Don’t drink and drive – Die Leistungskürzung bei Verkehrsunfällen wegen alkoholbedingter Fahruntüchtigkei

Entgegen weit verbreiteter Meinung tragen Kfz-Versicherungen weitgehend ein Fehlverhalten des Versicherungsnehmers mit „Humor“: so zahlen sie z.B. in der Regel auch dann, wenn der Versicherte grob fahrlässig gehandelt hat.

Allerdings verstehen sie keinen Spaß, wenn Alkohol im Spiel war. Hat der Versicherungsnehmer betrunken oder auch „nur“ angetrunken einen Unfall verursacht, hat er mit zum Teil erheblichen Leistungskürzungen zu rechnen. Dass man nicht trinkt und fährt, ist heutzutage so stark im Bewusstsein der Bevölkerung verankert, dass Verstöße in der Regel als grobes Verschulden anzusehen sind. Die Leistungskürzung erfolgt auf einer gleitenden Skala, die von 50% bei relativer Fahruntüchtigkeit (0,3 ‰) bis zu 100% bei absoluter Fahruntüchtigkeit (1,1 ‰) reicht. Damit gilt auch hier: Jeder „Spaß“ hat irgendwann einmal ein Ende, spätestens dann, wenn sich jemand nach Abschluss einer feuchtfröhlichen Feier angetrunken ans Steuer setzt.

Welche rechtlichen Grundlagen für eine Leistungskürzung bei Verkehrsunfällen wegen alkoholbedingter Fahruntüchtigkeit heranzuziehen sind und wonach sich die Leistungskürzung nach einschlägiger Rechtsprechung bemisst, erfahren Sie in meinem aktuellen Beitrag MDR 2016, 1422.

Montagsblog: Neues vom BGH

Überprüfung des Telefaxgeräts
Beschluss vom 16. November 2016 – VII ZB 35/14

Mit den Folgen einer missglückten Telefaxübermittlung befasst sich der VII. Zivilsenat.

Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin wollte eine Berufungsbegründung am letzten Tag der Frist gegen 23:30 Uhr per Telefax an das Gericht übermitteln. Das für den Versand vorgesehene Faxgerät war eine Woche zuvor installiert worden und hatte beim letzten Sendevorgang – vier Tage vor dem gescheiterten Sendeversuch – einwandfrei funktioniert. Das Berufungsgericht wies das Wiedereinsetzungsgesuch der Klägerin zurück, weil der Prozessbevollmächtigte die Funktionsfähigkeit des Geräts am Tag des beabsichtigten Versands nicht rechtzeitig überprüft habe.

Der BGH verweist die Sache an das OLG zurück. Er bekräftigt seine ständige Rechtsprechung, nach der ein Rechtsanwalt, der einen fristgebundenen Schriftsatz am letzten Tag der Frist per Telefax übermitteln will, erhöhte Sorgfalt aufzuwenden hat, um die Einhaltung der Frist sicherzustellen. Die Sorgfaltspflicht geht aber nicht so weit, das zum Versand vorgesehene Faxgerät täglich einer Funktionsprüfung zu unterwerfen.

Praxistipp: Das nach der Rechtsprechung erforderliche erhöhte Maß an Sorgfalt umfasst unter anderem die Pflicht, einen ausreichenden Zeitpuffer für den Fall einzuplanen, dass der Telefaxanschluss des Gerichts durch andere Sendungen vorübergehend belegt ist.

Eigenes Gebot des Anbieters bei eBay-Versteigerung
Urteil vom 24. August 2016 – VIII ZR 100/15

Mit grundlegenden Voraussetzungen des Vertragsschlusses bei einer Versteigerung auf eBay befasst sich VIII. Zivilsenat.

