Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um die Formbedürftigkeit von Änderungen eines langfristigen Grundstücksmietvertrags

Änderung eines langfristigen Grundstücksmietvertrags
Beschluss vom 15. September 2021 – XII ZR 60/20

Mit dem Anwendungsbereich von § 550 Satz 1 BGB befasst sich der XII. Zivilsenat.

Die Klägerin verlangte von der Beklagten die Räumung eines vermieteten Grundstücks. Der zwischen der früheren Eigentümerin des Grundstücks und der Beklagten abgeschlossene Mietvertrag war bis 31.08.2020 befristet und sieht zugunsten der Beklagten die Option vor, die Laufzeit zweimal um je fünf Jahre zu verlängern. Die Klägerin hält die Befristung für unwirksam, weil die frühere Eigentümerin mit der Beklagten bei zwei Gelegenheiten mündlich vereinbart hatte, dass die Miete für einige Monate gemindert werden darf. In der Revisionsinstanz haben die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt.

Der BGH legt die Kosten des Rechtsstreits der Klägerin auf, weil diese den Prozess ohne die Erledigungserklärung verloren hätte.

Das Formerfordernis des § 550 Satz 1 BGB, wonach die Vereinbarung einer Laufzeit von mehr als einem Jahr der Schriftform bedarf, gilt auch für eine Vereinbarung, mit der ein wirksam abgeschlossener Vertrag in wesentlichen Punkten geändert wird. Nach der Rechtsprechung des BGH unterliegen Änderungsvereinbarungen aber nur dann dem Formerfordernis, wenn sie ihrerseits einen Zeitraum von mehr als einem Jahr betreffen. Die im Streitfall getroffenen Abreden über eine Mietminderung erfüllen diese Voraussetzung nicht. Dass sie zusammengenommen einen Zeitraum von rund 15 Monaten betreffen, ist unerheblich. Maßgeblich ist jeweils die Laufzeit der einzelnen Vereinbarung.

Praxistipp: Um Zweifelsfragen zu vermeiden, sollte jede Änderung eines längerfristigen Grundstücksvertrags schriftlich vereinbart werden. Die Änderungsvereinbarung muss eine eindeutige Bezugnahme auf den ursprünglichen Vertrag und eventuelle Nachträge enthalten.

Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um die Möglichkeit zur Kündigung eines Wohnungsmietvertrags nach einer Zwangsversteigerung

Sonderkündigungsrecht nach Zwangsversteigerung einer Mietwohnung
Urteil vom 15. September 2021 – VIII ZR 76/20

Mit dem Verhältnis zwischen der gesetzlichen Regelung in § 57a ZVG und Kündigungsbeschränkungen im Mietvertrag befasst sich der VIII. Zivilsenat.

Der Beklagte ist seit Mai 2005 Mieter einer Eigentumswohnung. Im Mietvertrag ist vereinbart, dass eine Eigenbedarfskündigung durch den Vermieter ausgeschlossen ist. Im Oktober 2018 erwarben die Kläger die Wohnung durch Zuschlag in einem Zwangsversteigerungsverfahren. Vier Tage später kündigten sie das Mietverhältnis wegen Eigenbedarfs. Die Räumungsklage war in den beiden ersten Instanzen erfolgreich.

Die Revision des Beklagten bleibt ohne Erfolg.

Nach § 573d Abs. 1 BGB ist der Vermieter auch dann an die in § 573 und § 573a BGB normierten Beschränkungen gebunden, wenn ihm ein Recht zur außerordentlichen Kündigung mit der gesetzlichen Frist zusteht. Im Streitfall hängt die Wirksamkeit der Kündigung deshalb davon ab, ob der geltend gemachte Eigenbedarf tatsächlich besteht. Letzteres haben die Vorinstanzen rechtsfehlerfrei bejaht.

Entgegen der Auffassung des Beklagten ergibt sich aus § 573d BGB nicht, dass das Sonderkündigungsrecht aus § 57a ZVG durch Vereinbarungen zwischen dem (früheren) Vermieter und dem Mieter beschränkt werden kann. Nach § 566 Abs. 1 BGB tritt der Erwerber von vermietetem Wohnraum zwar grundsätzlich mit allen Rechten und Pflichten in den bestehenden Mietvertrag ein. Diese Regelung wird aber durch den Zuschlag als privatrechtsgestaltenden Hoheitsakt überlagert. Dessen Inhalt wird durch die Versteigerungsbedingungen bestimmt. Zu diesen gehört das in § 57a ZVG vorgesehene Sonderkündigungsrecht.

