Montagsblog: Neues vom BGH

Der Strom der Entscheidungen reißt auch zum Jahreswechsel nicht ab. Allen Blog-Lesern wünsche ich ein erfolgreiches neues Jahr 2018!

Haftung des Anwalts für versehentlich versandte Selbstanzeige
Beschluss vom 9. November 2017 – IX ZR 270/16

Der IX. Zivilsenat baut seine Rechtsprechung zum normativen Schadensbegriff bei der Anwaltshaftung aus.

Die Klägerin hatte über mehrere Jahre hinweg Zahlungen an ihren Lebensgefährten zu Unrecht als Betriebsausgaben verbucht. Nach dem Tod des Lebensgefährten beauftragte sie den beklagten Rechtsanwalt mit der Vorbereitung einer Selbstanzeige, deren Freigabe sie sich ausdrücklich vorbehielt. Wegen eines Kanzleiversehens wurde die Selbstanzeige ohne Zustimmung der Klägerin an das Finanzamt versandt. Dieses setzte zusätzliche Steuern in Höhe von rund 70.000 Euro fest. Ferner entstanden der Klägerin Steuerberaterkosten in Höhe von rund 3.500 Euro. Die auf Ersatz dieser Beträge gerichtete Klage blieb in den beiden ersten Instanzen erfolglos.

Die Revision der Klägerin bleibt ebenfalls ohne Erfolg. Der Beklagte hat allerdings seine Pflichten aus dem Anwaltsvertrag verletzt, indem er zugelassen hat, dass die Selbstanzeige ohne Freigabe seitens der Klägerin an das Finanzamt versandt wurde. Hierdurch wurde auch ein Schaden verursacht, weil die Klägerin Steuern und Steuerberaterkosten zahlen musste. Bei wertender Betrachtung ist dieser Schaden aber nicht ersatzfähig, weil die Steuernachzahlungen in Einklang mit dem materiellen Recht standen. Das Interesse der Beklagten, ihr die Vorteile der eingetretenen Steuerverkürzung zu erhalten, ist nicht schutzwürdig. Deshalb kann die Beklagte auch nicht Ersatz der im Zusammenhang mit der Nachzahlung entstandenen Beraterkosten verlangen.

Praxistipp: Ein rechtlicher Berater darf sich vertraglich verpflichten, seinen Mandanten vor den Folgen einer Steuerstraftat zu schützen. Er darf es aber nicht übernehmen, dem Mandanten die Früchte einer vorsätzlich verübten Steuerhinterziehung zu wahren.

Bürgschaft und Stillhalteabkommen
Urteil vom 28. November 2017 – XI ZR 211/16

Mit der Reichweite des Einwendungsdurchgriffs nach § 768 Abs. 1 BGB befasst sich der XI. Zivilsenat.

Die klagende Bank hatte einem Unternehmen einen Kontokorrentkredit in Höhe von 4,6 Millionen Euro gewährt. Die Beklagte hatte dafür eine selbstschuldnerische Bürgschaft übernommen. Nach Insolvenz der Hauptschuldnerin schloss die Klägerin mit dieser und einem anderen Bürgen einen Vergleich, in dem sie sich unter anderem verpflichtete, die Darlehensforderung vorbehaltlich einer Zahlung von rund 400.000 Euro nicht mehr gegen die Hauptschuldnerin geltend zu machen. Ihre gegen die Beklagte gerichtete Klage auf Zahlung des restlichen Darlehensbetrags blieb in den ersten beiden Instanzen erfolglos.

Die Revision der Klägerin bleibt ebenfalls ohne Erfolg. Aufgrund des mit der Hauptschuldnerin wirksam vereinbarten Stillhalteabkommens ist die Klägerin gemäß § 768 Abs. 1 BGB auch gegenüber der Beklagten an einer weiteren Geltendmachung der Darlehensforderung gehindert. Dies gilt auch dann, wenn sie sich in dem Abkommen eine Inanspruchnahme des Bürgen ausdrücklich vorbehalten hat. Gläubiger und Hauptschuldner können die im Gesetz vorgesehene Akzessorietät der Bürgschaft nicht ohne Mitwirkung des Bürgen einschränken.

Praxistipp: In einer Bürgschaftsvereinbarung kann wirksam vorgesehen werden, dass der Bürge auch für Ansprüche haften soll, die der Gläubiger gegen den Hauptschuldner aus Rechtsgründen nicht durchsetzen kann.

Montagsblog: Neues vom BGH

Darlegung der Einkommensverhältnisse bei Pkh-Antrag
Beschluss vom 16. November 2017 – IX ZA 21/17

Mit den Anforderungen an die Darlegung der Einkommensverhältnisse durch einen nach eigenen Angaben einkommens- und vermögenslosen Antragsteller befasst sich IX. Zivilsenat.

Der Kläger, über dessen Vermögen das Insolvenzverfahren anhängig ist, wandte sich gegen die Feststellung von Forderungen der Beklagten zur Insolvenztabelle. Die Klage blieb in den beiden ersten Instanzen erfolglos. Beim BGH beantragte der Kläger – erstmals im Verlauf des Verfahrens – Prozesskostenhilfe, mit dem Ziel, die Berufungsentscheidung mit einer Nichtzulassungsbeschwerde anzufechten.

