Verkehrsunfall: Erstattung von Nebenkosten eines Sachverständigen

Der VI. Zivilsenat des BGH, zuständig für Schadensersatzfragen im Zusammenhang mit Verkehrsunfällen, hätte einmal wieder eine wichtige Entscheidung zu treffen gehabt (Urteil v. 26.4.2016 – VI ZR 50/15). Es ging um den Problemkomplex, welches Honorar für Sachverständige, die nach einem Verkehrsunfall ein Gutachten erstatten, angemessen ist, und zwar hier in erster Linie um die Höhe bzw. die Abrechnung der Nebenkosten. Diese Frage bewegt die Praxis derzeit unaufhörlich. Die Entscheidung des BGH ist im Original sage und schreibe 21 Seiten lang. An wirklicher Erkenntnis bleibt letztlich eigentlich nur wenig übrig: Der BGH hat es jedenfalls nicht beanstandet, wenn sich die Tatsacheninstanzen bei der Höhe der Nebenkosten an den Bestimmungen des JVEG orientieren, die Fahrtkosten mögen dabei jedoch durchaus auch auf 0,70 €je km festgesetzt werden.

Es sind derzeit bei den Amtsgerichten zahllose „Restklagen“ anhängig, d. h. übrig gebliebene Beträge, die von den Pflichtversicherern nicht reguliert wurden. Die Konstellation geht regelmäßig dahin, dass die Sachverständigen aus abgetretenem Recht bzw. hinter den Sachverständigen stehende Organisationen – dann aus doppelt abgetretenem Recht – Restgebühren in Höhe von unter 100 € einklagen. Die verklagten Versicherungen wehren sich mit umfangreichen Sachvortrag zu jeder Abrechnungsposition, insbesondere die Nebenkosten werden über Seiten hinweg „zerlegt“. Die Akten werden sehr dick, weil jede Partei für sich reklamiert, den „Stein der Weisen“ gefunden zu haben und ihre Position mit endlosen Ausführungen und der Vorlage unterschiedlicher Entscheidungen zahlreicher Gerichte untermauert. Mittlerweile dürfte es bei diesem Thema über die Streitigkeiten in der Sache hinaus auch zu persönlichen Fehden der daran Beteiligten gekommen sein. In fast allen Verfahren wurde natürlich die erwähnte Entscheidung des BGH von den Versicherungsanwälten im Original mit ihren 21 Seiten zu den Akte gereicht, was zu einer weiteren Aufblähung derselben geführt hat. Die Versicherer jubeln, die Sachverständigen grübeln, wie sie die Entscheidung des BGH für sich nutzbar machen können. Vielleicht könnte man doch versuchen, wieder das Grundhonorar etwas zu erhöhen?

Gleichwohl hat diese Entscheidung – trotz ihrer beachtlichen Länge – viel zu wenig gebracht, vgl. oben. Der BGH drückt sich nämlich bei den wichtigsten Fragen der Regulierung von Verkehrsunfällen, die ein Massenphänomen darstellen, regelmäßig und seit langem vor konkreten Aussagen. Dies führt zu einer starken Rechtszersplitterung landauf, landab. Anstatt einmal klar Farbe zu bekennen, werden diejenigen Fragen, die die Praxis bewegen, einfach nicht entschieden, sondern an die Tatsacheninstanzen zurückgegeben. Das ist bei den Mietwagenkosten und jetzt wieder bei den Sachverständigenkosten geschehen. Dies führt zu zahlreichen weiteren Auseinandersetzungen und die Gesamtwirtschaft und die Versicherungswirtschaft belastenden unnötigen Transaktionskosten. Die Praxis würde sich von dem BGH etwas mehr Mut wünschen, auch einmal eine Entscheidung zu treffen, die diesen Namen verdient und in der Sache wirklich weiterführt.

 

 

OLG Jena: Heftstreifen Metall muss nicht (nur) aus Metall bestehen

Das OLG Jena hatte sich mit der Bezeichnung „Heftstreifen Metall“ auseinanderzusetzen, die ein Onlinehändler zur Beschreibung seines Angebots verwendete.

Der Heftstreifen (Fotos bei Wikipedia) bestand aber, wie üblich, nicht vollständig aus Metall. Lediglich der „Abdeckstreifen“ bestand aus Metall. Das OLG Jena verneint eine Irreführung des Verkehrs:

Der so bestimmte Durchschnittsverbraucher erwartet aufgrund der Bezeichnung „Heftstreifen Metall“ nicht einen Heftstreifen, der in allen seinen Teilen aus Metall besteht, sondern einen allgemein üblichen Heftstreifen, der aus unterschiedlichen Materialien bestehen kann. Soweit es um den Zusatz „Metall geht“, versteht der Durchschnittsverbraucher darunter die Beschaffenheit des Teils des Heftstreifens, der für die Stabilität der Heftung die wichtigste Rolle spielt, also des Teils, mit dem die Heftung vorgenommen wird.
Demgegenüber spielt es eine untergeordnete Rolle, ob für die Stabilität der Heftung nicht wesentliche Teile aus einem anderen Material (Plastik oder Papier) bestehen. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass dem Durchschnittsverbraucher Heftstreifen, die vollständig aus Metall bestehen, nicht bekannt sind. Wird also eine Ware als „Heftstreifen Metall“ bezeichnet, dann erwartet der Verbraucher, dass die Heftklammer aus Metall besteht. Er würde unter „Heftklammer Plastik“ – als Kontrollüberlegung -auch keine Heftvorrichtung erwarten, die ausschließlich aus Plastik besteht (vgl. Modell).