Praxistipp: Der Mieter kann im Zwangsversteigerungsverfahren gemäß § 59 Abs. 1 ZVG beantragen, die Versteigerung mit der Maßgabe durchzuführen, dass das Sonderkündigungsrecht ausgeschlossen ist. Er kann dieses Ziel aber nur dann erreichen, wenn alle anderen Beteiligten zustimmen oder wenn ein Zuschlag zu diesen Bedingungen die wirtschaftlich günstigste Lösung darstellt.

Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um die Haftung eines Rechtsanwalts gegenüber dem Rechtsschutzversicherer des Mandanten

Aufklärung über die Erfolgsaussichten eines Rechtsstreits
Urteil vom 16. September 2021 – IX ZR 165/19

Mit den Aufklärungspflichten des Anwalts gegenüber einem rechtsschutzversicherten Mandanten während eines laufenden Rechtsstreits befasst sich der IX. Zivilsenat.

Die beklagten Anwälte hatten sich an mehrere tausend Anleger eines Immobilienfonds gewandt, dessen Wertentwicklung nicht den Vorhersagen und Erwartungen entsprach. Im Namen zahlreicher Anleger, von denen einige bei der Klägerin rechtsschutzversichert waren, reichten sie kurz vor Ablauf der Verjährungsfrist bei einer staatlich anerkannten Gütestelle rund 12 000 Güteanträge gegen den Anlagevermittler, den Fondsinitiator und eine Treuhandkommanditistin ein. Später erhoben sie rund 1 750 Klagen gegen die Rechtsnachfolgerin des Anlagevermittlers. Die Klägerin erteilte eine Deckungszusage für die erste Instanz. Das LG wies die Klage wegen Verjährung ab. Die Klägerin erteilte auch für die zweite Instanz eine Deckungszusage. Sechs Tage nach Einlegung der Berufung verkündete der BGH ein Urteil zu den Anforderungen an einen die Verjährung hemmenden Güteantrag. Diesen Anforderungen genügte der von den Beklagten verwendete Musterantrag nicht. Im Laufe des Berufungsverfahrens bestätigte der BGH seine Rechtsprechung mehrfach. Einige dieser Entscheidungen betrafen den Musterantrag der Beklagten. Im Berufungsverfahren der bei der Klägerin versicherten Mandanten erließ das OLG daraufhin einen Hinweis gemäß § 522 Abs. 2 ZPO. Die Beklagten rieten den Mandanten nicht zur Rücknahme des Rechtsmittels. Nach Zurückweisung der Berufung erteilte die Klägerin eine Deckungszusage für die dritte Instanz. Die Nichtzulassungsbeschwerde blieb ebenfalls erfolglos.

Die Klägerin nimmt die Beklagten nunmehr auf Ersatz aller Kosten in Anspruch, die ihren Mandanten im Ausgangsrechtsstreit entstanden sind. Die Klage hatte in erster Instanz weitgehend Erfolg. Das OLG wies sie insgesamt ab.

Die Revision der Klägerin hat hinsichtlich eines Teils der zweitinstanzlichen Kosten und hinsichtlich der Kosten aus dritter Instanz Erfolg und führt insoweit zur Zurückverweisung der Sache an das OLG.

Ansprüche der Mandanten auf Ersatz entstandener Kosten sind gemäß § 86 Abs. 1 Satz 1 VVG auf die Klägerin übergegangen, soweit sie diese Kosten ersetzt hat. Die Geltendmachung dieser Ansprüche ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil die Klägerin für jede Instanz des Ausgangsrechtsstreits eine Deckungszusage erteilt hat. Ein Rechtsschutzversicherer ist schon gegenüber dem Versicherten nur berechtigt, nicht aber verpflichtet, die Erfolgsaussichten der beabsichtigten Rechtsverfolgung zu prüfen. Gegenüber dem Anwalt des Versicherten treffen ihn insoweit erst recht keine Pflichten.