Der Beklagte bot auf eBay einen gebrauchten VW Golf für einen Startpreis von 1 Euro zum Verkauf an. Zugleich beteiligte er sich unter einer anderen Benutzerkennung an der Versteigerung. Die einzigen Gebote von dritter Seite gab der Kläger ab, und zwar ausgehend von einem Startpreis von 1,50 Euro bis zu einem letzten Gebot in Höhe von 17.000 Euro. Er wurde jeweils vom Beklagten überboten, dem letztendlich auch der Zuschlag erteilt wurde. In einer kurz darauf ebenfalls vom Beklagten initiierten zweiten Auktion bot ein Dritter einen Kaufpreis von 16.500 Euro. Diesen Betrag verlangte der Kläger vom Beklagten als Schadensersatz. Sein Begehren hatte in erster Instanz Erfolg. Das OLG wies die Klage ab.

Der BGH stellt das erstinstanzliche Urteil wieder her. Er knüpft an seine Rechtsprechung an, wonach die Eröffnung einer Auktion auf eBay ein Angebot zum Abschluss eines Kaufvertrags darstellt und der Vertrag mit demjenigen Bieter zustande kommt, der innerhalb der Auktionsfrist das höchste wirksame Gebot abgibt. Mit dem OLG ist der BGH der Auffassung, dass die vom Beklagten unter einer anderen Benutzerkennung abgegebenen Gebote unwirksam waren, weil eine Willenserklärung gegenüber einer anderen Person abgegeben werden muss. Deshalb ist ein Kaufvertrag mit dem Kläger zustande gekommen, der als einziger wirksame Gebote abgegeben hat. Abweichend vom OLG hält der BGH nicht das letzte Gebot des Klägers (über einen Kaufpreis von 17.000 Euro) für maßgeblich, sondern das erste (über einen Kaufpreis von 1,50 Euro). Ein Kaufvertrag mit diesem Inhalt ist unter den gegebenen Umständen nicht als sittenwidrig anzusehen und die Geltendmachung von Rechten daraus nicht als treuwidrig. Im Hinblick auf das Ergebnis der zweiten Auktion billigt der BGH auch die vom LG angestellte Schätzung, wonach der Wert des Fahrzeugs mindestens 16.501,50 Euro betragen hat.

Praxistipp: Damit ein Bieter von der ihm günstigen Rechtsprechung profitieren kann, muss er beweisen, dass hinter dem anderen Bieter in Wahrheit der Verkäufer steckt. Unter welchen Voraussetzungen eBay diesbezügliche Auskünfte erteilen muss, ist höchstrichterlich noch nicht geklärt.

OLG Düsseldorf: Bei PKW Kauf nach Online-Inserat, ist Inserat für vereinbarte Beschaffenheit relevant

Heutzutage ist der Kauf eines (gebrauchten) PKW nicht mehr nur beim Händler vor Ort die Regel. Vielmehr machen sich Kaufinteressenten auf der Suche nach dem richtigen Angebot immer öfter PKW-Verkaufsbörsen zu Nutze. Was passiert jedoch, wenn der tatsächliche Zustand des Fahrzeuges von dem beschrieben Zustand, z.B. in Bezug auf Ausstattungsmerkmale abweicht, dies aber bei der Besichtigung vor dem Kaufvertragsschluss nicht bemerkt wird?

Das OLG Düsseldorf geht davon aus, dass die Beschreibung in der Online-Anzeige eine Beschaffenheitsvereinbarung darstellt und lediglich im Fall von erkennbaren Abweichungen vor Abschluss des Kaufvertrages Ausnahmen möglich seien.

Auch die Klausel „gebraucht, wie ausgiebig besichtigt, unter Ausschluss jeglicher Gewährleistung..“ half dem Verkäufer, einem Unternehmer, gegenüber dem Verbraucher als Käufer auch nicht weiter, § 475 Abs. 1 S. 1 BGB.

Praxistipp:

Für Verkäufer heißt es daher, das Fahrzeug möglichst genau zu beschreiben. Auf Käuferseite ist unbedingt dazu zu raten, die Beschreibung des PKW aus der Verkaufsbörse aufzubewahren und zusammen mit dem PKW-Kaufvertrag abzulegen.

(OLG Düsseldorf, Urteil v. 18.08.2016 Az.: I-3 U 20/15)

BGH: Sporadische, aber sicherheitsrelevante Mängel können zum Rücktritt berechtigen

Ein Autokäufer hatte Probleme mit seinem Kupplungspedal, wobei der Mangel nur sporadisch auftragt und der Verkäufer daher eine Nacherfüllung nicht vornehmen wollte. Der Käufer trat daraufhin vom Kaufvertrag zurück. Zu recht, so der BGH.

