Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um die Pflicht zur Erhaltung einer Nachbarwand nach Abbrennen eines daran angebauten Gebäudes.

Abbrennen eines an eine Nachbarwand angebauten Gebäudes
Beschluss vom 22. Januar 2021 – V ZB 12/19

Mit den Pflichten aus § 922 Abs. 3 BGB befasst sich der V. Zivilsenat.

Die Parteien sind Eigentümer zweier benachbarter Grundstücke, die durch Teilung entstanden sind. Schon vor der Teilung war auf dem nunmehr dem Beklagten gehörenden Grundstück eine Scheune errichtet worden. An deren Giebelwand wurde später ein nunmehr auf dem Grundstück des Klägers stehendes Wohnhaus angebaut. Im Teilungsvertrag wurde vereinbart, dass die Grundstücksgrenze durch die gemeinsame Giebelmauer verlaufen soll. Im Jahr 2011 wurde die Scheune durch einen Brand, der auch auf das Wohnhaus übergriff, stark beschädigt. Der Kläger erhielt von seiner Gebäudeversicherung 50.000 Euro zur Sanierung der Trennwand. Vom Beklagten verlangt er unter anderem, alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um die Trennwand gegen Witterung, Wärmeverlust und Feuchtigkeitsimmissionen zu schützen. Das LG wies die Klage insoweit ab. Das OLG verurteilte den Beklagten antragsgemäß.

Der BGH verweist die Sache auf die Revision des Beklagten an das OLG zurück – allerdings nur deshalb, weil der Umfang des dem Kläger stehenden Anspruchs näherer Klärung bedarf.

Dem Grunde nach sieht der BGH den Klageanspruch gemäß § 922 Satz 3 und § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB als begründet an. Die Trennwand war zwar weder bei ihrer Errichtung noch beim Bau des Wohnhauses eine gemeinsame Grenzanlage im Sinne von § 921 BGB. Sie erlangte diese Eigenschaft aber mit der einvernehmlichen Aufteilung des Grundstücks. Mangels abweichender Vereinbarung darf die Wand gemäß § 922 Satz 3 BGB nur einvernehmlich beseitigt oder geändert werden. Durch das Abbrennen der Scheune ist eine der Zustimmung bedürfende Änderung eingetreten, weil das Wohnhaus des Klägers nicht mehr in gleicher Weise gegen Witterungseinwirkungen geschützt ist. Hierfür ist der Beklagte als Zustandsstörer verantwortlich, und zwar – anders als hinsichtlich der am Wohnhaus eingetretenen Schäden – unabhängig davon, ob er den Brand zu verantworten hat. Der Kläger kann deshalb analog § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB verlangen, dass die eingetretene Störung beseitigt wird.

Der Anspruch ist nicht gemäß § 86 Abs. 1 VVG auf die Gebäudeversicherung des Klägers übergegangen. Der Anspruch aus § 922 Satz 3 und § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB ist untrennbar mit dem Eigentum am Grundstück verbunden. Zudem fehlt es an der nach § 86 Abs. 1 VVG erforderlichen Kongruenz. Die Gebäudeversicherung deckt zwar auch Schäden an der Trennwand ab. Der Anspruch aus § 922 Satz 3 und § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB ist aber auf Erhalt des Bestandes und der Funktion der Wand als gemeinsame Grenzeinrichtung gerichtet, unabhängig davon, ob eine Substanzverletzung eingetreten ist.

Auf der Grundlage der bisher getroffenen Feststellungen ist die vom OLG ausgesprochene Verurteilung aber zu weitgehend. Zum einen muss dem Beklagten die Möglichkeit offenbleiben, die vorherige Funktion in der Weise wiederherzustellen, dass er eine neue Scheune an die Wand anbaut. Zum anderen darf der Kläger eine Wärmedämmung nur verlangen, wenn und soweit die Wand durch die abgebrannte Scheune ebenfalls gegen Wärmeverlust geschützt war. Ob diese Voraussetzung gegeben ist, muss das OLG nach Zurückverweisung aufklären.

Praxistipp: Die Anwendung von § 921 und § 922 BGB setzt voraus, dass die gemeinsame Einrichtung die Grundstücksgrenze überschreitet.

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Diese Woche geht es um die Kostenentscheidung bei Rücknahme einer von Beginn an unbegründeten Klage.