Ein Rechtsanwalt muss seinen Mandanten über die Risiken eines in Erwägung gezogenen Rechtsstreits aufklären. Hierbei muss er das ungefähre Ausmaß der Risiken abschätzen und dem Mandanten das Ergebnis mitteilen. Ist eine Klage praktisch aussichtslos, muss er dies klar herausstellen; unter bestimmten Umständen kann er sogar gehalten sein, von der Rechtsverfolgung ausdrücklich abzuraten.

Nach der Einleitung des Rechtsstreits muss der Rechtsanwalt seinen Mandanten gegebenenfalls auf eine eingetretene Änderung der Erfolgsaussichten aufklären. In diesem Stadium kann der Anwalt unter bestimmten Umständen verpflichtet sein, von einer Fortführung des Rechtsstreits abzuraten. Dies kommt insbesondere dann in Betracht, wenn der BGH eine zuvor noch ungeklärte Rechtsfrage in einem Parallelverfahren entscheidet und danach keine Aussicht auf Erfolg mehr besteht.

Diese Aufklärungspflichten bestehen auch dann, wenn der Mandant rechtsschutzversichert ist. Bei der Beurteilung der Frage, ob der Mandant sich beratungsgerecht verhalten, also von einer Einleitung bzw. Fortführung des Rechtsstreits abgesehen hätte, darf aber der Deckungsschutz durch eine Rechtsschutzversicherung berücksichtigt werden. Bei geringem oder fehlendem Kostenrisiko besteht in der Regel kein Anscheinsbeweis für beratungsgerechtes Verhalten. Ein Anscheinsbeweis ist hingegen zu bejahen, wenn die Rechtsverfolgung objektiv aussichtslos ist.

Im Streitfall ist die tatrichterliche Würdigung des OLG, dass die Beklagten zur Erhebung der Klage und zur Einlegung der Berufung raten durften, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Zu Unrecht ist das OLG hingegen davon ausgegangen, dass die Mandanten den Rat, die Berufung zurückzunehmen oder von der Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde abzusehen, nicht befolgt hätten. Das OLG hat sich nicht mit der Frage befasst, ob die weitere Rechtsverfolgung nach den Entscheidungen in den Parallelverfahren objektiv aussichtslos war. Nach der Zurückverweisung muss das OLG diese Frage klären.

Praxistipp: Die Haftung für den fehlerhaften Rat, ein Rechtsmittel einzulegen, wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass der mit Einlegung und Durchführung dieses Rechtsmittels betraute Anwalt ebenfalls nicht davon abrät.

Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um das Verhältnis zwischen Prozesszinsen und Darlehenszinsen

Anrechnung von Prozesszinsen auf zu erstattende Darlehenszinsen
Urteil vom 2. Juli 2021 – V ZR 95/20

Mit dem Grundsatz der Vorteilsausgleichung befasst sich der V. Zivilsenat.

Die Klägerin hatten von der Beklagten im März 2007 für rund 130.000 Euro eine Eigentumswohnung gekauft. Zur Finanzierung nahmen sie einen Bankdarlehen über einen Gesamtbetrag von rund 140.000 Euro auf. Im Juli 2015 wurde die Beklagte wegen fehlerhafter Beratung zur Erstattung des gesamten Darlehensbetrags nebst Prozesszinsen seit Dezember 2012 verurteilt. Nach Rechtskraft des Urteils zahlte die Beklagte den Darlehensbetrag zuzüglich Prozesszinsen in Höhe von rund 27.000 Euro an die Klägerin. Im nunmehr anhängigen Rechtsstreit verlangt die Klägerin Ersatz der an die Bank gezahlten Zinsen und weiterer Finanzierungskosten in Höhe von insgesamt rund 36.000 Euro. Die Klage war in den beiden ersten Instanzen im Wesentlichen erfolgreich.

Die Revision der Beklagten hat Erfolg und führt zur Zurückverweisung der Sache an das OLG.

