Montagsblog: Neues vom BGH

Um grundlegende Pflichten eines Rechtsanwalts geht es in dieser Woche.

Kein Anspruch auf Anwaltshonorar bei Vertretung widerstreitender Interessen
Beschluss vom 10. Januar 2019 – IX ZR 89/18

Mit dem Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen und den Auswirkungen eines Verstoßes auf den Vergütungsanspruch befasst sich der IX. Zivilsenat.

Im Zusammenhang mit dem Bau eines Fernbahntunnels hatten die Bauherrn gegen das mit der Bauausführung beauftragte Unternehmen ein selbständiges Beweisverfahren eingeleitet und drei Planungsgemeinschaften, die mit der Entwurfsplanung, der Objektüberwachung und der Überprüfung der Entwurfsplanung betraut waren, den Streit verkündet. Die drei Planungsgemeinschaften beauftragten gemeinsam den Kläger mit ihrer rechtlichen Vertretung in dem Verfahren. Die Beklagte, bei der die mit der Objektüberwachung und die mit der Überprüfung betraute Planungsgemeinschaft gegen Haftpflicht versichert waren, stimmte der Mandatierung zu und beglich zwei Vorschussrechnungen. Weitere Zahlungen lehnte sie ab. Die Klage auf Zahlung restlichen Honorars in Höhe von rund 1,6 Millionen Euro blieb in den beiden ersten Instanzen erfolglos.

Die Revision des Klägers hat ebenfalls keinen Erfolg. Honoraransprüche unmittelbar gegen die Beklagte bestehen schon deshalb nicht, weil das Mandat nicht von dieser, sondern von den Planungsgemeinschaften erteilt worden war. Dass die Beklagte gegenüber zwei Mandanten aufgrund des Versicherungsvertrags zur Abwehr von unbegründeten Ansprüchen verpflichtet war, begründet für sich gesehen keine vertraglichen Beziehungen zum Kläger. Erstattungsansprüche aus abgetretenem Recht bestehen ebenfalls nicht, weil der Kläger von den Planungsgemeinschaften keine Vergütung verlangen kann. Zwischen den drei Mandanten bestand ein Interessenkonflikt, weil sie gegenüber den Bauherrn unterschiedliche Aufgaben übernommen hatten und jede von ihnen bestrebt sein musste, die Feststellung von Fehlerursachen aus ihrem jeweils eigenen Verantwortungsbereich zu vermeiden. Dass zwei Mandanten denselben Haftpflichtversicherer hatten, führt nicht zu einer abweichenden Beurteilung. Dem Kläger war es deshalb gemäß § 43a Abs. 4 BRAO verboten, mehr als eine der drei Planungsgemeinschaften zu vertreten. Der Verstoß gegen diese Vorschrift führt gemäß § 134 BGB zur Nichtigkeit des Anwaltvertrags. Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung sind nach § 817 Satz 2 BGB ausgeschlossen, weil der Interessenwiderstreit für den Kläger auf der Hand lag.

Praxistipp: Von der Vertretung mehrerer potentieller Gesamtschuldner sollte abgesehen werden, wenn sich der Kreis der möglicherweise verletzten Pflichten nicht vollständig deckt.

Kein elektronischer Rechtsverkehr beim Bundesverfassungsgericht – aber bei allen anderen Gerichten

Der elektronische Rechtsverkehr scheint kurioserweise dort besonders beliebt zu sein, wo ihn das Gesetz noch nicht zugelassen hat.

Kurz vor Weihnachten sah sich das BVerfG veranlasst, durch Pressemitteilung (Nr. 84/2018 vom 7.12.2018) auf einen Beschluss hinzuweisen, in dem eine per DE-Mail eingelegte Verfassungsbeschwerde wegen Unzulässigkeit nicht zur Entscheidung angenommen wurde (BVerfG, Beschl. v. 19.11.2018 – 1 BvR 2391/18; dazu Wöbbeking, CR 2019 Heft 1 R7). Der entschiedene Einzelfall gab dazu nicht unbedingt Veranlassung, denn das BVerfG sah die in Rede stehende Verfassungsbeschwerde auch wegen ausreichender Substantiierung als unzulässig an. Die im Beschluss enthaltenen Ausführungen, dass der Rechtsbehelf schon deshalb unzulässig ist, weil das Gesetz den elektronischen Rechtsverkehr beim BVerfG bislang nicht vorsieht, haben vor diesem Hintergrund eher generalpräventiven Charakter.