Weitere Nacherfüllungsverlangen seien dem Käufer gem. § 440 Abs. 1 BGB unzumutbar. Trotz geringer Mangelbeseitigungskosten (rund 440 EUR), sei der Mangel aufgrund der massiven Sicherheitsgefahren durch den Defekt auch nicht unerheblich i.S.d. § 323 Abs. 5 S. 2 BGB.

Praxistipp: Diese sehr gut nachvollziehbare Entscheidung stärkt Käuferrechte, wobei in der Praxis viele Käufer davor zurückschrecken werden, bei einem nur sporadisch auftretenden und damit wohl nur schwierig beweisbaren Mangel wirklich ihre Rechte durchzusetzen. Verkäufern kann nur geraten werden, auch bei nur sporadisch auftretenden Fehlern tendenziell lieber eine Nachbesserung zu viel vorzunehmen, als zu riskieren, dass der Käufer alleine aus diesem Grund vom Kaufvertrag zurücktritt. Die wirtschaftlichen Folgen eines Rücktritts sind für den Käufer meist deutlich positiver, als für den Verkäufer.

 

BGH Urteil vom 26. Oktober 2016 – VIII ZR 240/15, Pressemitteilung

Wer (zuerst) steht, gewinnt

Mit zwei jüngeren Entscheidungen hat der BGH für ziemlichen Wirbel im Bereich der Haftung für Parkplatzunfälle gesorgt. So stellte der BGH mit Urteil vom 15.12.2015 – Az.: VI ZR 6/15, MDR 2016, 636 (Laumen) fest, dass „die für die Anwendung eines Anscheinsbeweises gegen einen Rückwärtsfahrenden erforderliche Typizität des Geschehensablaufs …regelmäßig nicht vor[liegt], wenn beim rückwärtigen Ausparken von zwei Fahrzeugen aus Parkbuchten eines Parkplatzes zwar feststeht, dass vor der Kollision ein Fahrzeugführer rückwärts gefahren ist, aber nicht ausgeschlossen werden kann, dass ein Fahrzeug im Kollisionszeitpunkt bereits stand, als der andere – rückwärtsfahrende – Unfallbeteiligte mit seinem Fahrzeug in das Fahrzeug hineingefahren ist.“ Die Entscheidung ist im Zusammenhang mit einem Urteil vom 26.1.2016 – VI ZR 179/15, MDR 2016, 267 zu sehen, in welchem der BGH klarstellt, dass dies aber nur dann gilt, wenn wirklich einer der beiden Kontrahenten stand. Bis dahin war die überwiegende Meinung: Nur wer schon „längere Zeit“ vor der Kollision stand, konnte daraus einen Vorteil ziehen.

Die erste Entscheidung des BGH hat einige Kritik in der Literatur erfahren. Neben praktischen Beweisproblemen werden hierfür auch Gründe der materiellen Gerechtigkeit angeführt: Es sei Zufall, wer von den Unfallbeteiligten zuerst zum Stillstand gekommen sei. Der Sorgfaltsverstoß liege nicht im Rückwärtsfahren an sich, sondern darin, dass jemand – ohne auf den anderen zu achten – begonnen habe, rückwärts aus der Parkbucht zu fahren.

Dem kann aber nicht gefolgt werden: auch „längeres Stehen“ kann nicht unbedingt klar definiert werden. Und was soll denn jemand noch tun, der ausparken will und daher fahren muss, als aufmerksam nach hinten zu schauen und dann stehen zu bleiben, wenn es „kritisch“ zu werden droht? Würde das nämlich der andere genauso so tun, würde es ja nicht „krachen“.

Hinweis: Für eine ausführliche Auseinandersetzung mit den beiden BGH-Entscheidungen und ihren Konsequenzen für die Praxis siehe ReblerMDR 2016, 1125.