Der BGH lehnt den Antrag ab, weil der Kläger seine wirtschaftlichen Verhältnisse nicht nachvollziehbar dargelegt hat. Im amtlich vorgeschriebenen Formular hat der Kläger angegeben, er verfüge nicht über Einkommen oder Vermögen und nehme keine öffentlichen Hilfen in Anspruch; für seine Wohnung müsse er weder Miete noch Heizkosten zahlen. Vor diesem Hintergrund hätte der Kläger konkret darlegen müssen, wie er seinen Lebensunterhalt bestreitet, weshalb er keiner Erwerbstätigkeit nachgeht, die ihm im Falle einer Freigabe durch den Insolvenzverwalter (§ 35 Abs. 2 InsO) ermöglichen würde, nicht dem Insolvenzbeschlag unterliegendes Vermögen zu bilden, weshalb er eine Wohnung nutzen kann, ohne Miete und Heizkosten zu zahlen, und wie er die Prozesskosten für die beiden ersten Instanzen aufbringen konnte.

Praxistipp: Dient der Antrag auf Prozesskostenhilfe der Einlegung oder Begründung eines fristgebundenen Rechtsmittels, müssen die Angaben zu den wirtschaftlichen Verhältnissen innerhalb der dafür maßgeblichen Fristen eingereicht werden.

Kein Widerruf des Darlehenswiderrufs
Urteil vom 7. November 2017 – XI ZR 369/16

Eine Frage der allgemeinen Rechtsgeschäftslehre behandelt der XI. Zivilsenat in einer Segelanweisung.

Der Kläger nahm die Beklagte nach Widerruf eines Darlehensvertrags unter anderem auf Rückzahlung von nicht geschuldeten Zinsleistungen in Anspruch. Die Klage blieb in den beiden ersten Instanzen erfolglos.

Der BGH verweist die Sache an das OLG zurück. Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen ist der Widerruf des Darlehens nicht schon deshalb rechtmissbräuchlich, weil er nicht durch den Schutzzweck des Widerrufsrechts – Schutz vor Übereilung – motiviert war, sondern durch das Absinken des allgemeinen Zinsniveaus. Das OLG wird deshalb nach Zurückverweisung der Sache anhand der in der neueren Rechtsprechung entwickelten Kriterien (BGH, Urt. v. 12.7.2016 – XI ZR 564/15, BGHZ 211, 1213 Rz. 31 ff.) zu prüfen haben, ob das Widerrufsrecht verwirkt war oder ob dessen Geltendmachung als unzulässige Rechtsausübung anzusehen ist. Für das weitere Verfahren weist der BGH ergänzend darauf hin, dass ein nach Zugang des Widerrufs übersandtes Schreiben, in dem der Kläger von dieser Erklärung Abstand nahm, für die Entscheidung nicht erheblich ist, weil der Widerruf als Gestaltungsrecht nach Zugang der Widerrufserklärung nicht zurückgenommen oder widerrufen werden kann.

Praxistipp: Der Zugang der Widerrufserklärung sollte sorgfältig dokumentiert werden, etwa durch eine Versendung als Einwurf-Einschreiben.

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Abstandnahme von Grundstücksverkauf
Urteil vom 13. Oktober 2017 – V ZR 11/17

Mit Treuepflichten vor Abschluss eines formbedürftigen Vertrags befasst sich der V. Zivilsenat.

Der Kläger wollte von der Beklagten eine Eigentumswohnung kaufen. Der für die Beklagte tätige Vermittler übersandte mehrere Vertragsentwürfe und teilte mit, außer der Fertigstellungsanzeige für Renovierungsmaßnahmen und der Eintragung im Grundbuch stünden einer Abwicklung des Kaufvertrags keine Hindernisse entgegen. Nach Mitteilung des Notartermins schloss der Kläger einen Darlehensvertrag zur Finanzierung des größten Teils des Kaufpreises. Acht Tage vor dem Notartermin ließ die Beklagte mitteilen, sie sei nicht mehr bereit, die Wohnung zu dem bisher angebotenen Preis von 376.700 Euro zu verkaufen; der neue Kaufpreis betrage 472.400 Euro. Die auf Erstattung der Kosten für die Rückabwicklung des Darlehensvertrags gerichtete Klage blieb in den beiden ersten Instanzen erfolglos.

Der BGH bestätigt die Entscheidung der Vorinstanzen. Er nimmt Bezug auf seine Rechtsprechung, wonach die Abstandnahme von einem in Aussicht genommenen formbedürftigen Vertrag grundsätzlich nur bei einer besonders schwerwiegenden, in der Regel vorsätzlichen Treupflichtverletzung  Schadensersatzansprüche des anderen Teils auslöst. Eine solche Pflichtverletzung käme etwa in Betracht, wenn die Beklagte von vornherein nicht bereit gewesen wäre, zu dem ursprünglich genannten Preis zu verkaufen, oder wenn sie dem Beklagten ihren Sinneswandel zunächst verschwiegen hätte. Diese Voraussetzungen waren nach den vom BGH als rechtsfehlerfrei angesehenen tatrichterlichen Feststellungen der Vorinstanzen im Streitfall nicht erfüllt. Zu einem allgemeinen Hinweis darauf, dass sie sich eine eventuelle Preiserhöhung vorbehält, war die Beklagte nach Auffassung des BGH nicht verpflichtet. Der Kläger handelte deshalb auf eigenes Risiko, wenn er bereits vor der notariellen Beurkundung des Kaufvertrags verbindliche Vereinbarungen zur Finanzierung schloss.