Anlass zu dieser Klarstellung dürfte der Umstand gegeben haben, dass das BVerfG mittlerweile das einzige deutsche Gericht ist, bei dem der elektronische Rechtsverkehr nicht eröffnet ist. Bei allen anderen Gerichten sind elektronische Einreichungen seit gut einem Jahr zulässig. Rechtsanwälten steht mit dem besonderen elektronischen Anwaltspostfach (beA; dazu etwa Bacher MDR 2017, 613) hierfür ein besonders sicherer Kommunikationsweg zur Verfügung.

Allerdings ist die Zahl der elektronischen Eingänge bei den meisten Gerichten bislang eher gering. Ein wesentlicher Grund dafür dürfte die Angst vor technischen Komplikationen und dadurch verursachten Fristversäumnissen sein. Dass diese Gefahr besteht, belegt der Umstand, dass seit Inkrafttreten der neuen Regeln bereits drei oberste Gerichtshöfe des Bundes elektronische Einreichungen wegen Verwendung einer sog. Containersignatur als unwirksam angesehen haben (BSG, Beschl. v. 9.5.2018 – B 12 KR 26/18 B, NJW 2018, 2222; BAG, Beschl. v. 15.8.2018 – 2 AZN 269/18, MDR 2018, 1519; BVerwG, Beschl. v. 7.9.2018 – 2 WDB 3/18, NVwZ 2018, 1880). Diese Risiken dürften aber weitaus geringer wiegen als das Risiko, dass eine kurz vor Fristablauf begonnene Übermittlung per Telefax scheitert. Bezeichnenderweise gewährten das BSG und das BVerwG in den zitierten Entscheidungen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, und das BAG ließ die Frage nur deshalb offen, weil es das Rechtsmittel aus anderen Gründen als unzulässig ansah. Bei missglückten Übermittlungsversuchen per Telefax ist die Versagung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hingegen fast die Regel (vgl. etwa BGH, Beschl. v. 27.9.2018 – IX ZB 67/17, MDR 2019, 82 [Bacher]).

Die formellen Anforderungen an elektronisch übermittelte Schriftsätze ergeben sich aus der Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr (ERVV, dazu Bacher, MDR 2019, 1). Um sie einzuhalten – und um im Falle eines Fehlers Aussicht auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu haben – bedarf es in der Anwaltskanzlei einiger organisatorischer Vorkehrungen (näher dazu Bacher in: Vorwerk, Das Prozessformularbuch, 11. Aufl. 2019, Kapitel 28 Rn. 72 ff.). Der Aufwand dafür dürfte sich aber in überschaubaren Grenzen halten und durch die zusätzliche Sicherheit im Vergleich zum Telefaxversand mehr als aufgewogen werden.

Praxistipp: Auch wenn dies beim Versand aus dem beA nicht mehr zwingend erforderlich ist, sollte jeder elektronische Schriftsatz mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen werden.

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Um eine umstrittene Frage aus dem Recht der Kostenerstattung geht es in dieser Woche.

Kosten eines freiwilligen Güteverfahrens als Prozesskosten
Beschluss vom 15. Januar 2019 –II ZB 12/17

Mit der Erstattungsfähigkeit von Anwaltskosten aus einem freiwilligen Güteverfahren in einem nachfolgenden Rechtsstreit befasst sich der II. Zivilsenat.

Der Kläger hatte den Beklagten als Gründungsgesellschafter von zwei Fondsgesellschaften auf Schadensersatz in Anspruch genommen. Vor Klageerhebung hatte er ein freiwilliges Güteverfahren vor einer anerkannten Gütestelle eingeleitet, das erfolglos blieb. Der nachfolgende Rechtsstreit endete mit einem Vergleich, in dem der Kläger 90 % und der Beklagte 10 % der Kosten des Rechtsstreits und des Vergleichs übernahmen. Im Kostenfestsetzungsverfahren begehrte der Beklagte unter anderem anteilige Erstattung der im Güteverfahren entstandenen Anwaltskosten (Nr. 2303 VV RVG). Das LG sah diese Kosten als nicht erstattungsfähig an. Die Beschwerde des Beklagten blieb erfolglos.

