Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um die Wissenszurechnung bei Rechtsgeschäften eines Testamentsvollstreckers

Denkmaleigenschaft als Sachmangel
Urteil vom 19. März 2021 – V ZR 158/19

Mit der Haftung für die denkmalrechtliche Einordnung eines verkauften Hauses befasst sich der V. Zivilsenat.

Der Kläger verkaufte dem Beklagten im Jahr 2009 als Testamentsvollstrecker über den Nachlass seines Vaters ein Wohnhaus in Hamburg für fünf Millionen Euro. Der Vertrag sieht den Ausschluss der Haftung für Sachmängel vor. Er enthält ferner den Hinweis, das Objekt sei nach Kenntnis des Verkäufers nicht auf der Denkmalschutzliste verzeichnet, weise aus Sicht des Denkmalpflegers jedoch erhaltenswerte Bauelemente auf. Im Februar 2012 erhielt der Kläger eine Baugenehmigung zur Sanierung des Gebäudes. Anfang 2013 wurde das Haus in die Denkmalliste eingetragen. Der Kläger musste seine Planung daraufhin ändern. Er begehrt vom Beklagten Ersatz des Minderwerts und vergeblicher Aufwendungen in Höhe von rund 2,8 Millionen Euro. Das LG wies die Klage ab. Das OLG erklärte sie dem Grunde nach für gerechtfertigt.

Der BGH stellt das erstinstanzliche Urteil wieder her.

Mit dem OLG geht der BGH davon aus, dass die Denkmaleigenschaft eines verkauften Gebäudes grundsätzlich einen Sachmangel darstellt. Im Streitfall stand das Gebäude im Zeitpunkt des Gefahrübergangs im Jahr 2009 aber noch nicht unter Denkmalschutz. Dieser wurde nach den damals geltenden Bestimmungen erst durch Eintragung in die Denkmalliste begründet, also Anfang 2013.

Der Beklagte musste den Kläger vor Vertragsschluss allerdings darauf hinweisen, dass das Gebäude schon seit 2006 in ein Verzeichnis erkannter Denkmäler eingetragen war. Der BGH lässt offen, ob diese Eintragung ebenfalls einen Sachmangel begründete. Eine Hinweispflicht bestand jedenfalls gemäß § 311 Abs. 2 BGB, weil es sich um einen für die Entschließung des Käufers wesentlichen Umstand handelte.

Entgegen der Auffassung des OLG fehlt es jedoch an der nach § 444 BGB erforderlichen Arglist. Der Kläger, dem die Eintragung in das Verzeichnis nicht bekannt war, muss sich die Kenntnis seiner Geschwister und Miterben nicht zurechnen lassen. Diese waren nicht mit Aufgaben in Bezug auf das Grundstück betraut. Testamentsvollstrecker und Erben bilden auch keine arbeitsteilige Organisation, innerhalb derer relevante Kenntnisse an die entscheidenden Personen weitergeleitet werden müssen. Die Kenntnis der Hausverwaltung muss sich der Kläger ebenfalls nicht zurechnen lassen. Diese war in die Veräußerung des Anwesens nicht einbezogen.

Praxistipp: Wenn Hinweise auf Denkmalschutz bestehen, sollte der Käufer sich vor Vertragsschluss selbst an das Denkmalamt wenden, um den rechtlichen Status des Gebäudes abzuklären.

Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um die Haftung als Zustandsstörer gemäß § 1004 BGB

Haftung als Zustandsstörer für vermietete Abfallcontainer
Urteil vom 26. März 2021 – V ZR 77/20

Mit den Pflichten des Vermieters eines Abfallcontainers gegenüber einem Grundstückseigentümer befasst sich der V. Zivilsenat.

Die Klägerin hatte ein Grundstück an eine später insolvent gewordene UG vermietet. Die Beklagte stellte im Auftrag der Mieterin zwei Abfallcontainer auf dem Grundstück auf und übernahm es, diese nach Befüllung mit Altholz zur Entsorgung abzuholen. Zur Abholung der befüllten Container kam es nicht, weil die Mieterin die Rechnung der Beklagten nicht bezahlte. Nach Beendigung des Grundstücksmietvertrags verlangte die Klägerin von der Beklagten die Entfernung der befüllten Container. Das AG verurteilte die Beklagte lediglich zur Abholung in leerem Zustand. Das LG gab der Klage in vollem Umfang statt.

