Montagsblog: Neues vom BGH

Um einen nicht alltäglichen Fall der Staatshaftung geht es in dieser Woche.

Staatshaftung bei fehlerhafter Zustellung
Urteil vom 21. Februar 2019 – III ZR 115/18

Mit den formellen Voraussetzungen einer Zustellung im Parteibetrieb und den haftungsrechtlichen Folgen eines Fehlers befasst sich der III. Zivilsenat.

Die Klägerin hatte eine durch Beschluss erlassene einstweilige Verfügung erwirkt und eine im Dienst des beklagten Bundeslandes stehende Gerichtsvollzieherin mit der Zustellung an den Verfügungsschuldner beauftragt. Nach Ablauf eines Monats beantragte der Schuldner erfolgreich die Aufhebung der einstweiligen Verfügung, mit der Begründung, diese sei mangels wirksamer Zustellung nicht rechtzeitig vollzogen worden. Der Kläger begehrt deshalb vom Beklagten Ersatz der Kosten des Verfügungsverfahrens. Die Klage blieb in den beiden ersten Instanzen erfolglos.

Der BGH verweist die Sache an das OLG zurück. Er tritt dem OLG darin bei, dass zur ordnungsgemäßen Zustellung der einstweiligen Verfügung die Übersendung einer beglaubigten Abschrift erforderlich war. Ob ein diesbezüglicher Zustellungsmangel auch bei einer durch Beschluss erlassenen einstweiligen Verfügung nach § 189 ZPO geheilt werden kann, lässt der BGH offen. Selbst wenn eine Heilung möglich ist, führt diese nur zur Wirksamkeit der Zustellung, nicht aber zum Wegfall des aufgrund der fehlerhaften Handhabung durch den Gerichtsvollzieher begründeten Haftung aus § 839 BGB. Die Heilung kann allerdings zur Folge haben, dass im Ergebnis kein ersatzfähiger Schaden eintritt. Letzteres setzt aber voraus, dass die Heilungswirkung im weiteren Verlauf erkannt worden ist. Das OLG wird nach der Zurückverweisung deshalb die zwischen den Parteien umstrittene Frage zu prüfen haben, ob eine beglaubigte oder eine nicht beglaubigte Abschrift zugestellt wurde und welche Aussichten ein Rechtsmittel des Klägers gegen die Aufhebung der einstweiligen Verfügung gehabt hätte.

Praxistipp: Wenn die zuzustellende Entscheidung farbige Abbildungen oder dergleichen enthält, sollte sichergestellt werden, dass diese auch in der Abschrift farbig wiedergegeben sind.

Nach der Richtgeschwindigkeit muss man sich nicht (immer) richten

Der Fahrer eines Seat befand sich auf der linken Fahrspur einer Autobahn und wollte gerade einen Dacia überholen, als dieser plötzlich und ohne zu blinken nach links zog. Der Fahrer des Seat konnte bei einem Tempo von 150 km/h nicht mehr rechtzeitig bremsen und fuhr auf den Dacia auf. Der Fahrer des Dacia verklagte den Halter des auffahrenden Pkw; er meinte, wer sich nicht an die Richtgeschwindigkeit von 130 km/h halte, müsse jedenfalls anteilig für den Unfallschaden haften. Das OLG Hamm war anderer Meinung: Auch wenn der Auffahrende maßvoll die empfohlene Richtgeschwindigkeit überschreitet, verwirklicht sich die mit der Überschreitung der Richtgeschwindigkeit verbundene Gefahr des Ver- und Unterschätzens der Annäherungsgeschwindigkeit des rückwärtigen Verkehrs nicht, wenn der die Fahrstreifen wechselnde den rückwärtigen Verkehr gar nicht beachtet“ (Beschl. v. 8.2.2018 – 7 U 39/17).