Die Rechtsbeschwerde des Beklagten bleibt ebenfalls ohne Erfolg. Nach § 91 Abs. 3 ZPO gehören zu den Kosten des Rechtsstreits zwar auch die Gebühren eines Güteverfahrens, wenn dieses nicht mehr als ein Jahr vor Klageerhebung beendet worden ist. Diese Vorschrift erfasst aber nur die Gebühren der Gütestelle, nicht aber die im Güteverfahren entstandenen Anwaltskosten. Letztere sind auch nicht als Vorbereitungskosten nach § 91 Abs. 1 ZPO erstattungsfähig. Ein Güteverfahren dient grundsätzlich nicht der Vorbereitung, sondern der Vermeidung eines Rechtsstreits. Ob etwas anderes gilt, wenn die Zulässigkeit einer Klage von der vorherigen Durchführung eines Güteverfahrens abhängt (etwa aufgrund eines Landesgesetzes auf der Grundlage von § 15a EGZPO), lässt der BGH offen.

Praxistipp: Außergerichtliche Kosten sind nach verbreiteter Auffassung festsetzungsfähig, wenn die Parteien in einem Prozessvergleich ausdrücklich vereinbart haben, dass sie erstattet werden sollen.

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Um eine besondere Form der Veräußerung einer Mietwohnung geht es in dieser Woche.

Veräußerung eines Miteigentumsanteils an einer vermieteten Wohnung an den anderen Miteigentümer
Beschluss vom 9. Januar 2019 –VIII ZB 26/17

Mit einem besonderen Aspekt des Grundsatzes „Kauf bricht nicht Miete“ befasst sich der VIII. Zivilsenat.

Die Klägerin und ihr Ehemann waren Miteigentümer eines Zweifamilienhauses. Eine der Wohnungen vermieteten sie an den Beklagten. Später übertrug der Ehemann seinen Miteigentumsanteil auf die Klägerin, die dadurch Alleineigentümerin wurde. Wiederum später kündigte die Klägerin, die die andere Wohnung in dem Haus bewohnt, den Mietvertrag gemäß § 573a BGB. Der Beklagte zog erst aus, nachdem die Klägerin auf Räumung geklagt hatte. Das AG legte die Kosten des Rechtsstreits gemäß § 91a ZPO dem Beklagten auf. Die dagegen gerichtete Beschwerde blieb ohne Erfolg.

Der BGH legt die Kosten des Rechtsstreits der Klägerin auf. Die Kündigungserklärung hätte durch die Klägerin und deren Ehemann gemeinsam erfolgen müssen. Der Ehemann ist mit der Veräußerung des Miteigentumsanteils nicht aus dem Mietvertrag ausgeschieden. § 566 Abs. 1 BGB ist nicht unmittelbar anwendbar, weil die Mietsache nicht an einen Dritten veräußert wurde. Eine entsprechende Anwendung scheidet mangels vergleichbarer Interessenlage aus. § 566 Abs. 1 BGB dient dem Zweck, den Erwerber an das Mietverhältnis zu binden. Dieser Zweck ist nicht berührt, wenn der Erwerber bereits Partei des Mietvertrags ist.

Praxistipp: In der gegebenen Konstellation darf die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen werden, weil das Verfahren nach § 91 ZPO nicht dazu dient, grundsätzliche Fragen des materiellen Rechts zu klären. Die vom Beschwerdegericht ausgesprochene Zulassung ist für den BGH aber bindend.

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Um den Verjährungsbeginn bei Dauerhandlungen geht es in dieser Woche.

Verjährung des Anspruchs auf Unterlassung vertragswidrigen Gebrauchs der Mietsache
Urteil vom 19. Dezember 2018 – XII ZR 5/18

Eine in Literatur und Instanzrechtsprechung umstrittene Frage entscheidet der XII. Zivilsenat.

Der Rechtsvorgänger des Klägers vermietete der Beklagten im Jahr 2010 zwei Stockwerke eines Gebäudes zum Betrieb einer Rechtsanwaltskanzlei. Die Beklagte nutzte ein Stockwerk von Beginn an als Wohnung. Nachdem der Kläger das Anwesen erworben hatte, beanstandete er die vertragswidrige Nutzung. Sein Angebot, den Mietvertrag zu ändern, lehne die Beklagte ab. Auf eine im Jahr 2016 erhobene Klage verbot das LG der Beklagten, das betreffende Stockwerk zu Wohnzwecken zu nutzen. Die Berufung der Beklagten blieb erfolglos.