Die Revision der Beklagten bleibt erfolglos. Der Klägerin steht aus § 1004 Abs. 1 BGB ein Anspruch auf Entfernung der Container samt Inhalt zu. Das der Mieterin zustehende Recht zum Besitz des Grundstücks, das gemäß § 1004 Abs. 2 BGB Beseitigungsansprüche der Klägerin gegen Dritte ausschloss, ist mit Beendigung des Grundstücksmietvertrags erloschen. Von diesem Zeitpunkt an stellt der weitere Verbleib der Container auf dem Grundstück eine rechtswidrige Beeinträchtigung des Grundstückseigentums dar. Die Beklagte haftet für diese Beeinträchtigung als Zustandsstörerin, weil sie die Container zum Zweck der späteren Abholung in befülltem Zustand auf dem Grundstück abgestellt hat. Der hieraus resultierenden Verantwortung gegenüber der Klägerin darf sie sich nicht deshalb entziehen, weil die Mieterin die aus dem Auftrag resultierende Zahlungspflicht nicht erfüllt hat. Die Störerhaftung der Beklagten erstreckt sich auch auf Abfall, den Dritte unbefugt in die Container eingeworfen haben, weil diese frei zugänglich waren. Ob dies auch für Gift- oder Gefahrstoffe gilt, deren Entsorgung mit hohen Kosten verbunden ist, lässt der BGH offen.

Praxistipp: Der Beklagte kann in solchen Konstellationen das Kostenrisiko reduzieren, indem er die Pflicht zur Abholung in leerem Zustand bereits vorgerichtlich und nach Klageerhebung unverzüglich auch gegenüber dem Gericht anerkennt.

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Diese Woche geht es um die Hemmung der Verjährung durch eine im EU-Ausland zuzustellende Klage

Demnächst erfolgte EU-Auslandszustellung
Urteil vom 25. Februar 2021 – IX ZR 156/19

Mit den Möglichkeiten der Klagezustellung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union und deren Auswirkungen auf die Hemmung der Verjährung befasst sich der IX. Zivilsenat.

Der klagende Insolvenzverwalter macht gegen die in Frankreich ansässige Beklagte Ansprüche aus Insolvenzanfechtung geltend. Er reichte die Klage am 15.12.2015 – gut zwei Wochen vor Ablauf der Verjährungsfrist – in deutscher Sprache ein und bat um Übersendung einer Kostenrechnung für die „notwendige Übersetzung“. Den am 29.12.2015 angeforderten Gerichtskostenvorschuss zahlte er am 31.12.2015. Eine Anfrage des LG, ob die Klageschrift übersetzt werden solle, bejahte er umgehend. Den dafür angeforderten Auslagenvorschuss zahlte er innerhalb einer Woche. Die daraufhin vom LG in Auftrag gegebene Übersetzung ging am 24.10.2016 bei Gericht ein. Sie wurde zusammen mit der Klageschrift am 09.12.2016 zugestellt, also knapp ein Jahr nach Einreichung der Klage. Das LG verurteilte die Beklagte antragsgemäß. Das OLG wies die Klage wegen Verjährung ab.

Der BGH verweist die Sache an das OLG zurück. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz ist die Verjährung gemäß § 167 ZPO mit Einreichung der Klageschrift gehemmt worden, weil die Klage demnächst zugestellt wurde.

Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH stehen Verzögerungen bei der Zustellung der Klageschrift einer Rückwirkung nach § 167 ZPO nur insoweit entgegen, als sie durch nachlässige Prozessführung des Klägers verursacht worden sind.

Im Streitfall war der Kläger nicht gehalten, eine Zustellung ohne Übersetzung zu beantragen. Eine solche Zustellung wäre nach Art. 5 der Verordnung (EG) Nr. 1393/2007 über die Zustellung von Schriftstücken (EuZVO) zwar zulässig gewesen. Sie hätte aber die Gefahr begründet, dass die Beklagte die Annahme gemäß Art. 8 Abs. 1 EuZVO mangels Kenntnis der deutschen Sprache verweigert. Dies hätte zu mindestens ebenso großen Verzögerungen führen können wie die vorherige Anfertigung einer Übersetzung.

Der Kläger war auch nicht gehalten, schon vor der Einreichung der Klage selbst eine Übersetzung in Auftrag zu geben. Eine vom Gericht in Auftrag gegebene Übersetzung bot eine höhere Richtigkeitsgewähr. Deshalb war der Kläger auch dann nicht zu weiteren Maßnahmen verpflichtet, als sich abzeichnete, dass sich die Fertigstellung der vom Gericht angeforderten Übersetzung verzögert. Ihn traf insoweit nicht einmal eine Nachfrageobliegenheit.

Praxistipp: Auch wenn grundsätzlich keine Nachfrageobliegenheit besteht, sollte der Klägeranwalt in solchen Fällen regelmäßig überprüfen und in Zweifelsfällen bei Gericht nachfragen, ob von seiner Seite noch etwas zu veranlassen ist.

Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um die Haftung eines Sportverbands und von Übungsleitern bei einem Kadertraining

Unterlassene Erste-Hilfe-Maßnahmen bei einem Kadertraining
Urteil vom 19. Januar 2021 – VI ZR 188/17

Mit den Anspruchsgrundlagen und dem Sorgfaltsmaßstab bei Gesundheitsschäden während einer Trainingsveranstaltung eines Sportverbands befasst sich der VI. Zivilsenat.

