OLG Dresden: Beschwerde gegen eine Wertfestsetzung

Das OLG Dresden, Beschl. v. 7.8.2023 – 4 W 417/23 hatte über einen Fall zu entscheiden, bei dem es um die Zulässigkeit diverser Äußerungen ging und der bereits beim AG angefangen hatte. In der Berufungsinstanz hatte das LG die Berufung verworfen und eine Wertfestsetzung für die zweite Instanz vorgenommen (§§ 62, 63 GKG). Gegen den entsprechenden Beschluss legte der Beklagte selbst Beschwerde ein. Das LG half der Beschwerde nicht ab, sondern legte sie dem OLG vor (§ 66 Abs. 3 GKG).

Die Frage war, ob die Beschwerde hier überhaupt zulässig war. Oftmals gilt der Grundsatz, dass der Rechtszug in Nebenverfahren nicht weiter gehen kann als in der Hauptsache. Aber vorliegend gilt eine wichtige Ausnahme, woran das OLG Dresden erinnert hat: Gemäß § 68 Abs. 1 Satz 1 GKG in Verbindung mit § 66 Abs. 3 Satz 2 GKG findet in einem solchen Fall tatsächlich die Beschwerde zum OLG statt, obwohl dieses in der Hauptsache gar nicht mit dem Fall befasst werden kann. Denkbar wäre in der Hauptsache vorliegend nämlich nur noch eine Entscheidung des BGH gewesen (§ 133 GVG), denn wenn eine Berufung verworfen wird, ist gegen den entsprechenden Beschluss stets die Rechtsbeschwerde gegeben (§§ 522 Abs. 1 Satz 4, 574 ff. ZPO). Diese Rechtsbeschwerde wurde allerdings vom Beklagten nicht eingelegt.

Gemäß § 66 Abs. 5 Satz 1 GKG; und §§ 129a Abs. 1, 78 Abs. 3 ZPO besteht für die Streitwertbeschwerde vom LG zum OLG sogar kein Anwaltszwang! Zu erinnern ist in diesem Zusammenhang noch daran, dass gemäß § 66 Abs. 8 GKG die Verfahren gerichtsgebührenfrei sind, allerdings auch keine Kosten erstattet werden.

Der Beklagte hatte im konkreten Fall zudem eine sofortige Beschwerde gegen die Kostenentscheidung des LG eingelegt. Diese Beschwerde wurde allerdings verworfen, da sie gemäß § 99 Abs. 1 ZPO unzulässig ist.

Es kann daher als vielleicht überraschendes Ergebnis festgehalten werden: Gegen einen Streitwertbeschluss des LG in der Berufungsinstanz ist die Streitwertbeschwerde zum OLG zulässig. Für diese Beschwerde besteht kein Anwaltszwang.

Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um das Übergehen eines Beweisangebots.

Erheblichkeit eines Beweisangebots
BGH, Beschluss vom 12. September 2023 – VI ZR 371/21

Der VI. Zivilsenat hebt ein OLG-Urteil wegen Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG auf. 

Der im Jahr 2007 geborene Kläger verlangt von den Beklagten – einem Klinikum und einer dort tätigen Hebamme – Schadensersatz wegen fehlerhafter Behandlung seiner Mutter bei seiner Geburt. Das LG hat die Klage abgewiesen. Das OLG hat dem Kläger ein Schmerzensgeld von 300.000 Euro zugesprochen und die Verpflichtung der Beklagten zum Ersatz aller weiteren Schäden festgestellt.

Der BGH verweist die Sache durch Beschluss gemäß § 544 Abs. 9 ZPO an das OLG zurück. 

Das OLG hat Art. 103 Abs. 1 GG verletzt, indem es von der Vernehmung von drei behandelnden Ärzten abgesehen hat. Die Beklagten haben die Zeugen zum Beweis der Tatsache benannt, dass die Mutter des Klägers erst beim Hinzutreten der Ärzte von einer zu Hause aufgetretenen vaginalen Blutung berichtet habe, nicht hingegen schon bei der Aufnahme durch die beklagte Hebamme. Wenn die unter Beweis gestellte Behauptung zutrifft, kann der Hebamme nicht vorgeworden werden, die Ärzte zu spät hinzugezogen zu haben. 

Praxistipp: Lässt das Berufungsgericht schon in einem Hinweis nach § 522 Abs. 2 ZPO erkennen, dass es bestimmte Beweisangebote nicht berücksichtigen wird, muss dies noch in der Berufungsinstanz gerügt werden, und zwar innerhalb der Frist zur Stellungnahme auf den Hinweis. Ansonsten besteht die Gefahr, dass eine auf diesen Gesichtspunkt gestützte Nichtzulassungsbeschwerde schon aus Gründen der Subsidiarität erfolglos bleibt.

Anwaltsblog: Wann muss ein Rechtsanwalt überprüfen, ob eine Mitarbeiterin einen fristgebundenen Schriftsatz beim richtigen Gericht eingereicht hat?