Der Revision der Beklagten hat ebenfalls keinen Erfolg. Die Nutzung zu Wohnzwecken ist vertragswidrig und begründet nach erfolgter Abmahnung einen Unterlassungsanspruch des Klägers aus § 541 BGB. Dieser verjährt zwar in der Regelfrist von drei Jahren. Entgegen einer in Instanzrechtsprechung und Literatur verbreiteten Auffassung beginnt die Verjährung aber nicht zu laufen, solange die vertragswidrige Nutzung andauert. In gleichem Sinne hat der V. Zivilsenat bereits für einen Unterlassungsanspruch unter Wohnungseigentümern entschieden. Hinreichende Anhaltspunkte, aus denen sich eine Verwirkung des Anspruchs ergeben könnte, hat die Beklagte nicht vorgetragen.

Praxistipp: Will der Mieter Verwirkung aufgrund getätigter Investitionen geltend machen, muss er Gegenstand, Zeitpunkt und Höhe der Investitionen konkret darlegen und aufzeigen, aufgrund welcher Umstände er auf eine Duldung der vertragswidrigen Nutzung vertrauen durfte.

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Um zwei anwaltliche Vorgehensweisen der Kategorie „unschädlich, aber dennoch unnötig“ geht es in dieser Woche.

Korrektur eines falsch adressierten Schriftsatzes
Beschluss vom 25. Oktober 2018 – V ZB 259/17

Mit den Sorgfaltsanforderungen bei der Korrektur eines falsch adressierten fristgebundenen Schriftsatzes befasst sich der V. Zivilsenat.

Die Kläger waren in erster Instanz vor dem LG unterlegen. Am letzten Tag der Frist übermittelte ihr Anwalt eine Berufungsschrift an den Telefaxanschluss des LG. Der Schriftsatz wurde an das zuständige OLG weitergeleitet, ging dort aber erst einige Tage später ein. Mit ihrem Wiedereinsetzungsgesuch machten die Kläger geltend, ihr Prozessbevollmächtigter habe die unzutreffende Adressierung nach Unterzeichnung des Schriftsatzes bemerkt, einen korrigierten Schriftsatz unterzeichnet und die mit dem Versand betraute Kanzleikraft angewiesen, den korrigierten Schriftsatz zu versenden. Das OLG versagte die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und verwarf die Berufung als unzulässig.

Der BGH gewährt Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und verweist die Sache zur Verhandlung und Entscheidung über die Begründetheit der Berufung an das OLG zurück. Abweichend vom OLG hält es der BGH für ausreichend, dass der Prozessbevollmächtigte den Fehler korrigiert und die Kanzleikraft angewiesen hat, den korrigierten Schriftsatz zu versenden. Nach der etablierten Rechtsprechung des BGH ist es in solchen Situationen nicht erforderlich, dass der Anwalt den fehlerhaften Schriftsatz vernichtet, durchstreicht oder in sonstiger Weise unbrauchbar macht. Entgegen der Auffassung des OLG bedarf es auch nicht einer ausdrücklichen Anweisung an die Kanzleikraft, den fehlerhaften Schriftsatz zu vernichten. Eine solche Anweisung ist bereits konkludent in dem Auftrag enthalten, den korrigierten Schriftsatz zu versenden. Der Anwalt darf sich auch ohne diesbezügliche Klarstellung darauf verlassen, dass beide Anweisungen befolgt werden.

Praxistipp: Um unnötige Weiterungen zu vermeiden, erscheint es in solchen Situationen dennoch empfehlenswert, den fehlerhaften Schriftsatz mit einer eindeutigen Kennzeichnung zu versehen, die einen versehentlichen Versand verhindert.

Bezeichnung des Rechtsmittelgegners bei Streitgenossenschaft
Beschluss vom 18. Dezember 2018 – XI ZB 16/18

Mit den Anforderungen an die Bezeichnung des Rechtsmittelgegners befasst sich der XI. Zivilsenat.

Nach dem Widerruf von zwei Verbraucherdarlehensverträgen nahm der Kläger die Beklagte zu 1 auf Erstattung der auf den ersten Vertrag erbrachten Leistungen in Höhe von rund 5.000 Euro und die zum gleichen Unternehmensverbund gehörende Beklagte zu 2 auf Erstattung der auf den zweiten Vertrag erbrachten Leistungen in Höhe von rund 17.000 Euro in Anspruch. Das LG wies die Klage ab. In seiner Berufungsschrift gab der Kläger nur die Beklagte zu 1 als Gegner an. In der Berufungsbegründung verfolgte er sein erstinstanzliches Begehren gegen beide Beklagten weiter. Das OLG wies die Berufung gegen die Beklagte zu 1 durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurück. Im gleichen Beschluss verwarf es die Berufung gegen die Beklagte zu 2 als unzulässig.

