Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um die Voraussetzungen für die wirksame Eintragung eines Rechts zum Verweilen auf einem Grundstück

Grunddienstbarkeit für Verweilrecht
Urteil vom 14. Januar 2022 – V ZR 245/20

Mit den Anforderungen aus § 873 Abs. 1 und den Grenzen des § 874 Satz 1 BGB befasst sich der V. Zivilsenat.

Die Kläger sind Eigentümer eines mit einem Reihenhaus bebauten Grundstücks, das zu einer im Rechteck angeordneten Wohnsiedlung gehört. Der Beklagten gehört das in der Mitte der Anlage gelegene Grundstück, das mit einem Blockheizkraftwerk bebaut ist und im Übrigen als Grünfläche genutzt wird. Zugunsten der jeweiligen Eigentümer der umliegenden Grundstücke ist im Grundbuch ein Geh-, Fahr- und Leitungsrecht eingetragen. In der in Bezug genommenen Eintragungsbewilligung ist vorgesehen, dass die Berechtigten das belastete Grundstück zum Verweilen, zum Gehen und Befahren mit Zweirädern und Handkarren und zum Verlegen, Haben und Unterhalten von Ver- und Entsorgungsleitungen mitbenutzen dürfen. Die Beklagte beabsichtigt, das belastete Grundstück mit vier Reihenhäusern zu bebauen. Dagegen wenden sich die Kläger im Wege der Unterlassungsklage.

Die Klage war in den beiden ersten Instanzen erfolgreich.

Der BGH verweist die Sache an das OLG zurück.

Das Recht zum Verweilen, d.h. zum Aufenthalt und zum beliebigen Hin- und Hergehen auf dem dienenden Grundstück kann gemäß § 1018 BGB zulässiger Inhalt einer Grunddienstbarkeit sein. Der Inhalt eines solchen Rechts bleibt hinter dem Inhalt eines Nießbrauchs zurück, weil es keine umfassende Nutzung erlaubt.

Damit das Recht wirksam entsteht, muss die Berechtigung zum Verweilen gemäß § 873 Abs. 1 BGB aus der Eintragung im Grundbuch hervorgehen. Eine Bezugnahme auf die Eintragungsbewilligung gemäß § 874 Satz 1 BGB reicht nur aus, soweit es um nähere Einzelheiten geht. Der wesentliche Inhalt des Benutzungsrechts muss hingegen zumindest schlagwortartig aus dem Grundbuch selbst hervorgehen.

Im Streitfall reichen die im Grundbuch eingetragenen Schlagwörter (Geh-, Fahr- und Leitungsrecht) zur Charakterisierung als Verweilrecht nicht aus. Ein Geh- und Fahrrecht begründet lediglich die Berechtigung, das Grundstück zu überqueren, nicht aber, darauf zu verweilen oder beliebig hin- und herzugehen. Ein Verweilrecht ist deshalb nicht wirksam entstanden.

Das OLG muss nach der Zurückverweisung prüfen, ob die geplante Bebauung die Grunddienstbarkeit in ihrem wirksam gewordenen Umfang beeinträchtigt.

Praxistipp: Wenn sich die Eintragung als unzureichend erweist, ist derjenige, der sich vertraglich zur Einräumung der Grunddienstbarkeit verpflichtet hat, grundsätzlich zur Mitwirkung an einer ordnungsgemäßen Eintragung verpflichtet. Ein späterer Erwerber des belasteten Grundstücks ist an eine solche Vereinbarung grundsätzlich nicht gebunden.

OLG Frankfurt/M.: Die späte Absetzung eines Schiedsspruchs führt nicht zur Aufhebung

Einige wichtige Gesichtspunkte, die bei Schiedsverfahren zu beachten sind, hat das OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 17.5.2021 – 26 Sch 1/21 erfreulicherweise geklärt.

Ein ad-hoc Schiedsgericht verurteilte die jetzige Antragstellerin des Aufhebungsverfahrens vor dem OLG zur Zahlung von gut 3 Millionen Euro. Die Antragstellerin bemühte sich, die Aufhebung des Schiedsspruches durch das OLG zu erreichen, die Antragsgegnerin erstrebte die Vollstreckbarkeitserklärung. Es ging u. a. um folgende Verfahrensfragen: Das Schiedsgericht hatte am Schluss der durchgeführten mündlichen Verhandlung keinen Verkündungstermin bestimmt. Der Schiedsspruch wurde vielmehr erst nach ungefähr einem Jahr erlassen. Die Antragstellerin sah u. a. darin einen Verstoß gegen den ordre-public, der zur Aufhebung des Schiedsspruchs führen müsse.