 

Wann sich ein Rechtsanwalt für die Versendung einer Berufungsbegründung nach Entdeckung einer falschen beA-Adresse mit einer Einzelanweisung an die mit der Versendung befasste Mitarbeiterin begnügen darf und wann er deren Ausführung persönlich überprüfen muss, hatte der III. Zivilsenat zu entscheiden:

 

Nachdem ihre Berufungsbegründung verspätet eingegangen war, hat die Klägerin Wiedereinsetzung beantragt. Ihr Rechtsanwalt habe die seit Januar 2017 in seiner Kanzlei tätige, stets sorgfältig, zuverlässig und beanstandungsfrei arbeitende Rechtsanwaltsfachangestellte D. am letzten Tag der Frist mit der Einreichung des an das „Hanseatische Oberlandesgericht, Sievekingplatz 2, 20355 Hamburg“ adressierten Berufungsbegründung beauftragt. Da aber im Gesamtverzeichnis der beA-Postfächer dieses nicht als „Hanseatisches Oberlandesgericht“, sondern als „Oberlandesgericht Hamburg“, und mit dem Zusatz „Hanseatisches“ nur das „Hanseatische Oberlandesgericht in Bremen“ aufgeführt sei, habe Frau D. irrtümlich letzteres als Empfänger ausgewählt. Nachdem dem Rechtsanwalt dies bei der Vornahme der qualifizierten elektronischen Signatur aufgefallen sei, habe er sie angewiesen, „noch einmal den Adressaten der Nachricht zu prüfen und zu korrigieren“. Da Frau D. im beA-Verzeichnis aber wiederum nur das „Hanseatische Oberlandesgericht in Bremen“ gefunden und deshalb angenommen habe, dass Bremen und Hamburg ein gemeinsames Oberlandesgericht mit Sitz in Bremen unterhalten würden, habe sie die Berufungsbegründung schließlich (doch) an diesen Empfänger versandt. Die Klägerin meint, der Rechtsanwalt habe auch ohne Kontrolle darauf vertrauen dürfen, dass Frau D. die ihr erteilte konkrete Einzelweisung befolgen oder sich bei auftretenden Zweifeln zur Rücksprache an ihn wenden würde.

Das Wiedereinsetzungsgesuch wird zurückgewiesen. Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg, weil die Klägerin ein fehlendes Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten an der Fristversäumung nicht dargelegt hat. Aus ihrem Wiedereinsetzungsvorbringen ergibt sich nicht, dass die Fristversäumung durch die möglicherweise irreführende Benennung des Berufungsgerichts im Empfängerverzeichnis des beA entscheidend verursacht wurde. Denn nicht diese Gerichtsbezeichnung, sondern vielmehr das (Fehl-)Verhalten der Mitarbeiterin hat den maßgeblichen Kausalbeitrag für die Übermittlung der richtig adressierten Berufungsbegründung an das unzuständige OLG in Bremen am Tag des Fristablaufs geleistet. Nach den vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen hatte der Rechtsanwalt Frau D. nämlich auf das von ihr aus dem beA-Verzeichnis zunächst ausgewählte OLG in Bremen angesprochen und sie ausdrücklich darauf hingewiesen, dass eigentlich das „Berufungsgericht in Hamburg“ zuständig sei. Trotz dieses Hinweises wiederholte Frau D. nachfolgend ihren Fehler. Stattdessen hätte sie, da sie nach eigenen Angaben auch bei der nochmaligen Suche im Gesamtverzeichnis der beA-Postfächer kein anderes Hanseatisches Oberlandesgericht als das in Bremen gefunden hatte, die Arbeitsanweisung befolgen müssen, sich bei Unklarheiten bei der Ermittlung des richtigen beA-Empfänger-Postfachs an den sachbearbeitenden Rechtsanwalt zu wenden. Insbesondere hätte sie ohne vorherige Rückfrage nicht einfach davon ausgehen dürfen, dass Hamburg und Bremen ein gemeinsames OLG mit Sitz in Bremen unterhalten würden.

Den Prozessbevollmächtigten der Klägerin trifft daran, dass die Berufungsbegründung trotz seines Hinweises nicht rechtzeitig vor Fristablauf an das zuständige Berufungsgericht in Hamburg übermittelt wurde, ein eigenes, seiner Partei zurechenbares Überwachungsverschulden. Zwar ist ein der Partei zuzurechnendes Verschulden ihres Rechtsanwalts an der Fristversäumung nicht gegeben, wenn dieser einer Kanzleiangestellten, die sich bisher als zuverlässig erwiesen hat, eine konkrete Einzelanweisung erteilt, die bei Befolgung die Fristwahrung gewährleistet hätte. Denn ein Rechtsanwalt darf darauf vertrauen, dass eine zuverlässige Büroangestellte eine konkrete Einzelweisung befolgt, und ist unter diesen Umständen nicht verpflichtet, sich anschließend über die Ausführung seiner Weisung zu vergewissern. Allerdings hat die Klägerin nicht dargelegt, dass ihr Prozessbevollmächtigter seine Mitarbeiterin konkret und bestimmt angewiesen hätte, den Berufungsbegründungsschriftsatz nur an dasjenige OLG, das in Hamburg unter der im Schriftsatz angegebenen Adresse ansässig ist, zu versenden.