Der BGH weist die gegen die Beklagte zu 2 gerichtete Rechtsbeschwerde des Klägers zurück. Abweichend vom OLG hält der BGH die Berufung jedoch auch gegenüber dieser Beklagten für zulässig. Eine Berufungsschrift richtet sich im Zweifel gegen alle Streitgenossen auf der Gegenseite, die in erster Instanz obsiegt haben, sofern keine Anhaltspunkte vorliegen, aus denen sich eine beschränkte Einlegung des Rechtsmittels ergibt. Aus dem Umstand, dass nicht alle erstinstanzlichen Streitgenossen auf der Gegenseite ausdrücklich als Berufungsbeklagte benannt werden, darf ein solcher Beschränkungswille nicht abgeleitet werden, wenn eine Beschränkung angesichts des erstinstanzlichen Streitstoffs ungewöhnlich oder gar fernliegend erschiene. Im Streitfall erschien eine Beschränkung fernliegend, weil das LG die Abweisung der Klage gegenüber beiden Beklagten auf die Erwägung gestützt hatte, die – gleichlautenden – Widerrufsbelehrungen seien ordnungsgemäß und der Widerruf sei deshalb verfristet. Im Ergebnis bleibt die Rechtsbeschwerde dennoch erfolglos, weil der BGH der materiell-rechtlichen Beurteilung der Vorinstanzen beitritt und deshalb die Berufung gegenüber der Beklagten zu 2 aus denselben Gründen wie das Rechtsmittel gegen die Beklagte zu 1 für unbegründet erachtet.

Praxistipp: Zur Vermeidung unnötiger Weiterungen erscheint es empfehlenswert, in der Rechtsmittelschrift stets alle erstinstanzlichen Gegner anzugeben. Die vollständige Angabe aller Rechtsmittelführer ist ohnehin stets erforderlich.

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Um einen speziellen Fall der Berufshaftung geht es in dieser Woche.

Hinweispflicht des Steuerberaters bei eigenem wirtschaftlichem Interesse
Urteil vom 6. Dezember 2018 – IX ZR 176/16

Mit grundlegenden Fragen zur Haftung eines Steuerberaters befasst sich der IX. Zivilsenat.

Die beiden beklagten Steuerberater hatten dem Kläger empfohlen, zur Steueroptimierung geschlossene Fonds zu zeichnen, und sich hierfür an eine Vermittlergesellschaft zu wenden. An dieser Gesellschaft waren die Beklagten mittelbar zu je einem Viertel beteiligt. Der Kläger zeichnete mehrere Schiffsfonds. Später nahm er die Beklagten wegen unzureichender Beratung auf Schadensersatz in Anspruch. Das LG verurteilte die Beklagten überwiegend antragsgemäß. Die Berufung der Beklagten blieb zum größeren Teil ohne Erfolg.

Der BGH verweist die Sache auf die Revision der Beklagten an das OLG zurück. Mit dem OLG ist der BGH allerdings der Auffassung, dass die Beklagten die ihnen als Steuerberater obliegenden Beratungspflichten verletzt haben. Ein Steuerberater ist zwar grundsätzlich auch dann nicht zur Beratung über nicht-steuerliche Aspekte verpflichtet, wenn er seinen Mandanten zum Zwecke einer steueroptimierenden Kapitalanlage an Dritte verweist. Er muss den Mandanten aber gegebenenfalls darüber informieren, dass für ihn mit der empfohlenen Kapitalanlage wirtschaftliche Vorteile verbunden sind. Anders als das OLG sieht der BGH die Beweislast dafür, dass die Kapitalanlage bei Erteilung des gebotenen Hinweises nicht erfolgt wäre, jedoch beim Kläger. Anders als in klassischen Fällen der Kapitalanlage verneint der BGH eine Umkehr der Beweislast, weil es  ungeachtet der besonderen Fallkonstellation um die Haftung eines Steuerberaters geht. Einen Anscheinsbeweis zugunsten des Klägers lehnt der BGH ebenfalls ab, weil nicht davon ausgegangen werden kann, dass vom Standpunkt eines vernünftigen Betrachters aus allein eine Entscheidung nahegelegen hätte.