Das OLG folgt dem zu Recht nicht. Im Zivilprozess sind – von bestimmten Ausnahme abgesehen (z. B. §§ 307, 331 ZPO) – Urteile grundsätzlich zu verkünden, und zwar entweder in der Sitzung, am Schluss der Sitzung oder in einem Verkündungstermin (§§ 310, 311 ZPO). Gemäß § 1054 Abs. 1 ZPO ist bei einem Schiedsspruch jedoch die Übermittlung eines von den Schiedsrichtern unterzeichneten Schiedsspruchs ausreichend. Es bedarf daher keiner Verkündung und auch keines Verkündungstermins. Anders könnte dies nur sein, wenn die Parteien dies vereinbart hätten oder die Schiedsordnung dies vorgesehen hätte. Es handelt sich hier aber um ein ad-hoc-Schiedsgericht ohne besondere Vereinbarungen der Parteien zum Verfahren.

Gemäß § 310 Abs. 1 Satz 2 ZPO ist der Verkündungstermin nur dann über drei Wochen hinaus anzusetzen, wenn wichtige Gründe, insbesondere der Umfang oder die Schwierigkeit der Sache, dies erfordern. Nun war der Verfahrensgegenstand des Schiedsverfahrens sicherlich umfangreich und schwierig, ein Jahr ist aber eine lange Zeit. Gleichwohl ist § 310 ZPO im Schiedsgerichtsverfahren grundsätzlich nicht anwendbar. Und selbst wenn: Im Schiedsgerichtsverfahren betrifft die sehr späte Absetzung eines Schiedsspruchs beide Parteien. Deshalb wäre es nicht sachgerecht, hier eine Aufhebungsmöglichkeit zu schaffen, die nur eine Partei begünstigt. Auch lässt sich in derartigen Fällen regelmäßig kaum feststellen, dass die Verzögerung Auswirkungen auf den Schiedsspruch gehabt hat, etwa, weil die Erinnerung an die mündliche Verhandlung verblasst wäre. Die Parteien sind einer Verzögerung auch nicht schutzlos ausgeliefert, sondern können einen Antrag nach § 1038 ZPO stellen.

Die behaupteten Verfahrensfehler stehen der Wirksamkeit des Schiedsspruchs damit nicht entgegen, so dass dieser für vollstreckbar zu erklären war.

Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um den Anspruch des Vormerkungsberechtigten auf Löschung einer vormerkungswidrigen Eintragung im Grundbuch

Verjährung des Anspruchs aus einer Vormerkung
Urteil vom 14. Januar 2022 – V ZR 245/20

Mit den Voraussetzungen eines Anspruchs aus § 888 Abs. 1 BGB befasst sich der V. Zivilsenat.

Im Februar 2001 wurde zugunsten des Klägers eine Auflassungsvormerkung in ein Wohnungsgrundbuch eingetragen. Rund fünf Monate später ließ die Rechtsvorgängerin der Beklagten eine Zwangssicherungshypothek eintragen. Nochmals rund acht Monate später wurde der Kläger als Eigentümer der Wohnung eingetragen. Mit seiner im Jahr 2018 erhobenen Klage begehrt er die Zustimmung zur Löschung der Hypothek und Ersatz von Schäden durch Verzögerungen beim Weiterverkauf der Wohnungen.

Das LG wies die Klage ab. Das OLG verurteilte die Beklagte antragsgemäß.

Der BGH verweist die Sache an das OLG zurück.

Das Berufungsurteil unterliegt der Aufhebung, weil sich das OLG nur mit dem Löschungsanspruch aus § 888 Abs. 1 BGB befasst hat, nicht aber mit dem Anspruch, dessen Sicherung die eingetragene Vormerkung dient. Als gesicherter Anspruch kommt im Streitfall ein Anspruch gegen den früheren Eigentümer aus dem mit diesem geschlossenen Kaufvertrag auf lastenfreie Übertragung des Eigentums an der Wohnung in Betracht. Ein solcher Anspruch ist nicht vollständig erfüllt, solange die Zwangssicherungshypothek im Grundbuch eingetragen ist. Die Beklagte hat aber geltend gemacht, der Kaufvertrag sei nur zum Schein geschlossen worden, um Vollstreckungsversuche zu vereiteln. Diesem Vorbringen ist das OLG nicht nachgegangen.

Das wirksame Bestehen eines Anspruchs auf lastenfreie Übertragung ist entscheidungserheblich. Die Klage scheitert gegebenenfalls nicht an der erhobenen Verjährungseinrede.

Ob und in welcher Frist der Löschungsanspruch aus § 888 Abs. 1 BGB verjährt, ist im Gesetz nicht ausdrücklich geregelt und in Rechtsprechung und Literatur umstritten. Der BGH wendet § 902 Abs. 1 BGB entsprechend an, wonach Ansprüche aus eingetragenen Rechten nicht der Verjährung unterliegen.

