Montagsblog: Neues vom BGH

Grenzen der Rechtskraft
Urteil vom 30. Juni 2017 – V ZR 134/16

Mit grundlegenden Fragen zur Rechtskraft und zum Verhältnis zwischen Rücktritt und Schadensersatz bei Mängeln der Kaufsache befasst sich der V. Zivilsenat.

Der Beklagte hatte vom Kläger ein Wohnhaus gekauft. Später hatte er den Rücktritt vom Vertrag erklärt, weil für die Terrasse keine Baugenehmigung vorlag, und den Kläger in einem vorangegangenen Rechtsstreit erfolgreich auf Rückzahlung des Kaufpreises und Ersatz eines Teils seiner Aufwendungen in Anspruch genommen. Nunmehr verlangte der Kläger Nutzungsersatz für die gesamte Dauer des Besitzes. Das LG verurteilte den Beklagten antragsgemäß. Das OLG wies die Klage ab, soweit es um die Zeit bis zur letzten mündlichen Verhandlung im Vorprozess geht.

Der BGH verweist die Sache auf die Revision des Klägers an das OLG zurück. Entgegen der Vorinstanz kommt er zu dem Ergebnis, dass die Rechtskraft des Urteils aus dem Vorprozess der Klageforderung nicht entgegensteht. Der Kläger wäre zwar an der Geltendmachung von Ansprüchen auf Nutzungsersatz gehindert, wenn diese im Vorprozess im Wege der Saldierung oder der Vorteilsausgleichung auf die dort eingeklagten Ansprüche hätten angerechnet werden müssen. Eine Saldierung findet aber nur bei der Rückabwicklung eines Vertrags nach Bereicherungsrecht statt, nicht bei der Rückabwicklung nach erklärtem Rücktritt. Eine Anrechnung im Wege der Vorteilsausgleichung war nach dem bis Ende 2001 geltenden Kaufrecht geboten, wenn der Käufer den so genannten großen Schadensersatz begehrte, den er nach altem Recht nur anstelle des Rücktritts geltend machen konnte. Nach dem neuen Schuldrecht kann der Käufer Rücktritt und Schadensersatz nebeneinander geltend machen. Daraus zieht der BGH nunmehr die Schlussfolgerung, dass sich der Käufer die von ihm erlangten Nutzungsvorteile nicht automatisch auf seinen Schadensersatzanspruch anrechnen lassen muss. Hinsichtlich der Ansprüche des Verkäufers auf Nutzungsersatz hätte es im Vorprozess deshalb nur dann zur Rechtskraft kommen können, wenn diese Ansprüche im Wege der Widerklage oder Aufrechnung geltend gemacht worden wären und das Gericht über sie inhaltlich entschieden hätte.

Praxistipp: Um mögliche Verjährungsprobleme zu vermeiden, kann es sich dennoch anbieten, Ansprüche auf Nutzungsersatz bereits im ersten Prozess geltend zu machen.

Konkludente Beschaffenheitsvereinbarung beim Werkvertrag
Urteil vom 31. August 2017 – VII ZR 5/17

Mit der beiderseits interessengerechten Auslegung eines Werkvertrags befasst sich der VII. Zivilsenat.

Der Beklagte erwog, in der Produktionshalle einer Großbäckerei Malerarbeiten vornehmen zu lassen. Hierzu ließ er die Klägerin eine Probefläche mit der Farbe „schneeweiß“ streichen. Nach Besichtigung dieser Fläche beauftragte er die Klägerin mit dem Anstrich der Halle. Schon vor Fertigstellung der Arbeiten, die aufgrund von Differenzen für einige Monate unterbrochen wurden, beanstandete der Beklagte, die bereits bearbeiteten Flächen seien vergilbt und wiesen Flecken auf. Das LG wies die auf Zahlung des vereinbarten Werklohns gerichtete Klage als derzeit unbegründet ab. Das OLG erklärte den Klageanspruch dem Grunde nach für gerechtfertigt.

Der BGH verweist die Sache an das OLG zurück. Abweichend von der Vorinstanz sieht er das Werk nicht schon deshalb als vertragsgerecht an, weil die eingesetzte Farbe für den Einsatz in einer Großbäckerei geeignet und eine dauerhafte Farbstabilität bei weißen Farbtönen in dieser Umgebung generell nicht realisierbar ist. Nach dem Grundsatz der beiderseits interessengerechten Vertragsauslegung ist der Werkvertrag zwischen den Parteien dahin auszulegen, dass der Beklagte mangels eines abweichenden Hinweises davon ausgehen durfte, die eingesetzte Farbe werde über längere Zeit hinweg farbstabil bleiben. Nach Zurückverweisung wird das OLG zu klären haben, ob und in welcher Weise die Klägerin vor oder bei Vertragsschluss auf das Risiko des Vergilbens hingewiesen hat.

Praxistipp: Sofern die Möglichkeit besteht, sollte ein Mandant darauf aufmerksam gemacht werden, dass die Erteilung und der Inhalt eines vor Vertragsschluss erteilten Hinweises möglichst deutlich dokumentiert werden sollte – am besten durch ausdrückliche Aufnahme in das schriftliche Vertragsangebot.