Praxistipp: Der potentielle Käufer kann das Risiko von vergeblichen Finanzierungsaufwendungen nur dadurch ausschließen, dass er sich gegenüber der Bank eine Annahmefrist oder ein kostenloses Löserecht bis zum Abschluss des Kaufvertrags einräumen lässt.

Änderung von technischen Normen nach Abschluss eines Werkvertrags
Urteil vom 14. November 2017 – VII ZR 65/14

Eine grundlegende Entscheidung zur geschuldeten Beschaffenheit eines Werks trifft der VII. Zivilsenat.

Die Klägerin hatte den Beklagten Anfang 2007 mit der Errichtung von drei Pultdachhallen zum Festpreis beauftragt.  Nach dem Vertrag war das Dach für eine Schneelast von 80 kg/m² auszulegen. Dies entsprach der bis Ende 2006 geltenden DIN-Vorschrift und der im Jahr 2006 erteilten Baugenehmigung. Nach der ab 2007 geltenden DIN-Vorschrift war eine Schneelast von 139 kg/m² anzusetzen. Nach Errichtung der Halle beanstandete die Beklagte das Dach als mangelhaft. Ihre auf  Vorschuss der Kosten für eine Neuerrichtung der Dachkonstruktion gerichtete Klage war in erster Instanz vollständig und in zweiter Instanz zum überwiegenden Teil erfolgreich. Das OLG ging davon aus, dass ursprünglich nur eine Schneelast von 80 kg/m² einzuhalten war, und stellte fest, dass das Werk der Beklagten schon dieser Anforderung nicht entspreche. Auf dieser Grundlage sprach es der Klägerin die (deutlich höheren) Kosten für eine Neuerrichtung auf der Grundlage von 139 kg/m² zu, weil die Klägerin nunmehr zur Einhaltung der neuen Vorgaben verpflichtet sei und dies eine Folge des Werkmangels sei, für den die Beklagte einzustehen habe.

Der BGH verweist die Sache auf die Berufung der Beklagten an das OLG zurück. Er hält die Argumentation des OLG für nicht tragfähig, weil die Klägerin danach ein weitaus besseres Werk erhalten würde als dies nach dem Vertrag geschuldet war. Wenn nach dem Vertrag nur eine Schneelast von 80 kg/m² einzuhalten war, hätte die Klägerin für Dach, das 139 kg/m² standhält, auch ohne den Mangel deutlich mehr zahlen müssen; folgerichtig darf sie dann nur Ersatz derjenigen Kosten verlangen, die zur Einhaltung einer Schneelast von 80 kg/m² erforderlich sind. Darüber hinaus hält der BGH allerdings schon die Erwägungen des OLG zur ursprünglich geschuldeten Beschaffenheit des Werks für fehlerhaft. Auch wenn ein Werk den im Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden anerkannten Regeln der Technik entspricht, muss der Auftraggeber den Auftragnehmer auf absehbare oder eingetretene Änderungen dieser Regeln hinweisen. Der Auftragnehmer hat dann zu entscheiden, ob das Werk wie ursprünglich vereinbart ausgeführt oder an die neuen Regeln angepasst werden soll. Entscheidet er sich für letzteres, muss er daraus resultierende Mehrkosten als Sowiesokosten tragen. Das OLG muss deshalb nach der Zurückverweisung klären, ob und welche Vereinbarungen die Parteien im Streitfall bezüglich der schon bei Vertragsschluss absehbaren Regeländerung getroffen haben.

Praxistipp: Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass sich der Auftraggeber trotz Kenntnis der Änderung mit der Einhaltung der alten Regeln begnügt hat, liegt beim Auftragnehmer.

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Streitwert bei Antrag auf Herausgabe, Fristbestimmung und Schadensersatz nach Fristablauf
Beschluss vom 28. September 2017 – V ZB 63/16

Eine bislang umstrittene Frage beantwortet der V. Zivilsenat.

Der Kläger begehrte von der Beklagten die Herausgabe eines Wohnungsschlüssels. Ergänzend beantragte er, der Beklagten eine Frist zu setzen und sie für den Fall nicht rechtzeitiger Herausgabe zur Zahlung von rund 1.400 Euro zu verurteilen. Zur Begründung machte er geltend, ohne Rückgabe des Schlüssels müsse er die Schließanlage im gesamten Anwesen auswechseln lassen. Das AG wies die Klage ab. Das LG verwarf die Berufung mangels ausreichender Beschwer als unzulässig.

Der BGH verweist die Sache an das LG zurück. Er tritt dem LG zwar darin bei, dass der Streitwert für den Herausgabeantrag nicht anhand der Kosten einer neuen Schließanlage zu bemessen ist, sondern allein anhand der (im Streitfall unter 600 Euro liegenden) Kosten eines Ersatzschlüssels, weil die Beschaffung einer neuen Schließanlage nicht zum Gegenstand dieses Antrags gehört, sondern nur eine mittelbare wirtschaftliche Folge darstellt. Entgegen einer verbreiteten Auffassung ist für die Bemessung des Streitwerts aber auch der Antrag auf Zahlung von Schadensersatz bei nicht rechtzeitiger Herausgabe zu berücksichtigen. Weil die beiden Ansprüche wirtschaftlich auf dasselbe Ziel gerichtet sind, ist entsprechend § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG nur einer von ihnen heranzuziehen, und zwar derjenige mit dem höheren Wert. Im Streitfall beträgt die Beschwer deshalb rund 1.400 Euro.