Wegen des akzessorischen Charakters einer Vormerkung darf der aus § 888 Abs. 1 BGB Verpflichtete die Erfüllung des Anspruchs allerdings verweigern, wenn der gesicherte Anspruch verjährt ist. Ob dies auch dann gilt, wenn der Schuldner dieses Anspruchs auf die Erhebung der Verjährungseinrede verzichtet, lässt der BGH offen. Im Streitfall ist ein gegen den Verkäufer bestehender Anspruch auf Beseitigung von Rechtsmängeln weder nach dem bis 31.12.2001 noch nach dem jetzt geltenden Recht verjährt. Nach altem Recht unterlagen Ansprüche auf Beseitigung von Rechtsmängeln der regelmäßigen Verjährungsfrist von dreißig Jahren. Nach neuem Recht verjähren Ansprüche auf Übertragung des Eigentums an einem Grundstück gemäß § 196 BGB zwar schon in zehn Jahren. Ansprüche auf Beseitigung eines Rechtsmangels verjähren aber gemäß § 438 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b BGB in dreißig Jahren, wenn der Rechtsmangel in einem im Grundbuch eingetragenen Recht besteht.

Praxistipp: Die Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich des gesicherten Anspruchs obliegt auch nach der Eintragung der Vormerkung dem Vormerkungsberechtigten.

Terminsverlegung wegen der Corona-Virus-Pandemie

Ein FG kann auch in Abwesenheit der Partei mündlich verhandeln und dann gleichfalls entscheiden. Dies gilt jedoch selbst dann, wenn es zuvor einen Antrag auf Terminsverlegung abgelehnt hat. Anschließend besteht für die betroffene Partei allerdings die Möglichkeit, Beschwerde wegen der Nichtzulassung der Revision einzulegen und einen Verfahrensmangel zu rügen. Aus diesen Gründen gibt es relativ viele Entscheidungen des BFH, die sich mit Fragen zur Terminsverlegung befassen.

Im vorliegenden Fall (BFH, Beschl. v. 22.10.2021 – IX B 16/21) hatten die Kläger – erneut – Terminsverlegung unter Hinweis auf die Pandemie beantragt und dies mit dem Alter und den Vorerkrankungen des Klägers begründet sowie mit den Gefahren bei der Benutzung des öffentlichen Personennahverkehrs. Der Termin solle auf die Zeit nach der Impfung des Klägers verlegt werden. Diesen Antrag hatte der Senatsvorsitzende abgelehnt und dies mit dem umfassenden gerichtlichen Schutzkonzept begründet (Luftreinigungsgerät, Lüften, Desinfektion, Plexiglasabtrennungen). Bei einer lange andauernden Verhinderung müsste im Übrigen für Vertretung gesorgt werden.

Der BFH hielt dies für vertretbar. Angesichts des Schutzkonzepts bestehe bei der Verhandlung kaum ein Risiko. Bezüglich des öffentlichen Personennahverkehrs könnten die Kläger auf Alternativen (etwas einen eigenen PKW oder ein Taxi) ausweichen. Entsprechend § 53 BRAO müsste auch eine Partei bei einer längerfristigen Verhinderung für eine Vertretung sorgen.

Fazit: Auch bei Vorerkrankungen einer ungeimpften Partei besteht daher nicht grundsätzlich ein Anspruch auf Terminsverlegung. Diese Entscheidung wird auch im Rahmen von Zivilprozessen herangezogen werden können. Ausführlich zu Anträgen auf Terminsverlegung wegen Krankheit, siehe F. O. Fischer, MDR 2011, 467.

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Diese Woche geht es um die Haftung eines Rechtsanwalts für den Abschluss eines nicht eindeutig formulierten gerichtlichen Vergleichs

Anwaltshaftung für gerichtlichen Vergleich
Urteil vom 16. Dezember 2021 – IX ZR 223/20

Mit den anwaltlichen Sorgfaltspflichten bei der Formulierung eines gerichtlichen Vergleichs befasst sich der IX. Zivilsenat.

Ein Versicherungsnehmer des klagenden Krankenversicherungs-Unternehmens hatte eine Orthopädin wegen eines Aufklärungsfehlers gerichtlich auf Ersatz materieller und immaterieller Schäden in Höhe von rund 660.000 Euro sowie auf Feststellung der Pflicht zum Ersatz künftiger Schäden Anspruch genommen. Mit der Prozessführung war ein bei der Sozietät der Beklagten angestellter Rechtsanwalt betraut. Das Gericht stellte die durch Grund- und Teilurteil die Ersatzpflicht der Ärztin dem Grunde nach fest und sprach dem Versicherungsnehmer 200.000 Euro zu. Nach Rechtskraft dieses Urteils schlossen die Prozessparteien einen Vergleich, in dem sich die Ärztin zur Zahlung weiterer 580.000 Euro verpflichtete und der Versicherungsnehmer auf alle Ansprüche aus dem Behandlungsverhältnis verzichtete, soweit diese nicht auf Dritte übergegangen sind. Die Klägerin verlangt von den Beklagten Ersatz von Versicherungsleistungen, die sie nach Abschluss des Vergleichs erbracht hat. Nach ihrer Auffassung ist sie aufgrund der Abgeltungsklausel daran gehindert, diese Leistungen von der Ärztin ersetzt zu verlangen.

Das LG wies die Klage ab. Das OLG verurteilte die Beklagten antragsgemäß.

Der BGH stellt das erstinstanzliche Urteil wieder her.