Nebenpflicht des Werkunternehmers zum Hinweis auf mögliche Folgekosten
Urteil vom 14. September 2017 – VII ZR 307/16

Einen weiteren Aspekt der Pflichten eines Werkunternehmers behandelt der VII. Zivilsenat in einer zwei Wochen später ergangenen Entscheidung.

Der Kläger suchte wegen atypischer Motorgeräusche an seinem Auto die Werkstatt der Beklagten auf. Das Fahrzeug war zu diesem Zeitpunkt sechseinhalb Jahre alt und hatte eine Laufleistung von über 200.000 km. Die Beklagte stellte einen Defekt an den Einspritzdüsen fest. Der Kläger ließ diese für rund 1.700 Euro auswechseln. Dies führte nicht zur Beseitigung der atypischen Geräusche. In einem selbständigen Beweisverfahren stellte sich heraus, dass bereits bei Erteilung des Auftrags auch die Pleuellager des Motors beschädigt waren. Der Aufwand für deren Austausch überstieg den Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs. Die auf Rückzahlung der gezahlten Reparaturkosten gerichtete Klage hatte in den beiden ersten Instanzen Erfolg.

Der BGH weist die Revision der Beklagten zurück. Mit den Vorinstanzen ist er der Auffassung, dass die Beklagte vor der Reparatur darauf hätte hinweisen müssen, dass weitere Motordefekte vorliegen können. Diese Pflicht besteht auch dann, wenn die in Betracht kommenden anderen Ursachen zwar nicht häufig auftreten, aber auch nicht als völlig entfernte und deshalb vernachlässigenswerte Möglichkeit anzusehen sind. Nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen des Berufungsgerichts hätte der Kläger den Reparaturauftrag im Falle eines pflichtgemäßen Hinweises nicht erteilt. Deshalb muss die Beklagte die Reparaturkosten zurückzahlen.

Praxistipp: Auch diese Entscheidung belegt, dass eine hinreichende Dokumentation bereits im Zeitpunkt des Vertragsschlusses für den Ausgang des Rechtsstreits von zentraler Bedeutung sein kann.

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Kosten des Vergleichs
Beschluss vom 14. Juni 2017 – I ZB 1/17

Mit der Auslegung einer Kostenregelung in einem gerichtlichen Vergleich befasst sich der I. Zivilsenat.

Der Kläger hatte den Beklagten im Wege der Teilstufenklage auf Zahlung von Maklerhonorar für die Vermittlung von Kaufverträgen in Anspruch genommen. Vor dem LG schlossen die Parteien einen umfassenden Vergleich, in den auch nicht rechtshängige Ansprüche einbezogen wurden. Darin wurde u.a. vereinbart, dass der Beklagte die Kosten des Rechtsstreits trägt und die Kosten des Vergleichs gegeneinander aufgehoben werden. Im Kostenfestsetzungsverfahren machte der Kläger eine Terminsgebühr aus dem vollen Vergleichswert geltend. Die Rechtspflegerin setzte nur eine Gebühr aus dem Wert der eingeklagten Forderungen an. Die dagegen eingelegte Beschwerde des Klägers blieb erfolglos.

Der BGH weist die Rechtsbeschwerde zurück. Mit den Vorinstanzen sieht er als „Kosten des Rechtsstreits“ nur diejenigen Kosten an, die durch die Geltendmachung der bereits vor dem Vergleichsabschluss rechtshängigen Ansprüche entstanden sind. „Kosten des Vergleichs“ sind demgegenüber alle Mehrkosten, die durch den Vergleichsabschluss und durch die Einbeziehung weiterer Forderungen in den Vergleich entstanden sind. Hierzu gehört nicht nur die Vergleichsgebühr, sondern auch die Terminsgebühr, soweit sich diese aufgrund der Einbeziehung dieser Forderungen erhöht hat.

Praxistipp: Um Schwierigkeiten bei der Kostenfestsetzung zu vermeiden, sollten die Parteien darauf hinwirken, dass der Wert der eingeklagten und der Wert der zusätzlich in den Vergleich einbezogenen Ansprüche im Streitwertfestsetzungsbeschluss separat ausgewiesen werden.

Haftung des anwaltlichen Mediators
Urteil vom 21. September 2017 – IX ZR 34/17

Eine grundlegende Entscheidung zur Haftung eines anwaltlichen Mediators trifft der IX. Zivilsenat.