Anlass zur Einreichung der Klage
Beschluss vom 17. Dezember 2020 – I ZB 38/20

Mit den Voraussetzungen des § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO befasst sich der I. Zivilsenat.

Die Klägerin hatte die Beklagte wegen Urheberrechtsverletzung abgemahnt, weil über den Internetanschluss der Beklagten an einem bestimmten Tag zwei Folgen einer Fernsehserie öffentlich zum Download angeboten worden waren. Die Beklagte gab ohne Anerkennung einer Rechtspflicht und ohne Angaben zur Nutzung ihres Internetanschlusses eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab. Die Klägerin klagte daraufhin auf Schadensersatz und Erstattung von Rechtsverfolgungskosten in Höhe von insgesamt 1.107,50 Euro. In ihrer Klageerwiderung teilte die Beklagte mit, sie habe ihre Wohnung im betreffenden Zeitraum über Airbnb vermietet und sich andernorts aufgehalten. Die Mieterin habe mitgeteilt, dass vermutlich einer ihrer Brüder die Rechtsverletzung begangen habe. Die Klägerin nahm die Klage zurück und beantragte, der Beklagten die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen. Das AG hob die Kosten gegeneinander auf. Die Beschwerde der Beklagten blieb erfolglos.

Die Rechtsbeschwerde der Beklagten führt zu einer Kostenentscheidung zu Lasten der Klägerin. Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen können die Kosten nicht gemäß § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO ganz oder teilweise der Beklagten auferlegt werden. Es fehlt schon an einem Anlass zur Klage im Sinne dieser Vorschrift. Zur Erfüllung dieser Voraussetzung reicht es zwar aus, wenn die Klage zumindest vor Rechtshängigkeit zu irgendeinem Zeitpunkt zulässig und begründet gewesen wäre und der Kläger bei Einreichung der Klage weder wusste noch wissen musste, dass sich eine Änderung ergeben hat. Nicht ausreichend ist aber, wenn der Kläger nur subjektiv davon ausging, dass seine Klage Erfolg haben würde. Darüber hinaus ist eine Kostenentscheidung zugunsten der Klägerin im Streitfall auch deshalb nicht möglich, weil das Ereignis, das den Anlass zur Klage entfallen ließ, erst nach Rechtshängigkeit eingetreten ist. § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO ist nur dann anwendbar, wenn das ändernde Ereignis vor Rechtshängigkeit stattgefunden hat. Eine Umdeutung der Klagerücknahme in eine Erledigungserklärung oder einen Antrag auf Feststellung eines materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruchs ist nach der ständigen Rechtsprechung des BGH nicht möglich.

Praxistipp: Wegen der fehlenden Möglichkeit der Umdeutung sollte der Kläger in solchen Fällen vor der Rücknahme sorgfältig prüfen, ob nicht eine Erledigungserklärung oder ein Antrag auf Feststellung der materiell-rechtlichen Pflicht zur Kostentragung zweckmäßiger ist.

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Diese Woche geht es um das Verhältnis zweier von derselben Partei in derselben Sache eingelegter Rechtsmittel.

Mehrfache Einlegung eines Rechtsmittels
Beschluss vom 26. November 2020 – V ZB 151/19

Der V. Zivilsenat sorgt für Entlastung in einem haftungsträchtigen Bereich.

Die Parteien sind Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft. Die Klägerin verlangt vom Beklagten Schadensersatz wegen Rodung einer Weide und eines Holunderstrauchs, mit der Begründung, an der betroffenen Grundstücksfläche stehe ihr ein Sondernutzungsrecht zu. Die Klage blieb in erster Instanz erfolglos. Die Klägerin legte fristgerecht sowohl bei dem allgemein zuständigen LG als auch bei dem für Wohnungseigentumssachen zuständigen LG Berufung ein. Das allgemein zuständige LG verwarf die Berufung als unzulässig, weil es sich um eine Wohnungseigentumssache handle.