Der BGH tritt dem OLG darin bei, dass der mit der Prozessführung betraute Rechtsanwalt eine Pflichtverletzung begangen hat. Der Anwalt war verpflichtet, Ersatzansprüche, die gemäß § 86 VVG auf die Klägerin übergehen, auch insoweit von der Abgeltungsklausel auszunehmen, als der Übergang erst nach Abschluss des Vergleichs stattfindet. Dies umfasste die Pflicht, den Vergleich so zu formulieren, dass Zweifel über den Umfang der Abgeltungsklausel insoweit möglichst ausgeschlossen sind. Diesen Anforderungen wird die verwendete Formulierung – unabhängig davon, wie sie im Ergebnis auszulegen ist – nicht gerecht.

Es fehlt aber an einem Schaden, weil der Vergleich trotz der verwendeten Formulierung dahin auszulegen ist, dass auch Ansprüche, die erst nach Vergleichsschluss auf die Klägerin übergehen, von der Abgeltungsklausel ausgenommen sind. Ausschlaggebend dafür ist insbesondere der Umstand, dass der Versicherte mit der Schadensersatzklage ausschließlich Schadensposten geltend gemacht hatte, die nicht von der Krankenversicherung gedeckt sind, und Ansprüche, die auf einen Sozialversicherungsträger übergegangen sind, ausdrücklich vom Streitgegenstand ausgenommen hatte.

Praxistipp: Wenn nicht sicher ausgeschlossen werden kann, dass eine private Kranken- oder Unfallversicherung besteht, sollten stets auch künftig übergehende Ansprüche von einer Abgeltungsklausel ausgenommen werden.

Der Streitwert hat im Prozess mehrere Funktionen. Warum auf die Streitwertermittlung gleich am Anfang Wert gelegt werden sollte und warum die Neuauflage des Streitwert-Kommentars dabei helfen kann, klärt das Interview mit dem Herausgeber und Autor VorsRiOLG Ralf Kurpat.

Verlag: Vor Kurzem ist der neue Streitwertkommentar erschienen, bei dem Sie als Mitherausgeber und Autor maßgeblich mitgewirkt haben. Der Streitwert gilt nicht unbedingt als ‚das Steckenpferd‘ vieler Richter und Anwälte.

 Kurpat: Es stimmt, die Bedeutung des Streitwertes wird in der Praxis häufig unterschätzt. Dabei ist oft schon zu Beginn der Auseinandersetzung eine Festlegung notwendig, um die sachliche Zuständigkeit beurteilen zu können. Fehler in diesem Stadium des Verfahrens sind mit einem höheren Bearbeitungsaufwand und meist mit zusätzlichen Kosten verbunden, etwa infolge der Anrufung eines unzuständigen Gerichts. Denken Sie beispielsweise an die Stufenklage und die damit verbundene Frage, ob die Werte der einzelnen Stufenanträge zu addieren sind.

Zudem erlaubt erst die zutreffende Ermittlung des Gebührenstreitwertes eine annähernd sicherere Einschätzung des mit dem Verfahren verbundenen Kostenanfalls. Dieser wird regelmäßig das Ob und Wie der Prozessführung beeinflussen, beispielsweise durch eine taktische Beschränkung des Klagebegehrens oder den Abschluss eines möglicherweise kostensparenden Prozessvergleichs. Für Richter gilt ähnliches. Eine richtige Kostenverteilung, ob nun im Urteil oder in einem Vergleichsvorschlag, setzt eine zutreffende Bestimmung des Gebührenstreitwertes voraus. Niemand möchte, dass eine Einigung in der Sache an der Unsicherheit über den richtigen Streitwert scheitert.

In gleicher Weise bedeutsam ist die Frage, ob eine nachteilige gerichtliche Entscheidung der Anfechtung unterliegt. Kein Anwalt möchte erst durch den Hinweis des Rechtsmittelgerichts erfahren, dass seine Berufung mangels ausreichender Beschwer unzulässig ist. Die Beschwer, etwa bei der Verurteilung zur Auskunftserteilung oder Rechnungslegung, ist jedoch nur unter Auswertung der hierzu ergangenen Rechtsprechung sicher zu bestimmen. Diese Arbeit nimmt einem der Streitwertkommentar ab.

Der Stellenwert einer zutreffenden Wertfestsetzung kann Anwälten gegenüber nicht oft genug betont werden. Richtet sich doch die Vergütung ihrer Tätigkeit nach dem Gebührenstreitwert. Wird dieser fehlerhaft zu niedrig angesetzt, sind empfindliche Gebühreneinbußen die Folge, und das trotz hervorragender anwaltlicher Arbeit. Umgekehrt kann eine überhöhte Bewertung den eigenen Mandanten spätestens in der Kostenfestsetzung mit unberechtigten Gerichts- und Anwaltskosten der Gegenseite belasten.

Verlag: In den meisten Fällen gibt es für den Streitwert ähnlich gelagerte Fälle aus der Rechtsprechung, an denen man sich orientieren könnte. Reicht das nicht aus?