(BGH, Beschluss vom 31. August 2023 – III ZB 72/22)

 

Fazit: Fällt einem Rechtsanwalt auf, dass eine Mitarbeiterin trotz richtiger Angabe des Empfängergerichts im Briefkopf eines fristgebundenen Schriftsatzes fehlerhaft ein anderes Gericht als Empfänger im beA-Verzeichnis ausgewählt hat, kann er nicht mehr davon ausgehen, er betraue eine sonst zuverlässige Mitarbeiterin damit, nunmehr „in einem zweiten Anlauf“ eigenverantwortlich den richtigen beA-Empfänger auszuwählen. Er muss daher die Korrektur und die richtige Versendung persönlich überprüfen.

Anwaltsblog: Nachträgliche Unzulässigkeit einer Berufung

Mit den Anforderungen an die Zulässigkeit einer bereits fristgemäß begründeten Berufung hatte sich der XI. Zivilsenat des BGH zu befassen:
Der Kläger verlangte von der beklagten Bank nach von ihm erklärten Widerruf die Rückabwicklung eines Verbraucherdarlehensvertrags und begehrte Feststellung, dass seine primären Leistungspflichten zur Zahlung von Zinsen und Tilgungsleistungen aufgrund des Widerrufs erloschen seien. Das Landgericht hat die Klage als unbegründet abgewiesen. Dagegen hat der Kläger fristgerecht Berufung eingelegt und diese begründet. Nachdem er das Darlehen vollständig abgelöst hatte, hat er den Feststellungsantrag in der Hauptsache für erledigt erklärt und (stattdessen) Rückzahlung der auf das Darlehen erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen verlangt. Die Beklagte hat sich der Erledigungserklärung angeschlossen. Das Berufungsgericht hat die Berufung des Klägers als unzulässig verworfen.
Die Rechtsbeschwerde des Klägers hat keinen Erfolg. Die Zulässigkeit des Rechtsmittels der Berufung setzt voraus, dass der Angriff des Rechtsmittelführers (auch) auf die Beseitigung der im vorinstanzlichen Urteil enthaltenen Beschwer gerichtet ist. Das Rechtsmittel ist mithin unzulässig, wenn mit ihm lediglich im Wege der Klageänderung ein neuer, bislang nicht geltend gemachter Anspruch zur Entscheidung gestellt wird; vielmehr muss zumindest auch der in erster Instanz erhobene Klageanspruch wenigstens teilweise weiterverfolgt werden. Die Erweiterung oder Änderung der Klage kann nicht alleiniges Ziel des Rechtsmittels sein, sondern nur auf der Grundlage eines zulässigen Rechtsmittels verwirklicht werden. Deshalb muss nach einer Klageabweisung das vorinstanzliche Begehren zumindest teilweise weiterverfolgt werden. Eine Berufung, die die Richtigkeit der vorinstanzlichen Klageabweisung nicht in Frage stellt und ausschließlich einen neuen – bisher noch nicht geltend gemachten – Anspruch zum Gegenstand hat, ist unzulässig. Daher ist die Berufung des Klägers unzulässig, weil er sein erstinstanzliches Begehren nicht weiterbetrieben, sondern im Wege der Klageänderung einen neuen, bislang nicht erhobenen Anspruch zur Prüfung unterbreitet hat. Die auf die positive Feststellung eines bestimmten Saldos aus einem Rückgewährschuldverhältnis gerichtete und die auf die Feststellung des Wegfalls von Primärpflichten des Darlehensnehmers aus dem Darlehensvertrag zielende Klage betreffen unterschiedliche Streitgegenstände. Aufgrund dessen handelt es sich beim Übergang von dem einen zu dem anderen Antrag um eine Klageänderung iSd. § 263 ZPO und nicht bloß um eine Antragsbeschränkung oder -erweiterung iSd. § 264 Nr. 2 ZPO. Dies gilt gleichermaßen für den vom Kläger in erster Instanz verfolgten negativen Feststellungsantrag und dem in zweiter Instanz geltend gemachten Anspruch auf Rückgewähr der erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen. Denn der Zahlungsantrag stellt in Form der Leistungsklage die Fortsetzung der positiven Feststellungsklage dar und wäre im Fall des Übergangs als Klageerweiterung nach § 264 Nr. 2 ZPO anzusehen. Gegenüber der negativen Feststellungsklage betrifft die Zahlungsklage dagegen einen anderen Streitgegenstand.