Praxistipp: Ist der Schaden durch mehrere, in unterschiedlichen Jahren getroffene Investitionsentscheidungen verursacht, so läuft dennoch eine einheitliche Verjährungsfrist, wenn alle Investitionen allein auf der ursprünglichen Beratung beruhen. Anders ist es, wenn der Steuerberater jedes Jahr aufs Neue den gleichen Rat erteilt hat.

Montagsblog: Neues vom BGH

Um zwei äußerst unterschiedliche, aber wohl gleichermaßen praxisrelevante Fragen geht es in dieser Woche.

Rechtskraftwirkung zwischen Gesamtschuldnern
Urteil vom 20. November 2018 – VI ZR 394/17

Mit den subjektiven Grenzen der Rechtskraft befasst sich der VI. Zivilsenat.

Der damals 13 Jahre alte Beklagte befand sich im Jahr 2006 wegen Verhaltensauffälligkeiten in stationärer Behandlung in einer Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik. Während eines Ferienaufenthalts seiner Therapiegruppe vergewaltigte er einen ebenfalls minderjährigen Mitpatienten. In einem ersten Rechtsstreit wurden der Beklagte und die Betreiberin der Klinik antragsgemäß als Gesamtschuldner zur Zahlung eines Schmerzensgeldes von 4.000 Euro an den Geschädigten verurteilt. Der Haftpflichtversicherer der Klinikbetreiberin zahlte das Schmerzensgeld und nahm den Beklagten im Wege des Gesamtschuldnerausgleichs auf vollständigen Regress in Anspruch. Das AG wies die Klage ab, das LG verurteilte den Beklagten antragsgemäß.

Der BGH verweist die Sache an das LG zurück. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz entfaltet das Urteil aus dem ersten Rechtsstreit im Verhältnis zwischen den damaligen Beklagten keine Rechtskraftwirkung. Wenn ein Kläger mehrere Personen gemeinsam verklagt und diese – wie insbesondere im Falle der Inanspruchnahme als Gesamtschuldner – nur einfache Streitgenossen sind, kann Rechtskraftwirkung nur innerhalb der einzelnen Prozessverhältnisse entstehen, also nur zwischen dem Kläger und dem jeweiligen Beklagten, nicht aber im Verhältnis der beiden Beklagten untereinander. Das LG muss nach Zurückverweisung deshalb klären, ob der Beklagte entsprechend seinem nunmehrigen Vorbringen im Zeitpunkt der Tat schuldunfähig war.

Praxistipp: Jeder Gesamtschuldner kann eine weitergehende Bindungswirkung herbeiführen, indem er im ersten Rechtsstreit den jeweils anderen Gesamtschuldnern den Streit verkündet.

Keine abstrakte Nutzungsausfallentschädigung bei gewerblich genutzten Fahrzeugen
Urteil vom 6. Dezember 2018 – VII ZR 285/17

Eine seit langem diskutierte Frage entscheidet der VII. Zivilsenat.

Der Kläger, der ein Beton- und Natursteinwerk betreibt, hatte einen betrieblich genutzten Lkw in der Werkstatt des Beklagten reparieren lassen. Wegen mangelhafter Durchführung der Reparatur entstand ein Motorschaden, der einen weiteren Werkstattaufenthalt erforderlich machte. Der Kläger konnte das Fahrzeug über einen Zeitraum von vierzehn Monaten (!) hinweg nicht nutzen. Ungefähr für die Hälfte der Zeit stand ihm ein Ersatzfahrzeug zur Verfügung. Die auf Zahlung einer Nutzungsausfallentschädigung in Höhe von rund 10.000 Euro für die gesamten vierzehn Monate gerichtete Klage blieb in den beiden ersten Instanzen erfolglos.

Die Revision des Klägers, mit der er seinen Anspruch nur noch für die sieben Monate ohne Ersatzfahrzeug weiterverfolgte, hat ebenfalls keinen Erfolg. Der vorübergehende Entzug der Gebrauchsmöglichkeit eines ausschließlich gewerblich genutzten Fahrzeugs kann zwar einen Schaden darstellen, wenn der Ausfall mit einer fühlbaren wirtschaftlichen Beeinträchtigung einhergeht. Dem Geschädigten steht aber nur dann ein Ersatzanspruch in Geld zu, wenn er ein Ersatzfahrzeug anmietet, wenn er den Verlust durch Rückgriff auf ein Reservefahrzeug auffängt oder wenn der Verlust zu einer sonstigen Vermögensminderung geführt hat. Anders als bei privat genutzten Fahrzeugen darf der Schaden hingegen nicht abstrakt anhand einer pauschalierten Nutzungsausfallentschädigung berechnet werden.