Die Rechtsbeschwerde der Klägerin führt zur Abgabe der Sache an das für Wohnungseigentumssachen zuständige LG. Der BGH nimmt Bezug auf seine ständige Rechtsprechung, wonach mehrere von derselben Partei in derselben Sache eingelegte Rechtsmittel als Einheit zu behandeln sind – auch dann, wenn sie bei unterschiedlichen Gerichten anhängig sind. Das LG, dem die doppelte Berufungseinlegung bekannt war, hätte die bei ihm eingelegte und von ihm zutreffend wegen fehlender Zuständigkeit als unzulässig beurteilte Berufung deshalb nicht verwerfen dürfen. Vielmehr hätte es die Sache an das zuständige LG abgeben müssen. Diese Entscheidung holte der BGH nunmehr nach. Das für Wohnungseigentumssachen zuständige LG – bei dem die Sache noch anhängig ist – wird nunmehr eine einheitliche Entscheidung über das Rechtsmittel treffen müssen.

Praxistipp: Die aufgezeigten Grundsätze eröffnen einen sicheren und kostengünstigen Weg in Fällen, in denen nicht eindeutig beurteilt werden kann, welches Gericht für die Entscheidung über die Berufung zuständig ist. Gerichts- und Anwaltsgebühren fallen in dieser Situation grundsätzlich nur einmal an (§ 4 GKG, § 15 Abs. 2 RVG).

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Diese Woche geht es um eine eher selten einschlägige Vorschrift aus dem Wohnungsmietrecht – und um den Umgang einer Kirche mit langjährigen Bediensteten

Auflösende Bedingung in einem Wohnungsmietvertrag
Urteil vom 11. November 2020 – VIII ZR 191/18

Mit § 572 Abs. 2 BGB und der Geschäftsgrundlage einer Räumungsvereinbarung befasst sich der VIII. Zivilsenat.

Die Klägerin, eine kirchliche Organisation, vermietete im Jahr 1977 an die Beklagte und deren Ehemann, der seit 1969 als Diakon im Dienst der Klägerin tätig war, ein Reihenhaus. In einer Anlage zum Mietvertrag war vermerkt, das Mietverhältnis ende ohne weiteres mit dem Ausscheiden aus dem kirchlichen Dienst. Als der Ehemann im Jahr 2002 in den Ruhestand trat, wurde das Mietverhältnis fortgesetzt, weil die Beklagte ebenfalls im kirchlichen Dienst tätig war. Im März 2015 bat die Klägerin im Hinblick auf den am 31. Mai desselben Jahres anstehenden Eintritt der Beklagten in den Ruhestand um baldige Vereinbarung eines Rückgabetermins. Ende April unterschrieb die Beklagte anlässlich eines Besichtigungstermins eine Vereinbarung, wonach das Mietverhältnis bis 31.05.2016 zu denselben Konditionen fortgesetzt wird. In der Folgezeit trat sie von der Vereinbarung wegen Fehlens der Geschäftsgrundlage zurück. Ferner erklärte sie deren Anfechtung wegen widerrechtlicher Drohung. Die Räumungsklage hatte in den beiden ersten Instanzen Erfolg.

Der BGH verweist die Sache an das LG zurück. Die Vorinstanzen haben die geschlossene Vereinbarung zwar ohne Rechtsfehler als verbindlich angesehen. Mit der vom LG gegebenen Begründung kann aber weder ein wirksamer Rücktritt wegen Fehlens der Geschäftsgrundlage noch eine wirksame Anfechtung wegen widerrechtlicher Drohung verneint werden.

Aus den Feststellungen des LG ergibt sich, dass beide Parteien davon ausgingen, der Mietvertrag ende mit dem Eintritt in den Ruhestand. Diese Annahme war unzutreffend, weil sich der Vermieter von Wohnraum gemäß § 572 Abs. 2 BGB auf eine Vereinbarung, nach der das Mietverhältnis auflösend bedingt ist, nicht berufen kann. Entgegen der Auffassung des LG gehörte die Frage, ob das Mietverhältnis über den 31.05.2015 hinaus fortbesteht, nicht zum Inhalt der getroffenen Räumungsvereinbarung (was einen Rücktritt gemäß § 779 Abs. 1 BGB ausgeschlossen hätte). Die gemeinsame Fehlvorstellung über das bevorstehende Ende bildete vielmehr die Geschäftsgrundlage der Räumungsvereinbarung.

Aus dem Vorbringen der Beklagten ergibt sich ferner eine widerrechtliche Drohung seitens der Klägerin. Die von der Beklagten behauptete Ankündigung der Klägerin, ohne Einigung werde sie am 31.05.2015 mit einem Rechtsanwalt vor der Türe stehen und die Beklagte müsse ausziehen, ist angesichts der kurzen Zeit, die der Beklagten bis zu der angedrohten Räumung verblieben wäre, und der angespannten Situation auf dem betreffenden Wohnungsmarkt als widerrechtlich anzusehen.