So richtig überraschen mag diese Entscheidung nicht. Denn auch wenn die Autobahn-Richtgeschwindigkeit in einer Verordnung , nämlich der „Verordnung über eine allgemeine Richtgeschwindigkeit auf Autobahnen und ähnlichen Straßen (Autobahn-Richtgeschwindigkeits-V)“ „geregelt“ ist, kann der Bestimmung schon vom Wortlaut her keine Verbindlichkeit zukommen. Sie stellt eine reine Empfehlung dar, die als solche auch nicht sanktioniert ist. Es handelt sich um nicht mehr als um einen psychologischen Appell. (AG Halle, Urt. v. 1.12.2011 – 98 C 1863/11, NZV 2013, 82.) Die Überschreitung der Richtgeschwindigkeit begründet auch kein Verschulden (OLG Nürnberg, Urt. v. 9.9.2010 – 13 U 712/10, MDR 2011, 26). Die rechtlich einzuhaltende Geschwindigkeit ergibt sich allein aus den Regelungen des § 3 StVO. Rechtlich völlig bedeutungslos ist die Richtgeschwindigkeit jedoch nicht. Denn die Einhaltung der Richtgeschwindigkeit kann nach der Wertung und den Erkenntnissen des Verordnungsgebers unfallverhütend wirken; ihre (Nicht-)Einhaltung kann damit jedenfalls zivilrechtliche Folgen haben.

Einen Schnellfahrer zur (Mit-)Haftung heranzuziehen, ist durchaus auch die gerichtliche Praxis. So nimmt das OLG Oldenburg (Urt. v. 21.3.2012 – 3 U 69/11) eine deutliche Überschreitung bei 200 km/h, das AG Halle schon bei 180 km/h an (Urt. v. 1.12.2011 – 98 C 1863/11, NZV 2013, 82) und das OLG Hamm (Urt. v. 25.11.2010 – 6 U/10, I-6 U 71/10 – NZV 2011, 248), „wenn sich die erhöhte Geschwindigkeit nachweislich betriebsgefahrerhöhend ausgewirkt hat“ an. Bei der Abwägung gemäß § 17 Abs. 1, Abs. 2 StVG sei zwar auf beiden Seiten lediglich die Betriebsgefahr zu berücksichtigen. Diese sei aber hier ungleich hoch. Erhöht sei die Betriebsgefahr, wenn die Gefahren, die regelmäßig und notwendigerweise mit dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs verbunden sind, durch das Hinzutreten besonderer Umstände unfallursächlich vergrößert werden. Das sei hinsichtlich eines schnell fahrenden Fahrzeugs der Fall, wenn die Richtgeschwindigkeit in ganz erheblichem Maße überschritten worden sei und positiv feststehe, dass der Unfall bei Einhaltung der Richtgeschwindigkeit vermieden worden wäre. Auch 160 km/h (OLG Hamm, Urt. v. 25.11.2010 – 6 U/10, I-6 U 71/10) genügen hier schon. Eine „deutliche Überschreitung“ der Richtgeschwindigkeit liegt aber auch nach dem OLG München (Urt. v. 2.2.2007 – 10 U 4976/06) noch nicht bei einem Tempo von 150 km/h vor.

Die Überschreitung der Richtgeschwindigkeit begründet in aller Regel keinen Verschuldensvorwurf, sondern erhöht allenfalls die in die Abwägung einzustellende Betriebsgefahr (OLG Schleswig, Teilurt. v. 30.7.2009 – 7 U 12/09). Derjenige, der die Richtgeschwindigkeit überschreitet, kann sich nicht auf die Unabwendbarkeit des Unfalls berufen: Dazu müsste er die Richtgeschwindigkeit einhalten. (Seine) Betriebsgefahr ist aber auch nur dann erhöht, wenn er die Richtgeschwindigkeit maßgeblich überschritten hat. Das ist bei 180 bis 200 km/h der Fall, bei 150 km/h aber noch nicht.

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Die Kausalität eines Werkmangels für einen Wasserschaden und die Rechte an einer gemeinsamen Grenzanlage stehen im Mittelpunkt der in dieser Woche veröffentlichten Entscheidungen.

Kausalität eines Werkmangels für einen Wasserschaden
Urteil vom 25. Januar 2018 – VII ZR 74/15

Mit den Voraussetzungen eines Gewährleistungsanspruchs befasst sich der VII. Zivilsenat.

Die auf Mallorca wohnhafte Klägerin hatte die Beklagte mit Sanitärarbeiten in einem Haus in Deutschland beauftragt. Drei Monate nach Ausführung der Arbeiten stellte ein Zeuge fest, dass der Fußboden in einer Wohnung vollständig unter Wasser stand. Die Klage auf Ersatz der Kosten zur Behebung der Schäden blieb in den ersten beiden Instanzen erfolglos.