Praxistipp: Wenn weder ein Ersatzfahrzeug angemietet noch ein Reservefahrzeug eingesetzt wird, ist es empfehlenswert, alle aufgrund des Ausfalls entstandenen Mehraufwendungen, etwa für die Beauftragung Dritter oder für den Einsatz anderer Geräte oder Arbeitskräfte, zeitnah zu dokumentieren.

Montagsblog: Neues vom BGH

Um die rechtliche Einordnung eines durchaus verbreiteten Vertragstyps geht es im ersten Blog des Jahres 2019.

Vertrag über Anbringung von Werbung auf einem Kraftfahrzeug
Urteil vom 7. November 2018 – XII ZR 109/17

Mit der Abgrenzung zwischen Werk- und Mietvertrag befasst sich der XII. Zivilsenat.

Die Klägerin überlässt sozialen Institutionen unentgeltlich Kraftfahrzeuge zur Nutzung. Die Fahrzeuge sind mit Werbeflächen versehen, die die Klägerin interessierten Dritten gegen Entgelt zur Verfügung stellt. Der Beklagte hatte sich vertraglich verpflichtet, für die Überlassung einer solchen Werbefläche für fünf Jahre insgesamt 1.760 Euro netto zu zahlen. Die auf Zahlung dieser Vergütung gerichtete Klage blieb in den beiden ersten Instanzen erfolglos.

Der BGH verweist die Sache an das LG zurück. Abweichend von den Vorinstanzen sieht er den zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag nicht als Werkvertrag an, sondern als Mietvertrag. Die wesentliche Verpflichtung der Klägerin erschöpft sich darin, dem Beklagten die Möglichkeit zu eröffnen, durch die Nutzung der Werbefläche im laufenden Geschäftsbetrieb der sozialen Institution für sich zu werben. Ein besonderer Erfolg, der zur Einordnung als Werkvertrag führen könnte, ist demgegenüber nicht vorgesehen.

Praxistipp: Verlängerungsklauseln in solchen Verträgen sind aufgrund ihrer konkreten Ausgestaltung in der Vergangenheit schon häufiger als unwirksam angesehen worden, vgl. etwa BGH, Urt. v. 28.3.2018 – XII ZR 18/17.

Montagsblog: Neues vom BGH

Um eine immer wieder diskutierte prozessuale Frage geht es im Silvester-Blog.

Bezugnahme auf Anlagen zur Substantiierung des Klageanspruchs
Beschluss vom 2. Oktober 2018 – VI ZR 213/17

Mit der richterlichen Pflicht zur Berücksichtigung von vorgelegten Anlagen befasst sich der VI. Zivilsenat.

Die Klägerin wurde bei einem Verkehrsunfall im Jahr 1999 schwerst verletzt und bezieht von der beklagten Haftpflichtversicherung eine monatliche Rente von 900 Euro wegen vermehrter Bedürfnisse. Im Rechtsstreit begehrt sie unter anderem eine zusätzliche Rente von rund 500 Euro pro Monat wegen des Haushaltsführungsschadens. Die Klage blieb in den beiden ersten Instanzen erfolglos.

Der BGH verweist die Sache an das OLG zurück, weil dieses eine von der Klägerin vorgelegte Aufstellung ihres Tagesablaufs vor dem Unfall unberücksichtigt gelassen hat. Ein Gericht muss zwar nicht von sich aus umfangreiche Aktenkonvolute durcharbeiten, um den geltend gemachten Anspruch zu konkretisieren. Es muss aber Anlagen zur Kenntnis nehmen, die aus sich heraus verständlich sind und auf die die Partei zur Konkretisierung ihres Vorbringens ausdrücklich Bezug genommen hat. Diese Voraussetzungen waren im Streitfall erfüllt.

Praxistipp: Damit über die Frage, ob eine Anlage aus sich heraus verständlich ist, möglichst kein Streit entsteht, empfiehlt es sich, den Inhalt jeder Anlage im Rahmen der Bezugnahme kurz zu erläutern.