Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um die Bedeutung von Angaben in einem Maklerexposé im Zusammenhang mit der Haftung für Sachmängel.

Beschaffenheitsangaben in Maklerexposé
Urteil vom 25. Januar 2019 – V ZR 38/18

Mit dem Verhältnis zwischen den Sätzen 1 und 3 von § 441 Abs. 1 BGB befasst sich der V. Zivilsenat.

Die Klägerin hatte von der Beklagten ein Grundstück mit Wohnhaus gekauft. Im Verkaufsexposé des Maklers war angegeben, auf dem hinteren Teil des Grundstücks dürften zwei bis drei Pferdeboxen errichtet werden. Im notariellen Kaufvertrag schlossen die Parteien die Gewährleistung für Mängel aus. Ferner vereinbarten sie, dass die Zulässigkeit einer weiteren Bebauung oder bestimmten Verwendung nicht zur vereinbarten Beschaffenheit des Grundbesitzes gehört. Nach Übergabe stellte sich heraus, dass die Errichtung von Pferdeboxen auf dem Grundstück baurechtlich weder genehmigt noch genehmigungsfähig war und dass die Beklagte dies bei Vertragsschluss wusste. Das LG gab der auf Rückzahlung des Kaufpreises gerichteten Klage im Wesentlichen statt. Das OLG wies die Berufung als unbegründet zurück.

Die Revision der Beklagten bleibt ebenfalls erfolglos. Der BGH sieht die Ausführungen in dem Verkaufsexposé als öffentliche Äußerungen in der Werbung im Sinne von § 434 Abs. 1 Satz 3 BGB an. Die Möglichkeit, Pferdeboxen zu errichten, gehört deshalb zu der vertraglich geschuldeten üblichen Beschaffenheit im Sinne von § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB. Mit der im Kaufvertrag enthaltenen Klausel, wonach die Zulässigkeit einer weiteren Bebauung oder bestimmten Verwendung nicht zur vereinbarten Beschaffenheit gehört, wurde die unzutreffende Aussage im Exposé nicht korrigiert. Dieser Klausel ist lediglich zu entnehmen, dass die Bebaubarkeit nicht zur vereinbarten Beschaffenheit im Sinne von § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB gehört. Mangels einer Vereinbarung ist aber die übliche Beschaffenheit maßgeblich. Das Grundstück weist deshalb einen Mangel auf. Der vereinbarte Haftungsausschluss ist gemäß § 444 BGB unwirksam, weil die Beklagte arglistig gehandelt hat.

Praxistipp: Für die Prüfung, ob eine gekauftes Grundstück mangelhaft ist, sollten neben dem Kaufvertrag stets die vor Vertragsschluss erfolgten Äußerungen in Verkaufsexposés, Zeitungsanzeigen und ähnlichem herangezogen werden.

KG: Bindungswirkung einer Verweisung an eine Kammer mit spezieller funktioneller Zuständigkeit

In einer Streitigkeit aus einem Bauvertrag gemäß § 72 S. 1 Nr. 2 GVG war ein Mahnbescheid im Februar 2017 ergangen. Nach dem Widerspruch wurde die Sache im Juni 2017 an das LG abgegeben. Am 28.12.2018 ging die Anspruchsbegründung ein. Im Januar 2019 erklärt sich die Zivilkammer für unzuständig und gab die Sache in entsprechender Anwendung des § 281 ZPO an die „Baukammer“ ab. Die Baukammer erklärt sich gleichfalls für unzuständig und legte den Rechtsstreit dem KG vor.

Das KG (Beschl. v. 14.3.2019 – 2 AR 6/19) hält sich für zuständig, diesen Konflikt zu entscheiden, zumal beide Entscheidungen des LG den Parteien bekannt gemacht wurden. Gemäß § 40a EGGVG sind § 72a GVG (und auch die „parallele“ Vorschrift des § 119a GVG!) allerdings nicht auf Verfahren anzuwenden, die vor dem 1.1.2018 anhängig geworden sind. Dabei ist „anhängig“ hier tatsächlich im engen rechtstechnischen Sinne zu verstehen. Alle schon eingegangenen Verfahren sollten von der Neuregelung ausgenommen werden, um ein Umtragen derselben und den damit eintretenden Aufwand zu verhindern. Selbst wenn man aber darüber hinaus die Rechtshängigkeit eines Verfahrens fordern würde, wäre diese vorliegend gegeben: Bei einem vorausgegangenen Mahnverfahren tritt nämlich die Rechtshängigkeit mit dem Eingang der Akten bei dem Streitgericht ein! Dies war hier bereits im Jahre 2017.