Im wieder eröffneten Berufungsverfahren wird das LG zu prüfen haben, ob der Beklagten trotz Fehlens der Geschäftsgrundlage ein Festhalten an der Räumungsvereinbarung zumutbar ist und ob die Klägerin die behauptete Drohung tatsächlich ausgesprochen hat.

Praxistipp: Einen Mietvertrag über Wohnraum, der mit Rücksicht auf ein Dienstverhältnis abgeschlossen worden ist, kann der Vermieter nach Beendigung des Dienstverhältnisses gemäß § 576 BGB mit relativ kurzer Frist kündigen. Ansonsten gelten die allgemeinen Bestimmungen, d.h. der Vermieter muss ein berechtigtes Interesse an der Kündigung haben (typischerweise Bedarf für einen neuen Mitarbeiter) und der Mieter kann der Kündigung nach Maßgabe von § 574 BGB widersprechen.

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Diese Woche geht es um die Folgen einer fehlerhaften Rechtsbehelfsbelehrung in einem Rechtsstreit zwischen Wohnungseigentümern.

Einlegung der Berufung beim unzuständigen Gericht
Beschluss vom 22. Oktober 2020 – V ZB 45/20

Mit dem Verhältnis zwischen § 281 und § 233 ZPO befasst sich der V. Zivilsenat.

Die Parteien sind Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft. Sie streiten über die Berechtigung zur Nutzung einer Terrasse und die Pflicht zur Erstellung von Jahresrechnungen. Die Klage hatte in erster Instanz Erfolg. Die Beklagte legte Berufung bei dem nach allgemeinen Vorschriften zuständigen LG ein. Dieses hatte das AG in seiner Rechtsmittelbelehrung als zuständig bezeichnet. Auf einen Hinweis des LG, dass gemäß § 72 Abs. 2 GVG das Gericht am Sitz des OLG zuständig sei, beantragte die Beklagte, den Rechtsstreit entsprechend § 281 ZPO dorthin zu verweisen. Das LG kam dem nicht nach und verwarf die Berufung als unzulässig.

Die Rechtsbeschwerde der Beklagten bleibt ohne Erfolg. Die Voraussetzungen, unter denen eine bei einem unzuständigen Gericht eingelegte Berufung ausnahmsweise entsprechend § 281 ZPO an das zuständige Gericht zu verweisen sind, liegen nach Auffassung des BGH nicht vor, weil es keinem Zweifel unterliege, dass Streitigkeiten der hier in Rede stehenden Art unter den Tatbestand von § 72 Abs. 2 GVG fielen. Die unrichtige Rechtsbehelfsbelehrung des AG führe in solchen Fällen nicht zur entsprechenden Anwendbarkeit von § 281 ZPO, sondern lediglich dazu, dass der Berufungskläger beim zuständigen Gericht erneut Berufung einlegen und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragen könne.

Praxistipp: Auch wenn dies mit zusätzlichen Kosten verbunden sein kann, stellt es in der Regel den sichersten Weg dar, die Berufung bei dem Gericht einzulegen, das in der Rechtsbehelfsbelehrung als zuständig bezeichnet wird. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Fehlerhaftigkeit der Rechtsbehelfsbelehrung offenkundig zu Tage tritt; wenn dies in Betracht kommt, ist es am sichersten, bei beiden in Frage kommenden Gerichten fristgerecht Berufung einzulegen.

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Diese Woche geht es um einen Mietvertrag mit besonderem Gegenstand.

Vertrag über die Aufstellung eines Geldautomaten als Mietvertrag
Urteil vom 4. November 2020 – XII ZR 104/19

Mit unterschiedlichen Arten von Automatenaufstellverträgen befasst sich der XII. Zivilsenat.

Der Betreiber einer Pizzeria hatte im Juni 2015 eine Teilfläche seines Lokals gegen eine monatliche Miete von 350 Euro zum Betrieb eines Geldautomaten an die Beklagte vermietet. Die Vertragslaufzeit beträgt fünf Jahre mit Verlängerungsmöglichkeit. Im August 2017 kündigte der Vermieter das Mietverhältnis zum Jahresende. Die Beklagte wies die vorzeitige Kündigung zurück und bestätigte eine fristgerechte Kündigung zum 31.03.2020. Die Klägerin, die die Fläche für die Aufstellung eines eigenen Geldautomaten nutzen will, begehrt aus abgetretenem Recht des Vermieters die Räumung. Das LG verurteilte die Beklagte antragsgemäß. Das OLG wies die Klage ab.

