Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um die Organisations- und Sorgfaltspflichten eines Rechtsanwalts beim Versand von Schriftsätzen über beA.

Eingang eines über beA eingereichten Dokuments
Beschluss vom 11. Mai 2021 – VIII ZB 9/20

Mit der automatisierten Eingangsbestätigung nach § 130a Abs. 5 Satz 2 ZPO befasst sich der VIII. Zivilsenat.

Die Klägerin macht Ansprüche aus einem Gebrauchtwagenkauf geltend. Ihre Klage blieb in erster Instanz erfolglos. Die Beklagte legte fristgerecht Berufung ein. Nach Ablauf der Frist für die Begründung des Rechtsmittels wies das OLG darauf hin, dass eine Begründung nicht eingegangen sei. Die Klägerin beantragte Wiedereinsetzung und machte geltend, die dafür zuständige Fachangestellte ihrer Prozessbevollmächtigten habe die Begründung am letzten Tag der Frist über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) übermittelt. Bei der durch Arbeitsanweisung vorgeschriebenen Überprüfung hinsichtlich Versand und Fehlermeldungen seien Fehler nicht zu erkennen gewesen. Das OLG versagte die beantragte Wiedereinsetzung und verwarf die Berufung als unzulässig.

Der BGH verwirft die Rechtsbeschwerde der Klägerin als unzulässig, weil alle relevanten Rechtsfragen bereits geklärt sind.

Das OLG hat zu Recht entschieden, dass die Berufungsbegründung nicht fristgerecht eingegangen ist. Aus dem von der Klägerin vorgelegten beA-Übermittlungsprotokoll ergibt sich, dass die vor Fristablauf versandte Nachricht mit der Berufungsbegründung zwar an den Rechner der Bundesrechtsanwaltskammer übermittelt, von dort aber nicht an den Empfangsrechner des OLG, den so genannten Intermediär, weitergeleitet worden ist. Der BGH hat bereits entschieden, dass der Eingang auf dem für das Gericht bestimmten Intermediär ausreichend, aber auch erforderlich ist (MDR 2020, 1272).

Ebenfalls zu Recht hat das OLG die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand versagt. Ein Rechtsanwalt muss seine mit dem Versand von Dokumenten über beA betrauten Mitarbeiter anweisen, nach dem Versand zu überprüfen, ob die automatisierte Eingangsbestätigung im Sinne von § 130a Abs. 5 Satz 2 ZPO vorliegt. Dies hat das BAG bereits vor einiger Zeit entschieden (NJW 2019, 2793). Eine solche Überprüfung war in der im Streitfall maßgeblichen Arbeitsanweisung nicht vorgeschrieben. Wäre sie erfolgt, so wäre der Übermittlungsfehler zu Tage getreten.

Praxistipp: Im beA gibt es zusätzlich zu der Eingangsbestätigung auch ein Prüfprotokoll und ein Übermittlungsprotokoll. Aus diesen Protokollen können zwar bestimmte Fehler ersichtlich sein. Hinreichende Sicherheit, dass die Nachricht beim Gericht eingegangen ist, liefert aber nur die Eingangsbestätigung. Wo diese zu finden ist, wird erläutert im beA-Newsletter 31/2019.

Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um eine erbrechtliche Fragestellung.

Grabpflegekosten und Pflichtteil
Urteil vom 26. Mai 2021 – IV ZR 174/20

Mit der Berechnung des Zusatzpflichtteils nach § 2305 BGB befasst sich der IV. Zivilsenat.

Die im Jahr 1931 geborene und im Jahr 2017 verstorbene Erblasserin hat den Kläger, den sie im Jahr 1981 adoptiert hatte, in einem eigenhändigen Testament zusammen mit sechs weiteren Personen als Erben eingesetzt. Dem Kläger ist ein Anteil von 5 % zugedacht; die Summe der zugedachten Anteile beträgt 55 %. Ferner hat die Erblasserin angeordnet, dass aus dem Nachlass für zwanzig Jahre die Kosten der Grabpflege zu tragen sind. Der Bruttowert des Nachlasses beträgt rund 16.000 Euro, die unstreitigen Nachlassverbindlichkeiten belaufen sich auf rund 6.300 Euro, die Grabpflegekosten nach den Feststellungen des LG auf rund 9.500 Euro. Nach Abzug dieser Kosten verblieben für alle Erben zusammen also rund 200 Euro. Der Kläger, der bei gesetzlicher Erbfolge alleiniger Erbe gewesen wäre, verlangt einen Zusatzpflichtteil gemäß § 2305 BGB auf der Grundlage eines Nachlasswerts von rund 9.700 Euro, also ohne Abzug der Grabpflegekosten. Seine ursprünglich (unter Anrechnung eines bereits erhaltenen Betrags von 800 Euro) auf Zahlung von rund 3.600 Euro und in zweiter Instanz zuletzt auf Zahlung von rund 6.300 Euro gerichtete Klage ist vor dem AG und dem LG erfolglos geblieben.

