abgesehen haben, obwohl deren Notwendigkeit für sie erkennbar war. Zur ersten Frage haben die Vorinstanzen keine Feststellungen getroffen, die zweite Frage haben sie unter der unzutreffenden Prämisse beurteilt, die Beklagten hafteten nur für grobe Fahrlässigkeit.

Praxistipp: Bei einer Klage gegen einen Verband ist besonders sorgfältig auf die zutreffende Parteibezeichnung zu achten. Insbesondere sollte die Klage nicht gegen unselbständige Unterorganisationen gerichtet werden.

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Diese Woche geht es um den Anwendungsbereich des Wohnraummietrechts

Vermietung von Wohnräumen an gewerblichen Zwischenmieter
Urteil vom 13. Januar 2021 – VIII ZR 66/19

Mit den Voraussetzungen einer Einordnung als Wohnraummietvertrag befasst sich der VIII. Zivilsenat.

Der Kläger ist Zwangsverwalter eines Grundstücks. Die Schuldnerin hatte acht dazu gehörende Wohnungen an eine GmbH & Co. KG vermietet. Der Vertrag trägt die Überschrift „Mietvertrag über Wohnraum“ und sieht unter anderem vor, dass sich die Kündigungsfristen nach der (für die Wohnraummiete geltenden) Regelung in § 573c BGB richten. Ferner ist vereinbart, dass der Mieter zu einer Untervermietung berechtigt ist. Im August 2011 kündigte der Kläger den Mietvertrag mit der Gesellschaft. Diese vermietete kurz darauf – noch vor Ablauf der Kündigungsfrist – eine der Wohnungen an den Beklagten. Im Juni 2016 kündigte der Kläger das Mietverhältnis mit dem Beklagten wegen Zahlungsverzugs fristlos, hilfsweise fristgemäß. Das AG verurteilte den Beklagten antragsgemäß zu Räumung und Herausgabe sowie zur Zahlung von rückständiger Miete und Nebenkosten. Das LG wies die Klage ab.

Der BGH verweist die Sache an das LG zurück. Entgegen der Auffassung des LG ist der Kläger gemäß § 565 Abs. 1 Satz 1 BGB in das Mietverhältnis zwischen der Gesellschaft und dem Beklagten eingetreten. Die von ihm im August 2011 erklärte Kündigung war wirksam. Sie bedurfte nicht eines berechtigten Interesses im Sinne von § 573 BGB, weil der gekündigte Vertrag nicht den Vorschriften über die Wohnraummiete unterlag. Nach dem Gesetz sind diese Vorschriften nur dann anwendbar, wenn der Mieter die Wohnung zu Wohnzwecken nutzen will. Diese Voraussetzung liegt im Streitfall nicht vor, weil die Gesellschaft die Wohnungen zum Zwecke der Weitervermietung angemietet hat. Entgegen der Auffassung des LG ist dem Vertrag mit der Gesellschaft keine konkludente Einigung über die Geltung der genannten Vorschriften zu entnehmen. Die Bezeichnung als Wohnraummietvertrag und die Vereinbarung der in § 573c BGB geltenden Kündigungsfristen reichen hierfür nicht aus.

Praxistipp: Für den Untermieter hat die Beendigung des Hauptmietvertrags in solchen Konstellationen lediglich einen Vermieterwechsel gemäß § 565 Abs. 1 Satz 1 BGB zur Folge.

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Diese Woche geht es um die Grenzen der Schutzwirkung eines Anwaltsmandats.

Schutzwirkung eines Rechtsberatungsvertrags
Urteil vom 9. Juli 2020 – IX ZR 289/19

Mit den Pflichten eines Rechtsanwalts befasst sich – anlässlich eines überaus tragischen Falls – der IX. Zivilsenat.