Der BGH verweist die Sache an einen anderen Senat des OLG zurück. Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen ist der Zurechnungszusammenhang zwischen der – mangels abweichender tatrichterlicher Feststellungen zu unterstellenden – mangelhaften Abdichtung einer Gastherme und den eingetretenen Schäden nicht wegen der langen Abwesenheit der Klägerin aufgehoben. Die Klägerin war auch nicht gehalten, den Zustand der Wohnung mehrmals wöchentlich kontrollieren zu lassen. Selbst wenn gelegentliche Kontrollen geboten gewesen wären, käme eine Anspruchsminderung nach § 254 BGB nur dann in Betracht, wenn der Schaden dadurch ganz oder teilweise hätte vermieden werden können. Zudem kann sich die Beklagte auf ein Mitverschulden ohnehin nicht berufen, wenn ihr die Klägerin, wie von dieser vorgetragen, aufgegeben hat, die Wasserzufuhr abzustellen.

Praxistipp: Die Entscheidung zeigt, dass eine Nichtzulassungsbeschwerde gegen einen Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO durchaus Erfolg haben kann.

Maschendraht oder Holzgeflecht?
Urteil vom 20. Oktober 2017 – V ZR 42/17

Als Klassiker des Nachbarrechts könnte sich die Entscheidung des V. Zivilsenats erweisen.

Die benachbarten Grundstücke der beiden Parteien sind durch einen rund 1,0 Meter hohen Maschendrahtzaun voneinander getrennt. Die Mieter der Beklagten stellten unmittelbar dahinter einen rund 1,8 Meter hohen Holzflechtzaun auf. Das AG verurteilte die Beklagten antragsgemäß zur Beseitigung des neuen Zauns. Das LG wies die Klage ab.

Der BGH stellt das erstinstanzliche Urteil wieder her. Nach § 921 BGB spricht eine Vermutung dafür, dass der Maschendrahtzaun, der teils auf dem einen, teils auf dem anderen Grundstück verläuft, von beiden Nachbarn einvernehmlich errichtet wurde. Ob es sich um eine gesetzliche Vermutung im Sinne von § 292 ZPO oder um eine tatsächliche Vermutung handelt, lässt der BGH offen, weil im Streitfall auch die (potentiell weniger strengen) Voraussetzungen für die Erschütterung einer tatsächlichen Vermutung nicht erfüllt sind. Gemäß § 922 Satz 3 BGB ist ein Nachbar nicht berechtigt, eine gemeinsame Grenzanlage ohne Zustimmung des anderen zu beseitigen zu ändern. Dies gilt auch für Änderungen des Erscheinungsbilds. Der Holzflechtzaun muss deshalb entfernt werden.

Praxistipp: Wenn der Mieter die neue Grenzanlage eigenmächtig errichtet hat und der Vermieter an deren Beibehaltung nicht interessiert ist, genügt es, dem Mieter nach Klageerhebung den Streit zu verkünden.

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Die Ersatzfähigkeit eines Rückstufungsschadens und das Verhältnis zwischen einem selbständigen Beweisverfahren und dem nachfolgenden Rechtsstreit bilden das Thema von zwei aktuellen Entscheidungen

Ersatzfähigkeit eines Rückstufungsschadens in der Kaskoversicherung
Urteil vom 19. Dezember 2017 –VI ZR 577/16

Eine grundsätzliche Frage, die bei vielen Verkehrsunfällen auftreten kann, behandelt der VI. Zivilsenat.

Die Klägerin nahm den Beklagten nach einem Verkehrsunfall auf Schadensersatz in Anspruch. Der Haftpflichtversicherer des Beklagten ersetzte den geltend gemachten Sachschaden zu drei Viertel. Den Ersatz des Schadens, den die Klägerin erlitten hat, weil sie wegen des restlichen Betrags ihre Kaskoversicherung in Anspruch genommen hatte und deshalb höhere Beiträge zahlen musste, lehnte die Versicherung ab. Die Klage auf Feststellung, dass der Beklagte auch diesen Rückstufungsschaden zu ersetzen hat, blieb in den beiden ersten Instanzen erfolglos.