Montagsblog: Neues vom BGH

In Anlehnung an die sog. Montagspost beim BGH berichtet der Montagsblog regelmäßig über ausgewählte aktuelle Entscheidungen.

Gutachterkosten nach Verkehrsunfall
Urteil vom 19. Juli 2016 – VI ZR 491/15

Einen pragmatischen Ansatz verfolgt der VI. Zivilsenat hinsichtlich einer praktisch häufig auftretenden Frage.

Ein Geschädigter hatte nach einem Verkehrsunfall einen Sachverständigen mit der Begutachtung seines Fahrzeugs betraut. Der Sachverständige ließ sich die aus dem Unfall resultierenden Ansprüche auf Ersatz der Gutachterkosten abtreten. Die Haftpflichtversicherung des Geschädigten hielt das Gutachten für unbrauchbar und verweigerte die Zahlung. Die daraufhin erhobene Klage hatte beim AG zum überwiegenden Teil und beim LG in vollem Umfang Erfolg. Das LG hielt das Gutachten für nicht völlig unbrauchbar und die geltend gemachten Kosten für angemessen, weil nicht ersichtlich sei, dass dem Geschädigten ein Auswahlverschulden zur Last falle.

Der BGH verweist die Sache an das LG zurück. Mit dem LG ist er der Auffassung, dass ein Geschädigter grundsätzlich nicht gehalten ist, vor der Beauftragung eines Sachverständigen den Markt zu erforschen. Deshalb darf der Geschädigte grundsätzlich Ersatz desjenigen Betrags verlangen, den er an den Sachverständigen gezahlt hat. Ein bloßes Bestreiten der Schadenshöhe ist in solchen Fällen irrelevant. Abweichend vom LG beschränkt der BGH diese subjektbezogene Schadensbetrachtung aber auf Konstellationen, in denen der Geschädigte die Rechnung des Sachverständigen selbst beglichen hat. Ein Sachverständiger, der sich stattdessen die Ersatzforderung des Geschädigten abtreten lässt, muss bei Bestreiten der Gegenseite zur Angemessenheit seiner Forderung näher vortragen.

Praxistipp: Ein Geschädigter, der Ersatzansprüche an einen Sachverständigen abtritt, sollte sich vor der Abtretung vom Sachverständigen bestätigen, dass er nur insoweit zur Honorarzahlung verpflichtet ist, als sich die Anspruchshöhe im Verhältnis zum Geschädigten als angemessen erweist.

Doppelter Formmangel eines Schenkungsvertrags
Urteil vom 28. Juni 2016 – X ZR 65/14

Mit einem Fall des Doppelmangels befasst sich der X. Zivilsenat.

Die spätere Erblasserin hatte den Beklagten bevollmächtigt, über alle von ihr gehaltene Fondanteile – die im Wesentlichen ihr gesamtes Vermögen ausmachten – auch zu eigenen Gunsten zu verfügen. Wenige Stunden vor dem Tod der Erblasserin veräußerte der Beklagte aufgrund dieser Vollmacht Fondanteile der Erblasserin und ließ sich den Erlös auf sein eigenes Konto überweisen. Die Rückzahlungsklage der Erben hatte in erster Instanz Erfolg. Das OLG wies die Klage ab, mit der Begründung, die Erblasserin habe ein Schenkungsversprechen erteilt, das zunächst formnichtig gewesen, mit der Gutschrift des Veräußerungserlöses aber wirksam geworden sei.

Der BGH stellt das erstinstanzliche Urteil wieder her. Er stellt klar, dass der Vollzug der vom OLG festgestellten Schenkung zwar gemäß § 518 Abs. 2 BGB den Mangel der für ein Schenkungsversprechen in § 518 Abs. 1 vorgesehenen Form heilt, nicht aber den Mangel der in § 311b Abs. 3 BGB vorgesehenen Form für einen Vertrag, in dem sich ein Teil verpflichtet, sein gegenwärtiges Vermögen zu übertragen.

Praxistipp: Wenn das Schenkungsversprechen nicht unter § 311b Abs. 3 BGB fällt, müssen die Erben darauf bedacht sein, eine erteilte Vollmacht möglichst zeitnah zu widerrufen. In der hier zugrunde liegenden Fallgestaltung wäre es dafür allerdings zu spät gewesen.