Die Mutter der im Jahr 1994 und 1997 geborenen Klägerinnen ist seit einem Verkehrsunfall im Jahr 2006 schwerstbehindert und dauerhaft pflegebedürftig. Die Klägerinnen erlitten bei dem Unfall nur leichte Verletzungen. Die Haftpflichtversicherung des Unfallgegners bestätigte gegenüber der Mutter ihre volle Einstandspflicht dem Grunde nach. Im Dezember 2007 beauftragte die Mutter den beklagten Rechtsanwalt mit der Weiterverfolgung der unfallbedingten Schadensersatzansprüche. Ab 2013 begaben sich die Klägerinnen in psychotherapeutische Behandlung. Die Versicherung lehnte eine Erstattung der dafür anfallenden Kosten wegen Verjährung ab. Die Klägerinnen verlangen deshalb vom Beklagten Schadensersatz. Sie machen geltend, der Beklagte hätte im Rahmen des von ihrer Mutter erteilten Mandats auch auf die den Klägerinnen zustehenden Ansprüche hinweisen müssen. Die Klage blieb in den beiden ersten Instanzen ohne Erfolg.

Die Revision der Klägerinnen hat ebenfalls keinen Erfolg. Ein Anwaltsvertrag kann zwar auch ohne ausdrückliche Regelungen Schutzwirkungen zugunsten eines Dritten entfalten. Im Streitfall ist das Berufungsgericht aber rechtsfehlerfrei zu der Beurteilung gelangt, dass es an der erforderlichen Leistungsnähe fehlte. Der Beklagte war nur mit der Geltendmachung von Ansprüchen der Mutter betraut. Zudem war damals nicht offenkundig, dass die bei dem Unfall nur leicht verletzten Klägerinnen Spätfolgen erleiden könnten, die Maßnahmen zur Hemmung der Verjährung angezeigt erscheinen lassen.

Praxistipp: Auch wenn der BGH im konkreten Fall eine Haftung verneint hat, erscheint es in vergleichbaren Situationen ratsam, bei der Übernahme des Mandats nachzufragen, ob mögliche Ansprüche von Angehörigen, die ebenfalls durch den Unfall geschädigt worden sind, bereits in Betracht gezogen worden sind.

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Nach längerer Pause geht es diese Woche um eine Frage aus dem Werkvertragsrecht.

Keine Fälligkeit des Werklohnanspruchs wegen Verjährung des Herstellungsanspruchs
Urteil vom 28. Mai 2020 – VII ZR 108/19

Mit einer auf den ersten Blick kuriosen Argumentation hatte sich der VII. Zivilsenat zu befassen.

Die Beklagte beauftragte die Klägerin im Jahr 2010 mit der Erweiterung eines Fachwerkhauses zu einem Pauschalpreis von rund 300.000 Euro. Nach Ausführung der Arbeiten lehnte die Beklagte im Januar 2012 die Abnahme unter Hinweis auf offene Restarbeiten und zahlreiche Mängel ab. Nach Beseitigung einiger Mängel übersandte die Klägerin eine Schlussrechnung über einen noch offenen Betrag von rund 117.000 Euro. Die Beklagte machte weiterhin Mängel geltend und errechnete einen Rückzahlungsanspruch zu ihren Gunsten von rund 170.000 Euro. Das LG wies die Klage auf Zahlung des Rechnungsbetrags als derzeit unbegründet ab. Die Berufung der Klägerin blieb erfolglos.

Die Revision der Klägerin bleibt ebenfalls ohne Erfolg. Nach den in der Revisionsinstanz nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts ist der Vergütungsanspruch der Klägerin nicht fällig geworden, weil die Beklagte das Werk nicht abgenommen hat und hierzu wegen wesentlicher Mängel des Werks auch nicht verpflichtet war. Entgegen der Auffassung der Revision ist der Anspruch auch nicht deshalb fällig geworden, weil der Anspruch der Beklagten auf Herstellung des Werks mittlerweile verjährt ist. Nach der Rechtsprechung des BGH wird der Vergütungsanspruch zwar fällig, wenn der Besteller Minderung oder Schadensersatz verlangt oder weitere Arbeiten des Unternehmers ernsthaft und endgültig ablehnt. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall aber nicht erfüllt. Auf den Fall der Verjährung des Vergütungsanspruchs kann die in Rede stehende Rechtsprechung nicht übertragen werden. Anders als in den genannten Konstellationen steht es dem Unternehmer hier frei, seine Leistung noch zu erbringen.