Praxistipp: Die Kombination eines Herausgabeantrags mit Anträgen auf Fristsetzung und Zahlung von Schadensersatz ist nach § 255 und § 260 ZPO möglich. Hinsichtlich des Zahlungsantrags müssen zusätzlich die Voraussetzungen des § 259 ZPO (Besorgnis der nicht rechtzeitigen Erfüllung) vorliegen.

Anwaltswechsel nach selbständigem Beweisverfahren
Beschluss vom 26. Oktober 2017 – V ZB 188/16

Eine weitere umstrittene Frage beantwortet der V. Zivilsenat in einem etwas später ergangenen, aber zeitgleich veröffentlichten Beschluss.

Der Kläger hatte gegen die Beklagte ein selbständiges Beweisverfahren wegen Rissen und Feuchtigkeitsschäden an einem Gebäude durchführen lassen. Seine später wegen derselben Schäden erhobene Klage wurde abgewiesen. Im Kostenfestsetzungsverfahren beantragte die Beklagte die Festsetzung von zwei anwaltlichen Verfahrensgebühren, weil sie im selbständigen Beweisverfahren von einem anderen Anwalt vertreten wurde als im Hauptsacheverfahren. Das LG setzte nur eine der beiden Verfahrensgebühren fest. Die Beschwerde der Beklagten blieb erfolglos.

Der BGH bestätigt die Entscheidungen der Vorinstanz. In den beiden Verfahren ist zwar jeweils eine Verfahrensgebühr angefallen. Nach § 91 Abs. 2 Satz 2 ZPO ist aber nur eine davon erstattungsfähig, weil  die Gebühr für das selbständige Beweisverfahren ohne den Anwaltswechsel auf die Gebühr für das Hauptsacheverfahren anzurechnen wäre. Wegen der engen Verflechtung der beiden Verfahren gilt § 92 Abs. 2 Satz 2 ZPO auch für einen Anwaltswechsel nach Abschluss des selbständigen Beweisverfahrens und vor Beginn des Hauptsacheverfahrens.

Praxistipp: Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass ein Anwaltswechsel notwendig war, liegt beim Kostengläubiger.

Rechtzeitige Zahlung des Kostenvorschusses
Urteil vom 29. September 2017 – V ZB 103/16

Eine weitere Entscheidung des V. Zivilsenats betrifft die Frage, wann eine Zustellung noch im Sinne von § 167 ZPO „demnächst“ erfolgt ist.

Der Kläger focht mehrere Beschlüsse einer Wohnungseigentümerversammlung an. Zwei Tage vor Ablauf der einmonatigen Klagefrist  (§ 46 Abs. 1 Satz 2 WEG) erhielt der Prozessbevollmächtigte die Gerichtskostenrechnung übersandt. Dreißig Tage später ging der Vorschuss bei der Justizkasse ein. Das AG wies die Klage als unzulässig ab. Die Berufung blieb erfolglos.

Der BGH verweist die Sache an das LG zurück. Er knüpft an seine Rechtsprechung an, wonach eine Zustellung noch „demnächst“ erfolgt ist, wenn eine durch nachlässiges Verhalten des Klägers verursachte Verzögerung vierzehn Tage nicht übersteigt. Hierbei ist der Zeitraum bis zum Ablauf der Frist (im Streitfall: zwei Tage) nicht zu berücksichtigen. Darüber hinaus hat der Kläger grundsätzlich mindestens eine Woche Zeit, um die Zahlung zu erledigen. Dieser Zeitraum verlängerte sich im Streitfall auf neun Tage, weil innerhalb der Wochenfrist zwei Feiertage lagen. Ferner hat der Prozessbevollmächtigte für die Prüfung und Weiterleitung der an ihn übersandten Rechnung drei Werktage Zeit. Im Streitfall betrug der aus diesem Grund unschädliche Zeitraum fünf Tage, weil er ein Wochenende umfasste. Von den dreißig Tagen zwischen Erhalt der Rechnung und Zahlungseingang sind damit insgesamt sechzehn nicht zu berücksichtigen. Der verbleibende, auf Nachlässigkeit des Klägers zurückzuführende Zeitraum beträgt vierzehn Tage – eine wahre Punktlandung.

Praxistipp: Die Frage, ob eine Kostenrechnung an den Prozessbevollmächtigten oder unmittelbar an die Partei versandt wird, ist nicht bundeseinheitlich geregelt. Die Pflicht des Anwalts, eine erhaltene Rechnung innerhalb von drei Werktagen (gemeint sind wohl Arbeitstage) zu prüfen und an den Mandanten weiterzuleiten, besteht unabhängig davon, ob die Übersendung an ihn der einschlägigen Regelung entspricht..

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Kostenersatz für eigenen Anwalt eines Streitgenossen
Beschluss vom 19. September 2017 – VI ZR 72/16

Eine missbräuchliche Verursachung von Kosten durch einen beklagten Rechtsanwalt bejaht der VI. Zivilsenat in einer besonderen Fallkonstellation.