Verkehrsunfall: Erstattung von Nebenkosten eines Sachverständigen

Der VI. Zivilsenat des BGH, zuständig für Schadensersatzfragen im Zusammenhang mit Verkehrsunfällen, hätte einmal wieder eine wichtige Entscheidung zu treffen gehabt (Urteil v. 26.4.2016 – VI ZR 50/15). Es ging um den Problemkomplex, welches Honorar für Sachverständige, die nach einem Verkehrsunfall ein Gutachten erstatten, angemessen ist, und zwar hier in erster Linie um die Höhe bzw. die Abrechnung der Nebenkosten. Diese Frage bewegt die Praxis derzeit unaufhörlich. Die Entscheidung des BGH ist im Original sage und schreibe 21 Seiten lang. An wirklicher Erkenntnis bleibt letztlich eigentlich nur wenig übrig: Der BGH hat es jedenfalls nicht beanstandet, wenn sich die Tatsacheninstanzen bei der Höhe der Nebenkosten an den Bestimmungen des JVEG orientieren, die Fahrtkosten mögen dabei jedoch durchaus auch auf 0,70 €je km festgesetzt werden.

Es sind derzeit bei den Amtsgerichten zahllose „Restklagen“ anhängig, d. h. übrig gebliebene Beträge, die von den Pflichtversicherern nicht reguliert wurden. Die Konstellation geht regelmäßig dahin, dass die Sachverständigen aus abgetretenem Recht bzw. hinter den Sachverständigen stehende Organisationen – dann aus doppelt abgetretenem Recht – Restgebühren in Höhe von unter 100 € einklagen. Die verklagten Versicherungen wehren sich mit umfangreichen Sachvortrag zu jeder Abrechnungsposition, insbesondere die Nebenkosten werden über Seiten hinweg „zerlegt“. Die Akten werden sehr dick, weil jede Partei für sich reklamiert, den „Stein der Weisen“ gefunden zu haben und ihre Position mit endlosen Ausführungen und der Vorlage unterschiedlicher Entscheidungen zahlreicher Gerichte untermauert. Mittlerweile dürfte es bei diesem Thema über die Streitigkeiten in der Sache hinaus auch zu persönlichen Fehden der daran Beteiligten gekommen sein. In fast allen Verfahren wurde natürlich die erwähnte Entscheidung des BGH von den Versicherungsanwälten im Original mit ihren 21 Seiten zu den Akte gereicht, was zu einer weiteren Aufblähung derselben geführt hat. Die Versicherer jubeln, die Sachverständigen grübeln, wie sie die Entscheidung des BGH für sich nutzbar machen können. Vielleicht könnte man doch versuchen, wieder das Grundhonorar etwas zu erhöhen?

Gleichwohl hat diese Entscheidung – trotz ihrer beachtlichen Länge – viel zu wenig gebracht, vgl. oben. Der BGH drückt sich nämlich bei den wichtigsten Fragen der Regulierung von Verkehrsunfällen, die ein Massenphänomen darstellen, regelmäßig und seit langem vor konkreten Aussagen. Dies führt zu einer starken Rechtszersplitterung landauf, landab. Anstatt einmal klar Farbe zu bekennen, werden diejenigen Fragen, die die Praxis bewegen, einfach nicht entschieden, sondern an die Tatsacheninstanzen zurückgegeben. Das ist bei den Mietwagenkosten und jetzt wieder bei den Sachverständigenkosten geschehen. Dies führt zu zahlreichen weiteren Auseinandersetzungen und die Gesamtwirtschaft und die Versicherungswirtschaft belastenden unnötigen Transaktionskosten. Die Praxis würde sich von dem BGH etwas mehr Mut wünschen, auch einmal eine Entscheidung zu treffen, die diesen Namen verdient und in der Sache wirklich weiterführt.

 

 

Montagsblog: Neues vom BGH

In Anlehnung an die sog. Montagspost beim BGH berichtet der Montagsblog wöchentlich über ausgewählte aktuelle Entscheidungen.