Die Revision der Klägerin führt zur Wiederherstellung des erstinstanzlichen Räumungsurteils – allerdings nur deshalb, weil die fünfjährige Laufzeit des Vertrags mittlerweile beendet ist.

Der BGH tritt dem OLG darin bei, dass der Vertrag über die Aufstellung des Geldautomaten als Raummietvertrag zu qualifizieren ist. Anders als bei Verträgen über die Aufstellung von Spielautomaten – bei denen die Eingliederung des Automaten in den Betrieb der Gaststätte im Vordergrund steht und die deshalb als Gestattungsvertrag eigener Art anzusehen sind – geht es bei Geldautomaten im Wesentlichen um die Überlassung der benötigten Fläche.

Der BGH tritt dem OLG auch darin bei, dass die Vereinbarung über die Mindestlaufzeit von fünf Jahren formwirksam ist. Beim Abschluss des Vertrags haben die Vertragsparteien die in § 550 Satz 1 BGB vorgeschriebene Form zwar nicht gewahrt, weil sie nur die Vorderseite des beidseitig bedruckten Vertragsformulars unterschrieben haben. Ein wenige Monate später vereinbarter Nachtrag, der inhaltlich auf den ursprünglichen Vertrag Bezug nimmt, ist aber ordnungsgemäß unterschrieben. Dies reicht für die Einhaltung der – weniger strengen Anforderungen als nach § 126 BGB – unterliegenden Schriftform nach § 550 Satz 1 BGB aus.

Die Revision bleibt im Ergebnis dennoch erfolglos, weil die vereinbarte Laufzeit mittlerweile beendet ist. Dieser Umstand ist zwar erst während des Revisionsverfahrens eingetreten. Der BGH darf ihn aber berücksichtigen, weil er unstreitig ist und schützenswerte Belange einer Partei nicht entgegenstehen. Das Vorbringen der Beklagten, sie habe während des Revisionsverfahrens mit dem Vermieter einen neuen Vertrag geschlossen und sei deshalb wieder zum Besitz berechtigt, lässt der BGH demgegenüber unberücksichtigt, weil es streitig geblieben ist.

Praxistipp: Will der Beklagte in der gegebenen Konstellation ein allein aufgrund des Zeitablaufs ergehendes Räumungsurteil vermeiden, muss er den neuen Mietvertrag vor der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz abschließen und den Abschluss des Vertrags spätestens in dieser Verhandlung vortragen.

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Diese Woche geht es um zwei nahezu klassische Fragen, die sich in unterschiedlichen Zusammenhängen immer wieder stellen.

Reichweite der Haftung für die Betriebsgefahr eines Kraftfahrzeugs
Urteil vom 20. Oktober 2020 – VI ZR 158/19

Mit den Voraussetzungen von § 7 Abs. 1 StVG befasst sich der VI. Zivilsenat.

Die klagende Versicherung nimmt die Beklagte wegen eines Brandschadens in der Autoreparaturwerkstatt ihres Versicherungsnehmers in Anspruch. Die Beklagte hatte einen Lkw in die Werkstatt gebracht, um die Hinterreifen auszutauschen und am nächsten Tag eine TÜV-Untersuchung durchzuführen. In der Nacht vor der Untersuchung geriet das Werkstattgebäude in Brand. Als Ursache wurde ein Defekt des in der Werkstatt abgestellten Lkw festgestellt. Unklar blieb, ob der Defekt am Motor oder an einem in der Fahrerkabine eingebauten Kühlschrank entstanden war. Die Klage auf Feststellung der Schadensersatzpflicht hatte in den ersten beiden Instanzen Erfolg.

Die Beklagten unterliegt auch in der dritten Instanz.

Der BGH tritt den Vorinstanzen darin bei, dass ein Schaden bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs entstanden ist, wenn das Schadensgeschehen auf eine defekte Betriebseinrichtung zurückzuführen ist. Zu den Betriebseinrichtungen gehören nicht nur Teile, die für die Transport- und Fortbewegungsfunktion von Bedeutung sind, sondern alle Bestandteile, die dazu bestimmt sind, dem Betrieb des Fahrzeugs zu dienen, indem sie dessen Benutzung sicherer, leichter oder komfortabler gestalten sollen. Dazu gehört auch ein in das Fahrzeug eingebauter Kühlschrank.