Entgegen der Auffassung des OLG sind die zugesprochenen Prozesszinsen auf den Anspruch auf Ersatz für die im gleichen Zeitraum angefallenen Darlehenszinsen anzurechnen. Dies ergibt sich aus den Grundsätzen über die Vorteilsanrechnung. Prozesszinsen dienen dem Ausgleich von Nachteilen, die der Gläubiger erleidet, weil er einen ihm zustehenden Geldbetrag nicht nutzen kann. Dieser Nachteil ist im Streitfall deckungsgleich mit dem Nachteil, den die Klägerin dadurch erlitten hat, dass sie weiterhin Zinsen auf das zur Finanzierung des Wohnungserwerbs aufgenommene Darlehen zahlen musste. Die Prozesszinsen sind deshalb auf den Anspruch auf Ersatz der ab Dezember 2012 angefallenen Darlehenszinsen anzurechnen. Welcher Betrag danach verbleibt, hat das OLG im wieder eröffneten Berufungsverfahren zu klären.

Praxistipp: Um die Klage schlüssig zu machen, muss der Kläger im Einzelnen darlegen, welche Darlehenszinsen in dem Zeitraum angefallen sind, für den ihm Prozesszinsen zugesprochen wurden.

Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um die Haftung für arglistig verschwiegene Mängel eines verkauften Grundstücks

Arglisthaftung bei Verkauf eines in Schwarzarbeit errichteten Grundstücks
Urteil vom 28. Mai 2021 – V ZR 24/20

Mit den Tatbestandsvoraussetzungen des § 444 BGB befasst sich der V. Zivilsenat.

Die Klägerin kaufte von den Beklagten zu 1 und 2 im März 2012 für 253.000 Euro ein Grundstück. In dem Vertrag wurde die Haftung für Sachmängel ausgeschlossen. Das auf dem Grundstück stehende Gebäude hatte eine inzwischen verstorbene Bauunternehmerin im Auftrag des Beklagten zu 1 errichtet. Im Dezember 2012 traten bei Umbauarbeiten Feuchtigkeitsschäden im Keller zutage. Der Beklagte zu 1 trat diesbezügliche Gewährleistungsansprüche gegen die Bauunternehmerin an die Klägerin ab. Die Klägerin verlangte von den beiden Verkäufern sowie den Erben der Bauunternehmerin Ersatz eines Wertminderungsschadens in Höhe von rund 48.000 Euro. Die Klage gegen die zweite Verkäuferin und die Erben der Bauunternehmerin ist inzwischen rechtskräftig abgewiesen. Den Beklagten zu 1 verurteilte das OLG unter Abweisung der weitergehenden Klage zur Zahlung von rund 34.000 Euro.

Die Revision des Beklagten zu 1 hat Erfolg und führt zur Zurückverweisung der Sache an das OLG.

Rechtsfehlerfrei ist das OLG zu dem Ergebnis gelangt, dass das Gebäude mangelhaft ist, weil es keine Vertikalabdichtung und nur eine unzureichende Horizontalabdichtung aufweist. Der Beklagte zu 1 hat für diesen Mangel wegen des vereinbarten Gewährleistungsausschlusses gemäß § 444 BGB nur dann einzustehen, wenn er ihn arglistig verschwiegen hat. Diese Voraussetzung ist entgegen der Auffassung des OLG nicht schon deshalb erfüllt, weil der Beklagte zu 1 das Gebäude in Schwarzarbeit errichten ließ und diesen Umstand vor Abschluss des Kaufvertrags verschwiegen hat.

Der Tatbestand des § 444 BGB ist nur dann erfüllt, wenn der Verkäufer denjenigen Mangel arglistig verschwiegen hat, auf den der Käufer seinen Gewährleistungsanspruch stützt. Ansprüche wegen unzureichender Abdichtung sind deshalb nur dann begründet, wenn der Beklagte zu 1 wusste oder zumindest für möglich hielt und billigend in Kauf nahm, dass das Gebäude unzureichend abgedichtet ist. Hierfür genügt nicht die Kenntnis, dass das Gebäude in Schwarzarbeit errichtet worden ist.

Der Verstoß gegen das Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz begründet für sich gesehen keinen Mangel, der zu einer Haftung nach § 444 BGB führen könnte. Ein solcher Verstoß wirkt sich regelmäßig nicht auf die Wertschätzung des Grundstücks aus. Dass dem Verkäufer wegen Nichtigkeit des Werkvertrags keine Gewährleistungsansprüche gegen den Bauunternehmer zustehen, führt nicht zu einer abweichenden Betrachtung, weil die Abtretung solcher Ansprüche im Kaufvertrag nicht vereinbart wurde.