Die auf Zahlung von 3.200 Euro gerichtete Revision des Klägers führt zur Zurückverweisung der Sache an das LG.

Zu den vom Erben gemäß § 1968 BGB zu tragenden Beerdigungskosten nur die Kosten des Bestattungsakts. Dieser findet seinen Abschluss mit der Errichtung einer dauerhaften Grabstätte. Die Kosten für das Grabmal und für Pflege und Instandsetzung des Grabs hat der Erbe zivilrechtlich nicht zu tragen. Insoweit kann er allenfalls nach öffentlich-rechtlichen Vorschriften verpflichtet sein.

Die testamentarischen Erben sind allerdings aufgrund der Anordnung der Erblasserin, die als Auflage im Sinne von § 1940 BGB zu qualifizieren ist, zur Tragung der Grabpflegekosten verpflichtet. Als testamentarischer Erbe erhält der Kläger deshalb nur einen Anteil des nach Abzug der Grabpflegekosten verbleibenden Restbetrags von rund 200 Euro. Der Anteil des Klägers daran beträgt 9,09 % (ein Elftel). Dem Kläger sind im Testament zwar nur 5 % zugewandt worden. Da die Erblasserin insgesamt nur 55 % zugeteilt hat und ihr Testament dahin auszulegen ist, dass nur die darin genannten Personen Erben sein sollen, sind die einzelnen Anteile aber entsprechend zu erhöhen.

Zusätzlich zu diesem testamentarischen Erbteil von rund 20 Euro steht dem Kläger gemäß § 2305 BGB ein Zusatzpflichtteil in Höhe von 40,91 % des Nachlasses (die Differenz zwischen dem Pflichtteil von 50 % und dem testamentarisch zugedachten Anteil von 9,09 %) zu. Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen ist der Nachlasswert insoweit ohne Abzug der Grabpflegekosten anzusetzen. Die Auflage im Testament ist nicht zu berücksichtigen, weil ein Pflichtteilsanspruch durch Auflagen nicht geschmälert werden darf. Dem Kläger stehen damit rund 4.000 Euro abzüglich der bereits erhaltenen 800 Euro zu.

Eine abschließende Entscheidung ist dem BGH nicht möglich, weil die Beklagten hilfsweise mit einem Schadensersatzanspruch wegen eines der Erblasser gehörenden Nerzmantels aufgerechnet haben.

Praxistipp: Will der Erblasser auch gegenüber einem Pflichtteilsberechtigten sicherstellen, dass die Grabpflegekosten aus dem Nachlass gezahlt werden, muss er bereits zu Lebzeiten einen Grabpflegevertrag schließen. Die sich daraus ergebenden Zahlungsverpflichtungen gehören nach § 1967 Abs. 2 BGB zu den Nachlassverbindlichkeiten.

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Diese Woche geht um Fragen des Verbrauchsgüterkaufs.

Kostenvorschuss beim Verbrauchsgüterkauf
Urteil vom 7. April 2021 – VIII ZR 191/19

Mit den Voraussetzungen und Wirkungen eines Verbrauchsgüterkaufs befasst sich der VIII. Zivilsenat.

Der Kläger betrieb bis Juli 2012 eine Tischlerei und stand in ständiger Geschäftsbeziehung zur Beklagten, die mit Hölzern handelt. Anfang 2012 bestellte er bei einem Außendienstmitarbeiter der Beklagten Brettschichtholz zur Sanierung der Terrasse seines neben der Tischlerei gelegenen Privathauses. Lieferung und Rechnungsstellung erfolgten an die Geschäftsadresse. Im Jahr 2015 beanstandete der Kläger Risse an den Leimfugen, die nach seiner Auffassung auf einer nicht der erforderlichen Nutzungsklasse entsprechende Verleimung beruhen. Die Beklagte machte geltend, das bestellte und gelieferte Holz entspreche dem üblichen Standard. Die auf Zahlung eines Vorschusses für Ausbau und Entsorgung der verbauten Hölzer und für Lieferung und Einbau neuer Hölzer gerichtete Klage hatte in erster Instanz weitgehend Erfolg. Das OLG wies die Klage hingegen ab.

Die Revision des Klägers führt zur Zurückverweisung der Sache an das OLG.