Praxistipp: Trotz Abweisung der Klage bleibt dem Unternehmer die Möglichkeit, die vom Gericht festgestellten Mängel zu beheben und ggf. erneut auf Zahlung des Werklohns zu klagen. Ob dies wirtschaftlich sinnvoll ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab.

Online-Tagung „Vertragsrecht in der Coronakrise“

Die Coronakrise wirft eine Menge spannender Rechtsfragen auf. In der öffentlichen Diskussion stehen dabei derzeit öffentlich-rechtliche Fragestellungen (beispielsweise Ausgangsbeschränkungen, öffentliche Finanzhilfen für Unternehmen oder Triagierungen) im Vordergrund. Im Hinblick auf die wirtschaftlichen Folgen drängen aber auch viele zivilrechtliche Probleme. Manche davon geht der Gesetzgeber bereits an. Die Online-Tagung „Vertragsrecht in der Coronakrise“ widmet sich solchen Fragestellungen aus dem Bereich des Vertragsrechts. Sind Vertragsanpassungen möglich, wenn die Leistung für eine der Parteien durch die Einschränkungen des öffentlichen Lebens sinnlos geworden sind? Unter welchen Umständen ist von einer Unmöglichkeit der Leistungserbringung auszugehen? Welche Vertragspartei trägt welche Risiken im Fall allgemeiner Ausgangsbeschränkungen?

 Die Online-Tagung „Vertragsrecht in der Coronakrise“ findet am Wochenende 18./19. April 2020 statt. Die Beiträge werden als Video online gestellt und von der Tagungshomepage (http://jura.uni-koeln.de/extern-divider/effer-uhe/online-tagung-1-vertragsrecht-in-der-coronakrise) aus verlinkt. In der Kommentarspalte der Videoplattform können die Referate diskutiert werden. Die Beiträge erscheinen im Anschluss an die Tagung in einem Tagungsband bei Nomos als E-Book (Open Access). Sobald die Manuskripte eingereicht sind, stellen wir sie vorab bis zum Erscheinen des Tagungsbandes auf der Tagungshomepage online.

Programm

Das Videoformat der Tagung ermöglicht, die Vortragsvideos flexibel zu jeder beliebigen Zeit anzusehen. Die Diskussion findet aber in bestimmten Zeitfenstern statt: Die folgende Programmübersicht gibt jeweils ein Zeitfenster an, innerhalb dessen die Zuschauer Fragen stellen können, und ein Zeitfenster, in dem der Referent auf die Fragen antworten wird. Die Diskussion wird sich im Rahmen der Kommentarfunktion von Youtube beim jeweiligen Video abspielen. Um aktiv an der Diskussion teilzunehmen, ist daher ein Youtube-Account erforderlich, den Sie auf www.youtube.com kostenfrei anlegen können.