Praxistipp: Für die Annahme von Arglist genügt es nicht, dass sich dem Verkäufer das Vorliegen aufklärungspflichtiger Tatsachen hätte aufdrängen müssen.

Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um die Formbedürftigkeit eines Auftrags zum Erwerb eines Grundstücks

Treuhänderischer Auftrag zum Erwerben und Halten eines Grundstücks
Urteil vom 25. Juni 2021 – V ZR 218/19

Mit der Reichweite von § 311b Abs. 1 Satz 1 BGB befasst sich der V. Zivilsenat.

Die Beklagte schloss im Oktober 1992 einen notariellen Kaufvertrag über eine Wohnung in Österreich. Im November 1992 vereinbarte sie mit dem Kläger in einem privatschriftlichen Vertrag, dass sie die Wohnung treuhänderisch für den Kläger kauft und übernimmt und dass sie auf Verlangen des Klägers an einer Veräußerung der Wohnung mitwirkt. Später verlangte der Kläger, ihm die Wohnung zu übereignen. Die darauf gerichtete Klage blieb in den beiden ersten Instanzen ohne Erfolg.

Der Bundesgerichtshof verweist die Sache an das OLG zurück.

Der Bundesgerichtshof nimmt Bezug auf seine Rechtsprechung, wonach ein Treuhandauftrag über den Erwerb eines Grundstücks nur unter dem Gesichtspunkt der Erwerbspflicht des Beauftragten der Form des § 313 Satz 1 BGB a.F. (jetzt: § 311b Abs. 1 Satz 1 BGB) unterliegt. Ein diesbezüglicher Formmangel ist im Streitfall gegebenenfalls gemäß § 313 Satz 2 BGB a.F. (jetzt: § 311b Abs. 1 Satz 2 BGB) geheilt, weil die Beklagte Eigentümerin der Wohnung geworden ist.

Die Pflicht des Beauftragten, das Grundstück an den Auftraggeber herauszugeben, beruht demgegenüber nicht auf dem Vertrag, sondern auf der gesetzlichen Regelung in § 667 BGB. Sie begründet deshalb nicht das Formerfordernis des § 311b Abs. 1 Satz 1 BGB (so zuletzt BGH, U. v. 15.1.2021 – V ZR 210/19 – MDR 2021, 609). Etwas anderes gälte nur dann, wenn die Beklagte bei Abschluss des Treuhandvertrags bereits Eigentümerin der Wohnung gewesen wäre oder durch Stellung eines Umschreibungsantrags oder Eintrag einer Vormerkung ein Anwartschaftsrecht gehabt hätte. Hierzu muss das OLG im wieder eröffneten Berufungsverfahren noch Feststellungen treffen.

Sollte der Vertrag danach wirksam sein, steht dem Kläger gemäß § 667 BGB ein Anspruch auf Übereignung der Wohnung zu. Das im Treuhandvertrag vorgesehene Recht, die Mitwirkung an einer Veräußerung zu verlangen, ist nicht an die Stelle dieses Anspruchs getreten. Es stellt nur eine besondere Ausprägung dieses Anspruchs für eine bestimmte, hier nicht gegebene Konstellation dar.

Praxistipp: Die Verpflichtung, einen Anspruch auf Übereignung eines Grundstücks abzutreten, unterliegt ebenfalls nicht dem Formerfordernis des § 311b Abs. 1 Satz 1 BGB.

Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um die Erstattungsfähigkeit von Anwaltskosten, die in einem obligatorischen Güteverfahren angefallen sind.

Kosten der anwaltlichen Vertretung in einem obligatorischen Güteverfahren
Beschluss vom 24. Juni 2021 – V ZB 22/20

Mit der Reichweite von § 15a Abs. 4 EGZPO und § 91 Abs. 1 ZPO befasst sich der V. Zivilsenat.

Die Parteien führten eine nachbarrechtliche Streitigkeit. Ein Einigungsversuch vor der Gütestelle blieb erfolglos, weil nur die Kläger (zusammen mit ihrer späteren Prozessbevollmächtigten) erschienen waren, nicht aber die Beklagten. Im nachfolgenden Rechtsstreit legte das Gericht den Beklagten die Kosten auf. Im Kostenfestsetzungsverfahren machten die Kläger unter anderem die im Güteverfahren angefallenen Anwaltskosten (rund 380 Euro) geltend. Der Festsetzungsantrag blieb insoweit in den beiden ersten Instanzen erfolglos.