Entgegen der Auffassung des OLG handelt es sich um einen Verbrauchsgüterkauf. Für die Abgrenzung zwischen Verbraucher- und Unternehmerhandeln ist grundsätzlich die objektiv zu bestimmende Zweckrichtung des Rechtsgeschäfts entscheidend. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die für den Vertragspartner erkennbaren Umstände eindeutig und zweifelsfrei auf eine gewerbliche oder selbständige berufliche Tätigkeit hindeuten. Im Streitfall war der Kläger zwar Gewerbetreibender. Der in Rede stehende Vertrag war aber auf die Anschaffung von Hölzern für private Zwecke gerichtet. Dies war dem Außendienstmitarbeiter der Beklagten nach den Feststellungen des OLG bekannt oder zumindest erkennbar. Deshalb liegt ein Verbrauchergeschäft vor.

Die Ansprüche sind nicht verjährt. Maßgeblich ist die fünfjährige Verjährungsfrist nach § 438 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b BGB. Die Hölzer sind für den Bau der Terrasse und damit für ein Bauwerk verwendet worden. Dies ist eine übliche Verwendungsweise im Sinne der genannten Vorschrift, weil Holz zu den Materialien gehört, die für ein Bauwerk eingesetzt werden. Ob die bestellten und gelieferten Hölzer für diesen Zweck geeignet waren, ist in diesem Zusammenhang unerheblich.

Im neu eröffneten Berufungsrechtszug wird das OLG Feststellungen zur Höhe des Anspruchs treffen müssen. Ein Anspruch auf Vorschuss für die Beschaffung neuer Hölzer ist allerdings schon dem Grunde nach ausgeschlossen. Anders als ein Mieter oder ein Besteller eines Werks ist ein Käufer grundsätzlich nicht berechtigt, einen Mangel auf Kosten des Verkäufers selbst zu beseitigen. Eine Ausnahme gilt nur für Einbau- und Ausbaukosten, für die § 439 Abs. 3 BGB in der seit 1.1.2018 geltenden Fassung einen Ersatzanspruch vorsieht. Nach der für den Streitfall noch maßgeblichen früheren Rechtslage besteht ein solcher Anspruch, wenn der Verkäufer den Aus- und Einbau wegen Unverhältnismäßigkeit der Kosten verweigern darf. Der Kläger wird im Ergebnis also nur einen Teil dieser Kosten ersetzt verlangen können.

Praxistipp: Ersatz der Kosten für die Beschaffung einer mangelfreien Sache kann der Käufer verlangen, wenn die Voraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch nach § 280 ff. BGB erfüllt sind.

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Diese Woche geht um einen Fall der Staatshaftung, der möglicherweise nicht so ungewöhnlich ist, wie er auf den ersten Blick erscheinen mag.

Beratungspflicht der gesetzlichen Rentenversicherung
Urteil vom 11. März 2021 – III ZR 27/20

Mit der Pflicht zum Hinweis auf eher überraschende Gestaltungsmöglichkeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung befasst sich der III. Zivilsenat.

Die im Jahr 1950 geborene Klägerin, die schwerbehindert ist, erhielt im Januar 2014 eine Rentenauskunft, nach der die zu erwartende Rente auf der Basis der bisherigen Beiträge rund 922 Euro und bei Weiterzahlung der bisherigen Beiträge bis zur Regelaltersgrenze im April 2016 rund 985 Euro betrug. In einem persönlichen Beratungstermin bei dem beklagten Rentenversicherungsträger überreichte der Berater eine als unverbindlich bezeichnete Probeberechnung, nach der bei einem Rentenbeginn am 1. Juli 2014 eine monatliche Rente von rund 935 Euro zu erwarten war. Auf Antrag der Klägerin vom 15. Juli 2014 bewilligte die Beklagte eine monatliche Altersrente ab 1. Dezember 2014 in Höhe von rund 890 Euro. Grund hierfür war, dass die Kalendermonate mit vollwertigen Beiträgen aufgrund des Hinausschiebens des Rentenbeginns einen gesetzlich festgelegten Durchschnittswert überstiegen und damit die zuvor gegebenen Voraussetzungen für die Anrechnung zusätzlicher (fiktiver) Entgeltpunkte entfallen waren. Ein Widerspruch und eine Klage vor den Sozialgerichten blieben erfolglos. Die auf Zahlung der Differenz von monatlich 45 Euro gerichtete Amtshaftungsklage blieb in den ersten beiden Instanzen ohne Erfolg.

Die Revision der Klägerin führt zur Zurückverweisung der Sache an das OLG.

Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen war die Beklagte jedenfalls ab 15. Juli 2014 verpflichtet, die Klägerin darauf hinzuweisen, dass sie weniger Rente bekommt, wenn sie erst zum 1. Dezember 2014 in Ruhestand geht. Die gesetzliche Beratungspflicht soll sicherstellen, dass die nach dem Sozialgesetzbuch bestehenden sozialen Rechte möglichst weitgehend verwirklicht werden. Hierzu muss der Rentenversicherungsträger insbesondere auf naheliegende Gestaltungsmöglichkeiten hinweisen. Entgegen der Auffassung des OLG widerspricht ein solcher Hinweis nicht dem Zweck der hier maßgeblichen Regelung, wonach zusätzliche Entgeltpunkte nur unterhalb eines bestimmten Durchschnittswerts angerechnet werden. Die Ausübung dadurch eröffneter Entscheidungsspielräume ist legitim. Der Rentenversicherungsträger darf sie deshalb nicht verschweigen.

Der Amtshaftungsanspruch scheitert auch nicht an dem Grundsatz, dass das Verhalten eines Beamten nicht als fahrlässig anzusehen ist, wenn ein Kollegialgericht eine Amtspflichtverletzung verneint hat. Die Beurteilung der Vorinstanzen beruht auf einer schon im Ansatz unzutreffenden Auffassung über den Zweck der maßgeblichen rentenrechtlichen Vorschriften.

Im wieder eröffneten Berufungsverfahrens wird das OLG Feststellungen zur Schadenshöhe zu treffen haben. Hierbei muss es das aufgrund des späteren Rentenbeginns bezogene Arbeitseinkommen als schadensmindernd berücksichtigen.

Praxistipp: Eine Hinweispflicht dürfte in solchen Konstellationen in der Regel nur dann in Betracht kommen, wenn die für die Rentenhöhe schädliche Planung des Versicherten für den Rentenversicherungsträger erkennbar ist.

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Diese Woche geht es um die Anforderungen an die Identitätsüberprüfung nach § 12 und § 13 des Geldwäschegesetzes

Identitätsüberprüfung nach dem Geldwäschegesetz
Beschluss vom 20. April 2021 – XI ZR 511/19

Mit den Anforderungen an eine sichere Identitätsüberprüfung befasst sich der XI. Zivilsenat.

Ein zum Nachlasspfleger für die unbekannten Erben bestellter Rechtsanwalt verlangt im Namen der Erben von der Beklagten die Auszahlung eines zum Nachlass gehörenden Girokontoguthabens in Höhe von rund 1.150 Euro. Die Beklagte verweigert die Auszahlung, weil der Nachlasspfleger sich nur durch eine notariell beglaubigte Kopie seines Personalausweises identifiziert hat, nicht aber durch Vorlage des Personalausweises in einer ihrer Filialen. Die Klage hatte in erster Instanz Erfolg. Das LG wies sie ab.

Die Berufung der Kläger bleibt erfolglos. Der BGH tritt dem LG darin bei, dass eine notariell beglaubigte Kopie des Personalausweises zur Identifizierung nach dem Geldwäschegesetz (GwG) nicht ausreicht. Notariell beglaubigte Kopien gehören nicht zu den in § 12 Abs. 1 GwG aufgeführten Dokumenten, die für die Identitätsprüfung geeignet sind. Ein hiernach geeigneter Personalausweis muss nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 GwG grundsätzlich durch angemessene Prüfung des vor Ort vorgelegten Dokuments überprüft werden. Nach § 13 Abs. 1 Nr. 2 GwG genügt auch ein sonstiges Verfahren, das ein gleichwertiges Sicherheitsniveau aufweist. Eine notariell beglaubigte Kopie des Personalausweises genügt dieser Anforderung seit dem 25.06.2017 nicht mehr. Der Gesetzgeber hat eine früher geltende Vorschrift, nach der ein solches Dokument ausreichend war, ersatzlos gestrichen und stattdessen die Möglichkeit eines elektronischen Identitätsnachweises nach § 18 des Personalausweisgesetzes geschaffen.

Praxistipp: Hinweise zum Online-Ausweis gibt das Bundesministerium des Inneren unter https://www.personalausweisportal.de/Webs/PA/DE/buergerinnen-und-buerger/online-ausweisen/online-ausweisen-node.html

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Diese Woche geht es um die Anforderungen an die Sorgfalt beim Versand von fristgebundenen Schriftsätzen per Telefax

Abgleich der Telefaxnumer
Beschluss vom 30. März 2021 – VIII ZB 37/19

Mit der ordnungsgemäßen Organisation des Kanzleibetriebs bei Telefax-Sendungen an das Gericht befasst sich der VIII. Zivilsenat.