Die Grundgedanken dieser Entscheidung lassen sich sicher auch auf andere Produkte übertrage. So wird der Verkehr auch bei Keramikbremsen für den PKW nicht erwarten, dass diese lediglich aus Keramik bestehen, aber die wesentliche Funktion der Bremse durch keramische Teile bewirkt wird. Bei Textilerzeugnissen die europäische Textilkennzeichnungsverordnung 1007/2011  in Art. 2 Abs. 2 konkrete Vorgaben macht, wann Angaben über enthaltene Textilien erforderlich sind.

Praxishinweis
Um Missverständnissen aus dem Weg zu gehen, sollte bei Produktangeboten, die auf eine bestimmte Materielbeschaffenheit neben einer schlagwortartigen Artikelbezeichnung auch eine kurze Beschreibung der gesamten Zusammensetzung des Produktes erfolgen, um eine Irreführung des Verkehrs auszuschließen.

Übrigens: Wussten Sie, dass Heftstreifen auch Aktendulli genannt wurden und werden? So lautete auch die Bezeichnung aus der Gebrauchsmusteranmeldung.

 

OLG Jena, Urteil vom 11.05.2016 – 2 U 663/15

 

 

Nachtrag:

TiL Köster, Erfinder des Heftstreifens aus Metall stabix, hat sich bei mir gemeldet und ein Foto eines solchen Metallheftstreifens übersendet, so kann man sich doch mal ein richtiges Bild davon verschaffen:

stabix

Foto: TiL Köster

BGH: Streuverluste beim Geo-Targeting von Onlineanzeigen wettbewerbswidrig

Ein regionaler Anbieter von Kommunikationsleistungen über das TV-Kabel hat auf bundesweit abrufbaren Internetseiten Werbeanzeigen geschaltet und dabei den Eindruck vermittelt, Leistungen bundesweit anbieten zu können. Tatsächlich war das Unternehmen aber nur in bestimmten Gebieten am Markt tätig. Das Unternehmen hatte bei der Kampagne – zur Vermeidung unnötiger Streuverluste – die Technik des Geo-Targeting angewandt, bei der möglichst nur an Nutzer in einer bestimmten Region Werbeanzeigen ausgespielt werden solle (mehr zu Geo-Targeting bei Wikipedia). Aufgrund technischer Gegebenheiten kam es jedoch zu Streuverlusten in Form von außerhalb der Zielregion abrufbaren Anzeigen in Höhe von rund 5%.

Erst auf der hinter der Werbeanzeige liegenden Internetseite klärte der Anbieter darüber auf, nicht bundesweit tätig zu sein.

Der BGH bejaht hier einen Unterlassungsanspruch aus § 8 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit §§ 3, 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 1 UWG aF und §§ 3, 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 1 UWG aufgrund einer Irreführung von Verbrauchern über die räumliche Verfügbarkeit der Dienstleistungen. Die Relevanz sei auch gegeben, da 5% der Verbraucher zu 100% getäuscht würden. Der BGH zieht den Vergleich mit einer Einzelhandelswerbung, bei der die Relevanz dann erreicht ist, wenn nur eine von 100 Filialen das beworbene Produkt nicht zum Verkauf bereithält.

Praxishinweis:
Aufgrund der technisch derzeit nicht vollständig ausschließbaren Streuverluste beim Geo-Targeting, ist bereits in der Werbeanzeige selbst ein Hinweis auf eine regionale Verfügbarkeitsbeschränkung aufzunehmen. Diese Entscheidung dürfte auch auf Offlinewerbung. z.B. bei Zeitungsbeilagen übertragbar sein.

 

BGH Urteil vom 28.4.2016 – I ZR 23/15

Zustellung an Partei statt an Prozessbevollmächtigten ist unwirksam

Ist im zivilgerichtlichen Verfahren ein Prozessbevollmächtigter bestellt, ist der Prozessbevollmächtigte gemäß § 172 Abs. 1 ZPO alleiniger Adressat aller Zustellungen durch das Gericht. Zustellungen an die Partei sind unwirksam und wirkungslos. Selbst eine Heilung nach § 189 ZPO durch die Zustellung an die Partei findet nicht statt. Wird gegen diese Vorgaben verstoßen, verstößt ein Gericht gegen den grundgesetzlichen Anspruch auf rechtliches Gehör. So hat es das BVerfG im Beschluss vom 16.07.2016 (2 BvR 1614/14) entschieden.

Richterbesoldung in Hessen

Das Land muss sparen. Obwohl die Justiz die Dritte Gewalt darstellt und infolgedessen eigentlich eine Sonderstellung verdient, ist das Gegenteil der Fall. Bei der Justiz muss immer am meisten gespart werden. Dies liegt auf der Hand. Denn: Welcher Politiker mag schon unabhängige Richter?