Anwendbarkeit von § 280 und § 281 BGB im Eigentümer-Besitzer-Verhältnis
Urteil vom 18. März 2016 – V ZR 89/15

Eine viel diskutierte Streitfrage zum Verhältnis zwischen §§ 985 ff. BGB und den Vorschriften des allgemeinen Schuldrechts hat der V. Zivilsenat entschieden.

Eine mittlerweile insolvente Gesellschaft hatte aufgrund eines Kooperationsvertrags mit einem Einkaufsring in mehreren von der Beklagten betriebenen Getränkemärkten Videogeräte für Werbezwecke aufgestellt. Nach Beendigung des Kooperationsvertrags teilte der Kläger mit, die Geräte seien an ihn übereignet worden. Zugleich verlangte er die Herausgabe der Geräte. Nachdem die Beklagte diesem Verlangen nicht nachgekommen war, verlangte er von ihr Schadensersatz in Höhe des Veräußerungswerts. Die Klage blieb in den ersten beiden Instanzen erfolglos.

Der BGH verweist die Sache an das OLG zurück. Mit den Vorinstanzen verneint er einen Schadensersatzanspruch aus §§ 989, 990 BGB. Die Beklagte war zwar bösgläubig, weil sie nach Beendigung des Kooperationsvertrags wusste, dass sie nicht (mehr) zum Besitz der Geräte berechtigt ist. Der Anspruch aus §§ 989, 990 BGB umfasst aber nur den Schaden, der dadurch entsteht, dass die Sache nicht mehr herausgegeben werden kann, nicht hingegen einen Schaden aufgrund bloßer Vorenthaltung der Sache. Als Grundlage für einen solchen Anspruch kommen in der zu beurteilenden Konstellation nur §§ 280, 281 BGB in Betracht. Diese sind nach Auffassung des BGH auf den Herausgabeanspruch aus § 985 BGB anwendbar. Das in einem Teil der Literatur angeführte Gegenargument, die Anwendung der Vorschriften laufe auf einen Zwangskauf hinaus, hält der BGH für nicht stichhaltig, weil sich eine vergleichbare Situation auch bei schuldrechtlichen Rückgabeansprüchen ergeben kann und der Gesetzgeber dem Gläubiger dennoch die Möglichkeit eingeräumt hat, zum Schadensersatz überzugehen. Entsprechend der Wertung in §§ 989, 990 BGB setzen Ansprüche aus § 280 und § 281 BGB wegen Verletzung der Herausgabepflicht aus § 985 BGB allerdings zusätzlich voraus, dass der Herausgabeanspruch rechtshängig oder der Besitzer bösgläubig ist.

Praxistipp: Die Entscheidung, vom Herausgabeanspruch zum Schadensersatzanspruch überzugehen, sollte sorgfältig erwogen werden. Nach § 281 Abs. 4 BGB ist es dem Eigentümer verwehrt, weiterhin Herausgabe zu verlangen, sobald er Schadensersatz statt der Leistung verlangt hat.

Eigentumsverletzung durch Einsperren eines Schiffs im Hafen
Urteil vom 21. Juni 2016 – VI ZR 403/14

Eine seit langem etablierte Rechtsprechung wendet der VI. Zivilsenat auf einen aktuellen Fall an.

Der Beklagte wollte mit einem Tankmotorschiff in einem dafür nicht zugelassenen Bereich vor Anker gehen. Bei dem Manöver setzte sich das Schiff so unglücklich fest, dass die Einfahrt zu einem Yachthafen nicht mehr befahrbar war. Der Kläger begehrt Ersatz von Stillstandskosten für mehrere Schiffe, die einen Tag lang in dem Yachthafen eingeschlossen waren. Das in erster Instanz als Rheinschifffahrtsgericht zuständige AG erließ ein Grundurteil zugunsten des Klägers. Das als Rheinschifffahrtsobergericht für die Berufung zuständige OLG wies die Klage hingegen ab.