Die Rechtsbeschwerde der Kläger hat ebenfalls keinen Erfolg.

Nach § 15a Abs. 4 EGZPO gehören die Kosten einer Gütestelle, die durch ein obligatorisches Einigungsverfahren entstanden sind, zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von § 91 Abs. 1 und 2 ZPO. Diese Vorschrift ist im Streitfall anwendbar, weil ein Güteverfahren nach § 15a Abs. 1 EGZPO und dem einschlägigen Landesrecht zwingende Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Klage war. Zu den danach zu erstattenden Kosten gehören jedoch nur die Gebühren der Gütestelle, nicht die im Güteverfahren angefallenen Anwaltskosten.

§ 91 Abs. 3 ZPO, wonach zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von § 91 Abs. 1 und 2 ZPO auch die Gebühren gehören, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind, wird bei obligatorischen Schlichtungsverfahren durch die Sonderregelung in § 15a Abs. 4 EGZPO verdrängt. Unabhängig davon erfasst auch § 91 Abs. 3 ZPO nur die Kosten der Gütestelle, nicht aber Anwaltskosten (BGH, B. v. 15.1.2019 – II ZB 12/17 Tz. 10 – MDR 2019, 378).

Die im Güteverfahren angefallenen Anwaltskosten fallen auch nicht unter die allgemeine Regelung im § 91 Abs. 1 ZPO. Sie sind – entgegen der bislang wohl überwiegenden Auffassung – auch bei einem obligatorischen Güteverfahren nicht als Kosten zur Vorbereitung des Rechtsstreits zu qualifizieren, sondern als Kosten zur Abwendung eines drohenden Rechtsstreits. Dies gilt auch dann, wenn eine Partei bereits in diesem Stadium einen Rechtsanwalt beizieht.

Praxistipp: Hinsichtlich der Kosten eines Anwalts, der erst nach dem erfolglosen Abschluss des Güteverfahrens vorgerichtlich tätig geworden ist, dürfte nach Maßgabe der hierfür allgemein geltenden Grundsätze ein materiellrechtlicher Erstattungsanspruch bestehen.

Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um die Klagebefugnisse einer Wohnungseigentümergemeinschaft.

Abwehr von Störungen des Sondereigentums
Urteil vom 11. Juni 2021 – V ZR 41/19

Mit der Reichweite von § 9a Abs. 2 WEG befasst sich der V. Zivilsenat.

Dem Kläger steht das Nießbrauchsrecht an einer Eigentumswohnung zu. Der Beklagte ist Eigentümer einer zu derselben Anlage gehörenden Wohneinheit, die aus einem Einzelhaus besteht. Der Kläger macht geltend, Geschosszahl und Gebäudehöhe dieses Hauses widersprächen den Vorgaben der Teilungserklärung. Er begehrt deshalb in Prozessstandschaft für die Eigentümerin der von ihm genutzten Wohnung Schadensersatz wegen Wertminderung in Höhe von 55.000 Euro. Die Klage blieb in den beiden ersten Instanzen erfolglos.

Die Revision des Klägers bleibt ebenfalls ohne Erfolg. Der BGH lässt offen, ob die Gebäudehöhe in Einklang mit der Teilungserklärung steht, und weist die Klage – insoweit abweichend von der Vorinstanz – bereits als unzulässig ab.