Der Antragsteller war zusammen mit einer GmbH, deren alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer er ist, auf Schadensersatz in Anspruch genommen worden. In einem gemeinsam unterzeichneten Schriftsatz unter dem Briefkopf einer mit weiteren Anwälten bestehenden Sozietät bestellten sich der Antragsteller als Prozessbevollmächtigter der GmbH und eine in der Sozietät angestellte Anwältin als Prozessbevollmächtigte des Antragstellers. Nach Abschluss des Rechtsstreits begehrte der Antragsteller, die Kosten für die von ihm mandatierte Anwältin zu seinen Gunsten festzusetzen. Der Antrag hatte zunächst Erfolg. Auf die Erinnerung der Kläger hob die Rechtspflegerin ihre Entscheidung wieder auf. Die Beschwerde des Antragstellers blieb erfolglos.

Der BGH bestätigt die Entscheidung der Vorinstanzen. Grundsätzlich ist es im Kostenfestsetzungsverfahren zwar nicht zu beanstanden, wenn mehrere Streitgenossen jeweils einen eigenen Prozessbevollmächtigten bestellen. Etwas anderes gilt aber, wenn nach den Umständen des Einzelfalls feststeht, dass für die Beauftragung eines eigenen Anwalts kein sachlicher Grund bestand. Einen solchen Ausnahmefall sieht der BGH mit den Vorinstanzen im Streitfall als gegeben an. Die Bestellung eines eigenen Anwalts kann in der gegebenen Konstellation insbesondere nicht mit einer drohenden Interessenkollision begründet werden. Im Falle eines Interessenkonflikts hätte die GmbH nicht den Antragsteller mit ihrer Vertretung betrauen dürfen.

Praxistipp: Der Ablauf des konkreten Verfahrens zeigt, dass es häufig am Antragsgegner liegt, Umstände aufzuzeigen, aus denen sich ein missbräuchliches Verhalten ergibt.

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Darlehenswiderruf per Telefax durch Stellvertreter
Urteil vom 10. Oktober 2017 – XI ZR 457/16

Eine allgemeine Frage zur Wirksamkeit einseitiger Rechtsgeschäfte beantwortet der XI. Zivilsenat.

Die Kläger hatten bei der Beklagten zwei Darlehen zur Finanzierung einer Immobilie aufgenommen. Sieben Jahre später erklärte ein für die Verbraucherzentrale tätiger Rechtsanwalt per Telefax den Widerruf der Verträge. Zusammen mit diesem Schreiben übermittelte er eine Einverständniserklärung, die in der für den Telefax-Versand verwendeten Originalvorlage von einem der beiden Kläger unterschrieben war. Sechs Tage später wies die Beklagte den Widerruf gemäß § 174 Abs. 1 BGB zurück, weil der Erklärung keine Originalvollmacht beigelegen habe. Einige Wochen später erklärte der Prozessbevollmächtigte erneut den Widerruf der Darlehensverträge, diesmal unter Vorlage einer Originalvollmacht. Die auf Feststellung des wirksamen Widerrufs gerichtete Klage blieb in erster Instanz erfolglos. Das OLG stellte fest, dass die Darlehensverträge durch die zweite Widerrufserklärung in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt worden seien.

Der BGH verweist die Sache auf die (nur) von der Beklagten eingelegte Revision an das OLG zurück. Im Anschluss an seine neuere Rechtsprechung hält er das Feststellungsbegehren für unzulässig, weil es den Klägern möglich und zumutbar war, die ihnen aufgrund des Widerrufs zustehenden Ansprüche im Wege der Zahlungsklage geltend zu machen. Ergänzend führt er aus, dass bereits die erste Widerrufserklärung wirksam war, weil die Beklagte diese Erklärung nicht unverzüglich zurückgewiesen hat. In einer Parenthese bringt der BGH schließlich zum Ausdruck, dass der Beklagten ein Recht zum unverzüglichen Widerruf gemäß § 174 Abs. 1 BGB zugestanden hatte, weil die Übermittlung einer Vollmacht per Telefax nicht als Vorlage einer Vollmachtsurkunde im Sinne dieser Vorschrift anzusehen ist. Letzteres ist auch Gegenstand des (einzigen) Leitzsatzes der Entscheidung.

Praxistipp: Eine im Namen des Mandanten abgegebene einseitige Willenserklärung, die an sich nicht formbedürftig ist, sollte wegen § 174 Abs. 1 BGB stets auf dem Postwege (unter Beifügung einer Originalvollmacht) übermittelt werden.

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Schriftform, Heilungsklausel, Treu und Glauben
Urteil vom 27. September 2017 – XII ZR 114/16

Mit der Kündigung eines langfristigen Mietvertrags über Gewerberäume befasst sich der XII. Zivilsenat.

Die Parteien hatten im Jahr 1998 einen langfristigen Mietvertrag über Ladenräume geschlossen. Ende 2009 hatten sie in einem schriftlichen Nachtrag die Verlängerung der Mietzeit bis Ende Mai 2020 vereinbart. Anfang 2011 bat die Klägerin schriftlich darum, die im Vertrag enthaltene Wertsicherungsklausel zu ihren Gunsten zu ändern. Der Beklagte schickte dieses Schreiben mit dem unterschriebenen Vermerk „einverstanden“ zurück. Mitte 2014 kündigte die Klägerin den Vertrag zum 31.12.2014. Ihr Räumungsbegehren blieb in den beiden ersten Instanzen erfolglos.