Samstag, 18.04.2020

 

Titel Referent Zeitfenster für Fragen des Auditoriums Zeitfenster für Antworten des Referenten
Grußwort Staatssekretär Mathias Weilandt (Sächsisches Staatsministerium der Justiz und für Demokratie, Europa und Gleichstellung)
Die vertragsrechtlichen Regelungen in Art. 240 EGBGB: Voraussetzungen, Rechtsfolgen, offene Fragen – Teil I: Die Corona-Einrede: Moratorium für Verbraucher und Kleinstunternehmen Dr. Ann-Marie Kaulbach, Köln 10-12 Uhr 12-14 Uhr
Die vertragsrechtlichen Regelungen in Art. 240 EGBGB: Voraussetzungen, Rechtsfolgen, offene Fragen – Teil II: Sonderregelungen für Verbraucherdarlehensverträge Dipl.-Kfm. Dr. Bernd Scholl, Köln 11-13 Uhr 13-15 Uhr
Niemand zahlt mehr Miete!? – Die ‚Corona-Krise‘ und Ihre Auswirkungen auf die Pflicht zur Mietzahlung Dr. Jonas Brinkmann, Bielefeld 12-14 Uhr 14-16 Uhr
Verbraucher- und Gläubigerrechte in der Corona-Krise – Ausweitung oder Einschränkung? Dr. Caspar Behme, München 13-15 Uhr 15-17 Uhr
Corona und das allgemeine Leistungsstörungsrecht Prof. Dr. Thomas Riehm, Passau 14-16 Uhr 16-18 Uhr

 

Sonntag, 19.04.2020

 

Titel Referent Zeitfenster für Fragen des Auditoriums Zeitfenster für Antworten des Referenten
Wegfall der Geschäftsgrundlage als Antwort des Zivilrechts auf krisenbedingte Vertragsstörungen? Systemerwägungen zu § 313 BGB und sachgerechter Einsatz in der judikativen Praxis Jun.-Prof. Dr. Jens Prütting, Hamburg 10-12 Uhr 12-14 Uhr
COVInsAG: Auswirkungen auf die Insolvenzantragspflicht und die Haftung der Organe Prof. Dr. Jens M. Schmittmann, Essen 11-13 Uhr 13-15 Uhr
Ausgewählte Probleme aus dem Reiserecht PD Dr. Patrick Meier, Würzburg 12-14 Uhr 14-16 Uhr
Transportrecht Jun.-Prof. Dr. Andreas Maurer, Mannheim 13-15 Uhr 15-17 Uhr
Arbeitsvertragsrecht in der Coronakrise Stephan Klawitter, Berlin 14-16 Uhr 16-18 Uhr

 

Montagsblog: Sonderausgabe

Diese Woche geht es ausnahmsweise nicht um eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs.

Das Covid-19-Moratorium
Art. 240 § 1 EGBGB (BGBl. 2020 I 569 [572 f.])

Mit dem seit 1.4.2020 geltenden Zahlungsmoratorium für Verbraucher und Kleinstunternehmen befasst sich der Montagsblog in dieser Sonderausgabe.

Das Gesetz zur Abmilderung der Folgen der Covid-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht vom 27.3.2020 sieht in Art. 240 § 1 EGBGB ein potentiell weitreichendes Leistungsverweigerungsrecht vor.

Nach der am 1.4.2020 in Kraft getretenen Regelung dürfen Verbraucher und Kleinstunternehmen Leistungen verweigern, wenn deren Erbringung infolge von Umständen, die auf die Ausbreitung der Infektionen mit dem Sars-CoV-2-Virus zurückzuführen sind, ohne Gefährdung des angemessenen Lebensunterhalts bzw. der wirtschaftlichen Grundlagen des Betriebs nicht möglich wäre. Das Leistungsverweigerungsrecht ist ausgeschlossen, wenn seine Ausübung für den Gläubiger seinerseits unzumutbar wäre.

Das Leistungsverweigerungsrecht besteht nur in Bezug auf wesentliche Dauerschuldverhältnisse wie Pflichtversicherungen und Verträge über die Lieferung von Strom, Gas und Wasser sowie über Telekommunikationsdienste. Es ist zunächst bis 30.6.2020 befristet. Eine Verlängerung auf dem Verordnungswege ist möglich.