Die klagende Arzneimittelherstellerin streitet mit der Beklagten, einer Abnehmerin, darüber, wer von ihnen gesetzliche Preisreduzierungen im griechischen Gesundheitswesen zu tragen hat. Die Klage war in erster Instanz erfolgreich. Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten legte am letzten Tag der Frist per Telefax Berufung ein. Das Schreiben war an das zuständige OLG adressiert, jedoch mit der Telefaxnummer des LG versehen. Dieses leitete den Schriftsatz an das OLG weiter, wo er erst einen Tag später einging. Das OLG versagte die beantragte Wiedereinsetzung und verwarf die Berufung als unzulässig.

Der BGH gewährt Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und verweist die Sache zur Entscheidung über die Berufung an das OLG zurück.

Nach der Rechtsprechung des BGH genügt ein Anwalt den an ihn zu stellenden Sorgfaltsanforderungen, wenn er seinem Personal schriftlich die allgemeine organisatorische Anweisung erteilt, die in einem Schriftsatz angegebene Faxnummer des Empfangsgerichts vor dem Versand mit einem zuverlässigen Verzeichnis und nach dem Versand mit der im Sendebericht angegebenen Nummer abzugleichen.

Als zuverlässiges Verzeichnis kann auch eine Kanzleisoftware herangezogen werden, in der die Faxnummern der Gerichte hinterlegt sind und regelmäßig aktualisiert werden. Diese Voraussetzung war im Streitfall nicht erfüllt, weil die Dokumentvorlagen, die eine automatische Übernahme der Faxnummer aus der Datenbank der Kanzleisoftware vorsehen, wenige Tage vor dem Versand geändert worden waren.

Entgegen der Auffassung des OLG ist ein etwaiger Fehler bei der Änderung der Dokumentvorlagen im Streitfall aber nicht relevant. Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten hat durch eidesstattliche Versicherung der mit dem Versand betrauten Mitarbeiterin glaubhaft gemacht, dass die allgemeine schriftliche Anweisung besteht, die von der Software eingefügte Nummer vor dem Versand mit der Nummer abzugleichen, die aus dem letzten vom Gericht stammenden Schriftstück in der jeweiligen Akte hervorgeht, hilfsweise mit der Nummer, die auf der Internet-Seite des betreffenden Gerichts angegeben ist. Diese Anordnung war ausreichend. Wäre sie befolgt worden, wäre es zu dem aufgetretenen Fehler nicht gekommen.

Praxistipp: Die organisatorischen Vorkehrungen, um einen rechtzeitigen Versand beim zuständigen Gericht zu gewährleisten, müssen innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist vorgetragen und glaubhaft gemacht werden.

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Diese Woche geht es um die Höhe der Rechtsanwaltsvergütung für den Entwurf eines gemeinschaftlichen Testaments

Keine Geschäftsgebühr für den Entwurf eines gemeinschaftlichen Testaments
Urteil vom 15. April 2021 – IX ZR 143/20

Eine bislang ausdrücklich offen gelassene Frage beantwortet der IX. Zivilsenat.

Die klagenden Eheleute ließen sich vom beklagten Rechtsanwalt wegen eines Testaments beraten. Der Beklagte entwarf ein gemeinschaftliches Testament, in dem sich die Kläger gegenseitig zu Erben einsetzten. Nach Kündigung des Mandats rechnete der Beklagte eine 1,0 Geschäftsgebühr nebst Auslagenpauschale und Umsatzsteuer ab. Die Kläger zahlten den Rechnungsbetrag von rund 3.700 Euro. Nunmehr machen sie geltend, anstelle der Geschäftsgebühr seien nur eine Beratungsgebühr von 250 Euro und eine 0,3 Mehrgebühr für die Beauftragung durch zwei Mandanten angefallen. Ihre Klage auf Rückzahlung von rund 3.400 Euro war in zweiter Instanz erfolgreich.

Die Revision des beklagten Rechtsanwalts bleibt ohne Erfolg.

Der BGH hat die in Literatur und Rechtsprechung umstrittene Frage, ob der Entwurf eines gemeinschaftlichen Testaments eine Geschäftsgebühr auslöst, bislang offen gelassen. Er verneint sie nunmehr und führt zur Begründung drei Argumente an: Mit der Anfertigung des Entwurfs wird der Rechtsanwalt nicht nach außen tätig, weil die Tätigkeit nur die Eheleute betrifft, die beide seine Mandanten sind. Er wirkt auch nicht bei der Gestaltung eines Vertrages mit, weil die Erklärungen in einem gemeinschaftlichen Testament nicht im Sinne der §§ 145 ff. BGB aufeinander bezogen sind. Eine erweiternde Auslegung des zuletzt genannten Gebührentatbestands verbietet sich, weil er Ausnahmecharakter hat.