Der damals fünfzehnjährige Kläger nahm im Jahr 2009 an einem Kreiskadertraining für minderjährige Tischtennisspieler teil. Veranstalter war der Beklagte zu 1, ein Verband von Tischtennisvereinen. Die Beklagten zu 2 und 3 waren bei der Veranstaltung als Trainer eingesetzt. Nach einem Schnelligkeitstraining brach der Kläger zusammen und verlor das Bewusstsein. Der Beklagte zu 3 brachte ihn in stabile Seitenlage, andere Anwesende suchten in der Sporttasche des Klägers nach Asthmamitteln. Nach einiger Zeit wurde ein Notarzt verständigt. Dieser traf vier Minuten später ein und stellte einen Herz-Kreislauf-Stillstand sowie eine komplette Blaufärbung von Haut und Schleimhäuten fest. Sofort eingeleitete Wiederbelebungsmaßnahmen führten nach fünf Minuten dazu, dass der Kläger kreislaufstabil war. In der Folgezeit zeigte sich eine Hirnschädigung aufgrund von Sauerstoffmangel. Der Kläger ist auf Dauer schwerst pflegebedürftig. Die auf Zahlung von Schmerzensgeld und Feststellung der Ersatzpflicht für zukünftige materielle Schäden gerichtete Klage hatte in erster Instanz gegenüber den Beklagten zu 2 und 3 Erfolg. Das OLG wies die Klage insgesamt ab.

Der BGH verweist die Sache an das OLG zurück.

Entgegen der Auffassung der Vorinstanz haftet der Beklagte zu 1 dem Kläger für eventuelle Pflichtverletzungen aus Vertrag. Der BGH lässt offen, ob sich eine Vertragsbeziehung schon daraus ergibt, dass der Kläger Mitglied eines dem Beklagten zu 1 angehörenden Vereins war, und ob die Einladung zu dem Kadertraining als Angebot auf Abschluss eines Betreuungsvertrags anzusehen ist. Ein Trainingsvertrag kam jedenfalls konkludent durch Aufnahme des Trainings zustande. Der Beklagte war aufgrund dieses Vertrags verpflichtet, diejenigen Sicherheitsvorkehrungen zu treffen, die ein gewissenhafter Veranstalter für ausreichend halten darf, um die Teilnehmer vor Schäden zu bewähren. Hierbei haftet er für jede Art der Fahrlässigkeit. § 680 BGB, der für Geschäftsführer ohne Auftrag eine Haftungsbeschränkung auf grobe Fahrlässigkeit vorsieht, ist nicht anwendbar, weil eine Vertragsbeziehung bestand. Für Pflichtverletzungen der Beklagten zu 2 und 3 hat der Beklagte zu 1 nach § 278 BGB einzustehen.

Die Beklagten zu 2 und 3 haften nach Maßgabe von § 823 Abs. 1 BGB. Auch ihnen gegenüber greift die Haftungsbeschränkung nach § 680 BGB nicht. Sie waren nicht als eigenständige Geschäftsführer tätig, sondern als Erfüllungsgehilfen des Beklagten zu 1.

Eine Pflichtverletzung der Beklagten zu 2 und 3, die über eine Ausbildung in Erster Hilfe verfügen, liegt vor, wenn sie den Notarzt erst zehn Minuten nach dem Zusammenbruch verständigt oder wenn sie von sofortigen Maßnahmen zur Wiederbelebung abgesehen haben, obwohl deren Notwendigkeit für sie erkennbar war. Zur ersten Frage haben die Vorinstanzen keine Feststellungen getroffen, die zweite Frage haben sie unter der unzutreffenden Prämisse beurteilt, die Beklagten hafteten nur für grobe Fahrlässigkeit.

Praxistipp: Bei einer Klage gegen einen Verband ist besonders sorgfältig auf die zutreffende Parteibezeichnung zu achten. Insbesondere sollte die Klage nicht gegen unselbständige Unterorganisationen gerichtet werden.

Montagsblog: Neues vom BGH

Im Montagsblog Nr. 200 geht es um die Reichweite des Formerfordernisses aus § 311b Abs. 1 BGB

Auftrag zur Beschaffung eines Grundstücks
Urteil vom 15. Januar 2021 – V ZR 210/19

Mit der Heilung eines zunächst formnichtigen Auftrags befasst sich der V. Zivilsenat.

Der Kläger war Eigentümer eines bebauten Grundstücks, das er selbst nutzte. Im Jahr 1999 wurde das Insolvenzverfahren über sein Vermögen eröffnet. Um den Verlust des Grundstücks zu vermeiden, vereinbarte er mit den Beklagten mündlich, dass diese das Grundstück in der Zwangsversteigerung erstehen, dass der Kläger es gegen Erstattung der für die Finanzierung anfallenden Zins- und Tilgungsleistungen weiter nutzen darf und dass der Kläger berechtigt ist, das Objekt jederzeit gegen Erstattung aller noch offenen Kosten zurückzuerwerben. Nach Erwerb des Grundstücks schlossen die Beklagten mit dem Kläger einen schriftlichen Mietvertrag. Darin bestätigten sie ihre zuvor getroffenen mündlichen Vereinbarungen. Im Jahr 2017 kündigten die Beklagten das Mietverhältnis. Der Kläger erhob Stufenklage auf Auskunft über den noch valutierten Betrag der zur Finanzierung aufgenommenen Hypothek und auf Übereignung des Grundstücks Zug um Zug gegen Zahlung dieses Betrags. Die Klage blieb in den beiden ersten Instanzen erfolglos.