Der BGH verweist die Sache an das LG zurück. Er hält an seiner Rechtsprechung fest, wonach ein Rückstufungsschaden auch dann (anteilig) ersatzfähig ist, wenn der Geschädigte für den Schaden mitverantwortlich ist. Die Rückstufung und die daraus resultierende Beitragserhöhung treten zwar unabhängig davon ein, in welchem Umfang die Kaskoversicherung in Anspruch genommen wird. Dennoch ist die schädigende Handlung für diesen Vermögensschaden mitursächlich, weshalb der Schaden nach dem allgemeinen Maßstab des § 254 BGB zu verteilen ist. Dies gilt auch dann, wenn der Geschädigte die Kaskoversicherung erst in Anspruch nimmt, nachdem der Schädiger den auf ihn entfallenden Teil des Sachschadens bereits ersetzt hat.

Praxistipp: Anwaltskosten, die dem Geschädigten entstanden sind, um den Kaskoversicherer zur Erstattung des auf ihn selbst entfallenden Schadensanteils zu veranlassen, hat der Schädiger generell nicht zu tragen.

Fortgeltung von Anträgen aus dem selbständigen Beweisverfahren
Beschluss vom 14.11.2017 – VIII ZR 101/17

Mit dem Verhältnis zwischen einem selbständigen Beweisverfahren und einem nachfolgenden Rechtsstreit befasst sich der VIII. Zivilsenat.

Der spätere Beklagte hatte gegen den Kläger ein selbständiges Beweisverfahren wegen Mängeln an einer Mietwohnung eingeleitet. Der Sachverständige kam zu dem Ergebnis, dass keine bauseitigen Mängel vorlägen. Einen Antrag auf Anhörung des Sachverständigen wies das AG mit der Begründung zurück, das selbständige Beweisverfahren sei beendet, weil mittlerweile Klage in der Hauptsache erhoben worden sei. In diesem Rechtsstreit begehrte der Kläger in erster Linie Räumung der Wohnung und Zahlung rückständiger Miete. Der Beklagte griff das Gutachten aus dem selbständigen Beweisverfahren unter Bezugnahme auf ein von ihm eingeholtes Privatgutachten an. In der mündlichen Verhandlung vor dem AG beantragte er ergänzend, den im selbständigen Beweisverfahren bestellten Sachverständigen mündlich anzuhören. Das AG wies diesen Antrag als verspätet zurück. Die Berufung des Beklagten blieb erfolglos.

Die Nichtzulassungsbeschwerde des Beklagten hat Erfolg und führt zur Zurückverweisung der Sache an das LG. Das AG durfte den Antrag auf Anhörung des Sachverständigen nicht als verspätet zurückweisen, weil der Beklagte ihn bereits im selbständigen Beweisverfahren gestellt hatte. Dieser Antrag war auch im nachfolgenden Rechtsstreit zu beachten, ohne dass es einer Wiederholung bedurfte. Darin, dass sich der Beklagte zunächst auf ein anderes Gutachten bezog, lag auch kein konkludenter Verzicht auf die Anhörung des gerichtlichen Sachverständigen.

Praxistipp: Wenn das Gericht im selbständigen Beweisverfahren dem Beklagten eine Erklärungsfrist nach § 411 Abs. 4 Satz 2 ZPO gesetzt hat, kann ein nach Ablauf dieser Frist gestellter Antrag auf Anhörung des Sachverständigen nach Maßgabe von § 296 ZPO als verspätet zurückgewiesen werden.

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Rückstauschaden durch Verwurzelung
Urteil vom 24. August 2017 – III ZR 574/16

Der III. Zivilsenat entscheidet eine in Instanzrechtsprechung und Literatur umstrittene Frage zum Verhältnis der Pflichten als Eigentümer eines Grundstücks und als Betreiber einer Abwasseranlage.

Nach starken Niederschlägen kam es in einem von der beklagten Gemeinde betriebenen Regenwasserkanal zu einem Rückstau, durch den der Keller im Haus der Klägerin überschwemmt wurde. Als Ursache stellte sich der Einwuchs von Wurzeln eines Baums heraus, der auf einem der Beklagten gehörenden Grundstück steht. Die Klägerin, deren Haus entgegen den Vorgaben der Nutzungsbedingungen nicht mit einer Rückstausicherung versehen war, begehrte Ersatz von zwei Dritteln des ihr entstandenen Schadens. Das LG sprach ihr die Hälfte des entstandenen Schadens zu. Das OLG wies die Klage ab.