Die Revision der Klägerin bleibt ohne Erfolg. Der Vertrag gilt zwar gemäß § 550 BGB als auf unbestimmte Zeit geschlossen, weil die im Jahr 2011 getroffene Vereinbarung über die Änderung der Wertsicherungsklausel nicht die erforderliche Bezugnahme auf den Ausgangsvertrag enthält und deshalb dem Schriftformerfordernis des § 550 BGB nicht genügt. Abweichend vom OLG hält der BGH die Kündigung nicht deshalb für treuwidrig, weil der ursprüngliche Vertrag eine so genannte Schriftformheilungsklausel enthält, die die Pflicht vorsieht, alle Erklärungen abzugeben, die zur Einhaltung der gesetzlichen Schriftform erforderlich ist. Eine solche Klausel ist nach Auffassung des BGH mit dem Schutzzweck des § 550 ZPO nicht vereinbar. Im Streitfall hält der BGH die Kündigung aber dennoch für treuwidrig, weil die Vereinbarung, die zur Formunwirksamkeit geführt hat, allein der Klägerin vorteilhaft ist.

Praxistipp: Um nicht auf die Grundsätze von Treu und Glauben angewiesen zu sein, sollte bei jeder nachträglichen Änderung eines langfristigen Mietvertrags sorgfältig darauf geachtet werden, dass die Anforderungen an die Einhaltung der in § 550 BGB vorgeschriebenen Form gewahrt sind. Dafür ist unerlässlich, dass der Nachtrag eine Bezugnahme auf alle für den Vertragsinhalt relevanten früheren Vereinbarungen enthält.

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Überprüfung der Adressierung bei fristgebundenen Schriftsätzen
Beschluss vom 29. August 2017 – VI ZB 49/16

Mit den anwaltlichen Sorgfaltspflichten im Zusammenhang mit fristgebundenen Schriftsätzen befasst sich der VI. Zivilsenat in zwei kurz hintereinander ergangenen Entscheidungen. Die erste davon betrifft die Überprüfung, ob der Schriftsatz an das zuständige Berufungsgericht adressiert ist.

Die Beklagten wurden vor unterschiedlichen Gerichten auf Schadensersatz wegen einer fehlgeschlagenen Kapitalanlage in Anspruch genommen. Im Streitfall unterlagen sie vor dem LG und legten fristgerecht Berufung beim OLG ein. An einem Freitagnachmittag beantragte ihr Prozessbevollmächtigter die Verlängerung der am darauffolgenden Montag ablaufenden Frist zur Begründung des Rechtsmittels. Dieser Schriftsatz war versehentlich an das LG adressiert. Er wurde an das OLG weitergeleitet, traf dort aber erst am Dienstag ein. Das OLG verwarf die Berufung als unzulässig.

Die Rechtsbeschwerde der Beklagten bleibt ohne Erfolg. Der BGH knüpft an seine Rechtsprechung an, wonach ein Anwalt sowohl die Einlegung eines Rechtsmittels als auch einen Antrag auf Fristverlängerung sorgfältig prüfen muss. Dazu gehört die Verpflichtung, einen Fristverlängerungsantrag darauf zu überprüfen, ob er an das zuständige Gericht adressiert ist. Dieser Pflicht genügt der Anwalt nicht schon dadurch, dass er einer Kanzleikraft konkrete Anweisungen zum Inhalt des anzufertigenden Schriftsatzes erteilt. Sofern es nur um Korrekturen eines bereits erstellten und geprüften Schriftsatzes geht, ist der Anwalt allerdings unter bestimmten Voraussetzungen von einer erneuten Überprüfung befreit. Bei einer Weisung in Bezug auf einen erst noch zu erstellenden Schriftsatz bleibt er hingegen zu einer vollständigen (erstmaligen) Überprüfung verpflichtet.

Praxistipp: Um Verwechslungen zu vermeiden, sollte das zuständige Gericht in der Handakte an hervorgehobener, möglichst leicht einsehbarer Stelle vermerkt werden.

Überprüfung des Fristenkalenders
Beschluss vom 19. September 2017 – VI ZB 40/16

Ein wenige Wochen später ergangener Beschluss betrifft die Überprüfung des Fristenkalenders.

Die Klägerin begehrte vom Beklagten Schadensersatz wegen fehlerhafter ärztlicher Behandlung. Ihre Klage blieb in erster Instanz erfolglos. Am 15. Juni 2016 beantragte ihr Prozessbevollmächtigter, die Frist zur Berufungsbegründung zu verlängern. Auf gerichtlichen Hinweis, dass die Frist bereits am 14. Juni 2016 abgelaufen sei, bat er um Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Hierzu trug er unter Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung vor, seine für fristgebundene Schriftsätze zuständige Kanzleikraft habe auf einem dem erstinstanzlichen Urteil vorgehefteten Zettel den 14. Juni als Fristende notiert, im Fristenkalender aber versehentlich den 15. Juni eingetragen. Das OLG verwarf die Berufung als unzulässig.