Ob und in welchem Umfang sich die Gerichte in den kommenden Wochen und Monaten mit dieser Vorschrift befassen müssen, bleibt abzuwarten. Sie wird aber auf lange Zeit von Bedeutung bleiben, weil das Leistungsverweigerungsrecht auch eventuelle Sekundärrechte wegen Verzug oder Nichterfüllung ausschließt.

Praxistipp: Das Leistungsverweigerungsrecht entfaltet seine Wirkung erst dann, wenn der Schuldner sich darauf beruft. Betroffene Personen und Unternehmen sollten den Gläubiger deshalb umgehend informieren und möglichst aussagekräftige Unterlagen beiliegen, aus denen sich die Ursächlichkeit zwischen der Covid-19-Pandemie und der fehlenden Leistungsfähigkeit ergibt. Entsprechendes gilt für einen Gläubiger, der sich auf den Ausschluss des Rechts wegen Unzumutbarkeit berufen will.

Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um eine im Alltag häufig auftretende Fallkonstellation.

Haftung des Fahrzeughalters für erhöhtes Parkentgelt
Urteil vom 18. Dezember 2019 – XII ZR 13/19

Mit den Rechtsfiguren des Anscheinsbeweises und der sekundären Darlegungslast befasst sich der XII. Zivilsenat.

Die Klägerin betreibt einen öffentlichen Parkplatz, auf dem mit Schildern darauf hingewiesen wird, dass die Nutzung auf den dafür gekennzeichneten Flächen für eine Höchstdauer von zwei Stunden kostenlos ist und bei Überschreitung dieses Zeitraums oder Nutzung anderer Flächen ein erhöhtes Parkentgelt von 30 Euro erhoben wird. Die Beklagte ist Halterin eines Autos, das im Lauf von zwei Jahren insgesamt dreimal unberechtigt auf dem Parkplatz abgestellt war. Die Klage auf erhöhtes Parkentgelt und Inkassokosten in Höhe von insgesamt 214,50 Euro blieb in den beiden ersten Instanzen erfolglos.

Der BGH verweist die Sache an das LG zurück. Er tritt dem LG darin bei, dass ein Vertrag über die Nutzung des Parkplatzes nur mit dem Fahrer zustande kommt, der das Fahrzeug auf einer betroffenen Fläche abstellt, nicht aber mit einem Dritten, der Halter des Fahrzeugs ist. Er bestätigt ferner, dass die Vereinbarung mit dem Fahrer über das erhöhte Parkentgelt im Streitfall wirksam geschlossen wurde und einer AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle standhält. Zu Recht hat das LG überdies entschieden, dass kein Anscheinsbeweis dafür spricht, dass der Halter des Fahrzeugs zugleich dessen Fahrer war. Abweichend von der Auffassung der Vorinstanzen trifft den Halter in der gegebenen Konstellation aber eine sekundäre Darlegungslast. Er kann die gegnerische Behauptung, das Fahrzeug selbst gefahren zu haben, nur dann wirksam bestreiten, wenn er jedenfalls die Personen benennt, die im fraglichen Zeitraum die Möglichkeit hatten, das Fahrzeug als Fahrer zu nutzen.

Praxistipp: Für Abschleppkosten haftet der Halter unter dem Gesichtspunkt der Geschäftsführung ohne Auftrag grundsätzlich schon dann, wenn er das Fahrzeug einem Dritten überlassen hat (BGH, Urt. v. 18.12.2015 – V ZR 160/14 Tz. 21 f. – MDR 2016, 267; BGH, Urt. v. 11.3.2016 – V ZR 102/15 Tz. 6 ff. – MDR 2016, 764).

LG Bochum: Über Garantie ist immer zu informieren, auch wenn mit dieser nicht geworben wird

Das LG Bochum macht mit einer aktuellen Entscheidung im Lauterkeitsrecht auf sich aufmerksam.