In den über 25 Jahren richterlicher Tätigkeit des Bloggers gab es – hoffentlich richtig erinnert – nur bestenfalls drei Jahre, in denen eine Gehaltserhöhung die tatsächliche Teuerungsrate überstieg. Seinerzeit gab es in den Besoldungsgruppen R 1 und R 2 noch alle zwei Jahre einen – wenn auch kleinen – Sprung nach oben. Diese – sozusagen – automatische Erhöhung hörte aber mit dem 49. Lebensjahr auf. Ab dem 49. Lebensjahr hat jeder Richter und jede Richterin in Hessen somit jährlich einen maßgeblichen Gehaltsrückgang zu verzeichnen, wohingegen die Lebenshaltungs- und auch sonstige Kosten immer weiter ansteigen; Jahr für Jahr. Hinzu kommt, dass sich im Laufe der genannten über 25 Jahre eine sehr große Schere zwischen der Besoldung von Richtern/Richterinnen und Rechtsanwälten/Rechtsanwältinnen in vergleichbarer Stellung geöffnet hat. Selbst die Anfangsgehälter in größeren Anwaltsbüros liegen heute weit über dem Endgehalt eines „normalen“ Richters bzw. einer Richterin. Wer von der Justiz in die Anwaltschaft oder in die Wirtschaft wechselt, wird in der Regel sein Gehalt verdoppeln. Aber dieser Weg ist für ältere Richter und Richterinnen nicht realistisch gangbar, was natürlich auch den Politikern klar ist.

Früher hat man oft gesagt, als Richter/Richterin habe man dafür auch weniger Arbeit. Diese Behauptung lässt sich jedoch heute nicht mehr aufrechterhalten. Denn die Arbeit wird nicht weniger, sondern mehr. Woran dies liegt, habe ich – notgedrungen beschränkt auf Zivilsachen – an anderer Stelle ausgeführt (F. O. Fischer, DRiZ 2015, 392 ff.). Es gibt derzeit keine Anzeichen, dass sich diese Situation auch nur ansatzweise ändern wird, im Gegenteil. Die Politik verweigert der Justiz hartnäckig nicht nur die angemessene Besoldung, sondern darüber hinaus auch die angemessene Ausstattung. So hängen zahlreiche Verzögerungen im Justizbetrieb oft gar nicht mit den Richtern/Richterinnen zusammen, sondern mit den Geschäftsstellen. Diese sind noch mehr überlastet als die Richter/Richterinnen und einfach nicht mehr dazu in der Lage, ihre Aufgaben zeitnah und sachgerecht zu erfüllen. Durch die beständige Überlastung steigen auch die Krankenstände immer weiter an. Es kommt auch vermehrt zu Burnout-Syndromen.

Das BVerfG hat sich  nunmehr auch eingeschaltet. Ob dies für die Richterschaft gut oder schlecht ist, muss sich erst zeigen. Die Politik wird nämlich um jeden Preis versuchen, immer an der äußersten Grenze des Zulässigen nach unten entlang zu fahren und diesen „Spielraum“ beständig – soweit es irgendwie geht – ausnutzen.

Wenn Richter und Richterinnen streiken dürften, wäre es nunmehr bald an der Zeit, den unbefristeten Generalstreik auszurufen. Schade, dass es nicht geht und sich Richter und Richterinnen (fast) alles gefallen lassen! Hoffentlich ändert sich das, und zwar bald.

 

OLG Köln: Kein Schadensersatz für unerlaubte Nutzung fremder Fotos, die kostenlos nutzbar wären

Fotos sind eine Ware, die am Markt entgeltlich gehandelt wird, dies ist zumindest der Regelfall. Ausnahmen bilden Werke, die die Urheber kostenfrei, jedoch dann in der Regel und bestimmten Lizenzbedingungen einstellen. Dies kann z.B. durch Verwendung der Creative Commons Lizenzbedingungen erfolgen. Diese Bedingungen verlangen je nach Typ der Lizenz zumindest die Urhebernennung und einen Verweis auf die Lizenzbedingungen bei der Werknutzung.

Erfolgt dies nicht, so wird eine vom Urheber zur Nutzung gestellte Bedingung nicht erfüllt, sodass eine unerlaubte Verwertung i.S.d. UrhG vorliegt. Für den Nutzer des Werkes bedeutet dies einerseits, einem Unterlassungsanspruch gem. § 97 Abs. 1 S. 1 UrhG ausgesetzt zu sein, der in der Regel im Wege einer Abmahnung und hiernach gerichtlich geltend gemacht wird.

Deutlich attraktiver für den Urheber war bisher jedoch die (zusätzliche) Geltendmachung von Schadensersatz. Grundsätzlich ist bei einer schuldhaften Verletzung fremder Urheberrechte ein Schadensersatzanspruch aus § 97 Abs. 2 UrhG gegeben. Eine praktisch bedeutsame Berechnungsmethode des Schadens ist die sog. Lizenzanalogie, zu deren Ermittlung teils Empfehlungen der Mittelstandsgemeinschaft Fotomarketing (MFM) oder der VG Bild-Kunst herangezogen werden. Ist auch schon die Anwendbarkeit dieser Vorgaben in der Rechtsprechung, gerade bei Hobbyfotografen als Urheber, umstritten, so geht das OLG Köln bei Fotos, die unter der Creative Commons Lizenz unentgeltlich zur Nutzung angeboten werden, noch einen Schritt weiter:

Den „objektiven Wert“ der Nutzung eines unter der D-Lizenz angebotenen geschützten Inhalts hat der Senat in seinem Beschluss vom 31.10.2014 (6 U 60/14) mit Null angesetzt. Der vorliegende Fall gibt keine Veranlassung, von dieser Bewertung abzuweichen. Der Kläger hat sein Lichtbild sowohl für kommerzielle als auch nicht-kommerzielle Nutzungen, d.h. insgesamt kostenlos zur Verfügung gestellt, so dass nicht ersichtlich ist, welchen wirtschaftlichen Sinn eine weitere entgeltliche Lizenzierung daneben haben könnte. Da das öffentliche Zugänglichmachen bereits kostenlos möglich ist, liefe eine weitergehende kostenpflichtige Lizenz letztlich nur darauf hinaus, sich als Lizenznehmer von den Bedingungen der D Lizenz zu befreien.  Anhaltspunkte, die als Grundlage einer Schätzung nach § 287 ZPO dienen könnten, um den objektiven Wert einer solchen „Befreiung“ zu schätzen, sind nicht vorgetragen. Soweit der Kläger auf seine Lizenzkataloge, Korrespondenz und Rechnungen verweist, beziehen diese sich nicht nur allein auf 2015, sondern stellen zudem die Vergütung des Nutzungsrechts dar, obwohl der wirtschaftliche Wert einer entgeltlichen Lizenz allenfalls in der Befreiung von den Bedingung liegen kann. Dieser Wert lässt sich jedoch im Wege der Lizenzanalogie nicht berechnen.

Soweit ist die Argumentation nachvollziehbar.

Weiterhin ist in Rechtsprechung und Literatur jedoch anerkannt, dass bei fehlender Urheberbennenung der Schadensersatzanspruch zu erhöhen (teils zu verdoppeln) ist (z.B. OLG Düsseldorf Urteil vom 9. 5. 2006 – 20 U 138/05 GRUR-RR 2006, 393, 394).  Das OLG Köln führt in dem aktuellen Beschluss hierzu aus:

Gleiches gilt für die fehlende Urheberbenennung. Zwar wird vertreten, dass auch Werke, welche unter einer P-Lizenz angeboten werden, über einen wirtschaftlichen Wert verfügten. Dies gelte insbesondere vor dem Hintergrund, dass P-Lizenzen häufig zur Bewerbung des eigenen Werkschaffens genutzt würden. Der Urheber veröffentliche einen kleinen Ausschnitt seines Werkes, um dadurch sich und seine Werke besser vermarkten zu können. Hier müsse im Einzelfall entschieden werden, ob das jeweilige Werk in der konkreten Verwendung trotz des P-Angebots einen wirtschaftlichen Wert habe oder nicht (vgl. Rauer/Ettig, WRP 2015, 153 ff., Rn. 30, m.w.N. – juris). Wenn vorliegend Lichtbilder sowohl für kommerzielle wie nicht-kommerzielle Nutzungen kostenlos frei gegeben werden und es an konkretem Vortrag fehlt, dass 2012 auch auf andere Weise als über die D Lizenz Lichtbilder des Klägers lizenziert worden sind, ist kein wirtschaftlicher Wert der Namensnennung für den Kläger ersichtlich.

Auf den ersten Blick scheint dieses Ergebnis verfehlt, da selbstverständlich in vielen Fällen denkbar ist, dass Auftraggeber gerade durch kostenfreie CC-lizenzierte Werke auf einen Urheber aufmerksam werden und ihn möglicherweise für zukünftige Vorhaben engagieren. Insoweit kommt dem kostenfrei nutzbaren Werk die Funktion eines „Appetithappens“ zu. Auf den zweiten Blick scheint hier aber der Vortrag des Klägers unzureichend gewesen zu sein (oder der Sachverhalt für eine Klage ungeeignet), da nach Ansicht des Gerichts ein Vortrag dazu fehlte, dass es zu entgeltlichen Lizenzierungen gekommen sei (die dann auch möglicherweise auf die kostenfreien CC-lizenzierten Fotos zurückzuführen wären).

Wie Gerichte im Falle von fehlenden Urheberbenennungen den Zuschlag berechnen, ist bisher offen, da bisher immer ein prozentualer Zuschlag zur angemessenen Lizenzgebühr vorgenommen wurde. In Frage käme hier z.B., lediglich 50-100% der eigentlichen Lizenzgebühr als Schadensersatz für die fehlende Urheberbenennung zu verlangen.

 

Für die Praxis gilt:
Auch CC-lizenzierte Fotos dürfen nur unter Einhaltung der Lizenzbedingungen verwendet werden. Unterlassungsansprüche dürften andernfalls bestehen. In Bezug auf Schadensersatzansprüche aufgrund fehlender Urhebernennung (und nicht nur aufgrund fehlender Verweisung auf die Lizenzbedingungen) ist aus Urhebersicht detailliert zu prüfen, ob entgeltliche Lizenzierungen erfolgt sind, dies ist auch auf Verletzerseite ein wichtiges Verteidigungsinstrument, soweit das Gericht der schlüssigen Ansicht des OLG Köln folgt.

 

OLG Köln, Beschluss vom 29.06.2016 Az.: 6 W 72/16

Montagsblog: Neues vom BGH

In Anlehnung an die sog. Montagspost beim BGH berichtet der Montagsblog wöchentlich über ausgewählte aktuelle Entscheidungen.

Anwendbarkeit von § 280 und § 281 BGB im Eigentümer-Besitzer-Verhältnis
Urteil vom 18. März 2016 – V ZR 89/15

Eine viel diskutierte Streitfrage zum Verhältnis zwischen §§ 985 ff. BGB und den Vorschriften des allgemeinen Schuldrechts hat der V. Zivilsenat entschieden.