Praxistipp: Nicht von § 7 Abs. 1 StVG erfasst sind Schäden, die dadurch verursacht worden sind, dass ein Kraftfahrzeug als Arbeitsgerät eingesetzt worden ist, ohne am öffentlichen Verkehr teilzunehmen.

Bereicherungsausgleich in Dreiecksverhältnissen
Urteil vom 29. Oktober 2020 – IX ZR 212/19

Mit den Folgen einer fehlerhaften Anweisung befasst sich der IX. Zivilsenat.

Die Klägerin, eine Publikums-KG, begehrt vom Beklagten, dem Insolvenzverwalter einer anderen KG, die Feststellung einer Darlehensforderung zur Insolvenztabelle. Nach dem Vortrag der Klägerin wurde das Darlehen vom damaligen Geschäftsführer ihrer Komplementär-GmbH, der zugleich Geschäftsführer der Komplementär-GmbH der späteren Insolvenzschuldnerin war, gewährt und die Darlehenssumme unmittelbar an eine Gläubigerin der Insolvenzschuldnerin ausgezahlt. Die Komplementärin der Schuldnerin war von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit. Nach dem Gesellschaftsvertrag bedurfte die Gewährung von Krediten unter bestimmten Voraussetzungen aber der Einwilligung der Gesellschafterversammlung. Nach dem Vortrag der Beklagten fiel das in Streit stehende Darlehen unter diese Bestimmung. Die Klage blieb in den beiden ersten Instanzen ohne Erfolg.

Der BGH verweist die Sache an das OLG zurück.

Entgegen der Auffassung der Vorinstanz ist der Darlehensvertrag nicht schon deswegen unwirksam, weil er ohne Einwilligung der Gesellschafterversammlung geschlossen wurde. Die Komplementärin der Insolvenzschuldnerin hat durch den Abschluss dieses Vertrags zwar ihre internen Befugnisse überschritten. Bei einem Insichgeschäft eines von § 181 BGB befreiten Vertreters führt ein solcher Verstoß aber nur dann zur Unwirksamkeit des Vertrags wegen Missbrauchs der – im Außenverhältnis wirksamen – Vertretungsmacht, wenn der Vertrag für den Vertretenen nachteilig ist. Hierzu fehlt es an tatrichterlichen Feststellungen.

Selbst wenn der Vertrag unwirksam wäre, ergäbe sich aus dem Klägervorbringen ein gegen die Beklagte gerichteter Bereicherungsanspruch. Der Darlehensbetrag ist nach dem Vortrag der Klägerin zwar an einen Dritten geflossen. Der Bereicherungsanspruch richtet sich ggf. aber gegen die Schuldnerin, weil die Zahlung auf ihre Weisung erfolgt ist und der Tilgung einer ihr obliegenden Verbindlichkeit gedient hat. Dass die Weisung im Falle eines Vollmachtsmissbrauchs ebenfalls unwirksam ist, steht dem nicht entgegen. Der Zahlungsempfänger, für den der Missbrauch nicht erkennbar war, ist in seinem Vertrauen auf die Wirksamkeit der Weisung geschützt. Ausschlaggebend dafür ist, dass der Geschäftsführer im Außenverhältnis zur Vertretung der Schuldnerin befugt war und nur gegen Beschränkungen im Innenverhältnis verstoßen hat.

Praxistipp: Aufgrund der Sonderregelung in § 675u BGB ist das Vertrauen des Zahlungsempfängers nicht geschützt, wenn die Leistung durch einen Zahlungsdienstleister erfolgt und der zugrunde liegende Zahlungsauftrag zuvor storniert worden ist.

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Diese Woche geht es um formelle Fragen aus dem Bereich des Grundbuchrechts.

Bedingung oder Befristung dinglicher Rechte an einem Grundstück
Beschluss vom 1. Oktober 2020 – V ZB 51/20

Mit den Voraussetzungen für die Löschung einer Reallast befasst sich der V. Zivilsenat.