Der BGH verweist die Sache an das OLG zurück.

Die Vorinstanzen sind zwar zu Recht davon ausgegangen, dass die mündlich getroffene und schriftlich bestätigte Abrede zwischen den Parteien ursprünglich unwirksam war, weil der Vertrag gemäß § 311b Abs. 1 Satz 1 BGB der notariellen Form bedurfte. Das Formerfordernis ergab sich jedoch nur aus dem Umstand, dass sich die Beklagten zum Erwerb eines Grundstücks verpflichtet haben. Der daraus resultierende Formmangel ist gemäß § 311b Abs. 1 Satz 2 BGB durch Eintragung der Beklagten als Eigentümer im Grundbuch geheilt worden.

Der Umstand, dass sich die Beklagten zugleich verpflichtet haben, das Grundstück auf Verlangen an den Kläger zu übereignen, führt hingegen nicht zur Formbedürftigkeit. Diese Pflicht ergibt sich nicht aus der Vereinbarung der Parteien. Sie folgt schon aus § 667 BGB, wonach der Auftragnehmer das aus der Geschäftsbesorgung Erlangte an den Auftraggeber herauszugeben hat. Solche Pflichten fallen nicht unter den Tatbestand des § 311b Abs. 1 BGB. Dies gilt auch dann, wenn die Parteien die aus dem Gesetz folgende Verpflichtung eingeschränkt haben. Deshalb ist im Streitfall unschädlich, dass die Beklagten das Grundstück nicht sofort an den Kläger weitergeben sollten.

Praxistipp: Die Form des § 311b Abs. 1 BGB ist auch dann erforderlich, wenn sich der Auftraggeber verpflichtet, das erworbene Grundstück vom Beauftragten zu übernehmen.

Die Professoren Stefan Leible, Peter Mankowski und Ansgar Staudinger im Interview zu grenzüberschreitenden B2B-Verträgen, der nicht einfachen Suche nach dem zuständigen Gericht bei grenzüberschreitenden Klagen und der dabei entscheidenden Frage, wie Mandanten zu ihrem Recht kommen sowie zum Komplex der grenzüberschreitenden Verbrauchersachen

Grenzüberschreitende Mandate nehmen in der anwaltlichen Praxis von Jahr zu Jahr zu. Die damit verbundenen Fragestellungen sind vielfältig, häufig schwer und mit hohem Rechercheaufwand zu beantworten. Daran orientiert, haben die Autoren des gerade in 5. Auflage erschienenen Bandes „Brüssel Ia-VO“ aus der Reihe „Europäisches Zivilprozess- und Kollisionsrecht“ ihre Kommentierung konsequent ausgerichtet. Die drei Autoren des Bandes standen mir für einige sehr unterschiedliche praxisrelevante Fragen zur Verfügung.

Pittrich: Vielen Dank, dass Sie uns für das Interview zur Verfügung stehen. Ich darf, Herr Professor Mankowski, mit der Frage beginnen, mit denen viele grenzüberschreitend beratende Anwält_innen konfrontiert sind: Gibt es für die Gestaltung grenzüberschreitender B2B-Verträge eigentlich etwas Wichtigeres als Gerichtsstandsvereinbarungen?

Mankowski: Ein klares Nein. Die Dispute Resolution Clause sollte am Anfang jeder seriösen „internationalen“ Vertragsgestaltung stehen. Im europäischen Raum ist Art. 25 Brüssel Ia-VO von überragender Bedeutung. In der täglichen Praxis sind Spezialfragen und Details zu klären, z.B. zu Unternehmensverbünden, Mehrparteienvereinbarungen oder Konflikten zwischen mehreren Gerichtsstandsvereinbarungen. Das spiegelt sich auch in einer Vielzahl von Entscheidungen des EuGH wider.

Pittrich: Eine andere Frage, die ich immer wieder aus der Praxis höre, ist: Wo ist die „Grenze“ zwischen grenzüberschreitendem Zivil- und Öffentlichem Recht?

Mankowski: Die Abgrenzung zwischen Zivilsachen einerseits und öffentlich-rechtlichen Sachen hat sich zu einem Dauerbrenner entwickelt. Hier ist die Grenze für eine Vielzahl von Gebieten, z.B. für die staatliche Exportförderung durch Bürgschaften und Garantien, zu ziehen. Aktuelles Beispiel für die Bedeutung der Abgrenzung ist die Entscheidung des EuGH vom 7. Mai 2020 (C-641/18, ECLI:EU:C:2020:349 – LG/Rina SpA u. Ente Registro Italiano Navale): Auf welche Seite der Grenze fällt die Haftung eines Schiffszertifizierers, wenn eine Zertifizierung rechtlich zwingend vorgeschrieben ist? Das betrifft übrigens keineswegs nur die Schiffszertifizierung, sondern vielmehr jegliche Art von Pflichtzertifizierung.