Eine mittlerweile insolvente Gesellschaft hatte aufgrund eines Kooperationsvertrags mit einem Einkaufsring in mehreren von der Beklagten betriebenen Getränkemärkten Videogeräte für Werbezwecke aufgestellt. Nach Beendigung des Kooperationsvertrags teilte der Kläger mit, die Geräte seien an ihn übereignet worden. Zugleich verlangte er die Herausgabe der Geräte. Nachdem die Beklagte diesem Verlangen nicht nachgekommen war, verlangte er von ihr Schadensersatz in Höhe des Veräußerungswerts. Die Klage blieb in den ersten beiden Instanzen erfolglos.

Der BGH verweist die Sache an das OLG zurück. Mit den Vorinstanzen verneint er einen Schadensersatzanspruch aus §§ 989, 990 BGB. Die Beklagte war zwar bösgläubig, weil sie nach Beendigung des Kooperationsvertrags wusste, dass sie nicht (mehr) zum Besitz der Geräte berechtigt ist. Der Anspruch aus §§ 989, 990 BGB umfasst aber nur den Schaden, der dadurch entsteht, dass die Sache nicht mehr herausgegeben werden kann, nicht hingegen einen Schaden aufgrund bloßer Vorenthaltung der Sache. Als Grundlage für einen solchen Anspruch kommen in der zu beurteilenden Konstellation nur §§ 280, 281 BGB in Betracht. Diese sind nach Auffassung des BGH auf den Herausgabeanspruch aus § 985 BGB anwendbar. Das in einem Teil der Literatur angeführte Gegenargument, die Anwendung der Vorschriften laufe auf einen Zwangskauf hinaus, hält der BGH für nicht stichhaltig, weil sich eine vergleichbare Situation auch bei schuldrechtlichen Rückgabeansprüchen ergeben kann und der Gesetzgeber dem Gläubiger dennoch die Möglichkeit eingeräumt hat, zum Schadensersatz überzugehen. Entsprechend der Wertung in §§ 989, 990 BGB setzen Ansprüche aus § 280 und § 281 BGB wegen Verletzung der Herausgabepflicht aus § 985 BGB allerdings zusätzlich voraus, dass der Herausgabeanspruch rechtshängig oder der Besitzer bösgläubig ist.

Praxistipp: Die Entscheidung, vom Herausgabeanspruch zum Schadensersatzanspruch überzugehen, sollte sorgfältig erwogen werden. Nach § 281 Abs. 4 BGB ist es dem Eigentümer verwehrt, weiterhin Herausgabe zu verlangen, sobald er Schadensersatz statt der Leistung verlangt hat.

Eigentumsverletzung durch Einsperren eines Schiffs im Hafen
Urteil vom 21. Juni 2016 – VI ZR 403/14

Eine seit langem etablierte Rechtsprechung wendet der VI. Zivilsenat auf einen aktuellen Fall an.

Der Beklagte wollte mit einem Tankmotorschiff in einem dafür nicht zugelassenen Bereich vor Anker gehen. Bei dem Manöver setzte sich das Schiff so unglücklich fest, dass die Einfahrt zu einem Yachthafen nicht mehr befahrbar war. Der Kläger begehrt Ersatz von Stillstandskosten für mehrere Schiffe, die einen Tag lang in dem Yachthafen eingeschlossen waren. Das in erster Instanz als Rheinschifffahrtsgericht zuständige AG erließ ein Grundurteil zugunsten des Klägers. Das als Rheinschifffahrtsobergericht für die Berufung zuständige OLG wies die Klage hingegen ab.

Der BGH verweist die Sache an das OLG zurück. Er nimmt Bezug auf seine ständige Rechtsprechung, wonach die Verletzung des Eigentums an einer Sache nicht nur durch eine Beeinträchtigung der Sachsubstanz erfolgen kann, sondern auch durch eine sonstige die Eigentümerbefugnisse treffende tatsächliche Einwirkung auf die Sache selbst, die deren Benutzung objektiv verhindert. Bei einem Schiff, das in einem Hafen eingesperrt wird, ist diese Voraussetzung in der Regel erfüllt. Entgegen der Auffassung des OLG ist nicht zusätzlich erforderlich, dass die Beeinträchtigung über einen längeren Zeitraum hinweg fortdauert. Die Dauer der Beeinträchtigung ist allenfalls für die Höhe der zu ersetzenden Schäden von Bedeutung.

Praxistipp: Die Erfolgsaussicht des Geschädigten hängt in solchen Konstellationen entscheidend davon ab, ob eine bestimmungsgemäße Nutzung der Sache noch in bestimmten Grenzen möglich war. Nur wenn dies nicht der Fall war, liegt eine Eigentumsverletzung vor.

Sachmangelbegriff nach der Schuldrechtsmodernisierung
Urteil vom 15. Juni 2016 – VIII ZR 134/14

Dass der Sachmangelbegriff des § 459 BGB a.F. enger ist als derjenige des § 434 BGB in der seit 1.1.2002 geltenden Fassung, verdeutlicht der VIII. Zivilsenat in einer Entscheidung, die auch in der Tagespresse Aufmerksamkeit gefunden hat.