Auch in diesem Fall blieb die Rechtsbeschwerde ohne Erfolg. Der BGH knüpft an seine Rechtsprechung an, wonach ein Anwalt grundsätzlich überprüfen muss, ob eine Frist richtig berechnet und zutreffend im Fristenkalender eingetragen wurde. Von einer Überprüfung des Fristenkalenders darf er allerdings absehen, wenn die Handakte einen Erledigungsvermerk enthält, aus dem hervorgeht, dass die zutreffende Frist eingetragen wurde, und wenn durch organisatorische Maßnahmen sichergestellt ist, dass solche Vermerke erst erstellt werden, wenn die Eintragung im Kalender erfolgt ist. Im Streitfall ergab sich aus dem Wiedereinsetzungsgesuch weder, dass die Handakte einen Erledigungsvermerk enthielt, noch, dass der Prozessbevollmächtigte die gebotenen organisatorischen Anweisungen erlassen hatte.

Praxistipp: In einschlägigen Fällen muss der Anwalt innerhalb der Widereinsetzungsfrist vortragen und unter Beweis stellen, dass die Akte einen Erledigungsvermerk enthielt und welche organisatorischen Anweisungen er hinsichtlich der Erstellung solcher Vermerke erteilt hat.

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Rückstauschaden durch Verwurzelung
Urteil vom 24. August 2017 – III ZR 574/16

Der III. Zivilsenat entscheidet eine in Instanzrechtsprechung und Literatur umstrittene Frage zum Verhältnis der Pflichten als Eigentümer eines Grundstücks und als Betreiber einer Abwasseranlage.

Nach starken Niederschlägen kam es in einem von der beklagten Gemeinde betriebenen Regenwasserkanal zu einem Rückstau, durch den der Keller im Haus der Klägerin überschwemmt wurde. Als Ursache stellte sich der Einwuchs von Wurzeln eines Baums heraus, der auf einem der Beklagten gehörenden Grundstück steht. Die Klägerin, deren Haus entgegen den Vorgaben der Nutzungsbedingungen nicht mit einer Rückstausicherung versehen war, begehrte Ersatz von zwei Dritteln des ihr entstandenen Schadens. Das LG sprach ihr die Hälfte des entstandenen Schadens zu. Das OLG wies die Klage ab.

Der BGH verweist die Sache an das OLG zurück. Er bestätigt, dass ein Grundstückseigentümer grundsätzlich nicht verpflichtet ist, Nachforschungen anzustellen, ob das Wurzelwerk ihm gehörender Bäume schädigende Auswirkungen auf im Boden verlegte Leitungen hat. Abweichend von der Auffassung des OLG muss der Eigentümer aber die gebotenen Maßnahmen ergreifen, wenn er in seiner Eigenschaft als Betreiber der Leitungen Kenntnis von einem eingetretenen oder drohenden Schaden Kenntnis erlangt. Dem steht nicht entgegen, dass eine Schadensersatzhaftung als Betreiber der Leitungen ausgeschlossen ist, wenn der Geschädigte sein Anwesen nicht in der gebotenen Weise gegen Rückstau abgesichert hat. Für die Haftung als Grundstückseigentümer ist eine fehlende Rückstausicherung nur im Rahmen von § 254 Abs. 1 BGB zu berücksichtigen.

Praxistipp: Betroffene Gemeinden müssen sicherstellen, dass relevante Informationen aus der Überprüfung von Leitungsanlagen an die Liegenschaftsverwaltung weitergegeben werden.

Ausschluss der Gewährleistung für öffentlich beworbene Eigenschaften
Urteil vom 27. September 2017 – VIII ZR 271/16

Der VIII. Zivilsenat entscheidet, dass öffentliche Äußerungen, aufgrund derer ein Käufer das Vorhandensein bestimmter Eigenschaften der Kaufsache erwarten darf, nicht mit einer Beschaffenheitsvereinbarung gleichzusetzen sind.

Der Kläger begehrte Minderung des Kaufpreises für einen Gebrauchtwagen. Der Beklagte hatte das Fahrzeug auf einer Internet-Plattform als Opel Adam Slam 1.4 ecoFlex angeboten. Der schriftliche Kaufvertrag, in dem das Fahrzeug lediglich als Opel Adam bezeichnet wurde, enthielt einen individuellen Gewährleistungsausschluss. Nach Zahlung und Übergabe stellte der Kläger fest, dass es sich um ein Fahrzeug der Modellvariante Jam handelte, die über eine weniger umfangreiche Serienausstattung und einen Motor mit höherem Normverbrauch verfügt. Die auf Erstattung der Preisdifferenz gerichtete Klage blieb in den beiden ersten Instanzen erfolglos.

Der BGH bestätigt die Entscheidung der Vorinstanzen. Mit dem OLG gelangt er zu dem Ergebnis, dass die Zugehörigkeit zur Modellvariante Slam weder ausdrücklich noch konkludent als Eigenschaft des verkauften Fahrzeugs vereinbart und ein möglicherweise aus der öffentlichen Werbung resultierender Gewährleistungsanspruch wirksam ausgeschlossen wurde. Ein umfassender Gewährleistungsausschluss ist zwar grundsätzlich dahin auszulegen, dass er sich nicht auf Eigenschaften bezieht, deren Vorhandensein Gegenstand einer Beschaffenheitsvereinbarung ist. Für Eigenschaften, deren Vorhandensein der Käufer aufgrund einer öffentlichen Äußerung des Verkäufers erwarten darf, gilt dies aber nicht ohne weiteres.