Im Vorfeld eines Scheidungsverfahrens hatten sich die betroffenen Eheleute an eine von der beklagten Rechtsanwältin betriebene Schlichtungsstelle gewandt, um eine einvernehmliche und kostengünstige Scheidung zu ermöglichen. Die Eheleute erteilten ihr unter anderem eine Vollmacht zur Einholung von Auskünften bei den zuständigen Trägern der Rentenversicherung. Im Scheidungstermin trat für die Ehefrau der Kläger als Prozessbevollmächtigter auf. Er war kurz zuvor – ebenso wie die Anwältin des Ehemannes – auf Vermittlung der Beklagten eingeschaltet worden und mit Einzelheiten nicht vertraut. Kurz vor dem Termin teilte die Beklagte der Anwältin der Ehefrau per E-Mail mit, ein Verzicht auf die Durchführung des Versorgungsausgleichs solle nicht protokolliert werden, sofern mit der Mandantin nichts anderes besprochen werde. Dem Kläger teilte sie mit, die angestrebte Vereinbarung über die Scheidungsfolgen liege bislang lediglich als Entwurf vor. Im Termin erschien der Kläger erst zur Erörterung des Versorgungsausgleichs. Er ließ sich von der Ehefrau, mit der er zuvor noch nie zusammengetroffen war, mündlich mandatieren und stimmte in deren Namen dem Verzicht auf die Durchführung des Versorgungsausgleichs zu. Später eingeholte Auskünfte der Versorgungsträger ergaben, dass der Ehefrau ein Ausgleichsanspruch in Höhe von mehr als 90.000 Euro zugestanden hätte. In einem Haftungsprozess mit der Ehefrau verpflichtete sich der Kläger vergleichsweise zur Zahlung von rund 64.000 Euro. Zwei Drittel dieses Betrags verlangte er im Wege des Gesamtschuldnerausgleichs von der Beklagten erstattet. Das LG wies die Klage ab. Das OLG sprach dem Kläger die Hälfte des an die Ehefrau gezahlten Betrags zu.

Der BGH weist die Revision der Beklagten zurück. Er qualifiziert das Rechtsverhältnis zwischen der Beklagten und den Eheleuten als Mediationsvertrag in der Form des mehrseitigen Anwaltsdienstvertrags, weil es die Beklagte übernommen hat, rechtliche Lösungsvorschläge zu entwickeln und dies eine Rechtsdienstleistung darstellt. Aus diesem Dienstvertrag haftet die Beklagte nach anwaltsrechtlichen Grundsätzen. Eine Pflichtverletzung sieht der BGH darin, dass die Beklagte den Kläger nicht darüber informiert hat, dass noch keine Auskünfte zum Versorgungsausgleich vorliegen. Ob ein entsprechender Hinweis an die Anwältin des Ehemanns ausgereicht hätte, lässt er offen, weil die Beklagte im Streitfall auch insoweit keine hinreichend deutlichen Informationen erteilt hatte. Dass der Kläger ebenfalls seine anwaltlichen Pflichten verletzt hat, führt nicht zu einer Unterbrechung des Kausalverlaufs, sondern lediglich zu einer gleichmäßigen Verteilung der Haftung im Innenverhältnis.

Praxistipp: Um eine Haftung in solchen Konstellationen zu vermeiden, sollte der Mediator von der Durchführung des Scheidungstermins vor endgültiger Klärung aller für die angestrebte Vereinbarung relevanter Fragen dringend abraten. Wollen die Mandanten diesem Rat nicht folgen, sollten die Prozessbevollmächtigten detailliert und unmissverständlich über den Verfahrensstand informiert werden. Zusätzlich sollten die Mandanten persönlich eingehend über die drohenden Risiken belehrt werden.

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Divergenz innerhalb eines Oberlandesgerichts
Beschluss vom 15. August 2017 – X ARZ 204/17

Eine Detailfrage zur Vorlagepflicht im Verfahren zur Gerichtstandbestimmung nach § 36 Abs. 3 ZPO entscheidet der X. Zivilsenat.

Die Kläger nahmen die Beklagten auf der Grundlage des Anfechtungsgesetzes auf Duldung der Zwangsvollstreckung in zwei Grundstücke in Anspruch. Das zuerst angerufene LG am Sitz der Beklagten erklärte sich für unzuständig, weil es den ausschließlichen dinglichen Gerichtsstand des § 24 ZPO für einschlägig hielt, und verwies die Sache auf Antrag der Kläger an das nach dieser Vorschrift zuständige LG. Dieses hielt § 24 ZPO für nicht einschlägig und ersuchte das OLG Hamm um Bestimmung des zuständigen Gerichts gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 5 ZPO. Das OLG hielt § 24 ZPO ebenfalls für nicht einschlägig und die abweichende Auffassung des zuerst angerufenen LG mangels detaillierter Begründung für willkürlich, sah sich aber an einer Zuständigkeitsbestimmung gehindert, weil ein anderer Zivilsenat desselben OLG in einer früheren Entscheidung § 24 ZPO in einer vergleichbaren Konstellation für einschlägig erachtet hatte.

Der BGH entscheidet, dass weiterhin das LG zuständig ist, an das der Rechtsstreit verwiesen wurde. Er hält die Vorlage der Sache durch das OLG für zulässig, obwohl der Wortlaut des § 36 Abs. 3 ZPO hierfür eine Abweichung von der Entscheidung eines anderen OLG vorsieht. Der Sinn und Zweck der Vorschrift erfordert eine Vorlage auch bei drohender Divergenz innerhalb eines OLG. Die vom zuerst angerufenen LG ausgesprochene Verweisung beurteilt der BGH als inhaltlich unzutreffend, weil eine auf das Anfechtungsgesetz gestützte Klage auf Duldung der Zwangsvollstreckung keine Klage ist, durch die das Eigentum oder eine dingliche Belastung geltend gemacht wird. Dennoch hält der BGH die Verweisung für wirksam. Das verweisende LG hat seine Auffassung zwar nur kurz begründet, aber erkennen lassen, dass es der damals veröffentlichten OLG-Rechtsprechung folgen wollte; dies kann nicht als willkürlich angesehen werden.