Pittrich: Die nachfolgende Frage, Herr Professor Leible, hört sich einfacher an, als sie vielleicht ist: Wie findet man bei grenzüberschreitenden Klagen das zuständigen Gericht, damit die Mandanten schnell zu ihrem Recht kommen?

Leible: In der Tat ist diese Frage nicht so leicht zu beantworten, da sich, je nach Fall, viele unterschiedliche Fragen anschließen. Um die Komplexität der Frage zu verdeutlichen möchte ich mit „Gegenfragen“ antworten. Grenzüberschreitende Verträge sind einer der häufigsten Gründe für grenzüberschreitende Klagen. Aber wie bestimme ich das für Streitigkeiten aus solchen Verträgen zuständige Gericht, wenn es an einer Gerichtsstandsvereinbarung fehlt? Wie bestimme ich autonom, d.h. ohne Rückgriff auf das nationale Recht, nach der Brüssel Ia-VO den vertraglichen Erfüllungsort? Welche Besonderheiten gelten für Kauf- und welche für Dienstleistungsverträge? Wie und vor allem unter welchen Voraussetzungen wirken Erfüllungsortvereinbarungen? Und was gilt bei mehreren Liefer- oder Leistungsorten? Es fehlt hier leider der Platz, um Ihre Frage zu beantworten, ich hoffe aber einen Einblick in die Problematik gegeben zu haben und erlaube mir auf meine ausführliche Kommentierung in „Brüssel Ia-VO“ zu verweisen.

Pittrich: Ein brennendes, aktuelles Problem sind über das Internet begangene unerlaubte Handlungen und die Bestimmung des Gerichtsstands. Was ist hier zu beachten?

Leible: Bei der ohnehin häufig schwierigen Bestimmung des Gerichtsstands bei grenzüberschreitenden Delikten, spielen seit dem Eintritt in das elektronische Zeitalter über das Internet begangene unerlaubte Handlungen eine besondere Rolle. Maßgeblich ist auch hier grundsätzlich der Ort des Eintritts des schädigenden Ereignisses. Für Internetdelikte hat der EuGH in den vergangenen Jahren freilich die Kriterien zur Bestimmung des Schadensortes weiterentwickelt und verfeinert. Dies gilt ebenso für die gerade auch im grenzüberschreitenden Bereich in letzten Jahren immer bedeutsamer gewordenen Fälle er Veruntreuung von Anlagegeldern oder des Kapitalanlagebetrugs.

Pittrich: Herr Professor Staudinger, von erhebliche Praxisrelevanz sind grenzüberschreitende Verbrauchersachen, die in den Art. 17 ff. Brüssel Ia-VO geregelt sind. Wie sieht es aus, wenn ein privater Kapitalanleger, möglicherweise in Millionenhöhe, Geld investiert? Gilt auch der als Verbraucher?

Staudinger: In der Tat geht es hier um eine Abgrenzungsfrage. Eine Antwort gibt der Europäische Gerichtshof in seiner aktuellen Entscheidung vom 2. April 2020 (Rechtsache C-500/18). So hängt die Verbrauchereigenschaft für das Internationale Zivilverfahrensrecht lediglich davon ab, dass eine natürliche Person mit dem Abschluss des Vertrages einen privaten Zweck verfolgt. Die Höhe der investierten Geldbeträge oder auch die Anzahl von durchgeführten Transaktionen sind insofern irrelevant.

Pittrich: Haben Sie einen Tipp, welcher Punkt oder welche Regelungen bei der Beantwortung von Zuständigkeitsfragen in Verbrauchersachen des Unionsprivatrechts zusätzlich zu beachten sind?

Staudinger: Wichtig ist bei der Beantwortung der Frage nach der Zuständigkeit in grenzüberschreitenden Verbrauchersachen, dass immer auch das anwendbare Recht nach Maßgabe der Rom I-VO in den Blick genommen wird. Ein Beispiel hierfür ist die Kontrolle von Gerichtsstandsvereinbarungen zwischen Unternehmern und Verbrauchern. Derartige Gerichtsstandsklauseln werden nicht nur nach Art. 19 und Art. 25 Brüssel Ia-VO überprüft, sondern gleichermaßen anhand des AGB-Rechtes. Doch welches AGB-Recht ist überhaupt einschlägig bei einem internationalen Sachverhalt? Hier sind die einschlägigen Regelungen der Rom I-VO mitzuberücksichtigen.

Pittrich: Herzlichen Dank für das Interview!

[1] Professor Dr. Stefan Leibleist Präsident der Universität Bayreuth, und hat dort den Lehrstuhl Zivilrecht IV: Bürgerliches Recht, Internationales Privatrecht und Rechtsvergleichung inne. Seine Forschungsschwerpunkte liegen vor allem im deutschen und europäischen Privat- und Wirtschaftsrecht und der Privatrechtsvergleichung.