Für Unternehmer ist eine Garantie häufig als rotes Tuch bekannt. Berühmt-berüchtigt sind Abmahnungen wegen fehlender Informationen zur Garantie, wenn mit einer solchen geworben wird, § 479 Abs. 1 Nr. 2 BGB. Das LG Bochum hat nun den Blick auf Informationspflichten aus § 312d BGB, Art. 246a § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 9 EGBGB gelenkt. Danach ist zu informieren über

„… das Bestehen und die Bedingungen von Kundendienst, Kundendienstleistungen und Garantien“

Die Pflicht ist dabei sehr umfassend:

Zur Bestimmung der inhaltlichen Reichweite der Informationspflicht aus § 312d Abs. 1 Satz 1 BGB in Verbindung mit Art. 246a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 EGBGB kann auf den Regelungsgehalt des § 479 Abs. 1 BGB zurückgegriffen werden (OLG Hamm, Urteil vom 26.11.2019 – 4 U 22/19). Mit der letztgenannten Vorschrift hat der Gesetzgeber deutlich gemacht, welche Informationen im Zusammenhang mit Garantien aus seiner Sicht für eine adäquate Information des Verbrauchers erforderlich sind. Diese Wertungen sind zur Vermeidung nicht gerechtfertigter Widersprüche und Diskrepanzen zur Bestimmung der inhaltlichen Reichweite der Informationspflicht aus § 312d Abs. 1 Satz 1 BGB in Verbindung mit Art. 246a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 EGBGB zu übernehmen. Damit ist auch im Rahmen der Informationspflicht aus § 312d Abs. 1 Satz 1 BGB in Verbindung mit Art. 246a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 EGBGB auf die gesetzlichen Rechte des Verbrauchers hinzuweisen sowie darüber zu informieren, dass sie durch die Garantie nicht eingeschränkt werden (vgl. § 479 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BGB), sowie der räumliche Geltungsbereich des Garantieschutzes anzugeben (vgl. § 479 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB).“

Da Garantien stets Gewährleistungsrechte nur ergänzen, diese aber nicht einschränken, fragt sich, warum ein Händler hierauf hinweisen sollte, wäre doch eine Garantie stets nur ein „Mehr“, was der Kunde erhält. Auch hierauf hat das Gericht eine Antwort:

„Um eine überlegte Entscheidung treffen zu können, muss der Verbraucher wissen, ob eine Herstellergarantie vorliegt und falls ja, wie weit diese reicht. Gerade im Fernabsatz werden häufig zusätzlich zu dem Produkt noch weitere kostenpflichtige (Versicherungs-)Angebote zum Schutz des Produkts gemacht. So wurde auch im vorliegenden Fall, zwar nicht von dem Verkäufer, aber von der Internetplattform eBay, ein Produktschutz für ein Jahr für 30,99 Euro angeboten. Der Verbraucher kann nur dann das Für und Wider abwägen, um eine überlegte rationale Kaufentscheidung zu treffen, wenn er auch über eventuell bestehenden Herstellergarantien informiert wird.“

Gegenstand des Rechtsstreits war dabei ein Apple-Produkt, also ein solches, was in unzähligen Onlineshops angeboten wird.

Praxishinweis

Onlinehändler sollten bereits jetzt prüfen, ob Ihnen Informationen zu Garantien vorliegen und diese in ihre Angebote einpflegen, da unklar ist, ob diese Entscheidung bestätigt wird. Das Gericht wittert dabei schon eine Lösung:

„Zudem werden – so die Überzeugung der Kammer – Hersteller, Internethandelsplattformen und verkaufende Unternehmer unter dem Eindruck lauterkeitsrechtlicher Verpflichtungen zur Information über Herstellergarantien kurzfristig Wege finden, die Verkäufern wettbewerbskonforme Onlineangebote ermöglichen.“

Das ist durchaus nachvollziehbar, wenngleich sicher keine kurzfristige Umsetzung in Aussicht steht.

LG Bochum, Urteil vom 27.11.2019 – I-15 O 122/19