Praxistipp: Wenn der BGH das im Rechtszug zunächst höhere Gericht im Sinne von § 36 Abs. 1 ZPO ist, hat an dessen Stelle nach § 36 Abs. 2 ZPO das OLG zu entscheiden, zu dessen Bezirk das mit der Sache zuerst befasste Gericht gehört. Der BGH kann in solchen Sachen nur aufgrund einer Divergenzvorlage nach § 36 Abs. 3 ZPO entscheiden. Diese Regelung gilt seit 01.04.1998, wird in der Praxis dennoch mitunter übersehen.

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Prozesskostenhilfe für ein Mahnverfahren
Beschluss vom 10. August 2017 – III ZA 42/16

Eine grundlegende Frage des Prozesskostenhilferechts behandelt der III. Zivilsenat in einem eher ungewöhnlichen Fall.

Der Antragsteller verlangte vom Antragsgegner nach der Verbüßung einer Freiheitsstrafe Entschädigungsleistungen nach dem Strafentschädigungsgesetz. Die Staatsanwaltschaft lehnte das Begehren ab. Daraufhin begehrte der Antragsteller Prozesskostenhilfe für ein Mahnverfahren zur Geltendmachung einer Forderung in Höhe von 400 Millionen Euro. Der Antrag blieb in den beiden ersten Instanzen erfolglos.

Der BGH weist den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren über die vom LG zugelassene Rechtsbeschwerde zurück. Mit der einhelligen Auffassung in der Literatur hält er die Gewährung von Prozesskostenhilfe auch für ein Mahnverfahren – beschränkt auf dieses – für zulässig. Mit den Vorinstanzen ist er indes der Auffassung, dass die Voraussetzungen des § 114 ZPO im Streitfall nicht erfüllt sind. Dabei lässt er offen, ob es schon deshalb an einer hinreichenden Erfolgsaussicht fehlt, weil der Antragsgegner für den Fall des Erlasses des Mahnbescheids bereits einen Widerspruch angekündigt hatte. Er sieht die beabsichtigte Rechtsverfolgung jedenfalls als mutwillig an, weil es keinen Anhaltspunkt dafür gibt, dass eine Forderung in der geltend gemachten Größenordnung bestehen könnte.

Praxistipp: Wenn das Beschwerdegericht in einem Verfahren über die Gewährung von Prozesskostenhilfe die Rechtsbeschwerde zugelassen hat, steht dem Rechtsbeschwerdeführer unter den Voraussetzungen des § 114 ZPO Anspruch auf Prozesskostenhilfe für das Verfahren vor dem BGH zu.

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Anforderung von Unterlagen für eine Schriftvergleichung
Urteil vom 16. März 2017 – I ZR 205/15

Mit den Voraussetzungen für die Anforderung von Vergleichsdokumenten zur Beurteilung der Echtheit einer Urkunde mittels Schriftvergleichung befasst sich der I. Zivilsenat.

Die Beklagte hatte von den Eltern des Klägers ein Grundstück erworben. Nach Vertragsschluss begehrte der Kläger von der Beklagten eine Provision für die Vermittlung des Geschäfts. Er stützte seine Forderung auf eine schriftliche Einverständniserklärung, die nach seiner Behauptung vom Geschäftsführer der Beklagten unterschrieben war. Das LG ordnete die Einholung eines Schriftvergleichsgutachtens an und gab der Beklagten auf, mehrere im Einzelnen bezeichnete Vergleichsdokumente vorzulegen. Die Beklagte kam dieser Aufforderung nur teilweise nach. Das LG verurteilte die Beklagte nach Einholung des Gutachtens im Wesentlichen antragsgemäß. Die Berufung der Beklagten blieb erfolglos.

Der BGH weist die Revision der Beklagten zurück. Zwar war die vom LG erlassene Anordnung, Vergleichsdokumente vorzulegen, weder nach § 441 Abs. 3 ZPO noch nach § 142 ZPO zulässig. Gemäß § 295 ZPO darf die Beklagte der Verwertung der dennoch eingereichten Unterlagen aber nicht mehr entgegentreten, weil sie bereits in erster Instanz mündlich zur Sache verhandelt hatte, ohne den Verfahrensfehler zu rügen. Zulässig blieb die Rüge, das LG habe die teilweise Nichtbefolgung der Anordnung zu Unrecht zu ihren Lasten gewertet, weil der diesbezügliche Verfahrensfehler erst aus dem erstinstanzlichen Urteil hervorging. Diesen Fehler hatte aber bereits das OLG korrigiert, indem es den genannten Aspekt bei der Beweiswürdigung nicht zu Lasten der Beklagten berücksichtigte.