Kurpat: Erfahrene Juristen wissen, dass die Lektüre einzelner Gerichtsentscheidungen nur selten eine sichere Beantwortung juristischer Fragestellungen erlaubt. Es ist die Aufgabe gerade von Kommentaren, einen Überblick über Rechtsprechung und Literatur zu verschaffen, die Relevanz einzelner Entscheidungen zu bewerten und dem Leser die Herausarbeitung der maßgeblichen Aspekte zu erleichtern. Für den Streitwertkommentar gilt nichts anderes. Hier finden Sie nicht nur die einen ähnlichen Fall betreffende Entscheidung, sondern zugleich die übergeordneten Bewertungsansätze und mit ihnen das entscheidende Argument für den eigenen Fall.

Verlag: Hilft in vielen Fällen nicht schon ein ZPO-Kommentar weiter?

 Kurpat: ZPO-Kommentare vermitteln, vor allem zu § 3 ZPO, oft eine gute erste Orientierung, häufig aber nur zum Zuständigkeitsstreitwert. Die für den Gebührenstreitwert maßgeblichen Sonderregelungen des GKG, denken Sie nur an mietrechtliche Streitigkeiten, werden allenfalls kursorisch gestreift. Zudem ist eine umfassende Darstellung von Bewertungsproblemen in diesem Rahmen ohnehin nicht möglich, vielmehr aus platztechnischen Gründen eine Begrenzung auf einzelne Stichwörter unvermeidbar. Diesen Beschränkungen unterliegt der Streitwertkommentar nicht. Die nötige Tiefe der Auseinandersetzung kann nur ein auf dieses Thema spezialisiertes Werk schaffen. Zudem finden Sie hier bei dem jeweiligen Stichwort eine systematische Ordnung für die Zuständigkeitsbestimmung, Gebührenberechnung und Rechtsmittelbeschwer. Das erlaubt jederzeit eine schnelle Orientierung.

Verlag: Tut sich im Streitwertrecht wirklich so viel Neues, dass die Anschaffung einer Neuauflage des Streitwertkommentars gerechtfertigt ist?

Kurpat: Zunächst darf nicht übersehen werden, dass die letzte Auflage bereits vor sechs Jahren erschienen ist. Das ist für das Streitwertrecht ein langer Zeitraum. Es waren daher viele Neuerungen zu berücksichtigen. Allein das Kostenrechtsänderungsgesetz 2021 führt zu neuen Bewertungen, die sich in vielen Berechnungsbeispielen wiederfinden. Hinzu kommen Gesetzesänderungen, die mittelbar Folgen für die Streitwertbestimmung haben, denken Sie etwa an das Wohneigentumsmodernisierungsgesetz (WEMoG). Zugleich gibt es Themen, die aufgrund neuester Entwicklungen aufzunehmen oder aber ganz neu zu bearbeiten waren. Beispielhaft möchte ich die Stichwörter Anlageberatung, Datenschutzrechtliche Ansprüche, Musterfeststellungsklage, Offenlegung nach § 335 HGB, Marken- und Patentrecht, Rechtsanwaltsgebühren bei Einigung und Rechtsmittel nennen. Schließlich war die Auswertung und Einarbeitung der Fülle neuer wichtiger Gerichtsentscheidungen zur Streitwertbestimmung bei dieser Auflage ein enormer Kraftakt.

Verlag: Viele Praktiker arbeiten digital. Wie steht es damit beim Streitwertkommentar?

Kurpat: Sehr gut. Sie finden den Streitwertkommentar einmal über juris. Für die Richterschaft ist der Zugriff über ein Zusatzmodul möglich; für die Bundesländer sicher eine gute Anschaffung. Aber auch in das verlagseigene Modul des Otto Schmidt Verlages „Zivil- und Zivilverfahrensrecht“ wurde das Werk ganz frisch aufgenommen. Ein Vorteil der digitalen Nutzung liegt bestimmt in der inzwischen gewohnten Verlinkung von Entscheidungen. Zudem können die Muster des verfahrensrechtlichen Teils der Kommentierung aus der Online-Ausgabe für die eigene Verfahrensführung schnell übernommen werden. Für die Zukunft beabsichtigen die Autoren, auf besonders bedeutsame Gesetzes- oder Rechtsprechungsänderungen in der elektronischen Ausgabe zu reagieren. So wird auch zwischen den Auflagen auf wichtige Neuerungen aufmerksam gemacht.

Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um die Reichweite der Kostenregelung in einem Prozessvergleich

Prozessvergleich im Hauptsacheverfahren nach Kostenentscheidung im selbständigen Beweisverfahren
Beschluss vom 27. Oktober 2021 – VII ZB 7/21

Mit dem Verhältnis zwischen § 494a Abs. 2 und § 98 Satz 2 ZPO befasst sich der VII. Zivilsenat.