Der BGH verweist die Sache an das OLG zurück. Er nimmt Bezug auf seine ständige Rechtsprechung, wonach die Verletzung des Eigentums an einer Sache nicht nur durch eine Beeinträchtigung der Sachsubstanz erfolgen kann, sondern auch durch eine sonstige die Eigentümerbefugnisse treffende tatsächliche Einwirkung auf die Sache selbst, die deren Benutzung objektiv verhindert. Bei einem Schiff, das in einem Hafen eingesperrt wird, ist diese Voraussetzung in der Regel erfüllt. Entgegen der Auffassung des OLG ist nicht zusätzlich erforderlich, dass die Beeinträchtigung über einen längeren Zeitraum hinweg fortdauert. Die Dauer der Beeinträchtigung ist allenfalls für die Höhe der zu ersetzenden Schäden von Bedeutung.

Praxistipp: Die Erfolgsaussicht des Geschädigten hängt in solchen Konstellationen entscheidend davon ab, ob eine bestimmungsgemäße Nutzung der Sache noch in bestimmten Grenzen möglich war. Nur wenn dies nicht der Fall war, liegt eine Eigentumsverletzung vor.

Sachmangelbegriff nach der Schuldrechtsmodernisierung
Urteil vom 15. Juni 2016 – VIII ZR 134/14

Dass der Sachmangelbegriff des § 459 BGB a.F. enger ist als derjenige des § 434 BGB in der seit 1.1.2002 geltenden Fassung, verdeutlicht der VIII. Zivilsenat in einer Entscheidung, die auch in der Tagespresse Aufmerksamkeit gefunden hat.

Der Kläger hatte vom beklagten Kraftfahrzeughändler über eine Internet-Plattform im Juli 2013 einen Audi TT „inklusive Audi-Garantie bis 11/2014“ gekauft. Schon kurz nach dem Kauf traten Motorstörungen auf, die in einem Audi-Zentrum behoben wurden. Weitere Garantieleistungen lehnte die Audi AG in der Folgezeit mit der Begründung ab, es lägen Anzeichen für eine Manipulation des Kilometerstands im Zeitraum vor der Übergabe des Fahrzeugs an den Kläger vor. Der Kläger begehrte daraufhin vom Beklagten die Rückabwicklung des Kaufvertrags. Seine Klage hatte in den ersten beiden Instanzen keinen Erfolg.

Der BGH verweist die Sache an das OLG zurück. Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen sieht er das Nichtbestehen der im Kaufvertrag vorgesehenen Herstellergarantie als Sachmangel an. Die auf der Grundlage des früheren Rechts getroffene Unterscheidung zwischen Beschaffenheitsmerkmalen, deren Vorliegen einen Sachmangel im Sinne von § 459 Abs. 1 BGB a.F. darstellt, und sonstigen Eigenschaften, deren Fehlen nur dann zu Gewährleistungsansprüchen gem. § 459 Abs. 2 BGB a.F. führt, wenn sie zugesichert wurden, ist auf der Grundlage des neuen Rechts obsolet. Als Beschaffenheit im Sinne von § 434 BGB n.F. sind jedenfalls auch alle zusicherungsfähigen Eigenschaften im Sinne von § 459 Abs. 2 BGB a.F. anzusehen, deren Vorliegen zur vertraglichen Sollbeschaffenheit gehört. Davon umfasst sind alle Beziehungen der Sache zur Umwelt, die nach der Verkehrsauffassung Einfluss auf die Wertschätzung der Sache haben. Diese Voraussetzungen sind bei der hier in Rede stehenden Herstellergarantie erfüllt.

Praxistipp: Wenn der Hersteller Garantieleistungen aus einem Grund verweigert, der für sich gesehen bereits einen Mangel darstellt, sollten das Nacherfüllungsbegehren und die Rücktrittserklärung des Käufers gegenüber dem Verkäufer vorsorglich auf beide Gründe gestützt werden – in der dem Streitfall zugrunde liegenden Konstellation also nicht nur auf das Nichtbestehen der Herstellergarantie, sondern auch auf die Manipulationen am Kilometerstand.