Praxistipp: Die Partei, die die Beweislast trägt, muss die Vergleichsurkunden, deren Vorlegung angeordnet werden soll, detailliert benennen, weil das Gericht nicht befugt ist, die Vorlage weiterer Urkunden von Amts wegen anzuordnen. Der Gegner muss einen diesbezüglichen Verfahrensfehler zur Wahrung seiner Rechtsposition spätestens in der auf die Anordnung folgenden mündlichen Verhandlung rügen.

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Parteivernehmung zum Inhalt eines Beratungsgesprächs
Urteil vom 20. Juli 2017 – III ZR 296/15

Mit den Voraussetzungen für eine Vernehmung der beweisbelasteten Partei zum Inhalt eines Gesprächs mit der gegnerischen Partei befasst sich der III. Zivilsenat.

Der Kläger nahm den Beklagten – seinen Schwiegersohn – aus eigenem und aus abgetretenem Recht seiner Ehefrau wegen fehlerhafter Anlageberatung in Anspruch. Die Klageansprüche waren im Wesentlichen darauf gestützt, der Beklagte habe in dem Beratungsgespräch eine Vielzahl von Risiken unzutreffend dargestellt oder verschwiegen. Der Beklagte erhob gegen die ursprünglich als Zeugin benannte Ehefrau des Klägers Drittwiderklage. Das Klagebegehren blieb in den ersten beiden Instanzen erfolglos.

Der BGH verweist die Sache an das OLG zurück. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz hält er eine Parteivernehmung des Klägers zum Inhalt des Gesprächs für geboten. Zwar sind die von der Rechtsprechung entwickelten Regeln für Vieraugengespräche im Streitfall nicht anwendbar, weil nicht nur der Kläger, sondern auch der Beklagte für den Gesprächsinhalt keinen Zeugen benennen kann. Die nach § 448 ZPO erforderliche Wahrscheinlichkeit für die Wahrheit der unter Beweis gestellten Behauptung hält der BGH aber für gegeben, weil der Kläger sein Vermögen bislang ausschließlich in Sparkonten und vergleichbar sicheren Anlageformen investiert hatte. Ebenfalls für nicht tragfähig hält der BGH die vom OLG ergänzend angestellte Erwägung, die Ansprüche seien verjährt, weil der Kläger grob fahrlässig gehandelt habe, indem er die vom Beklagten vorgelegten Zeichnungsscheine blind unterschrieben und die darin enthaltenen Hinweise auf Risiken der Anlage nicht zur Kenntnis genommen hat.

Praxistipp: Die „Ausschaltung“ eines Zeugen durch Drittwiderklage kann sich als Bumerang erweisen, wenn das Gericht die Voraussetzungen des § 448 ZPO als gegeben ansieht.

Privatgutachten als Rechtsmittel im Sinne von § 839 Abs. 3 BGB
Beschluss vom 27. Juli 2017 – III ZR 440/16

Mit der Haftung eines gerichtlichen Sachverständigen aus § 839a BGB befasst sich ebenfalls der III. Zivilsenat.

Der Kläger hatte in einem früheren Rechtsstreit Ansprüche aus einer Berufsunfähigkeitsversicherung geltend gemacht. Nach dem erfolglosen Ausgang des Verfahrens nahm er den Beklagten, der im Auftrag des Gerichts ein psychiatrisches Gutachten erstattet hatte, wegen Fehlbegutachtung auf Schadensersatz in Anspruch. Die Klage blieb in den ersten beiden Instanzen erfolglos.

Der BGH weist die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers zurück. Er stellt aber klar, dass ein Ersatzanspruch des Klägers nicht schon deshalb ausgeschlossen ist, weil er davon abgesehen hat, den Ausführungen des Beklagten im Vorprozess mit Hilfe eines Privatgutachtens entgegenzutreten.

Praxistipp: Insbesondere bei komplexen Fragestellungen kann die Einholung eines Privatgutachtens dennoch ein erfolgversprechender Weg sein, das Gericht zur Einholung eines „Obergutachtens“ zu veranlassen .

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Ersatz von Anwaltskosten für Geltendmachung des Kaskoschadens
Urteil vom 11. Juli 2017 – VI ZR 90/17

Der VI. Zivilsenat zeigt die Grenzen der Ersatzpflicht nach einem Verkehrsunfall auf.

Nach einem Verkehrsunfall betraute der Kläger seinen Anwalt mit der Geltendmachung seiner Ansprüche gegenüber der Haftpflichtversicherung des Unfallgegners und gegenüber seiner eigenen Kaskoversicherung. In der Folgezeit ersetzten die Haftpflicht- und die Kaskoversicherung den entstandenen Schaden jeweils zur Hälfte. Der Anwalt berechnete seine Vergütung für die Tätigkeit gegenüber der Kaskoversicherung auf der Grundlage des von dieser gezahlten Betrags. Der Kläger begehrte von den Beklagten die Erstattung der gezahlten Vergütung. Die Klage blieb erfolglos.