(BGH, Beschluss vom 19. September 2023 – XI ZB 31/22)


Fazit: Eine Berufung ist nur zulässig, wenn der Berufungskläger noch bei Schluss der letzten mündlichen Verhandlung die aus dem erstinstanzlichen Urteil folgende Beschwer beseitigen will. Eine Berufung ist danach unzulässig, wenn sie den in erster Instanz erhobenen Klageanspruch nicht wenigstens teilweise weiterverfolgt, sondern lediglich im Wege der Klageerweiterung einen neuen, bislang nicht geltend gemachten Anspruch zur Entscheidung stellt. Die bloße Erweiterung oder Änderung der Klage in zweiter Instanz kann nicht alleiniges Ziel des Rechtsmittels sein (BGH, Urteil vom 30. November 2005 – XII ZR 112/03 –, MDR 2006, 828).

Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um die Rückgabe einer nicht bestellten Leistung.

Leistung in der irrigen Vorstellung einer Bestellung
BGH, Urteil vom 26. September 2023 – XI ZR 98/22

Der XI. Zivilsenat befasst sich mit der Auslegung von § 241a Abs. 2 Fall 2 BGB.

Im März 2019 überwies die klagende Bank 3.490 Euro auf ein gemeinsames Konto des Beklagten und dessen damaliger Ehefrau. Aus Sicht der Klägerin erfolgte die Zahlung auf der Grundlage eines Darlehensvertrags. Diesen Vertrag hatte die damalige Ehefrau des Beklagten unter dessen Namen, aber ohne dessen Wissen geschlossen. Im weiteren Verlauf erfolgten Teilzahlungen in Höhe von rund 1.050 Euro.

Die Klage auf Rückzahlung des Restbetrags von rund 2.440 Euro war in erster Instanz erfolgreich, nicht aber in der Berufungsinstanz.

Der Bundesgerichtshof stellt das erstinstanzliche Urteil wieder her.

Der Beklagte ist durch die Zahlung auf das gemeinsame Konto bereichert worden. Dies erfolgte ohne Rechtsgrund. Der in seinem Namen, aber ohne sein Wissen geschlossene Vertrag ist unwirksam. Die damalige Ehefrau war nicht bevollmächtigt. Der Beklagte hat den Vertragsschluss nicht genehmigt. Er hat auch nicht die erfolgten Teilzahlungen veranlasst.

Entgegen der Auffassung des OLG ist der auf § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB gestützte Rückzahlungsanspruch nicht nach § 241a BGB ausgeschlossen. Der Beklagte hat die Leistung zwar nicht bestellt. Es greift aber der Ausnahmetatbestand des § 241a Abs. 2 BGB. Die Leistung erfolgte in der irrigen Vorstellung einer Bestellung. Der Beklagte hat dies zwar nicht erkannt. Er muss sich aber entsprechend § 166 Abs. 1 BGB die Kenntnis seiner damaligen Ehefrau zurechnen lassen, weil er dieser die Erledigung der finanziellen Angelegenheiten der Familie überlassen und sich um die Verwaltung des gemeinsamen Kontos nicht gekümmert hat. Aus demselben Grund kann er sich gemäß § 819 Abs. 1 BGB nicht auf einen Wegfall der Bereicherung berufen.

Praxistipp: Eine Wissenszurechnung entsprechend § 166 Abs. 1 BGB kommt auch dann in Betracht, wenn der Repräsentant die ihm im Innenverhältnis zustehenden Befugnisse vorsätzlich überschreitet.

Blog Update Haftungsrecht: Bei Unfall mit Leasingfahrzeug haftet der Gegner voll

Wenn bei einem Unfall ein geleastes Fahrzeug beschädigt wird, bereitet die Schadensabwicklung besondere Komplikationen, weil Eigentum und Halterstellung auseinanderfallen. Die Kosten für die Reparatur des Fahrzeugs kann die Leasingfirma als Eigentümerin ersetzt verlangen, ohne dass sie sich die Betriebsgefahr anrechnen lassen muss, denn § 17 Abs. 2 StVG regelt nur die Mithaftung des Halters. Halter ist aber der das Fahrzeug auf eigene Rechnung nutzende Leasingnehmer. Nur wenn diesen ein Verschulden am Unfall trifft, kann es nach § 9 StVG zu einer Kürzung der Ansprüche des Eigentümers kommen; ansonsten muss der Schädiger bzw. sein Haftpflichtversicherer vollen Ersatz leisten. Die Vertragsgestaltung des Leasings geht also zu seinen Lasten.

Dies lässt sich, wie der BGH kürzlich entschieden hat (Urt. v. 18.4.2023 – VI ZR 345/21, VersR 2023, 851 = MDR 2023, 771), auch nicht dadurch vermeiden, dass der Haftpflichtversicherer den Halter und den Fahrer des Leasingfahrzeugs im Wege eines Gesamtschuldnerausgleichs in Regress nimmt. Diese stehen nämlich nicht zusammen mit dem Unfallgegner in einem Gesamtschuldverhältnis gegenüber der Leasingfirma. Eine Haftung aus Betriebsgefahr scheidet aus, weil die §§ 7 und 18 StVG nicht bei Beschädigung des selbst genutzten Fahrzeugs gelten. Da der Unfallhergang unaufgeklärt blieb, kam auch eine deliktische oder vertragliche Haftung nicht in Betracht. Die AGB des Leasingvertrags sahen eine verschuldensunabhängige Haftung nur für die Zahlung der Leasingraten vor und begründeten eine Schadensersatzpflicht lediglich für den Fall, dass der Schaden nicht von dritter Seite (wie hier der Haftpflichtversicherung) reguliert wird.