Auf eine Beeinträchtigung des Sondereigentums kann die Klage weder nach altem noch nach neuem Recht gestützt werden. Nach der seit 1. Dezember 2020 geltenden Regelung in § 9a Abs. 2 WEG ist die Ausübung von Rechten aus dem gemeinschaftlichen Eigentum der Wohnungseigentümergemeinschaft vorbehalten. Zu diesen Rechten gehören nicht nur Ansprüche auf Unterlassung und Beseitigung, sondern auch daran anknüpfende Sekundäransprüche. Da die Klage im Streitfall vor diesem Stichtag erhoben wurde, bliebe eine nach altem Recht bestehende Klagebefugnis zwar bestehen. Nach der insoweit maßgeblichen Regelung in § 10 Abs. 6 Satz 3 WEG a.F. war die Wohnungseigentümerin, deren Rechte der Kläger geltend macht, aber ebenfalls nicht klagebefugt. Der BGH lässt dabei offen, ob der Inhaber eines Beseitigungsanspruchs – der nach altem Recht grundsätzlich vom einzelnen Eigentümer geltend gemacht werden konnte – gemäß § 281 Abs. 4 BGB nach erfolgloser Fristsetzung Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen kann. Die Geltendmachung eines solche Schadensersatzanspruchs durch einen einzelnen Wohnungseigentümer widerspräche jedenfalls einer geordneten Verwaltung des Gemeinschaftseigentums. Der Anspruch ist deshalb gemeinschaftsbezogen im Sinne von § 10 Abs. 6 Satz 3 WEG a.F. und kann nur von der Wohnungseigentümergemeinschaft geltend gemacht werden.

Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche wegen Beeinträchtigung seines Sondereigentums darf ein einzelner Wohnungseigentümer sowohl nach altem wie nach neuem Recht alleine geltend machen. Dies gilt auch dann, wenn zugleich das Gemeinschaftseigentum von der geltend gemachten Störung betroffen ist. Diese Befugnis gilt auch für einen Entschädigungsanspruch, den § 14 Abs. 3 WEG für den Fall vorsieht, dass der betroffene Eigentümer eine über das zumutbare Maß hinausgehende Störung ausnahmsweise zu dulden hat. Eine solche Duldungspflicht ist im Streitfall nicht ersichtlich. Der Kläger macht vielmehr einen Schadensersatzanspruch aus § 280 und § 281 BGB geltend. Solche Ansprüche können sowohl nach § 10 Abs. 6 Satz 3 WEG a.F. als auch nach § 9a Abs. 2 WEG n.F. nur von der Wohnungseigentümergemeinschaft geltend gemacht werden.

Praxistipp: Die Geltendmachung von Ansprüchen durch einen einzelnen Wohnungseigentümer hat nach neuem Recht nur noch dann Aussicht auf Erfolg, wenn die Ansprüche auf Unterlassung, Beseitigung oder Entschädigung nach § 14 Abs. 3 WEG gerichtet und auf eine Beeinträchtigung des Sondereigentums gestützt sind.

Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um eine fast immer auftretende, aber nur selten im Fokus stehende Frage des Schadensersatzrechts.

Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten
Urteil vom 22. Juni 2021 – VI ZR 353/20

Mit den Voraussetzungen für einen Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten befasst sich der VI. Zivilsenat.

Der Kläger macht Ansprüche auf Schadensersatz im Zusammenhang mit dem Erwerb eines Pkw mit nicht regelkonformem Dieselmotor (Typ EA189) geltend. Die Klage war in erster Instanz im Wesentlichen erfolgreich. Das OLG wies die Berufung der Beklagten zum überwiegenden Teil zurück, wies die Klage jedoch ab, soweit der Kläger Freistellung von vorgerichtlichen Anwaltskosten begehrt.

Die Revision des Klägers bleibt ohne Erfolg.

Vorgerichtliche Anwaltskosten für die Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs gehören zu dem zu ersetzenden Schaden, wenn zwei Voraussetzungen erfüllt sind:

Zum einen muss die Beauftragung eines Anwalts mit der außergerichtlichen Geltendmachung aus der Sicht des Geschädigten mit Rücksicht auf seine spezielle Situation zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig gewesen sein. Hierzu hat das OLG im Streitfall keine Feststellungen getroffen.

Darüber hinaus müssen die Kosten tatsächlich entstanden sein. Dies ist nur dann der Fall, wenn das Mandat zunächst auf eine außergerichtliche Tätigkeit beschränkt ist oder wenn ein Prozessauftrag nur bedingt für den Fall des Scheiterns des vorgerichtlichen Mandats erteilt wird. Erteilt der Mandant von Beginn an den unbedingten Auftrag, im gerichtlichen Verfahren tätig zu werden, fällt eine Geschäftsgebühr für außergerichtliche Tätigkeit (Nr. 2300 RVG) hingegen nicht an.