Praxistipp: Bereits nach der bisherigen Rechtsprechung fällt eine Geschäftsgebühr auch dann nicht an, wenn ein Rechtsanwalt im Auftrag von zwei Eheleuten zwei aufeinander abgestimmte Einzeltestamente entwirft.

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Diese Woche geht es um die Haftungshöchstbeträge für Ansprüche aus dem Straßenverkehrsgesetz und um die Verjährung des Anspruchs auf Einräumung einer Bauhandwerkersicherung

Haftungshöchstbeträge nach § 12 StVG a.F.
Urteil vom 16. März 2021 – VI ZR 140/20

Mit der bis 17. Dezember 2007 geltenden Fassung von § 12 StVG befasst sich der VI. Zivilsenat.

Der im Jahr 1983 geborene Kläger erlitt bei einem Verkehrsunfall im Jahr 2000 eine Querschnittlähmung ab dem fünften Halswirbel. Ursache des Unfalls war ein Rad, das sich infolge eines Ermüdungsbruchs von einem bei der Beklagten versicherten Fahrzeug löste und auf das Auto prallte, in dem der Kläger saß. Eine weitere Insassin dieses Autos wurde leicht verletzt, machte aber keine Ersatzansprüche geltend. Die Beklagte zahlte seit dem Unfall eine monatliche Rente von 1.917,34 Euro (ursprünglich 3.750 DM). Im Oktober 2018 stellte sie die Zahlungen ein. Bis dahin hatte sie insgesamt rund 388.000 Euro (rund 760.000 DM) gezahlt. Das LG verurteilte die Beklagte zur Weiterzahlung der Rente in der bisherigen Höhe. Die Berufung der Beklagten blieb erfolglos.

Der BGH verweist die Sache an das OLG zurück.

Der BGH tritt den Vorinstanzen darin bei, dass ein Anspruch auf Rentenzahlung nach den bis 17.12.2017 geltenden Fassungen von § 12 Abs. 1 StVG nur durch den Höchstbetrag für die Jahresrente begrenzt wird, nicht aber durch die separat festgelegte Höchstgrenze für Kapitalbeträge. Nach der im Streitfall maßgeblichen Fassung von § 12 Abs. 1 Nr. 1 StVG haftet die Beklagte, solange die Anspruchsvoraussetzungen vorliegen, danach bis zu einem Rentenbetrag von jährlich 30.000 DM – unabhängig davon, ob der Gesamtbetrag ihrer Zahlungen die für Kapitalbeträge geltende Höchstgrenze von 500.000 DM überschritten hat.

Der BGH tritt den Vorinstanzen ferner darin bei, dass die Beklagte gegenüber dem Kläger nicht bis zu dem in § 12 Abs. 1 Nr. 2 StVG a.F. für den Fall der Verletzung mehrerer Personen vorgesehenen Höchstbetrag von 45.000 DM jährlich haftet. Diese Grenze ist nur für die Summe aller Rentenzahlungen maßgeblich, die die Beklagte gegenüber Personen erbringen muss, die bei dem Unfall verletzt worden sind. Der Anspruch eines einzelnen Verletzten ist dagegen nach § 12 Abs. 1 Nr. 1 StVG a.F. auf 30.000 DM jährlich begrenzt.

Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen können die in der Vergangenheit erbrachten Zahlungen der Beklagten nicht ohne weiteres als Anerkenntnis einer Pflicht zur Zahlung einer Rente von jährlich 45.000 DM angesehen werden. Eine Tilgungsleistung kann nur dann als Angebot zum Abschluss eines bestätigenden Schuldanerkenntnisvertrags ausgelegt werden, wenn im konkreten Fall ein nachvollziehbarer Anlass für ein solches Anerkenntnis bestand. Letzteres kann insbesondere dann anzunehmen sein, wenn Streit oder Ungewissheit über Bestand oder Höhe der Forderung herrschte. Diesbezügliche Feststellungen hat das OLG nicht getroffen.

In der wiedereröffneten Berufungsinstanz wird das OLG insbesondere dem Vortrag des Klägers nachzugehen haben, wonach sein Prozessbevollmächtigter nach dem Unfall in einer abschließenden Besprechung mit der Beklagten zum Ausdruck gebracht habe, er werde von einer gerichtlichen Geltendmachung von weitergehenden Ansprüchen aus § 823 Abs. 1 BGB absehen, wenn die Beklagte im Gegenzug den Haftungshöchstbetrag von 45.000 DM pro Jahr hinnehme.