[2] Professor Dr. Peter Mankowski ist Ordinarius für Bürgerliches Recht, Rechtsvergleichung und Internationales Privat- und Prozessrecht an der Universität Hamburg. Er veröffentlicht in deutscher und englischer Sprache, mit dem Schwerpunkt des internationalen Privat- und Prozessrechts. Weitere Themenbereiche seiner Publikationen sind: Allgemeines Zivilrecht, Lauterkeitsrecht, Verbraucherschutzrecht, Schiedsrecht und Internationales Einheitsrecht sowie Rechtsvergleichung.

[3] Professor Dr. Ansgar Staudinger ist Universitätsprofessor für Bürgerliches Recht, Internationales Privatrecht, Deutsches und Internationales Verfahrensrecht, Europäisches Privatrecht, Versicherungsrecht sowie Rechtsvergleichung an der Universität Bielefeld. Er engagiert sich in vielen Institutionen und ist u.a Präsident des Deutschen Verkehrsgerichtstags und der Deutschen Gesellschaft für Reiserecht.

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Diese Woche geht es um die Zuständigkeit zur Beglaubigung einer Vorsorgevollmacht

Beglaubigung einer Vorsorgevollmacht
Beschluss vom 12. November 2020 – V ZB 148/19

Mit der Beglaubigungsbefugnis der Betreuungsbehörden gemäß § 6 BtBG befasst sich der V. Zivilsenat.

Ein im Jahr 2016 verstorbener Erblasser hatte den beiden Verfahrensbeteiligten im Jahr 2011 in einer als Vorsorgevollmacht bezeichneten Urkunde jeweils Einzelvollmacht zu seiner Vertretung in der Gesundheitsfürsorge, vertraglichen Angelegenheiten und Rechtsstreitigkeiten sowie in allen Vermögensangelegenheiten einschließlich des Erwerbs und der Veräußerung von Vermögen erteilt, und zwar mit der Maßgabe, dass die Vollmacht über den Tod hinaus gültig sein soll. Die Urkundsperson der Betreuungsbehörde beglaubigte die Echtheit der Unterschrift gemäß § 6 Abs. 2 Satz 1 des Betreuungsbehördengesetzes (BtBG). Im Jahr 2019 übertrug die Beteiligte zu 1 im Namen der unbekannten Erben den zum Nachlass gehörenden Grundbesitz unentgeltlich auf den Beteiligten zu 2. Das Grundbuchamt gab den Beteiligten durch Zwischenverfügung auf, eine Genehmigungserklärung der Erben und einen Erbnachweis vorzulegen. Die dagegen gerichtete Beschwerde blieb ohne Erfolg.

Der BGH hebt die Zwischenverfügung auf.

Entgegen der Auffassung des Grundbuchamts hat die Beteiligte zu 1 ihre Vollmacht in der nach § 29 Abs. 1 Satz 1 GBO erforderlichen Form nachgewiesen. Die nach § 6 Abs. 2 Satz 1 BtBG zulässige Beglaubigung einer Vorsorgevollmacht durch einen dafür gemäß § 6 Abs. 4 Satz 1 BtBG ermächtigten Mitarbeiter der Betreuungsbehörde ist eine öffentliche Beglaubigung im Sinne von § 29 Abs. 1 Satz 1 GBO.

Eine Vorsorgevollmacht im Sinne von § 6 Abs. 2 Satz 1 BtBG ist eine Vollmacht, die zu dem Zweck erteilt wird, eine künftig mögliche Betreuungsbedürftigkeit zu vermeiden. Eine solche Zwecksetzung ergibt sich im Streitfall schon aus der Bezeichnung als Vorsorgevollmacht. Die Beglaubigungsbefugnis nach § 6 Abs. 2 Satz 1 BtBG besteht auch für Vollmachten, die im Außenverhältnis unbedingt erteilt und nur im Innenverhältnis auf den Vorsorgefall beschränkt werden, und für Vollmachten, die über den Tod des Vollmachtgebers hinaus gelten sollen.

Praxistipp: Welche Behörde auf örtlicher Ebene in Betreuungsangelegenheiten zuständig ist, bestimmt sich gemäß § 1 Abs. 1 BtBG nach Landesrecht. In der Regel ist sie auf Ebene der Stadt- und Landkreise angesiedelt. Örtlich zuständig ist gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 BtBG die Behörde, in deren Bezirk der Betroffene seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Für die Wirksamkeit der Beglaubigung genügt die sachliche Zuständigkeit.

Kann bald der inländischen Verbraucher seinen deutschen Reiseveranstalter an seinem Firmensitz verklagen?

Das Landgericht Mainz hat am 16. Juli 2020 in der Rechtssache C-317/20, BeckEuRS 2020, 652467 ein Vorabentscheidungsersuchen zum EuGH eingereicht mit der Frage, ob Artikel 18 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (Brüssel Ia-VO) dahingehend auszulegen sei, dass die Vorschrift neben der Regelung der internationalen Zuständigkeit auch eine durch das entscheidende Gericht zu beachtende Regelung über die örtliche Zuständigkeit der nationalen Gerichte in Reisevertragssachen trifft, wenn sowohl der Verbraucher als Reisender als auch sein Vertragspartner, der Reiseveranstalter, ihren Sitz im gleichen Mitgliedsstaat haben, das Reiseziel aber nicht in diesem Mitgliedsstaat, sondern im Ausland liegt (sog. „unechte Inlandsfälle“), mit der Folge, dass der Verbraucher vertragliche Ansprüche gegen den Reiseveranstalter in Ergänzung nationaler Zuständigkeitsvorschriften an seinem Wohnsitzgericht einklagen könne?