Auch aus ungerechtfertigter Bereicherung lässt sich in einem solchen Fall kein Anspruch des Haftpflichtversicherers gegen Halter und Fahrer des Leasingfahrzeugs herleiten, denn er hat nicht auf eine fremde Schuld, sondern auf die gegen ihn gerichtete und in voller Höhe begründete Forderung der Leasinggeberin geleistet. Im Ergebnis geht somit beim unaufgeklärten Unfall die Betriebsgefahr des Leasingfahrzeugs zu Lasten des Unfallgegners. Dies mag der Gesetzeslage entsprechen, systemgerecht ist es nicht (für Gesetzeskorrektur daher Greger, in: Greger/Zwickel, Haftung im Straßenverkehr, 6. Aufl. 2021, Rz 25.91, m.w.N.).

Anwaltsblog: Welche Folgen hat die Überlassung von Chipkarte und PIN durch den Rechtsanwalt an Mitarbeiter?

Es soll nicht unüblich sein, dass Rechtsanwälte ihre beA-Chipkarte und den dazugehörigen PIN Mitarbeitern überlassen, um sich die Mühen der Versendung von (fristgebundenen) Schriftsätzen auf dem sicheren Übermittlungsweg (§ 130a Abs. 3 ZPO) zu ersparen. Welche Folgen das für Wiedereinsetzungsverfahren hat, wenn es bei der Übermittlung zu Fehlern kommt und dadurch Fristen nicht gewahrt werden, hatte der BGH in einem Dieselfall zu entscheiden.

Die Anforderungen an das besondere elektronische Anwaltspostfach nach §§ 31a und 31b BRAO sind in der RAVPV (Verordnung über die Rechtsanwaltsverzeichnisse und die besonderen elektronischen Anwaltspostfächer) geregelt. Nach § 26 Abs. 1 RAVPV darf der Inhaber eines für ihn erzeugten Zertifikats (Chipkarte) dieses keiner anderen Person überlassen, die dem Zertifikat zugehörige Zertifikats-PIN muss geheim gehalten werden. Erfolgt der Zugang zum Anwaltspostfach verbotswidrig durch eine andere Person, z.B. durch ermächtigten Kanzleimitarbeiter, sind die damit vorliegenden Erklärungen eines Unbefugten zwar formgerecht. Über die Folgen einer verbotswidrigen Nutzung hat 2022 höchstrichterlich erstmalig das BSG entschieden. Danach muss sich ein Inhaber eines besonderen elektronischen Anwaltspostfachs, setzt er sich über die Verpflichtung zur ausschließlich eigenen – höchstpersönlichen – Nutzung durch Überlassung des nur für seinen Zugang erzeugten Zertifikats und der dazugehörigen Zertifikats-PIN an Dritte oder auf andere Weise bewusst hinweg, das von einem Dritten abgegebene elektronische Empfangsbekenntnis auch dann wie ein eigenes zurechnen lassen, wenn die Abgabe ohne seine Kenntnis erfolgt ist. Bis zur Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs waren die beteiligten Rechtsanwälte wie der Rechtsverkehr geschützt durch das Schriftformerfordernis und die daraus abgeleiteten Anforderungen an die höchstpersönliche und eigenhändige Unterschriftsleistung. Im elektronischen Rechtsverkehr ist dies abgelöst durch die Sicherungen entweder der qualifizierten elektronischen Signatur oder der vom Gesetzgeber im Interesse einer gesteigerten Akzeptanz der elektronischen Kommunikation begründeten Möglichkeit der Übermittlung von Dokumenten aus besonderen elektronischen Anwaltspostfächern. Im Interesse des Rechtsverkehrs an der strikten Verlässlichkeit der mit einem elektronischen Empfangsbekenntnis abgegebenen Erklärung kann sich ein Postfachinhaber deshalb nicht auf die Unbeachtlichkeit von Erklärungen berufen, die er unter Verstoß gegen die Sicherheitsanforderungen des elektronischen Rechtsverkehrs selbst ermöglicht hat. Verhält es sich so, hat er sich eine von Dritten abgegebene Erklärung vielmehr so zurechnen lassen, als habe er sie selbst abgegeben und im Vorhinein – durch die nicht vorgesehene Eröffnung der Nutzungsmöglichkeit für den Dritten – autorisiert (BSG, Urteil vom 14. Juli 2022 – B 3 KR 2/21 R –, juris Rn. 15). Dem schließt sich nunmehr der BGH für den Zivilprozess an: „Handelt der Inhaber eines besonderen elektronischen Anwaltspostfachs dem (= § 26 Abs. 1 RAVPV) zuwider und überlässt er das nur für seinen Zugang erzeugte Zertifikat und die zugehörige Zertifikats-PIN einem Dritten, muss er sich so behandeln lassen, als habe er die übermittelte Erklärung selbst abgegeben.“ Dies hat zur Folge, dass der Rechtsanwalt sich nicht damit entlasten kann, die in Frage stehende Sorgfaltspflichtverletzung sei einer erfahrenen und regelmäßig kontrollierten Mitarbeiterin unterlaufen, so dass ihn kein Verschulden träfe. Dazu hält der BGH erneut fest: Auch bei der Nutzung des beA ist es unerlässlich, den Versandvorgang zu überprüfen. Die Kontrollpflichten umfassen dabei die Überprüfung der nach § 130a Abs. 5 Satz 2 ZPO übermittelten automatisierten Eingangsbestätigung des Gerichts. Sie erstrecken sich u.a. darauf, ob die Übermittlung vollständig und an den richtigen Empfänger erfolgt ist. Dabei ist für das Vorliegen einer Eingangsbestätigung gemäß § 130a Abs. 5 Satz 2 ZPO auch erforderlich, dass gerade der Eingang des elektronischen Dokuments im Sinne von § 130a Abs. 1 ZPO, das übermittelt werden sollte, bestätigt wird. Die Bestätigung der Versendung irgendeiner Nachricht oder irgendeines Schriftsatzes genügt nicht. Vielmehr ist anhand des zuvor sinnvoll vergebenen Dateinamens auch zu prüfen, ob sich die automatisierte Eingangsbestätigung auf die Datei mit dem Schriftsatz bezieht, dessen Übermittlung erfolgen sollte. Dies rechtfertigt sich daraus, dass bei einem Versand über beA – anders als bei einem solchen über Telefax – eine Identifizierung des zu übersendenden Dokuments nicht mittels einfacher Sichtkontrolle möglich ist und deshalb eine Verwechslung mit anderen Dokumenten, deren Übersendung nicht beabsichtigt ist, nicht von vornherein ausgeschlossen werden kann.
(BGH, Beschluss vom 31. August 2023 – VIa ZB 24/22).