BGH zur Fristsetzung zur Nacherfüllung im Kaufrecht

Der BGH hat sich in einem Urteil vom 13. Juli 2016 – VIII ZR 49/15 mit der Frage auseinderzusetzen, wie genau die für einen Rücktritt erforderliche Setzung einer Nachfrist zur Nacherfüllung formuliert sein muss. Im entschiedenen Fall verwendete der Käufer die Begrifflichkeit „unverzüglich“, ohne einen konkreten Termin des Fristendes einzusetzen. Auch formulierte er es als Bitte um „schnelle Behebung“.

Der BGH stellt sich dabei auf den äußerst käuferfreundlichen Standpunkt, dass mit einer solchen Formulierung dem Verkäufer eine zeitliche Grenze gesetzt wird, die aufgrund der jeweiligen Umstände des Einzelfalls bestimmbar ist und ihm vor Augen führt, dass er die Nachbesserung nicht zu einem beliebigen Zeitpunkt bewirken darf.

Auch Höflichkeit schadet nicht im Rechtsverkehr

„Trotz der gewählten höflichen Bezeichnung als „Bitte“ ließ die Klägerin dabei auch keine Zweifel an der Ernsthaftigkeit des Nacherfüllungsverlangens aufkommen.“

heißt es in der Pressemitteilung.
Fazit: Eine Nachfristsetzung als Schlüssel für eine Vielzahl von Sekundäransprüchen dürfte auch in – dem Wortlaut der Fristsetzung zufolge – zweifelhaften Fällen nach dieser Rechtsprechung durchaus zu bejahen sein.

Wie diese sehr weitreichende Auslegung mit dem Wortlaut von § 323 Abs. 1 BGB vereinbart werden kann, ist fraglich. Dort ist ausdrücklich nicht von einer einfachen Mahnung (wie z.B. § 286 Abs. 1 BGB), sondern von dem Bestimmen einer Frist die Rede.

 

BGH Urteil vom 13. Juli 2016 – VIII ZR 49/15 Link zur Pressemitteilung    Link zur Entscheidung

OLG Celle: Versandkosten für Altölentsorgung muss nicht der Händler tragen

§ 8 AltölV verpflichtet einen Händler zur kostenlosen Rücknahme von Altöl. Im Versandhandel stellt sich dabei die Frage, ob die kostenlose „Annahme“ (so der Wortlaut der Norm) auch die Rücksendekosten umfasst, falls der Verkauf von Motoröl im Versandwege erfolgte.

Das OLG Celle verneint dies und zieht Parallelen zu § 9 BattG und § 17 ElektroG, die ebenfalls Rücknahmepflichten beinhalten. Insbesondere ist das Gericht der Ansicht, dass eine Regelung, wie § 17 Abs. 2 Satz 2 ElektroG fehlt, wonach Händler in zumutbarer Entfernung zum Verbraucher geeignete Rückgabemöglichkeiten bereitstellen müssen. Wenn also das – insoweit weitergehende ElektroG – Rückgabestellen in zumutbarer Entfernungen verlangt und somit nicht davon ausgeht, dass ein (wohl stets zumutbarer, da kostenfreier) Rückversand vom Händler getragen werden muss, dann muss dies umso mehr für die AltölV gelten, die nicht einmal nahe gelegene Rückgabemöglichkeiten vorsieht.

 

Der Ölhandel im Fernabsatz wird durch diese Entscheidung weitgehend von einer gewissen Ungewissheit befreit, die sich in den letzten Jahren durch die Rechtsberatung zog. In der Praxis führt die Auferlegung der Rücksendekosten, die schon heute üblich ist, dazu, dass viele Verbraucher Altöl nicht an den Verkäufer zurücksenden. Unternehmer im Fernabsatz erhalten damit einen nicht unerheblichen Wettbewerbsvorteil gegenüber dem stationären Handel. Dass dies in vielen Fällen auch dazu führen dürfte, dass Altöl vom Verbraucher nicht fachgerecht entsorgt wird, um so Versandkosten (oder im Falle einer Entsorgung vor Ort bei einem Dritten: Entsorgungskosten) zu sparen, verdeutlicht, dass diese Regelung überprüfungswürdig ist.

(OLG Celle, Urteil vom 16. Juni 2016 – 13 U 26/16)