Praxistipp: Wenn der Kaufvertrag einen Gewährleistungsausschluss vorsieht, sollte der Käufer darauf bestehen, dass öffentlich beworbene Eigenschaften, auf deren Vorhandensein er Wert legt, in den Kaufvertrag aufgenommen werden.

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Urheberrechtsverletzung durch volljährige Kinder
Urteil vom 30. März 2017 – I ZR 19/16

Der I. Zivilsenat baut seine Rechtsprechung zur sekundären Darlegungslast des Inhabers eines Internetanschlusses im Falle einer Urheberrechtsverletzung weiter aus.

Über den Internetanschluss der beklagten Eheleute waren elf Musiktitel zum Download angeboten worden, an denen der Klägerin Rechte zustehen. Die Beklagten machten geltend, die Rechtsverletzung sei von einem ihrer drei volljährigen Kinder begangen worden. Dessen Namen wollten sie nicht mitteilen. Das LG verurteilte die Beklagten antragsgemäß zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 2.500 Euro und zur Erstattung von Abmahnkosten in Höhe von rund 1.000 Euro. Die Berufung der Beklagten hatte keinen Erfolg.

Der BGH weist die Revision der Beklagten zurück. Er bekräftigt seine Rechtsprechung, wonach eine tatsächliche Vermutung dafür spricht, dass eine Urheberrechtsverletzung durch den Inhaber des dafür genutzten Internetanschlusses begangen wurde, und der Anschlussinhaber diese Vermutung nur dadurch entkräften kann, dass er eine konkrete Nutzungsmöglichkeit durch andere Personen aufzeigt. Aufgrund dieser sekundären Darlegungslast hat der Anschlussinhaber nach Auffassung des BGH auch den Namen eines eigenen Kindes anzugeben, von dem er weiß, dass es die Verletzungshandlung begangen hat. Art. 6 Abs. 1 GG stehe dem nicht entgegen. Wenn der Anschlussinhaber seiner Darlegungslast nicht genügt, haftet er selbst für den Verstoß.

Praxistipp: Eine Konsequenz dieser Entscheidung dürfte sein, dass der Anschlussinhaber besser steht, wenn er zwar eine konkrete Nutzungsmöglichkeit durch seine volljährigen Kinder aufzeigen kann, aber nicht weiß, wer der Täter war.

Verjährungshemmung für zusammenhängende Ansprüche
Urteil vom 27. September 2017 – VIII ZR 99/16

Die Grenzen des § 213 BGB zeigt der VIII. Zivilsenat auf.

Der Kläger hatte von der Beklagten einen Gebrauchtwagen gekauft. Einen Tag nach Übergabe schlossen die Parteien einen Garantievertrag, der die Beklagte verpflichtete, im Falle eines innerhalb von zwölf Monaten auftretenden Defekts für bestimmte Bauteile nur 60 % der Materialkosten zu berechnen. Die AGB des Garantievertrags sahen eine Verjährungsfrist von sechs Monaten nach Ablauf der Garantiefrist vor. Rund ein halbes Jahr nach Übergabe trat ein Defekt an den Einspritzdüsen auf. Der Kläger begehrte eine kostenlose Reparatur; die Beklagte lehnte dies ab. Nicht ganz ein Jahr nach Übergabe nahm der Kläger den Beklagten gerichtlich auf Rückzahlung des Kaufpreises in Anspruch. Dieses Begehren stützte er zunächst nur auf gesetzliche Gewährleistungsansprüche. Fast ein Jahr später berief er sich ergänzend auf den Garantievertrag. Das LG wies die Klage ab. Die Berufung, mit der der Kläger nur noch Ansprüche aus dem Garantievertrag geltend machte, blieb erfolglos.

Der BGH weist die Revision des Klägers zurück. Mit dem OLG ist er der Auffassung, dass Ansprüche aus dem Garantievertrag verjährt sind. Die Verjährung wäre nur dann gehemmt worden, wenn diese Ansprüche von Anfang an zum Streitgegenstand gehört hätten oder wenn einer der Ansprüche im Sinne von § 213 BGB wahlweise neben den anderen Anspruch oder an dessen Stelle gegeben wäre. Die erste Voraussetzung ist im Streitfall nicht gegeben, weil die Ansprüche auf unterschiedliche Lebenssachverhalte gestützt werden. Ein Verhältnis elektiver oder alternativer Konkurrenz im Sinne von § 213 BGB besteht ebenfalls nicht. Darüber hinaus beruhen die beiden Ansprüche nicht auf demselben Grund. Dieses Merkmal kann zwar auch bei Ansprüchen greifen, die keinen einheitlichen Streitgegenstand bilden. Es setzt aber voraus, dass die Ansprüche zumindest im Kern auf denselben Lebenssachverhalt gestützt werden. Hieran fehlt es im Verhältnis zwischen Ansprüchen aus gesetzlicher Gewährleistung und Ansprüchen aus einem Garantievertrag.

Praxistipp: Um eine Verjährung auszuschließen, sollten alternativ in Betracht kommende Anspruchsgrundlagen auch dann von vornherein geltend gemacht werden, wenn das Begehren mutmaßlich schon durch die primär geltend gemachte Grundlage gestützt wird.