Fazit: Will der Rechtsanwalt die Übermittlung über beA nicht selbst vornehmen, muss er den Schriftsatz, den dann Mitarbeiter übermitteln können, zuvor qualifiziert signieren (§ 130a Abs. 3 ZPO). Durch die qualifizierte Signatur ist sichergestellt, dass eine anwaltliche Kontrolle stattfindet.


LAG Berlin-Brandenburg: Wertfestsetzung für die Anwaltsgebühren

Eine interessante Entscheidung zur Wertfestsetzung für die Anwaltsgebühren hat das LAG Berlin-Brandenburg (Beschl. v. 3.8.2023 – 26 Ta (Kost) 6061/23) getroffen. Bekanntlich haben die Gerichte – soweit nicht eine Zahlungsklage betroffen oder gesetzlich ein fester Wert bestimmt ist – einen Wertbeschluss zu treffen, spätestens am Ende der Instanz (§ 63 Abs. 1, Abs. 3 GKG). Dieser Wert gilt zunächst einmal nur für die Gerichtsgebühren und erfolgt in der Regel von Amts wegen.

Der Rechtsanwalt hat jedoch die Möglichkeit, für seine Gebühren gemäß § 33 RVG die Festsetzung des maßgeblichen Wertes zu verlangen. Dieser kann sich im Übrigen durchaus von dem für die Gerichtsgebühren maßgeblichen Wert unterscheiden. Darüber hinaus können die Werte für die beteiligten Anwälte auch unterschiedlich hoch sein, z.B. wenn eine Partei einen Rechtsanwalt erst nach einer Erledigungserklärung oder Rücknahme beauftragt hat.

Im konkreten Fall hatte das Arbeitsgericht den Wert für die Gebühren einheitlich auf 21.600 EUR festgesetzt. Dagegen hat sich die Staatskasse bezüglich der Wertfestsetzung für den Beklagtenvertreter beschwert und die Herabsetzung des Wertes beantragt. In diesem Sinne hatte sich der Vertreter der Staatskasse bereits vor der Entscheidung des Arbeitsgerichts geäußert. Der Beklagte und der Beklagtenvertreter hatten dem zugestimmt.

Gemäß § 33 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 RVG war die Staatskasse ausnahmsweise beschwerdebefugt, weil dem Beklagten Prozesskostenhilfe bewilligt worden war. In der Sache hatte die Beschwerde auch Erfolg. Das Arbeitsgericht hatte übersehen, dass der allgemeine Grundsatz des § 308 Abs. 1 ZPO (ne ultra petita) auch im Wertfestsetzungsverfahren gilt. Nachdem sich vorliegend sowohl der Beklagte selbst als auch der Beklagtenvertreter der Sichtweise der Staatskasse angeschlossen hatten, durfte das Arbeitsgericht keinen höheren Wert festsetzen.