Der Kläger hatte vom beklagten Kraftfahrzeughändler über eine Internet-Plattform im Juli 2013 einen Audi TT „inklusive Audi-Garantie bis 11/2014“ gekauft. Schon kurz nach dem Kauf traten Motorstörungen auf, die in einem Audi-Zentrum behoben wurden. Weitere Garantieleistungen lehnte die Audi AG in der Folgezeit mit der Begründung ab, es lägen Anzeichen für eine Manipulation des Kilometerstands im Zeitraum vor der Übergabe des Fahrzeugs an den Kläger vor. Der Kläger begehrte daraufhin vom Beklagten die Rückabwicklung des Kaufvertrags. Seine Klage hatte in den ersten beiden Instanzen keinen Erfolg.

Der BGH verweist die Sache an das OLG zurück. Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen sieht er das Nichtbestehen der im Kaufvertrag vorgesehenen Herstellergarantie als Sachmangel an. Die auf der Grundlage des früheren Rechts getroffene Unterscheidung zwischen Beschaffenheitsmerkmalen, deren Vorliegen einen Sachmangel im Sinne von § 459 Abs. 1 BGB a.F. darstellt, und sonstigen Eigenschaften, deren Fehlen nur dann zu Gewährleistungsansprüchen gem. § 459 Abs. 2 BGB a.F. führt, wenn sie zugesichert wurden, ist auf der Grundlage des neuen Rechts obsolet. Als Beschaffenheit im Sinne von § 434 BGB n.F. sind jedenfalls auch alle zusicherungsfähigen Eigenschaften im Sinne von § 459 Abs. 2 BGB a.F. anzusehen, deren Vorliegen zur vertraglichen Sollbeschaffenheit gehört. Davon umfasst sind alle Beziehungen der Sache zur Umwelt, die nach der Verkehrsauffassung Einfluss auf die Wertschätzung der Sache haben. Diese Voraussetzungen sind bei der hier in Rede stehenden Herstellergarantie erfüllt.

Praxistipp: Wenn der Hersteller Garantieleistungen aus einem Grund verweigert, der für sich gesehen bereits einen Mangel darstellt, sollten das Nacherfüllungsbegehren und die Rücktrittserklärung des Käufers gegenüber dem Verkäufer vorsorglich auf beide Gründe gestützt werden – in der dem Streitfall zugrunde liegenden Konstellation also nicht nur auf das Nichtbestehen der Herstellergarantie, sondern auch auf die Manipulationen am Kilometerstand.

Montagsblog: Neues vom BGH

Kein Verjährungsbeginn durch privat erlangte Kenntnisse von Mitarbeitern
Urteil vom 14. Januar 2016 – I ZR 65/14

Die etablierten Grundsätze über die Relevanz der von Mitarbeitern erlangten Kenntnisse für den Beginn der Verjährung wendet der I. Zivilsenat auf einen Fall an, der aus anderen Gründen öffentliche Aufmerksamkeit erfahren hat.

Der klagende Verbraucherverband wandte sich gegen den über Facebook angestoßenen Versand von E-Mails, in denen Adressaten, deren Daten aus dem Adressbuch eines vorhandenen Nutzers ausgelesen wurden, unter dessen Absenderadresse aufgefordert werden, ebenfalls ein Benutzerkonto einzurichten. Die Klage, gegenüber der sich Facebook unter anderem auch auf Verjährung berief, hatte beim LG und beim OLG Erfolg.

Der BGH weist die Revision zurück. Er sieht in dem Versand der E-Mails eine gegen § 7 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 3 Fall 3 UWG verstoßende Werbemaßnahme von Facebook. Die Verjährungseinrede sieht er mit den Vorinstanzen für nicht stichhaltig an. Für den Beginn der Verjährung ist der Zeitpunkt maßgeblich, zu dem die gesetzlichen Vertreter des Klägers oder dessen für die Verfolgung von Wettbewerbsverstößen der in Rede stehenden Art zuständigen Mitarbeiter Kenntnis vom Verstoß und vom Verletzer erlangt haben. Privat erlangtes Wissen von Mitarbeitern ist grundsätzlich irrelevant. Im konkreten Fall hatte eine Mitarbeiterin des Klägers die E-Mail, auf deren Versand die Klageansprüche gestützt waren, privat zugesandt erhalten und einige Wochen später an die zuständige Sachbearbeiterin weitergeleitet. Die Verjährungsfrist begann erst mit der Weiterleitung zu laufen.

Praxistipp: Der Zeitpunkt der Bekanntgabe von privat erlangtem Wissen an den zur Geltendmachung eines Anspruchs zuständigen Sachbearbeiter sollte sorgfältig dokumentiert werden.

Verwertung von Aussagen aus einem anderen Rechtsstreit
Urteil vom 3. März 2016 – I ZR 245/14

Dass sich eine vermeintlich zeitsparende Verfahrensweise als Bumerang erweisen kann, belegt eine Entscheidung des I. Zivilsenats in einer Transportsache.