Der Antragsteller hatte in einem selbständigen Beweisverfahren die Begutachtung eines Bauwerks im Hinblick auf geltend gemachte Planungsfehler des Antragsgegners beantragt. Nach Einholung des Gutachtens forderte das LG den Antragsteller auf, innerhalb von sechs Wochen Klage zu erheben. Nach fruchtlosem Ablauf der Frist legte es dem Antragsteller gemäß § 494a Abs. 2 ZPO die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens auf. Kurz darauf beantragte der Antragsgegner Kostenfestsetzung. Rund einen Monat später erhob der Antragsteller Klage auf Zahlung von Schadensersatz wegen der im Beweisverfahren geltend gemachten Mängel. Dieser Rechtsstreit endete durch einen gerichtlichen Vergleich, der unter anderem vorsieht, dass der Antragssteller die Kosten des Rechtsstreits zu 9/10 trägt. Nach Abschluss des Vergleichs setzte das LG die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens antragsgemäß gegen den Antragsteller fest. Dieser focht die Entscheidung nicht an. Etwas mehr als sechs Monate später hob das LG den Kostenfestsetzungsbeschluss von Amts wegen auf, weil der Beschluss die im Hauptsacheverfahren getroffene Kostenregelung nicht berücksichtige. Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Aufhebungsbeschluss blieb erfolglos.

Der BGH stellt den aufgehobenen Kostenfestsetzungsbeschluss wieder her.

Der BGH lässt offen, ob ein Beschluss über die Kosten eines selbständigen Beweisverfahrens gegenstandslos wird oder von Amts wegen aufzuheben ist, wenn in einem nachfolgende Hauptsacheverfahren eine von der Kostengrundentscheidung im Beweisverfahren abweichende Kostenregelung ergeht. Dem im Streitfall geschlossenen Prozessvergleich ist eine solche Regelung abweichend von der Auffassung der Vorinstanzen jedenfalls nicht zu entnehmen.

Aus der Regelung in § 98 Satz 2 Halbsatz ZPO ergibt sich, dass eine rechtskräftige Kostenentscheidung durch einen Vergleich nur dann abgeändert wird, wenn die Parteien dies ausdrücklich vorsehen. Im Streitfall bezieht sich der Wortlaut des Vergleichs nur auf die Kosten des Rechtsstreits. Ob hierzu die Kosten eines vorangegangenen selbständigen Beweisverfahrens gehören, obwohl in diesem Verfahren bereits eine rechtskräftige Kostengrundentscheidung ergangen ist, war in Literatur und Rechtsprechung nicht geklärt. Deshalb kann nicht ohne weiteres angenommen werden, dass die Parteien diese Kosten mit der verwendeten Formulierung in die getroffene Regelung einbeziehen wollten. Besondere Anhaltspunkte, die eine andere Auslegung stützen könnten, sind nicht ersichtlich.

Praxistipp: Um Unsicherheiten zu vermeiden, empfiehlt es sich, die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens im Vergleich ausdrücklich anzusprechen.

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Diese Woche geht es um die Wirkungen eines prozessualen Anerkenntnisses

Berufungserweiterung nach Anerkenntnis
Urteil vom 19. Oktober 2021 – VI ZR 1173/20

Mit den Voraussetzungen für die Erweiterung einer zunächst auf einen Teil des Streitgegenstands beschränkten Berufung befasst sich der VI. Zivilsenat.

Das klagende Eisenbahnverkehrsunternehmen begehrt von den Beklagten Schadensersatz in Höhe von rund 315.000 Euro wegen eines Verkehrsunfalls, bei dem ein Omnibus und ein Zug an einem Bahnübergang kollidiert waren. Das LG wies die Klage ab. Mit ihrer Berufung hat die Klägerin zunächst nur die Zahlung von rund 20.800 Euro wegen Schäden an einem Doppelstockwagen geltend gemacht. Diesen Anspruch hat die Beklagte nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist anerkannt. Die Klägerin beantragte daraufhin, die Beklagte über den anerkannten Betrag hinaus im vollen Umfang der erstinstanzlichen Anträge zu verurteilen. Das OLG sprach der Klägerin lediglich den anerkannten Betrag zu und lehnte eine Entscheidung über den restlichen Betrag mangels Rechtshängigkeit ab.

Die Revision der Klägerin hat Erfolg und führt hinsichtlich des nicht anerkannten Teils der Klageforderung zur Zurückverweisung der Sache an das OLG.

Entgegen der Auffassung des OLG schloss das Anerkenntnis die Geltendmachung weiterer Ansprüche im Berufungsverfahren nicht aus. Ein prozessuales Anerkenntnis führt nicht zur Beendigung des Rechtsstreits. Diese tritt erst mit dem Erlass eines Anerkenntnisurteils ein. Die Klägerin durfte deshalb ungeachtet des Anerkenntnisses ihre Berufungsanträge nach Maßgabe der allgemeinen Zulässigkeitsvoraussetzungen erweitern.

Der Umstand, dass die Klägerin das erstinstanzliche Urteil zunächst nur hinsichtlich eines Teils des Streitgegenstands angefochten hatte, stünde einer Erweiterung der Anträge nur entgegen, wenn darin ein konkludenter Verzicht auf ein weitergehendes Rechtsmittel zu sehen wäre. Diesbezügliche Anhaltspunkte lagen im Streitfall schon deshalb nicht vor, weil sich die Klägerin eine Erweiterung des Berufungsantrags ausdrücklich vorbehalten hatte.