Möglicherweise steht den Reiseveranstaltern ein Paradigmenwechsel hinsichtlich des Gerichtsstandes bevor. Der für die Anwendung der Zuständigkeitsregeln der Brüssel Ia-VO notwendige Auslandsbezug könne sich möglicherweise auch aus dem Erfüllungsort einer Pauschalreise im ausländischen Mitgliedsstaat oder Drittstaat ergeben. Wenn also z. B. ein Pauschalreisender aus München bei seinem Reiseveranstalter mit Sitz in Hannover eine Reisepreisminderung einklagen möchte, will das LG Mainz geklärt haben, ob der Verbraucher seine vertraglichen Ansprüche gegen seinen Reiseveranstalter sowohl am Sitz in Hannover als auch an seinem Wohnsitz in München einklagen könne.

Die EU-Kommission schlägt in ihrer Stellungnahme vom 8.12.2020 vor, diese Frage zu bejahen, obwohl die bisher ganz herrschende Meinung in der Rechtsprechung und der reiserechtlichen Literatur einen solchen Verbrauchergerichtsstand am Wohnort des Reisenden abgelehnt hat (vgl. Führich, Reiserecht, 7. Aufl. 2015, § 4 Rn. 9, ff. 11 m.w. Nachw. Die Kommission ist der Auffassung, dass sich der Gerichtsstand bei solchen unechten Inlandsfällen „ausschließlich“ nach der Brüssel Ia-VO richte und die nationalen Zuständigkeitsvorschriften der §§ 12 ff. ZPO auch nicht subsidiär gelten, sondern durch das vorrangige EU-Recht verdrängt würden. Werde also ein Pauschalreisevertrag zwischen zwei inländischen Vertragspartnern grenzüberschreitend erfüllt mit z.B. einem Flug nach Mallorca und einem dortigen Hotelaufenthalt oder einer Kreuzfahrt mit verschiedenen ausländischen Hafenanlandungen sei die Brüssel Ia-VO vorrangig heranzuziehen (so bisher Staudinger in Führich/Staudinger, Reiserecht, 8. Aufl. 2019, § 4 Rn. 2 m.w.Nachw.).

Ich habe nach wie vor erhebliche Zweifel, ob die Internationalität einer Pauschalreise durch eine ausländische Destination als Zielgebiet ausreicht, den für die Brüssel Ia-VO notwendigen Auslandsbezug zu schaffen, außer das anwendbare Kollisionsrecht beruft selbst das ausländische Recht oder den Gerichtsstand wie z. B. bei der Miete eines Ferienhauses in der EU nach Art. 24 Nr. 1 Brüssel Ia-VO. Ein normrelevanter Auslandsbezug ist m. E. abzulehnen, wenn ein Reiseveranstalter Teile seiner Reiseleistungen im Ausland zu erbringen hat. Reisevertraglich werden damit keine Rechtsnormen des Zielgebiets angewendet. Auch eine deliktische Handlung im Zielgebiet ist als mögliche Verkehrsicherungspflichtverletzung nicht im Ausland begangen, da es nicht auf den Erfolgsort der Pflichtverletzung ankommt. Eine mögliche Pflichtverletzung eines deutschen Veranstalters ist dem inländischen Management zuzurechnen. Letztlich hat auch der deutsche Gesetzgeber einen zusätzlichen Verbrauchergerichtsstand nach Art. 18 der Brüssel Ia-VO nicht gewollt. Würde man Art. 18 der VO derartig erweiternd auslegen, würde in unzulässiger Weise in die Kompetenz des nationalen Gesetzgebers in Berlin eingegriffen werden. Die ZPO kennt bis heute keinen allgemeinen Verbrauchergerichtsstand. Eine Ausnahme ist nur Art. 225 VVG mit einem Verbrauchergerichtsstand in Versicherungssachen (Führich in Führich/Staudinger, Reiserecht, § 30 Rn. 27). Mit einer solchen Auslegung des Art. 18 der Brüssel Ia-VO würden fast alle deutschen Regelungen des Gerichtsstands der §§ 12 ff. ZPO ihres Anwendungsbereichs beraubt (Führich, Reiserecht, 7. Aufl. 2015, § 4 Rn. 11 m. w. Nachw.).

Prof. Dr. Ernst Führich

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Diese Woche geht es um die Pflichten des Inhabers einer Internetanschlusses nach einer Urheberrechtsverletzung

Angabe des Täters einer Urheberrechtsverletzung
Urteil vom 17. Dezember 2020 – I ZR 228/19

Mit der Frage einer Auskunftspflicht des Inhabers eines Internetanschlusses befasst sich der I. Zivilsenat.