Die Klägerin begehrte vom beklagten Paketdienstunternehmen Schadensersatz wegen Verlusts eines Pakets. Die Beklagte verweigerte die Zahlung unter anderem mit der Begründung, der Wert der Sendung habe die in den Beförderungsbedingungen festgelegte Höchstgrenze überstiegen. Das LG verurteilte die Beklagte im Jahr 2011 im Wesentlichen antragsgemäß. Das erste, der Klägerin günstige Berufungsurteil aus dem Jahr 2012 hob der BGH rund ein Jahr später auf (Urteil vom 4.7.2013 – I ZR 156/12). In seiner zweiten Entscheidung wies das OLG die Berufung Ende 2014 erneut zurück. Es sah die Behauptung der Beklagten, sie hätte die Sendung bei einem Hinweis auf deren Wert zurückgewiesen, als nicht bewiesen an. Zwar hatte ein als Zeuge vernommener Mitarbeiter der Beklagten deren Vortrag bestätigt. Das OLG vermochte sich von der Wahrheit dieser Angabe aber nicht zu überzeugen, weil ein anderer Mitarbeiter der Beklagten in zwei anderen Verfahren, deren Akten beigezogen waren, sich in entgegengesetztem Sinne geäußert hatte.

Der BGH verweist die Sache erneut an das OLG zurück. Abweichend vom OLG sieht er die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Beklagte die Sendung bei einem Hinweis auf deren Wert nicht angenommen hätte, bei der Klägerin, weil es sich um so genanntes Verbotsgut gehandelt hat. Darüber hinaus hält er die Beweiswürdigung des OLG für fehlerhaft. Die Verwertung von protokollierten Aussagen aus anderen Verfahren ist, sofern eine Partei dies beantragt, zwar unter bestimmten Voraussetzungen zulässig. Das Gericht muss aber seine diesbezügliche Absicht den Parteien mitteilen, um diesen Gelegenheit zu ergänzendem Vortrag und eventuellen zusätzlichen Beweisangeboten zu geben. Ein in das Sitzungsprotokoll aufgenommener Vermerk, die Akten des anderen Verfahrens hätten vorgelegen und seien Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen, reicht hierfür nicht aus.

Praxistipp: Eine auf Fehler dieser Art gestützte Rüge hat in der Revisionsinstanz nur dann Aussicht auf Erfolg, wenn der Rechtsmittelführer vorträgt, was er bei rechtzeitiger Erteilung des gebotenen Hinweises ergänzend vorgetragen hätte.

Bestreiten mit Nichtwissen
Urteil vom 22. April 2016 – V ZR 256/14

Mit der Tragweite von § 138 Abs. 4 ZPO befasst sich der V. Zivilsenat.

Die Beklagte hatte dem Kläger eine Eigentumswohnung verkauft. Mit den Gesprächen im Vorfeld hatte sie eine andere Gesellschaft betraut, die den Erwerb als Steuersparmodell anpries. Die auf Rückabwicklung des Kaufvertrags wegen sittenwidriger Überhöhung des Kaufpreises und unzutreffender Beratung gerichtete Klage blieb in den ersten beiden Instanzen erfolglos. Das OLG sah die Behauptung, in einem dem Erwerb vorausgegangenen Beratungsgespräch habe ein Mitarbeiter des Vertriebsunternehmens wider besseres Wissen eine Mindestausschüttung garantiert, als mit Nichtwissen bestritten und unbewiesen an.

Der BGH verweist die Sache an das OLG zurück. Er hält die Feststellungen zum Verkehrswert der Wohnung für nicht tragfähig, weil sich das OLG nicht in der gebotenen Weise mit den in einem Privatgutachten erhobenen Einwendungen gegen die Beurteilung des gerichtlichen Sachverständigen auseinandergesetzt hat. Ferner sieht er die Behauptung einer Beratungspflichtverletzung als nicht wirksam bestritten an. Er stützt dies auf seine ständige Rechtsprechung, wonach ein Bestreiten mit Nichtwissen nicht zulässig ist, wenn die bestreitende Partei die erforderlichen Informationen bei Personen einholen kann, die unter ihrer Anleitung, Aufsicht oder Verantwortung tätig geworden sind. Hierzu gehören abweichend von der Auffassung des OLG nicht nur Personen, die in die geschäftliche Organisation der Partei eingegliedert sind, sondern auch Untervermittler, deren sich eine Partei zum Zwecke von Vertragsverhandlungen oder Beratungsgesprächen bedient.

Praxistipp: Bestreitet der Gegner eine Behauptung mit Nichtwissen, sollten vorsorglich alle Umstände vorgetragen werden, aus denen sich eine Obliegenheit des Gegners zur Einholung von Informationen ergibt.

Labrador gegen Golden Retriever
Urteil vom 31. Mai 2016 – VI ZR 465/15

Mit der Frage, unter welchen Voraussetzungen sich ein geschädigter Tierhalter die von seinem eigenen Tier ausgehende Gefahr anspruchsmindernd zurechnen lassen muss, befasst sich der VI. Zivilsenat.

Der Kläger erlitt beim Ausführen seines Hundes Verletzungen, als der Hund des Beklagten sich durch eine das heimische Grundstück begrenzende Hecke gezwängt und den gegnerischen Hund samt Halter angriff. Die auf Ersatz des materiellen Schadens und Zahlung eines Schmerzensgelds gerichtete Klage hatte bei LG und OLG Erfolg.