Der BGH weist die Revision des Klägers zurück. Abweichend von der Vorinstanz verneint er einen Ersatzanspruch nicht schon deshalb, weil der Kläger seinen Anwalt zu früh beauftragt hat. Zwar wäre die Einschaltung eines Anwalts für den ersten Kontakt mit der Kaskoversicherung nicht erforderlich gewesen. Damit ist ein Ersatzanspruch wegen einer später erforderlich gewordenen Beauftragung aber nicht ausgeschlossen. Die Rahmengebühr für das Betreiben des Geschäfts entsteht mit jeder Handlung von neuem. Sie kann zwar nach § 15 RVG insgesamt nur einmal bis zur Höchstgrenze von 2,5 geltend gemacht werden. Bis zu dieser Grenze kann sie aber mit zunehmendem Tätigkeitsumfang anwachsen. Dennoch verbleibt es bei der Abweisung der Klage, weil der geltend gemachte Schaden schon dem Grunde nach nicht ersatzfähig ist. Der Kläger hat die Kaskoversicherung nur wegen desjenigen Teils des Schadens in Anspruch genommen, für den der Unfallgegner nicht einzustehen hat. Die dafür angefallene Vergütung gehört ebenfalls nicht zu dem vom Beklagten zu ersetzenden Schaden.

Praxistipp: Wenn keine Rechtsschutzversicherung besteht, sollte der Mandant darauf hingewiesen werden, dass die Vergütung für den ersten Kontakt mit dem Kaskoversicherer nicht erstattungsfähig ist.

Widerrechtliche Drohung
Beschluss vom 19. Juli 2017 – XII ZB 141/16

Mit einem Grundbegriff aus dem Allgemeinen Teil des BGB befasst sich der XII. Zivilsenat in einer Betreuungssache.

Die 1929 geborene Betroffene hatte im Jahr 2009 zugunsten ihrer drei Kinder eine General- und Vorsorgevollmacht errichtet. Die beiden Töchter erhielten umgehend eine Ausfertigung. Die Ausfertigung für den Sohn – der von der Vollmacht nichts wusste – behielt eine der Töchter in Verwahrung. In der Folgezeit teilten die Töchter nahezu den gesamten Immobilienbesitz ihrer Mutter unter sich auf. Nachdem der Sohn hiervon erfahren hatte, ließ er die Mutter anwaltlich auffordern, die Vollmacht für die Töchter zu widerrufen, weil diese ansonsten auch das restliche Vermögen an sich reißen würden. Die Mutter kam der Aufforderung nach. Der Sohn beantragte daraufhin, eine Betreuung für sie einzurichten. Der als Betreuungsrichter zuständige Notar und das LG lehnten den Antrag ab, unter anderem mit der Begründung, die Mutter habe den Widerruf der Vollmachten wirksam wegen widerrechtlicher Drohung angefochten.

Der BGH verweist die Sache an das LG zurück. Er verneint eine widerrechtliche Drohung im Sinne von § 123 BGB schon deshalb, weil der Eintritt des in Aussicht gestellten Übels – die Übertragung weiterer Vermögensgegenstände – nach der Ankündigung des Sohnes nicht von seinem Willen abhing, sondern vom Willen der Töchter. Darüber hinaus hält der BGH auch die Begründung, mit der das LG die Töchter trotz deren eigennützigen Verhaltens weiterhin als zur Vertretung ihrer Mutter geeignet angesehen hat, für nicht tragfähig.

Praxistipp: Wenn zweifelhaft ist, ob der Vollmachtswiderruf wirksam angefochten wurde, empfiehlt sich – sofern möglich – eine erneute Erteilung der Vollmacht. Für die Frage, ob der Bevollmächtigte als geeignet angesehen werden kann, ist damit allerdings wenig gewonnen.

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Erneute Anordnung des schriftlichen Verfahrens
Urteil vom 4. Juli 2017 – XI ZR 470/15

Der XI. Zivilsenat verfestigt seine Rechtsprechung zu einer nicht unwichtigen Frage im Zusammenhang mit § 128 Abs. 2 Satz 3 ZPO.

Der Kläger begehrte nach dem Widerruf eines Darlehensvertrags von der Beklagten Rückzahlung erbrachter Zinsleistungen. Das Begehren blieb in erster Instanz zum weitaus überwiegenden Teil und in zweiter Instanz vollständig erfolglos. Das OLG traf seine Entscheidung im schriftlichen Verfahren. Anlässlich der Verlegung des ursprünglich bestimmten Verkündungstermins hatte es erneut die Zustimmung der Parteien zum schriftlichen Verfahren eingeholt und eine neue Schriftsatzfrist bestimmt. Mit seiner Revision rügte der Kläger unter anderem, eine Entscheidung im schriftlichen Verfahren sei gemäß § 128 Abs. 2 Satz 3 ZPO nicht mehr zulässig gewesen, weil zwischen der ersten Zustimmungserklärung der Parteien und der Verkündung des angefochtenen Urteils mehr als drei Monate verstrichen seien.