Fazit: § 308 Abs. 1 ZPO gilt auch im Verfahren nach § 33 RVG. Die festsetzenden Werte können sich für die Parteivertreter durchaus unterscheiden.

Anwaltsblog: Wann ist eine „Rubrumsberichtigung“ auf Beklagtenseite zulässig?

Mit der Abgrenzung zwischen einer – im Gesetz nicht geregelten – „Rubrumsberichtigung“ und einem für den Kläger mit Kosten belasteten Parteiwechsel hatte sich der XII. Zivilsenat des BGH auseinanderzusetzen:
Der Kläger hat mit seiner – laut Bezeichnung in der Klageschrift – gegen die „Autohaus P. A. GmbH & Co KG“ gerichteten Klage diese auf Räumung des Pachtobjekts verklagt. Der als Anlage beigefügte Pachtvertrag weist P. A. – den Geschäftsführer der Komplementärin der KG – als Pächter aus. Nachdem das Landgericht hat auf Antrag des Klägers durch Beschluss eine „Berichtigung“ des Rubrums auf der Beklagtenseite vorgenommen und darin P. A. als Beklagten bezeichnet hatte, hat es diesen durch Urteil zur Räumung verurteilt. Das OLG hat die Berufung des Beklagten verworfen. Er zeige nicht auf, aufgrund welchen Fehlers das Urteil gegen ihn zu Unrecht ergangen sein solle. Es werde zwar beanstandet, dass das Landgericht verfahrensfehlerhaft lediglich das Passivrubrum berichtigt habe, anstatt eine prozessordnungsgemäße Klageänderung mit Rücknahme der Klage gegenüber der ursprünglich beklagten KG in Verbindung mit der Erhebung einer neuen Klage gegenüber dem Beklagten vorzunehmen. Es sei allerdings die Entscheidungserheblichkeit dieses Verfahrensfehlers nicht dargelegt. Die Verwerfung der Berufung wird vom BGH gebilligt. Die von dem Beklagten ausdrücklich beanstandete „Rubrumsberichtigung“ genügt zur Berufungsbegründung nicht. Bei einer „Rubrumsberichtigung“ vor Urteilserlass handelt es sich um einen im Gesetz nicht ausdrücklich vorgesehenen Beschluss, mit dem das Gericht im Bedarfsfall seine Auffassung darüber mitteilt, wen es aufgrund der von ihm vorgenommenen Auslegung der Klageschrift als Partei ansieht. Ein solcher, vor Urteilserlass ergangener „Berichtigungsbeschluss“ ist kein Fall des § 319 Abs. 1 ZPO, weil nach dieser Vorschrift nur solche offenbaren Unrichtigkeiten berichtigungsfähig sind, die in dem Urteil selbst enthalten sind. Vielmehr handelt es sich um eine in Beschlussform gehaltene prozessleitende Verfügung des Gerichts, die keine Bindungswirkung entfaltet und jederzeit abgeändert werden kann. Wer diejenige Person ist, die durch die Parteibezeichnung als „Beklagter“ in der Klageschrift betroffen werden soll, ist vom Gericht durch eine frei vorzunehmende Auslegung der in der Klageschrift zum Ausdruck gekommenen prozessualen Willenserklärung zu klären. Bei der Auslegung dieser Prozesserklärung ist nicht nur die im Rubrum der Klageschrift gewählte äußere Bezeichnung der Partei, sondern auch der gesamte Inhalt der Klageschrift einschließlich etwaiger beigefügter Anlagen zu berücksichtigen. Entsprechend dem Grundsatz „falsa demonstratio non nocet“ darf die Klageerhebung gegen die in Wahrheit gemeinte Partei nicht aufgrund einer objektiv unrichtigen oder mehrdeutigen Parteibezeichnung in der Klageschrift scheitern, solange nur aus deren Inhalt und ihren Anlagen sowie den weiter zu berücksichtigenden Umständen deutlich wird, welche Person tatsächlich von der Parteibezeichnung in der Klageschrift betroffen werden soll. Von der fehlerhaften Parteibezeichnung zu unterscheiden ist die irrtümliche Benennung einer am materiell-rechtlichen Rechtsverhältnis nicht beteiligten Person als Partei. Erlässt das Gericht nach einer fehlerhaften Auslegung der Klageschrift ein Sachurteil gegen eine Person, die von der Parteibezeichnung in der Klageschrift tatsächlich nicht betroffen ist und mit der ein Prozessrechtsverhältnis nicht bestanden hat („Scheinbeklagter“), kann sich diese bis zur Feststellung, nicht verklagt worden zu sein, am weiteren Rechtsstreit beteiligen und insbesondere den Rechtsbehelf ergreifen, der zur Beseitigung des gegen sie ergangenen Titels vorgesehen ist. Ein gegen den Scheinbeklagten ergangenes Sachurteil muss durch das Berufungsgericht aufgehoben und die Sache an das vorinstanzliche Gericht zurückverwiesen werden, um dort die bislang unterbliebene Sachentscheidung gegenüber dem in Wahrheit gemeinten Beklagten herbeizuführen.
(BGH, Beschluss vom 5. Juli 2023 – XII ZB 539/22 – MDR 2023, 1202)