Der BGH verweist die Sache an das OLG zurück. Er bestätigt, dass ein Grundstückseigentümer grundsätzlich nicht verpflichtet ist, Nachforschungen anzustellen, ob das Wurzelwerk ihm gehörender Bäume schädigende Auswirkungen auf im Boden verlegte Leitungen hat. Abweichend von der Auffassung des OLG muss der Eigentümer aber die gebotenen Maßnahmen ergreifen, wenn er in seiner Eigenschaft als Betreiber der Leitungen Kenntnis von einem eingetretenen oder drohenden Schaden Kenntnis erlangt. Dem steht nicht entgegen, dass eine Schadensersatzhaftung als Betreiber der Leitungen ausgeschlossen ist, wenn der Geschädigte sein Anwesen nicht in der gebotenen Weise gegen Rückstau abgesichert hat. Für die Haftung als Grundstückseigentümer ist eine fehlende Rückstausicherung nur im Rahmen von § 254 Abs. 1 BGB zu berücksichtigen.

Praxistipp: Betroffene Gemeinden müssen sicherstellen, dass relevante Informationen aus der Überprüfung von Leitungsanlagen an die Liegenschaftsverwaltung weitergegeben werden.

Ausschluss der Gewährleistung für öffentlich beworbene Eigenschaften
Urteil vom 27. September 2017 – VIII ZR 271/16

Der VIII. Zivilsenat entscheidet, dass öffentliche Äußerungen, aufgrund derer ein Käufer das Vorhandensein bestimmter Eigenschaften der Kaufsache erwarten darf, nicht mit einer Beschaffenheitsvereinbarung gleichzusetzen sind.

Der Kläger begehrte Minderung des Kaufpreises für einen Gebrauchtwagen. Der Beklagte hatte das Fahrzeug auf einer Internet-Plattform als Opel Adam Slam 1.4 ecoFlex angeboten. Der schriftliche Kaufvertrag, in dem das Fahrzeug lediglich als Opel Adam bezeichnet wurde, enthielt einen individuellen Gewährleistungsausschluss. Nach Zahlung und Übergabe stellte der Kläger fest, dass es sich um ein Fahrzeug der Modellvariante Jam handelte, die über eine weniger umfangreiche Serienausstattung und einen Motor mit höherem Normverbrauch verfügt. Die auf Erstattung der Preisdifferenz gerichtete Klage blieb in den beiden ersten Instanzen erfolglos.

Der BGH bestätigt die Entscheidung der Vorinstanzen. Mit dem OLG gelangt er zu dem Ergebnis, dass die Zugehörigkeit zur Modellvariante Slam weder ausdrücklich noch konkludent als Eigenschaft des verkauften Fahrzeugs vereinbart und ein möglicherweise aus der öffentlichen Werbung resultierender Gewährleistungsanspruch wirksam ausgeschlossen wurde. Ein umfassender Gewährleistungsausschluss ist zwar grundsätzlich dahin auszulegen, dass er sich nicht auf Eigenschaften bezieht, deren Vorhandensein Gegenstand einer Beschaffenheitsvereinbarung ist. Für Eigenschaften, deren Vorhandensein der Käufer aufgrund einer öffentlichen Äußerung des Verkäufers erwarten darf, gilt dies aber nicht ohne weiteres.

Praxistipp: Wenn der Kaufvertrag einen Gewährleistungsausschluss vorsieht, sollte der Käufer darauf bestehen, dass öffentlich beworbene Eigenschaften, auf deren Vorhandensein er Wert legt, in den Kaufvertrag aufgenommen werden.

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Zuordnung einer Telefax-Nummer zu einem Gericht
Beschluss vom 5. Oktober 2016 – VII ZB 45/14

Mit der Pflicht des Gerichts zur Aufklärung des Sachverhalts befasst sich der VII. Zivilsenat.

Der Prozessbevollmächtigte der in erster Instanz unterlegenen Beklagten hatte die Berufung gegen das Urteil des AG zur Fristwahrung per Telefax übermitteln lassen. Das Original (mit dem Zusatz „vorab per Telefax an 2017-1009“) ging erst nach Fristablauf beim LGein. Auf einen Hinweis des LG, dass ein Faxeingang nicht festgestellt werden könne, machte der Prozessbevollmächtigte glaubhaft, dass seine Sekretärin den Schriftsatz am Tag des Fristablaufs an die angegebene Telefaxnummer übermittelt hatte. Auf einen ergänzenden Hinweis des LG, diese Nummer sei dem AG zugeordnet, zeigte er auf, dass die Nummer sowohl im Dienstleistungsportal des Landes als auch im gemeinsamen Justizportal des Bundes und der Länder als Faxnummer des LG ausgewiesen ist. Das LG verwarf die Berufung als unzulässig.