Der BGH hebt das Urteil des OLG aus materiell-rechtlichen Gründen auf und verurteilt die Beklagte entsprechend dem zuletzt gestellten Antrag in der Revisionsinstanz. Die Verfahrensrüge des Klägers sieht er hingegen als unbegründet an. § 128 Abs. 2 Satz 3 ZPO hindert das Gericht nicht daran, bei drohendem Ablauf der Dreimonatsfrist mit Zustimmung der Parteien erneut das schriftliche Verfahren anzuordnen. Die Entscheidung muss dann innerhalb von drei Monaten nach Erteilung der letzten Zustimmungserklärung ergehen. Damit bestätigt der BGH eine bereits vor einiger Zeit ergangene Entscheidung zu dieser Frage (BGH, Urt. v. 17.1.2012 – XI ZR 457/10, Rz. 34 – NJW–RR 2012, 622).

Praxistipp: Beide Parteien haben es in der Hand, eine nochmalige Anordnung des schriftlichen Verfahrens durch Verweigerung ihrer Zustimmung zu verhindern.

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Anspruch auf Geldentschädigung wegen Persönlichkeitsverletzung ist nicht vererblich
Urteil vom 23. Mai 2017 – VI ZR 261/16

Der VI. Zivilsenat entwickelt seine Rechtsprechung zur Nichtvererblichkeit von Ansprüchen wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts fort.

Der ursprüngliche Kläger war wegen vielfacher Beihilfe zum Mord im Vernichtungslager Treblinka angeklagt. Der Beklagte berichtete in den Jahren 2010 und 2011 in einem Internetportal laufend über das anhängige Verfahren unter voller Namensnennung. Mit einer im November 2011 zugestellten Klage nahm ihn der Kläger wegen Verletzung seines Persönlichkeitsrechts auf Zahlung einer Geldentschädigung in Anspruch. Im März 2012 verstarb der Kläger. Seine Witwe führte den Rechtsstreit fort. Die Klage blieb in den ersten beiden Instanzen erfolglos.

Der BGH weist die Revision der Witwe zurück. Er knüpft an seine Rechtsprechung an, wonach Ansprüche auf Geldausgleich wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts ungeachtet der Aufhebung von § 847 Abs. 1 Satz 2 BGB a.F. nicht vererblich sind, und entscheidet nunmehr, dass dies auch dann gilt, wenn der Anspruch im Zeitpunkt des Erbfalls bereits rechtshängig ist.

Praxistipp: Vor einer Erledigungserklärung sollte sorgfältig geprüft werden, ob der Anspruch auf einer Verletzung des Persönlichkeitsrechts oder auf einer Verletzung der körperlichen Unversehrtheit beruht. Im zuletzt genannten Fall ist der Anspruch vererblich – unabhängig davon, ob er bereits rechtshängig war.

Unterwerfung des Mieters unter die sofortige Zwangsvollstreckung
Urteil vom 14. Juni 2017 – VIII ZR 76/16

Eine strenge Ausgestaltung eines Mietvertrags billigt der VIII. Zivilsenat.

Die Beklagte hatte eine Wohnung an eine GmbH und deren Geschäftsführer vermietet. Beide Mieter hatten sich entsprechend einer im Mietvertrag vorgesehenen Verpflichtung in notarieller Urkunde der sofortigen Zwangsvollstreckung hinsichtlich der Pflicht zur Zahlung der Miete unterworfen. Nach Beendigung des Mietverhältnisses betrieb die Beklagte die Zwangsvollstreckung aus der Urkunde. Die daraufhin erhobene Vollstreckungsgegenklage blieb in erster Instanz erfolglos. Das Berufungsgericht erklärte die Zwangsvollstreckung hingegen für unzulässig.

Der BGH stellt das erstinstanzliche Urteil wieder her. Er lässt offen, ob es sich um ein Mietverhältnis über Wohnraum handelt, und hält die Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung auch für einen solchen Mietvertrag für zulässig. Unerheblich ist auch, ob der Mieter eine Kaution geleistet hat. Die Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung ist nicht als Sicherheitsleistung im Sinne von § 551 Abs. 1 BGB anzusehen und deshalb bei der Prüfung, ob die danach geltende Höchstgrenze überschritten ist, nicht zu berücksichtigen. Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen § 138 sieht der BGH im Streitfall als nicht gegeben an.

Praxistipp: Um unnötige Streitigkeiten über die Wirksamkeit der notariellen Unterwerfungserklärung zu vermeiden, sollte in diese die Klarstellung aufgenommen werden, dass eine Umkehr der Beweislast nicht eintreten soll.

Mietstreitigkeit mit dem früheren Schwiegersohn als Familiensache
Beschluss vom 12. Juli 2017 – XII ZB 40/17

Dass die Zuständigkeit für sonstige Familiensachen durchaus weit sein kann, zeigt eine Entscheidung des XII. Zivilsenats.

Die Kläger hatten eine Wohnung an ihre Tochter und deren Ehemann vermietet. Im Jahr 2011 trennten sich die Ehegatten, der Ehemann zog aus der Wohnung aus. Die Kläger nahmen den Ehemann später auf Zahlung der Miete für März 2012 bis Januar 2016 in Anspruch. Der Beklagte rügte unter anderem die funktionelle Zuständigkeit der Zivilabteilung. Das AG erklärte den Zivilrechtsweg für zulässig. Die sofortige Beschwerde des Beklagten blieb erfolglos.