Die Antragstellerin ist Eigentümerin eines Grundstücks, das mit einer Reallast belastet ist. Das Recht war im Jahr 2009 aufgrund einer Bewilligung des damaligen Eigentümers eingetragen worden. Laut dieser Erklärung dient das Recht der Sicherung eines für die Lebensdauer der Berechtigten bestehenden vertraglichen Rentenanspruchs. Die Antragstellerin hat eine Sterbeurkunde vorgelegt, laut der die Berechtigte im Januar 2018 verstorben ist. Sie begehrt die Löschung des Rechts im Grundbuch. Das AG hat ihr durch Zwischenverfügung aufgegeben, eine Löschungsbewilligung der Erben der Berechtigten sowie einen Erbennachweis einzureichen. Die hiergegen gerichtete Beschwerde ist erfolglos geblieben.

Der BGH hebt die angefochtenen Entscheidungen aus formellen Gründen auf, bestätigt diese aber in der Sache.

Die Zwischenverfügung ist formell unzulässig. Nach der Rechtsprechung des BGH darf eine Zwischenverfügung gemäß § 18 GBO nur ergehen, wenn der Mangel des Antrags mit rückwirkender Kraft geheilt werden kann. An dieser Voraussetzung fehlt es, wenn eine erst noch zu erklärende Eintragungsbewilligung erforderlich ist.

In seinen Hinweisen für das weitere Verfahren stellt der BGH klar, dass die inhaltliche Beurteilung durch das OLG zutreffend ist.

Eine Bewilligung der Erben wäre nach § 23 GBO entbehrlich, wenn die eingetragene Reallast auf die Lebenszeit der Berechtigten befristet wäre. Eine solche Befristung muss jedoch aus dem Grundbuch selbst ersichtlich sein. Nach § 874 BGB kann die Eintragung zwar zur näheren Bezeichnung des Inhalts des Rechts auf die Eintragungsbewilligung Bezug nehmen. Eine Bedingung oder Befristung stellt aber nicht lediglich eine nähere Bezeichnung des Inhalts dar. Sie betrifft den rechtlichen Bestand des eingetragenen Rechts, nicht nur dessen nähere Ausgestaltung. Eine Bezugnahme auf die Bewilligung ist nur hinsichtlich weiterer Einzelheiten zulässig, etwa hinsichtlich der Fristdauer.

Eine Bewilligung der Erben wäre gemäß § 22 Abs. 1 GBO auch dann entbehrlich, wenn sich die dingliche Einigung (§ 873 BGB) zwischen dem Berechtigten und dem damaligen Grundstückseigentümer auf ein befristetes Recht bezogen hätte. In diesem Falle wäre das Grundbuch unrichtig, soweit es das Recht als unbefristet ausweist. Die Unrichtigkeit muss aber gemäß § 29 Abs. 1 GBO durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden nachgewiesen werden. Die vorgelegte Eintragungsbewilligung genügt zwar dieser Form. Sie enthält aber nur eine Erklärung des Eigentümers und lässt nicht erkennen, ob die Berechtigte einer Befristung zugestimmt hat. Eine solche Zustimmung könnte zwar in einem öffentlich beglaubigten Eintragungsantrag der Berechtigten zu sehen sein. Im Streitfall ist der Eintragungsantrag aber vom Eigentümer gestellt worden.

Praxistipp: Die Entscheidung zeigt eindrucksvoll, wie wichtig es sein kann, dass eine Grundbucheintragung vom Betroffenen bewilligt und vom Begünstigten beantragt wird.

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Diese Woche geht es um die Mietpreisbremse für Wohnraum.

Vormiete als Maßstab für Mietpreisbremse
Urteil vom 19. August 2020 – VIII ZR 374/18

Mit der Auslegung von § 556e Abs. 1 BGB befasst sich der VIII. Zivilsenat.

Die Klägerin ist seit 1.5.2016 Mieterin einer Zweizimmerwohnung in Berlin. Die Wohnfläche beträgt 76 m², die monatliche Nettokaltmiete 950 Euro. Die Wohnung liegt in einem Gebiet mit angespanntem Wohnungsmarkt im Sinne von § 556d Abs. 1 und 2 BGB. Die Beklagte hatte die Wohnung von September 2011 bis September 2012 zum gleichen Betrag ebenfalls zu Wohnzwecken vermietet. Von Dezember 2012 bis April 2016 hatte sie die Wohnung für 900 Euro pro Monat zur gewerblichen Nutzung vermietet. Die Klägerin macht geltend, die vereinbarte Miete übersteige den zulässigen Höchstbetrag von 110 % der örtlichen Vergleichsmiete um 254,54 Euro, und begehrt die Rückzahlung überzahlter Miete für sechs Monate. Das AG hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt; das LG hat sie auf die Berufung der Beklagten abgewiesen.