Praxistipp: Da solche Konstellationen in der Regel erst lange Zeit nach dem Schadensereignis eintreten, ist besonders sorgfältig zu prüfen, welche Fassung von § 12 StVG maßgeblich ist. Seit 18.12.2007 gilt ein einheitlicher Höchstbetrag (derzeit fünf Millionen Euro), der auch für den Kapitalwert einer zu leistenden Rente maßgeblich ist.

Verjährung des Anspruchs auf Bauhandwerkersicherung
Urteil vom 25. März 2021 – VII ZR 94/20

Mit dem Beginn der Verjährung eines Anspruchs aus § 648a BGB a.F. (jetzt: § 650f BGB) befasst sich der VII. Zivilsenat.

Die Beklagte beauftragte den Kläger im Jahr 2013 mit Rohbauarbeiten für ein Mehrfamilienhaus. Nach Abschluss der Arbeiten legte die Klägerin im Juli 2014 eine Schlussrechnung über einen Gesamtbetrag von rund 220.000 Euro netto vor. Die Beklagte, die bis dahin Abschläge in Höhe von rund 110.000 Euro erbracht hatte, berief sich auf Mängel und verweigerte weitere Zahlungen. Über eine im Jahr 2015 erhobene Klage auf restliche Vergütung ist erstinstanzlich noch nicht entschieden.

Im September 2018 verlangte die Klägerin die Stellung einer Sicherheit in Höhe von 88.000 Euro. Ihre auf diese Leistung gerichtete Klage hatte in zweiter Instanz Erfolg.

Die Revision der Beklagten bleibt erfolglos.

Der BGH tritt dem OLG darin bei, dass der Anspruch auf Leistung einer Bauhandwerkersicherung als „verhaltener“ Anspruch zu qualifizieren ist, so dass die Verjährung frühestens dann beginnt, wenn der Unternehmer den Anspruch erstmals geltend macht. Der Besteller darf eine solche Sicherheit nicht von sich aus stellen. Die Entscheidung darüber liegt beim Unternehmer, weil dieser die hierfür anfallenden Kosten tragen muss. Der Unternehmer wird eine Sicherheit in der Regel nur dann verlangen, wenn ein entsprechendes Sicherungsbedürfnis besteht. Ein solches kann sich je nach Einzelfall auch erst geraume Zeit nach Entstehung des Anspruchs ergeben.

An der Geltendmachung des Anspruchs ist die Klägerin im Streitfall weder unter dem Aspekt des Rechtsmissbrauchs noch unter dem Aspekt der Verwirkung gehindert.

Praxistipp: Geltend gemachte Mängel haben gemäß § 650f Abs. 1 Satz 4 BGB auf die Höhe der zu leistenden Sicherheit grundsätzlich keinen Einfluss, soweit daraus resultierende Ansprüche nicht unstreitig oder rechtskräftig festgestellt sind.

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Diese Woche geht es um die Wissenszurechnung bei Rechtsgeschäften eines Testamentsvollstreckers

Denkmaleigenschaft als Sachmangel
Urteil vom 19. März 2021 – V ZR 158/19

Mit der Haftung für die denkmalrechtliche Einordnung eines verkauften Hauses befasst sich der V. Zivilsenat.

Der Kläger verkaufte dem Beklagten im Jahr 2009 als Testamentsvollstrecker über den Nachlass seines Vaters ein Wohnhaus in Hamburg für fünf Millionen Euro. Der Vertrag sieht den Ausschluss der Haftung für Sachmängel vor. Er enthält ferner den Hinweis, das Objekt sei nach Kenntnis des Verkäufers nicht auf der Denkmalschutzliste verzeichnet, weise aus Sicht des Denkmalpflegers jedoch erhaltenswerte Bauelemente auf. Im Februar 2012 erhielt der Kläger eine Baugenehmigung zur Sanierung des Gebäudes. Anfang 2013 wurde das Haus in die Denkmalliste eingetragen. Der Kläger musste seine Planung daraufhin ändern. Er begehrt vom Beklagten Ersatz des Minderwerts und vergeblicher Aufwendungen in Höhe von rund 2,8 Millionen Euro. Das LG wies die Klage ab. Das OLG erklärte sie dem Grunde nach für gerechtfertigt.

Der BGH stellt das erstinstanzliche Urteil wieder her.