Maßgeblich für die Beurteilung dieser Frage ist das Innenverhältnis zwischen dem Mandanten und dessen Anwalt. Das Auftreten des Rechtsanwalts gegenüber dem Schuldner kann aber ein Indiz bilden. Die Darlegungs- und Beweislast liegt grundsätzlich beim Geschädigten. Im Streitfall hatte der Anwalt des Klägers im ersten Schreiben an die Beklagte mitgeteilt, es werde Klage erhoben, wenn innerhalb der gesetzten Frist keine Zahlung erfolge. Dies durfte das OLG als Indiz für die Erteilung eines unbedingten Klageauftrags werten. Es lag am Kläger, darzulegen und zu beweisen, dass er seinen Anwalt zunächst nur mit der vorgerichtlichen Vertretung betraut hat.

Praxistipp: Um Probleme bei der Beweisführung zu vermeiden, sollte das Mandat schriftlich erteilt oder bestätigt werden.

Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um eine wohl des Öfteren auftretende Frage aus dem Bereich der Rechtsschutzversicherung.

Herausgabe zurückgezahlter Gerichtskosten an den Rechtsschutzversicherer
Beschluss vom 10. Juni 2021 – IX ZR 76/20

Mit dem Verhältnis zwischen Anwalt, Mandant und Rechtsschutzversicherer bei Erstattung unverbrauchter Gerichtskosten befasst sich der IX. Zivilsenat.

Die Beklagten, eine Rechtsanwaltssozietät und ein für diese tätiger Anwalt, hatten ein bei der Klägerin rechtsschutzversichertes Ehepaar bei der Geltendmachung von Ansprüchen gegen eine Bank gerichtlich und außergerichtlich vertreten. Die Klägerin hatte eine Deckungszusage zunächst abgelehnt und später nur für das Klageverfahren in erster Instanz erteilt, nicht aber für die außergerichtliche Vertretung. Der Rechtsstreit endete mit einem Vergleich. Das Gericht überwies unverbrauchte Gerichtskosten in Höhe von rund 2.800 Euro an die Sozietät. Von der Bank erhielt sie die Hälfte der den Mandanten entstandenen gerichtlichen und außergerichtlichen Anwaltskosten. Darin enthalten war eine hälftige Verfahrensgebühr in Höhe von rund 900 Euro. Von dem Gesamtbetrag von rund 3.700 Euro zogen die Beklagten die nach dem Vergleich von den Mandanten zu tragende zweite Hälfte der Kosten für die außergerichtliche Tätigkeit und die Kosten für die Einholung der Deckungszusage – insgesamt rund 2.100 Euro – ab. Insoweit erklärten sie namens der Mandanten die Aufrechnung mit einem Anspruch auf Erstattung dieser Kosten. Die auf Zahlung des Abzugsbetrags gerichtete Klage blieb in erster Instanz erfolglos. Das LG verurteilte die Beklagten auf die Berufung der Klägerin antragsgemäß.

Die Revision der Beklagten bleibt ohne Erfolg. Die Beklagten waren gemäß § 667 BGB verpflichtet, die von Gericht und Gegner erstatteten Beträge an die Mandanten herauszugeben. Dieser Anspruch ist gemäß § 86 Abs. 1 Satz 1 VVG auf die Klägerin übergegangen. Die Pflicht zur Zahlung der Gerichtsgebühren und der Anwaltsvergütung für die gerichtliche Tätigkeit war ein versicherter Schaden, dessen Ausgleich die Leistung der Klägerin diente. Die Mandanten dürfen die von Gericht und Gegner erstatteten Beträge nicht aufgrund eines Quotenvorrechts dafür einsetzen, um die von der Klägerin nicht übernommenen Kosten für die außergerichtliche Tätigkeit und die Einholung der Deckungszusage abzudecken. Dieser Schaden ist nicht kongruent mit dem versicherten Risiko. Die namens der Mandanten erklärte Aufrechnung ist schon deshalb unwirksam, weil diese nicht Schuldner der geltend gemachten Forderung sind.

Praxistipp: Eine Aufrechnung mit offenen Vergütungsforderungen gegen die Mandanten ist in der in Rede stehenden Konstellation nach Maßgabe von § 406 und § 407 BGB möglich. Im Streitfall schied diese Möglichkeit aus, weil die Mandanten die gesamte Vergütung bereits bezahlt hatten.