Die Revision der Klägerin hat Erfolg und führt zur Zurückverweisung der Sache an das LG. Entgegen der Auffassung des LG ist die vereinbarte Miete nicht schon nach der Ausnahmeregelung in § 556e Abs. 1 Satz 1 BGB zulässig. Wie bereits das LG angenommen hat, kommt als vorheriger Mieter im Sinne dieser Vorschrift nur ein Mieter in Betracht, der die Räume ebenfalls zu Wohnzwecken gemietet hat. Im Streitfall darf deshalb die mit dem gewerblichen Mieter vereinbarte Miete nicht als Vergleichsmaßstab herangezogen werden. Entgegen der Auffassung des LG darf in dieser Situation nicht auf ein noch weiter zurückliegendes Mietverhältnis über Wohnraum zurückgegriffen werden. Vorheriger Mieter im Sinne der Vorschrift ist nur der zeitlich letzte Vormieter.

Praxistipp: Mietminderungen sowie solche Mieterhöhungen, die mit dem vorherigen Mieter innerhalb des letzten Jahres vor Beendigung des Mietverhältnisses vereinbart worden sind, bleiben gemäß § 556e Abs. 1 Satz 2 BGB bei der Ermittlung der Vormiete unberücksichtigt.

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Diese Woche geht es um gerichtliche Anordnungen zum Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen.

Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen
Beschluss vom 14. Oktober 2020 – IV ZB 4/20

Mit den Befugnissen des Gerichts gemäß § 174 Abs. 3 Satz 1 GVG befasst sich der IV. Zivilsenat.

Die Klägerin unterhält bei der Beklagten eine private Krankenversicherung. Mit ihrer Klage wendet sie sich gegen Beitragserhöhungen. Die Beklagte reichte unter anderem ein Anlagenkonvolut ein, aus dem sich nach ihrem Vorbringen Einzelheiten zu den Grundlagen ihrer Prämienkalkulation ergeben. Zugleich beantragte sie, die Klägerin, deren Prozessbevollmächtigte, den gerichtlichen Sachverständigen und eventuell bestellte Privatgutachter der Klägerin zur Verschwiegenheit zu verpflichten. Das LG übergab dem Prozessbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung zunächst nur die von der Beklagten eingereichte Liste der nach ihrer Ansicht geheimhaltungsbedürftigen Unterlagen. Anschließend schloss es die Öffentlichkeit aus und ordnete an, dass die während des nicht öffentlichen Teils anwesenden Personen auf Klägerseite zur Geheimhaltung von Tatsachen verpflichtet sind, soweit sie die in der Liste aufgeführten Unterlagen betreffen. Die Beschwerde der Klägerin und ihrer Prozessbevollmächtigten gegen diese Anordnung blieb erfolglos.

Die Rechtsbeschwerden der Klägerin und ihrer Prozessbevollmächtigten haben ebenfalls keinen Erfolg. Der BGH bestätigt, dass ein Krankenversicherer ein schutzwürdiges Interesse an der Geheimhaltung der Grundlagen seiner Prämienkalkulation hat, dem die Gerichte bei der Anwendung von § 172 Nr. 2, § 173 Abs. 2 und § 174 Abs. 3 Satz 1 GVG Rechnung tragen müssen. Die Entscheidung des LG, im Streitfall eine Geheimhaltung anzuordnen, ist vor diesem Hintergrund nicht zu beanstanden. Entgegen einer in Literatur und Instanzrechtsprechung vertretenen Auffassung ermöglicht § 174 Abs. 3 Satz 1 GVG jedenfalls zum Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen auch eine Geheimhaltungsanordnung, die sich nur an einzelne Personen richtet.

Praxistipp: Um eine ungeschützte Weitergabe von geheimhaltungsbedürftigen Unterlagen an die Gegenseite sicher zu vermeiden, sollten diese grundsätzlich erst eingereicht werden, nachdem das Gericht Anordnungen zur Geheimhaltung getroffen hat.