Der BGH verweist die Sache an das LG zurück. Er hält bereits die Feststellungen des LG zur Zuordnung der Faxnummer für unzureichend. Anlass zu eingehenderen Ermittlungen bestand aus Sicht des BGH schon deshalb, weil AG und LG eine gemeinsame Briefannahmestelle unterhalten und es deshalb naheliegt, dass eine Geschäftsordnungsregel getroffen wurde, wonach die bei einem dort vorhandenen Faxanschluss eingehenden Schreiben – ebenso wie ein im Original eingegangener Schriftsatz – als bei demjenigen Gericht eingegangen gelten, an das die Sendung adressiert ist. Ergänzend weist der BGH darauf hin, dass im Hinblick auf die Zuordnung der Faxnummer in den beiden Internetportalen jedenfalls Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist. Dass der diesbezügliche Vortrag erst nach Ablauf der Wiedereinsetzungsfrist erfolgte, ist unschädlich, weil für den Prozessbevollmächtigten erst aus dem ergänzenden Hinweis des LG ersichtlich war, dass die Faxnummer einem anderen Gericht zugeordnet sein könnte.

Praxistipp: Wenn ein Gericht mitteilt, eine bestimmte Faxsendung nicht erhalten zu haben, sollte vorsichtshalber auch vorgetragen und glaubhaft gemacht werden, woraus sich die Zuordnung der verwendeten Telefaxnummer zu dem betreffenden Gericht ergibt.

Schadensersatzpflicht eines Zuschauers für Verbandsstrafe
Urteil vom 22. September 2016 – VII ZR 14/16

Ebenfalls der VII. Zivilsenat war zur Entscheidung eines Falls berufen, der für einige Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit gesorgt hat.

Der Beklagte hatte als Zuschauer bei einem Fußballspiel der 2. Bundesliga einen dem Sprengstoffgesetz unterfallenden Knallkörper gezündet. Dabei wurden sieben andere Zuschauer verletzt. Der Deutsche Fußballbund setzte gegen den Heimverein eine Geldstrafe fest. Die auf Ersatz des gezahlten Betrags gerichtete Klage war in erster Instanz erfolgreich. Das OLG wies die Klage hingegen ab, weil es an dem erforderlichen Zurechnungszusammenhang fehle.

Der BGH verweist die Sache an das OLG zurück. Durch den Stadionbesuch ist ein Zuschauervertrag zustande gekommen, der den Beklagten verpflichtete, das Interesse des Klägers an einem ungestörten Spielablauf nicht zu beeinträchtigen. Der Beklagte hat diese Pflicht verletzt und damit die durch Festsetzung der Verbandsstrafe eingetretene Vermögensbeeinträchtigung auf Seiten des Klägers verursacht. Entgegen der Auffassung des OLG fehlt es nicht an dem erforderlichen Zurechnungszusammenhang. Zwischen der verletzten Pflicht und der daraus resultierenden Folge besteht ein hinreichender innerer Zusammenhang. Das Mittel der Verbandsstrafe als Sanktion für schuldhafte Störungen durch Zuschauer dient ebenfalls dem Zweck, einen störungsfreien Ablauf zu gewährleisten. Ob die der Festsetzung der Strafe zugrunde liegenden Regeln des DFB wirksam sind, ist irrelevant, weil die Entscheidung des Klägers, die Strafe zu zahlen, jedenfalls keine ungewöhnliche oder unsachgemäße Reaktion darstellt. Der Beklagte kann sich auch nicht auf ein Mitverschulden wegen unzureichender Einlasskontrollen berufen. Diese Kontrollen dienen nicht der Erfüllung einer Obliegenheit des Veranstalters gegenüber Zuschauern, die verbotene Gegenstände mit sich führen.

Praxistipp: Um Diskussionen über die Wirksamkeit der vom DFB erlassenen Verfahrensregeln (dazu BGH, Urteil vom 20. September 2016 – II ZR 25/15) zu vermeiden, ist es zweckmäßig, den Regressanspruch erst nach Zahlung der Geldstrafe geltend zu machen.