Fazit: Für die Zulässigkeit einer Rubrumsberichtigung kommt es darauf an, ob mit ihr die Identität gewahrt bleibt oder es sich in Wirklichkeit um einen Parteiwechsel handelt (Feskorn in: Zöller, ZPO, 34. Aufl. 2022, § 319 Rn. 19). Zur Auslegung der Parteibezeichnung ist der gesamte Inhalt der Klageschrift einschließlich Anlagen zu berücksichtigen. Wird daraus unzweifelhaft deutlich, welche Partei wirklich gemeint ist, so steht der entsprechenden Auslegung auch nicht entgegen, dass der Kläger irrtümlich die Bezeichnung einer tatsächlich existierenden, am materiellen Rechtsverhältnis nicht beteiligten Person gewählt hat.

Blog powered by Zöller: Video-Novelle – kein Selbstläufer

Bei der 1. Lesung des Gesetzes zur Förderung des Einsatzes von Videokonferenztechnik im Gerichtsverfahren (BT-Drucks. 20/8095) hat sich gezeigt, dass dem Gesetzentwurf der Bundesregierung noch heiße Debatten in den Ausschüssen bevorstehen.

Für die Unionsfraktion erachtete der Abgeordnete Martin Plum es als unvereinbar mit dem Prozessleitungsermessen des Gerichts, dass es seine Entscheidung, entgegen einem Antrag der Parteivertreter in Präsenz zu verhandeln, trotz Unanfechtbarkeit mit einer besonderen Begründung versehen muss. Kritik übte er auch daran, dass Richter künftig die Sitzungen vom „heimischen Sofa“ aus leiten können; dies entspreche nicht der Rolle der Gerichte als „Zentren unseres Rechtsstaats“. Statt „digitale Leuchtturmprojekte“ zu schaffen, müsse zuerst für eine ausreichende digitale Grundausstattung der Gerichte in der Fläche gesorgt werden.

Die Abgeordnete Luiza Licina-Bode (SPD) befürwortete den Entwurf im Grundsatz, wies aber darauf hin, dass besonders in „sensiblen Verfahren“ die persönliche Anwesenheit der Parteien von großer Bedeutung ist, und sprach sich dafür aus, die Interessenlagen in den Ausschussberatungen noch einmal genau anzuschauen und zusammenzuführen.

In dieselbe Richtung argumentierte Susanne Hennig-Wellsow (Die Linke). In hochsensiblen Lebensbereichen müsse die Präsenzverhandlung weiterhin das übliche Verfahren bleiben. Gegen eine vollvirtuelle Verhandlung brachte sie vor, im Namen des Volkes Recht zu sprechen, erfordere den öffentlichen Raum, also den Gerichtssaal als Ort des Geschehens.

Für die AfD-Fraktion erklärte Fabian Jacobi, es müsse grundsätzlich dabei bleiben, dass das Gericht dem rechtsuchenden Bürger als Person gegenübertritt. Es dürfe nicht dahin kommen, dass er „bei der Verhandlung über für ihn womöglich existenzielle Angelegenheiten auf eine Videokachel auf einem Bildschirm reduziert wird“. An der Möglichkeit, gegen eine entsprechende richterliche Anordnung des Richters Einspruch zu erheben, könne er sich gehindert sehen, um den Richter nicht gegen sich einzunehmen.

Till Steffen (Bündnis 90/Die Grünen) monierte, dass der Entwurf nicht weit genug geht. Um unnötigen Aufwand zu reduzieren, zu schnelleren Prozessen zu kommen, die Daseinsvorsorge in der Fläche zu gewährleisten und die Qualität der Rechtspflege zu sichern, müsse man sich wesentlich mehr einfallen lassen. Dazu werde die Fraktion in den Ausschüssen konkrete Vorschläge unterbreiten.

Aus mehreren Redebeiträgen wurde deutlich, dass es zu einer Sachverständigenanhörung im Rechtsausschuss kommen wird. Mit welchem Inhalt das Gesetz den Bundestag eines Tages verlassen wird, ist nicht absehbar. Daher kann die Anfang Dezember erscheinende 35. Auflage des Zöller für den Moment nur Ausblicke auf das künftige Recht geben und es noch nicht in seiner Endfassung kommentieren. Dies wird jedoch in der Online-Version des Kommentars zeitnah geschehen, auf die jeder Erwerber der Printauflage freien Zugriff hat. Das sind gute Aussichten!

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Der Zöller ist das Standardwerk zur ZPO und ein Muss für jeden Prozessualisten. Die Autoren des Zöller informieren im „Blog powered by Zöller“ regelmäßig über einschlägige Gesetzesentwicklungen und aktuelle Rechtsprechung.