Eine Erweiterung des Berufungsantrags ist auch nach Ablauf der Frist für die Berufungsbegründung zulässig, soweit der erweiterte Antrag durch die fristgerecht eingereichte Begründung gedeckt ist. Diese Voraussetzung ist im Streitfall erfüllt, weil die Angriffe in der Berufungsbegründung der Argumentation des LG hinsichtlich des gesamten Streitgegenstands den Boden entziehen.

Praxistipp: Um Unsicherheiten zu vermeiden, empfiehlt es sich, eine auf einen Teil des Streitgegenstands beschränkte Berufungsbegründung mit dem ausdrücklichen Vorbehalt einer späteren Erweiterung zu versehen.

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Diese Woche geht es um die Regelungen über die gestörte Gesamtschuld in einem Altfall

Übergang des Direktanspruchs gegen den Kfz-Haftpflichversicherer auf den Sozialversicherungsträger
Urteil vom 7. Dezember 2021 – VI ZR 1189/20

Mit dem Verhältnis zwischen § 116 Abs. 6 SGB X aF und § 116 Abs. 1 VVG befasst sich der VI. Zivilsenat.

Die Klägerin ist eine gesetzliche Krankenversicherung. Ein bei ihr versichertes Kleinkind war bei einem Verkehrsunfall schwer verletzt worden. Fahrerin und Alleinverursacherin des Unfalls war die Mutter des Kindes, Halterin des Fahrzeugs die Großmutter. Die Klägerin verlangt von der Beklagten, bei der das Fahrzeug gegen Haftpflicht versichert war, Ersatz der entstandenen Behandlungskosten in Höhe von rund 300.000 Euro und die Feststellung der Ersatzpflicht bezüglich aller weiteren Schäden. Das LG wies die Klage ab, das OLG gab ihr statt.

Die Revision der Beklagten führt zur Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Der BGH tritt den Vorinstanzen darin bei, dass ein aus der Haftung der Fahrerin resultierender Direktanspruch gegen die Beklagte aus § 115 Abs. 1 VVG nicht gemäß § 116 Abs. 1 SGB aF auf die Klägerin übergegangen ist. Der Anspruch gegen die Fahrerin ist gemäß § 116 Abs. 6 Satz 1 SGB X in der für den Streitfall maßgeblichen, bis 31.12.2020 geltenden Fassung nicht auf die Klägerin übergegangen, weil die Schädigerin in häuslicher Gemeinschaft mit dem geschädigten Kind lebt. Damit konnte auch der Direktanspruch gegen die Beklagte nicht übergehen. Der Kfz-Haftpflichtversicherer tritt zwar gemäß § 116 Abs. 1 VVG als Gesamtschuldner neben den Schädiger. Der Direktanspruch dient aber nur der Sicherung des Anspruchs gegen den Schädiger. Er kann deshalb nur zusammen mit diesem Anspruch übergehen.

Ein Übergang des aus der Haftung der Halterin resultierenden Ersatzanspruchs scheitert im Streitfall nicht an § 116 Abs. 6 Satz 1 SGB X aF, weil diese nicht in häuslicher Gemeinschaft mit dem Kind lebt. Er ist aber nach den Grundsätzen der gestörten Gesamtschuld ausgeschlossen. Im Innenverhältnis der Schädiger haftet im Streitfall allein die Fahrerin. Eine Inanspruchnahme der Halterin hätte deshalb zur Folge, dass die Fahrerin im Regresswege doch in Anspruch genommen werden könnte. Nach den etablierten Grundsätzen der gestörten Gesamtschuld hat dies zur Folge, dass der Sozialversicherungsträger auch den Zweitschädiger nicht in Anspruch nehmen darf. Entgegen der Auffassung des OLG ergibt sich aus dem Umstand, dass der Kfz-Haftpflichtversicherer gemäß § 116 Abs. 1 VVG als weiterer Gesamtschuldner haftet und eine Belastung der privilegierten Schädigerin damit im Ergebnis nicht zu besorgen ist, nach der bis 31.12.2020 geltenden Rechtslage nicht zu einer abweichenden Beurteilung. Auch insoweit ist ausschlaggebend, dass der Direktanspruch gegen den Haftpflichtversicherer lediglich der Sicherung des Anspruchs gegen den Schädiger dient.

Praxistipp: Bei Schadensfällen aus der Zeit ab 01.01.2021 kann der Sozialversicherungsträger gemäß § 116 Abs. 6 Satz 3 SGB X nF den Ersatzanspruch auch gegen einen in häuslicher Gemeinschaft lebenden Schädiger geltend machen, soweit Versicherungsschutz gemäß § 1 PflVersG besteht.

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Im ersten Blog des Jahres 2022 geht es um Anwendbarkeit und Inhalt der Regelungen über den Verbrauchsgüterkauf

Beweislastumkehr beim Verbrauchsgüterkauf
Urteil vom 10. November 2021 – VIII ZR 187/20

Mit den Voraussetzungen des § 477 BGB befasst sich der VIII. Zivilsenat.