Die Klägerin nahm den Beklagten wegen des unbefugten Anbietens eines urheberrechtlich geschützten Computerspiels auf Schadensersatz in Anspruch. Das Angebot war über einen Internetanschluss verbreitet worden, dessen Inhaberin der Beklagte ist. Auf die Abmahnung der Klägerin hatte der Beklagte eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben, zugleich aber mitgeteilt, er selbst habe das Spiel nicht öffentlich im Internet zugänglich gemacht. Auf die von der Klägerin erhobene Klage auf Erstattung von Abmahnkosten und Schadensersatz in Höhe von insgesamt rund 1.900 Euro trug der Beklagte vor, die Verletzung sei durch den Sohn einer Arbeitskollegin seiner Lebensgefährtin begangen worden. Die Klägerin beantragte zuletzt nur noch die Feststellung, dass der Beklagte ihr die Kosten des Rechtsstreits zu ersetzen hat. Dieser Antrag blieb in den beiden ersten Instanzen ohne Erfolg.

Die Revision der Klägerin hat ebenfalls keinen Erfolg. Der Antrag ist zwar zulässig, weil die Klägerin die zu erstattenden Kosten nicht beziffern und ihren Anspruch wegen der Rücknahme des Hauptantrags nicht im Wege der Kostenfestsetzung geltend machen kann. Er ist aber unbegründet, weil der Beklagte unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt verpflichtet war, den Täter zu benennen. Eine Nebenpflicht zur Auskunftserteilung aus dem Unterlassungsvertrag scheidet aus, weil der Beklagte beim Abschluss dieses Vertrags bereits darauf hingewiesen hat, dass er nicht der Täter ist. Aus der Verletzung des Urheberrechts ergibt sich eine solche Pflicht nicht, weil der Beklagte für die Verletzung nicht verantwortlich ist. Die Stellung als Inhaber des Anschlusses, über den die Verletzung begangen wurde, begründet auch kein vorvertragliches Schuldverhältnis, das zu einer Auskunftspflicht führen könnte. Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag scheiden in dieser Konstellation ebenfalls aus. Eine Ersatzpflicht aus § 826 BGB käme allenfalls dann in Betracht, wenn der Beklagte vorprozessual wissentlich falsche Angaben über den Täter gemacht hätte.

Praxistipp: Im Prozess trifft den Anschlussinhaber eine sekundäre Darlegungslast hinsichtlich der Frage, welchen anderen Personen er den Internetanschluss zur Verfügung gestellt hat. Kommt er dem nicht nach, besteht eine tatsächliche Vermutung für seine Täterschaft.

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Diese Woche geht es um den Mindestinhalt einer Berufungsschrift

Zweifelsfreie Bezeichnung des Berufungsklägers
Beschluss vom 11. November 2022 – V ZB 32/20

Mit den Anforderungen an die Bezeichnung des Berufungsklägers befasst sich der V. Zivilsenat.

Die Parteien streiten mit Klage, Widerklage und Drittwiderklage um die Freigabe von hinterlegten Beträgen aus Grundstücksgeschäften. Das LG hat die Klage abgewiesen und der Widerklage sowie der Drittwiderklage im Wesentlichen stattgegeben. Der erstinstanzliche Prozessbevollmächtigte der Klägerin und des Drittwiderbeklagten reichte innerhalb der Berufungsfrist einen Schriftsatz mit folgendem Inhalt ein:

„In dem Rechtsstreit [Name und Vorname der Klägerin] u. a. ./. [Name und Vorname des Beklagten], LG Kempten, [Aktenzeichen] legen wir gegen das Urteil des LG Kempten vom 30.08.2019, zugegangen am 04.09.2019, Berufung ein.“

Dem Schriftsatz waren Rubrum und Tenor des angefochtenen Urteils beigefügt.

Das OLG verwarf die Berufung als unzulässig. Die dagegen eingelegte Rechtsbeschwerde der Klägerin und des Widerbeklagten bleibt ohne Erfolg.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss eine Rechtsmittelschrift für sich allein betrachtet oder mit Hilfe weiterer Unterlagen bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist eindeutig erkennen lassen, wer Rechtsmittelführer und wer Rechtsmittelgegner sein soll. Diese Voraussetzung ist im Streitfall nicht erfüllt. Aus den innerhalb der Berufungsfrist übermittelten Unterlagen geht zwar hervor, dass die Berufung durch den erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten der Klägerin und des Widerbeklagten eingelegt wurde und dass diese durch das angefochtene Urteil beschwert sind. Es gibt aber keine Auslegungsregel, die besagt, dass ein Rechtsmittel im Zweifel für alle unterlegenen Streitgenossen eingelegt wird.

Praxistipp: Um die aufgezeigten Schwierigkeiten zu vermeiden, sollte die Rechtsmittelschrift das komplette Rubrum der angefochtenen Entscheidung wiedergeben und die ausdrückliche Erklärung enthalten, für welche Parteien das Rechtsmittel eingelegt wird.