Mit dem OLG geht der BGH davon aus, dass die Denkmaleigenschaft eines verkauften Gebäudes grundsätzlich einen Sachmangel darstellt. Im Streitfall stand das Gebäude im Zeitpunkt des Gefahrübergangs im Jahr 2009 aber noch nicht unter Denkmalschutz. Dieser wurde nach den damals geltenden Bestimmungen erst durch Eintragung in die Denkmalliste begründet, also Anfang 2013.

Der Beklagte musste den Kläger vor Vertragsschluss allerdings darauf hinweisen, dass das Gebäude schon seit 2006 in ein Verzeichnis erkannter Denkmäler eingetragen war. Der BGH lässt offen, ob diese Eintragung ebenfalls einen Sachmangel begründete. Eine Hinweispflicht bestand jedenfalls gemäß § 311 Abs. 2 BGB, weil es sich um einen für die Entschließung des Käufers wesentlichen Umstand handelte.

Entgegen der Auffassung des OLG fehlt es jedoch an der nach § 444 BGB erforderlichen Arglist. Der Kläger, dem die Eintragung in das Verzeichnis nicht bekannt war, muss sich die Kenntnis seiner Geschwister und Miterben nicht zurechnen lassen. Diese waren nicht mit Aufgaben in Bezug auf das Grundstück betraut. Testamentsvollstrecker und Erben bilden auch keine arbeitsteilige Organisation, innerhalb derer relevante Kenntnisse an die entscheidenden Personen weitergeleitet werden müssen. Die Kenntnis der Hausverwaltung muss sich der Kläger ebenfalls nicht zurechnen lassen. Diese war in die Veräußerung des Anwesens nicht einbezogen.

Praxistipp: Wenn Hinweise auf Denkmalschutz bestehen, sollte der Käufer sich vor Vertragsschluss selbst an das Denkmalamt wenden, um den rechtlichen Status des Gebäudes abzuklären.

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Diese Woche geht es um die Haftung als Zustandsstörer gemäß § 1004 BGB

Haftung als Zustandsstörer für vermietete Abfallcontainer
Urteil vom 26. März 2021 – V ZR 77/20

Mit den Pflichten des Vermieters eines Abfallcontainers gegenüber einem Grundstückseigentümer befasst sich der V. Zivilsenat.

Die Klägerin hatte ein Grundstück an eine später insolvent gewordene UG vermietet. Die Beklagte stellte im Auftrag der Mieterin zwei Abfallcontainer auf dem Grundstück auf und übernahm es, diese nach Befüllung mit Altholz zur Entsorgung abzuholen. Zur Abholung der befüllten Container kam es nicht, weil die Mieterin die Rechnung der Beklagten nicht bezahlte. Nach Beendigung des Grundstücksmietvertrags verlangte die Klägerin von der Beklagten die Entfernung der befüllten Container. Das AG verurteilte die Beklagte lediglich zur Abholung in leerem Zustand. Das LG gab der Klage in vollem Umfang statt.

Die Revision der Beklagten bleibt erfolglos. Der Klägerin steht aus § 1004 Abs. 1 BGB ein Anspruch auf Entfernung der Container samt Inhalt zu. Das der Mieterin zustehende Recht zum Besitz des Grundstücks, das gemäß § 1004 Abs. 2 BGB Beseitigungsansprüche der Klägerin gegen Dritte ausschloss, ist mit Beendigung des Grundstücksmietvertrags erloschen. Von diesem Zeitpunkt an stellt der weitere Verbleib der Container auf dem Grundstück eine rechtswidrige Beeinträchtigung des Grundstückseigentums dar. Die Beklagte haftet für diese Beeinträchtigung als Zustandsstörerin, weil sie die Container zum Zweck der späteren Abholung in befülltem Zustand auf dem Grundstück abgestellt hat. Der hieraus resultierenden Verantwortung gegenüber der Klägerin darf sie sich nicht deshalb entziehen, weil die Mieterin die aus dem Auftrag resultierende Zahlungspflicht nicht erfüllt hat. Die Störerhaftung der Beklagten erstreckt sich auch auf Abfall, den Dritte unbefugt in die Container eingeworfen haben, weil diese frei zugänglich waren. Ob dies auch für Gift- oder Gefahrstoffe gilt, deren Entsorgung mit hohen Kosten verbunden ist, lässt der BGH offen.

Praxistipp: Der Beklagte kann in solchen Konstellationen das Kostenrisiko reduzieren, indem er die Pflicht zur Abholung in leerem Zustand bereits vorgerichtlich und nach Klageerhebung unverzüglich auch gegenüber dem Gericht anerkennt.