Der BGH verweist den Rechtsstreit an das Familiengericht. Er knüpft an seine Rechtsprechung an, wonach Mietstreitigkeiten zwischen (geschiedenen) Ehegatten als Streitigkeiten im Zusammenhang mit Trennung oder Scheidung im Sinne von § 266 Abs. 1 Nr. 3 FamFG anzusehen sein können, und entscheidet nunmehr, dass dies auch für Mietstreitigkeiten zwischen einem Ehegatten und dessen (ehemaligen) Schwiegereltern gilt. Im Streitfall bejaht er den erforderlichen Zusammenhang, weil das Bestehen der Ehe für den Abschluss des Mietvertrags ausschlaggebend gewesen war, der trennungsbedingte Auszug des Beklagten die Ursache für die geltend gemachten Mietforderungen bildet, und die Kläger nicht widerlegt haben, dass die Klage eine Reaktion auf die zerrissene Familiensituation darstellt.

Praxistipp: Wenn Zweifel an der Zuständigkeit bestehen, sollten beide Parteien darauf bedacht sein, eine Vorabentscheidung nach § 17a Abs. 1 oder 2 GVG herbeizuführen, damit diese Frage verbindlich geklärt ist. Nach § 17a Abs. 6 GVG ist eine solche Vorabentscheidung nicht nur im Verhältnis zwischen Gerichten unterschiedlicher Rechtswege zulässig, sondern auch im Verhältnis zwischen den Spruchkörpern für Zivilsachen, Familiensachen und Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit.

Montagsblog: Neues vom BGH

Kein spektakulärer Anlass, aber dennoch bemerkenswert:
Dies ist Montagsblog Nr. 50!

Alternative ärztliche Behandlungsmethoden
Urteil vom 30. Mai 2017 – VI ZR 203/16

Mit einer nicht alltäglichen Methode der Zahnbehandlung befasst sich der VI. Zivilsenat.

Der beklagte Zahnarzt wirbt in seinem Internetauftritt und in Vorträgen für eine ganzheitliche Behandlung durch Beseitigung von Störfeldern im Kiefer. Bei der Klägerin diagnostizierte er ein „mehrfaches Zahnherdgeschehen mit Abwanderungen von Eiweißverfallsgiften … bis in den Unterleib“. Entsprechend seiner Empfehlung ließ sich die Klägerin zunächst vier Zähne (14 bis 17) im rechten Oberkiefer entfernen und den gesamten Kieferknochen „gründlich“ ausfräsen. Nachdem Schwierigkeiten mit der verordneten Prothese aufgetreten waren, brach die Klägerin die Behandlung ab. Ihre Klage auf Rückzahlung des Honorars, Ersatz der Kosten für Folgebehandlungen und Zahlung eines Schmerzensgeldes war in den ersten beiden Instanzen überwiegend erfolgreich.

Der BGH verweist die Sache an das OLG zurück. Er nimmt Bezug auf seine Rechtsprechung, wonach die Anwendung von nicht allgemein anerkannten Therapieformen grundsätzlich erlaubt ist. Zugleich betont er, dass sich der Arzt nur dann für eine solche Behandlung entscheiden darf, wenn er die Vor- und Nachteile sorgfältig und gewissenhaft abgewogen hat. Die Beurteilung dieser Frage durch die Vorinstanzen hält der BGH für unzureichend, weil der gerichtlich bestellte Sachverständige nicht über Erfahrungen mit der ganzheitlichen Zahnmedizin in Theorie und Praxis verfügte.

Praxistipp: Die Parteien sollten im eigenen Interesse darauf hinwirken, dass das Gericht die ausreichende Qualifikation des Sachverständigen schon vor Erteilung des Gutachtenauftrags umfassend prüft.

Verkehrssicherungspflicht nach vorzeitiger Besitzeinweisung
Urteil vom 13. Juni 2017 – VI ZR 395/16

Mit den Grenzen der Verkehrssicherungspflicht des Grundstückseigentümers befasst sich ebenfalls der VI. Zivilsenat.

Das Auto des Klägers wurde durch einen herabfallenden Ast beschädigt. Deshalb nahm er die Beklagte, die damals noch Eigentümerin des ursächlichen Grundstücks war, auf Schadensersatz in Anspruch. Schon geraume Zeit vor dem Unfall war der Beklagten im Rahmen eines fernstraßenrechtlichen Enteignungsverfahrens der Besitz an dem Grundstück durch vorzeitige Besitzeinweisung gemäß § 18f FStrG entzogen worden. Das LG verurteilte die Beklagte dennoch im Wesentlichen antragsgemäß. Das OLG wies die Klage hingegen ab.

Der BGH weist die Revision des Klägers zurück. Er tritt dem OLG darin bei, dass die Beklagte mit der vorzeitigen Besitzeinweisung die Einwirkungsmöglichkeit auf das Grundstück verloren hatte und deshalb im Zeitpunkt des Unfalls nicht mehr die Verkehrssicherungspflicht trug.

Praxistipp: Um die Verjährung von Ansprüchen gegen weitere als Schuldner in Betracht kommende Personen zu verhindern, muss diesen rechtzeitig der Streit verkündet werden.