Der Kläger ist als Immobilienmakler in der Rechtsform des Einzelkaufmanns tätig und sammelt privat ältere Fahrzeuge. Im Juni 2012 kaufte er von der Beklagten einen damals zwanzig Jahre alten Mercedes 600 SEL mit einer Laufleistung von 117.500 km für 9.350 Euro. Wegen des Zustands des Fahrzeugs verweist der Kaufvertrag auf einen zuvor eingeholten Dekra-Siegel-Bericht. Dieser führt deutliche Gebrauchsspuren an, etwa Korrosionsansätze an den Kotflügeln und eine gebrochene Fahrwerksfeder. Kurz nach Übergabe beanstandete der Kläger einzelne Mängel. Knapp sechs Monate nach Übergabe erhob er Klage auf Schadensersatz in Höhe von rund 9.500 Euro wegen insgesamt sechs Mängeln (Rost an den Kotflügeln, Durchrostung des hinteren Teils des Auspuffs, Defekte an Klimaanlage, Drosselklappe, Antenne und Abgaskatalysator). Die Klage blieb in den beiden ersten Instanzen ohne Erfolg.

Die Revision des Klägers hat zum weitaus überwiegenden Teil Erfolg und führt insoweit zur Zurückverweisung der Sache an das OLG.

Der BGH billigt die vom OLG vorgenommene Vertragsauslegung, wonach das Fahrzeug keine Durchrostungen und keine sonstigen größeren Mängel aufweisen darf, wohl aber alters- und nutzungsbedingte Verschleißschäden. Auf dieser Grundlage hat das OLG die vom Kläger geltend gemachten Rostschäden an den Kotflügeln zu Recht nicht als Sachmangel angesehen. Hinsichtlich der weiteren Schäden kann zugunsten des Klägers hingegen die Vermutungswirkung des § 477 BGB (für den Streitfall: § 476 BGB aF) greifen.

Die Vorschriften über den Verbrauchsgüterkauf sind im Streitfall anwendbar. Das OLG ist rechtsfehlerfrei zu der Beurteilung gelangt, dass sich nicht vollständig aufklären lässt, ob der Kläger das Fahrzeug im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit oder zu privaten Zwecken gekauft hat. Entgegen der Auffassung des OLG greift in dieser Konstellation nicht die in § 344 HGB normierte Regel, wonach die von einem Kaufmann vorgenommenen Rechtsgeschäfte im Zweifel als zum Betriebe seines Handelsgewerbes gehörend anzusehen sind. Maßgeblich ist vielmehr die Regel des § 13 BGB, wonach Rechtsgeschäfte einer natürlichen Person, die nicht überwiegend einer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden können, als Geschäfte eines Verbrauchers anzusehen sind.

Die danach maßgebliche Regelung in § 477 BGB, wonach vermutet wird, dass die Kaufsache schon bei Gefahrübergang mangelhaft war, wenn sich innerhalb von sechs Monaten ein Sachmangel zeigt, gilt für Verschleißschäden jedenfalls dann, wenn sich innerhalb der Sechsmonatsfrist ein Zustand einstellt, der nach dem Vertrag einen Mangel darstellt.

Das OLG wird deshalb klären müssen, ob das hintere Auspuffteil bereits innerhalb von sechs Monaten nach Übergabe durchrostet war, denn eine Durchrostung stellt nach der zwischen den Parteien getroffenen Beschaffenheitsvereinbarung einen Sachmangel dar.

Hinsichtlich der Rostschäden an den Kotflügeln scheiden Gewährleistungsansprüche hingegen aus, weil es sich insoweit nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen des Berufungsgerichts um Verschleißschäden handelt und eine Durchrostung nicht geltend gemacht ist.

Hinsichtlich der Defekte an Drosselklappe, Klimaanlage, Abgaskatalysator und Antenne muss das OLG klären, ob innerhalb der Sechsmonatsfrist ein Zustand aufgetreten ist, für den als Ursache nicht nur der übliche Verschleiß in Betracht kommt, sondern auch ein dem Verkäufer zuzurechnender Umstand. Falls die Vermutungswirkung des § 477 BGB danach zugunsten des Klägers greift, muss dieser zusätzlich beweisen, dass der während der Sechsmonatsfrist eingetretene Zustand bis zum Zeitpunkt der Ausübung der Gewährleistungsrechte und bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung bzw. einer berechtigten Selbstvornahme fortbestanden hat. Eine weitergehende Beweisführung ist jedenfalls dann nicht erforderlich, wenn der Käufer innerhalb der Sechsmonatsfrist alle Voraussetzungen für die Entstehung des Gewährleistungsanspruchs geschaffen hat. Dieses Erfordernis ist im Streitfall erfüllt.

Praxistipp: Die Voraussetzungen für die geltend gemachten Gewährleistungsansprüche – insbesondere eine erforderliche Fristsetzung – sollten möglichst innerhalb der Sechsmonatsfrist des § 477 BGB geschaffen werden.