Der BGH verweist die Sache an das OLG zurück. Er hält eine anspruchsmindernde Mitverursachung durch den Hund des Klägers für möglich. Auf einen Anspruch aus § 833 Satz 1 BGB muss sich ein Tierhalter die von seinem eigenen Tier ausgehende Gefahr gemäß § 254 Abs. 1 BGB anspruchsmindernd anrechnen lassen. Eine solche Gefahr verwirklicht sich abweichend von der Auffassung des OLG auch dann, wenn es zu einem Kampf oder Gerangel zwischen zwei Hunden kommt – unabhängig davon, welcher Hund als Angreifer anzusehen ist. Das Urteil des OLG wäre im Ergebnis dennoch richtig, wenn der Beklagte auch aus § 823 Abs. 1 BGB haftet, etwa deshalb, weil er sein Grundstück nicht hinreichend sicher eingezäunt hat. In diesem Fall ist eine Anrechnung der Tiergefahr entsprechend § 840 Abs. 3 BGB ausgeschlossen. Das OLG muss deshalb Feststellungen zum Verschulden des Beklagten treffen.

Praxistipp: Wenn bei einer auf den Gefährdungstatbestand des § 833 Abs. 1 BGB gestützten Klage die Anrechnung einer mitwirkenden Tiergefahr in Betracht kommt, sollte vorsorglich stets zum Verschulden des Beklagten vorgetragen werden.

BVerfG zum Willkürverbot bei Nichtzulassung der Berufung

Für den Anwalt und erst Recht für die Partei ist folgende Situation immer eine sehr ärgerlich: Es gibt eine feststehende Rechtsprechung des Berufungsgerichts zu einer im Prozess entscheidungserheblichen Rechtsfrage, die der entscheidende Richter am Amtsgericht jedoch für falsch hält. Dabei geht es beispielsweise um die Höhe der erstattungsfähigen Inkassokosten oder um Fragen zu Details der Schadensabrechnung (z.B. zu der Problematik, ob bei fiktiver Schadensabrechnung im Rahmen eines Verkehrsunfalls die Verbringungskosten erstattungsfähig sind oder eben nicht).

Offenbar gehen einige Richter an den Amtsgerichten davon aus, dass die Durchsetzung von nach Auffassung des Richters falschen Rechtsansichten, mögen sie auch der Sichtweise des zuständigen Berufungsgerichts entsprechen, kein Grund dafür ist, die Berufung zuzulassen. Diese Ansicht ist allerdings so nicht richtig. Gemäß § 511 Abs. 4 ZPO lässt das Gericht des ersten Rechtszuges die Berufung u.a. zu (d. h.: Es muss sie zulassen!), wenn die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung durch das Berufungsgericht erfordert. Nach ständiger Rechtsprechung, die auch durch die Gesetzesmaterialien gedeckt wird, sollte mit dieser Formulierung auch erreicht werden, dass unterschiedliche Rechtsprechung in einem Gerichtsbezirk vermieden wird.

In einem Fall, mit dem sich das BVerfG (Beschl. v. 27.5.2016 – 1 BvR 345/16) beschäftigt hat, hatte das  Amtsgericht die Berufung mit der Begründung nicht zugelassen, eine einheitliche Rechtsprechung des Berufungsgerichts bestehe bereits. Das tatsächliche Erreichen einer einheitlichen Rechtsprechung sei von § 511 Abs. 4 hingegen nicht geschützt. Diese Sicht der Dinge hat das BVerfG in einer Kammerentscheidung als willkürlich bezeichnet (Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG). Das BVerfG gebraucht deutliche Worte: „Die Nichtzulassung der Berufung mit der vom Amtsgericht gegebenen Begründung erweist sich hier nicht nur als Rechtsanwendungsfehler im Einzelfall, sondern als grobe Verkennung, die zugleich auf eine generelle Vernachlässigung des Grundrechts auf effektiven Rechtsschutz hindeutet und auf einem geradezu leichtfertigen Umgang mit grundrechtlich geschützten Positionen beruht.“ (Rn. 15.)

Fazit: Der Rechtsanwalt sollte daher in geeigneten Fällen vorsorglich darauf hinweisen, dass bei einer bewussten Abweichung von einer Rechtsprechung des zuständigen Berufungsgerichts die Berufung zwingend zuzulassen ist. Nicht anderes gilt bei einer bewussten Abweichung von einer Rechtsprechung des Revisionsgerichts, mithin des BGH. Wird eine Berufung willkürlich nicht zugelassen, kommt ausnahmsweise auch eine sonst nicht mögliche nachträgliche Zulassung der Berufung aufgrund einer Gegenvorstellung in Betracht (BGH, Beschl. v. 9.6.2016 – IX ZB 92/15).

Keine Terminsgebühr bei telefonischer Weiterleitung von Informationen

Eine bloße telefonische Kontaktaufnahme, etwa zur Sachstandsmitteilung oder -nachfrage, genügt nicht für die Entstehung einer Terminsgebühr nach Nr. 3104 i.V.m. Anm. Abs. 3 VV RVG. Vielmehr ist in der Regel erforderlich, dass die Besprechung einem Gerichtstermin gleichkommt.

Zu dieser Entscheidung kommt das VGH Mannheim (Beschl. v. 12.7.2016 – 4 S 1308/16). Die Gebühr für außergerichtliche Termine und Besprechungen kann grundsätzlich für die „Mitwirkung an Besprechungen, die auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichtet sind“ erhoben werden. Allerdings hat in dem zugrundliegenden Fall des VGH  der Antragsgegner dem Gericht einen neuen Sachstand mitgeteilt. Hierrüber hat das Gericht hat den Antragstellervertreter  telefonisch informiert, woraufhin dieser erklärte, dass ohnehin die Erledigungserklärung beabsichtigt sei.