Freilich könnte man nunmehr die Auffassung vertreten, dass aufgrund eines erlassenen Verweisungsbeschlusses die Baukammer gemäß § 281 Abs. 2 Satz 3 ZPO an diesen gebunden sei. Dies ist aber deswegen nicht der Fall, weil es vorliegend um die funktionale Zuständigkeit geht und nach ständiger Rechtsprechung § 281 ZPO auf Abgaben oder Verweisungen unter Abteilungen, Kammern oder Senaten desselben Gerichts generell nicht anzuwenden ist. Eine analoge Anwendung kommt nicht in Betracht, da aus dem Fehlen einer dem § 102 GVG entsprechenden Vorschrift (Zivilkammer/Kammer für Handelssachen) zu schließen ist, dass eine Bindungswirkung insoweit vom Gesetzgeber nicht beabsichtigt war. Letztlich hat dieser Rechtsstreit daher an der Zivilkammer zu verbleiben und ist dort seiner Entscheidung zuzuführen.

Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es erneut um die Anforderungen an elektronisch eingereichte Schriftsätze.

Unzulässigkeit einer sog. Container-Signatur
Beschluss vom 15. Mai 2019 – XII ZB 573/18

Mit einer bereits von drei anderen Obersten Gerichtshöfen des Bundes behandelten Frage befasst sich der XII. Zivilsenat.

Die Beklagte war in erster Instanz zur Zahlung rückständiger Miete in Höhe von rund 48.000 Euro verurteilt worden. Am letzten Tag der Frist legte ihr Anwalt über das Elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) Berufung ein. Die Berufungsschrift und eine Kopie des angefochtenen Urteils waren der EGVP-Nachricht als Anhang in Form von zwei PDF-Dateien beigefügt. Die Nachricht war – wie bei EGVP üblich – insgesamt mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen. Die einzelnen PDF-Dateien waren nicht qualifiziert signiert. Das OLG wies einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurück und verwarf die Berufung als unzulässig.

Die Rechtsbeschwerde der Beklagten bleibt erfolglos. Der BGH tritt dem OLG darin bei, dass eine Container-Signatur den seit 1.1.2018 geltenden, in § 130a ZPO n.F. normierten Anforderungen an ein elektronisches Dokument nicht genügt. In gleichem Sinne hatten bereits das BSG, das BVerwG und das BAG entschieden. Nach § 4 Abs. 2 der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs (ERVV) dürfen mehrere elektronische Dokumente nicht mit einer gemeinsamen qualifizierten elektronischen Signatur übermittelt werden. Eine Container-Signatur fällt unter dieses Verbot, weil sie sich nicht nur auf eine einzelne PDF-Datei bezieht, sondern auf den Text der EGVP-Nachricht und alle daran angefügten Anhänge. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist unbegründet, weil der Anwalt der Beklagten die maßgebliche Rechtslage hätte kennen müssen.

Praxistipp: Einer qualifizierten elektronischen Signatur bedarf es seit 1.1.2018 nicht mehr, wenn ein Anwalt ein von ihm verantwortetes Dokument über sein besonderes elektronisches Anwaltspostfach einreicht. Zur Sicherheit empfiehlt es sich dennoch, an jedem PDF-Dokument eine Signatur anzubringen. Dies kann auch mit Hilfe der beA-Software erfolgen.

Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um die Abgrenzung zwischen schriftlichen und elektronischen Dokumenten.

Übersendung eines Schriftsatzes per E-Mail
Beschluss vom 8. Mai 2019 – XI ZB 8/19

Mit dem Grenzbereich zwischen § 130 und § 130a ZPO befasst sich der XII. Zivilsenat.

In einer Familiensache hatte der Anwalt des in erster Instanz unterlegenen Antragsgegners am letzten Tag der Frist gegen 19 Uhr mehrfach erfolglos versucht, die Beschwerdebegründung per Telefax an das OLG zu übermitteln. Schließlich scannte er das unterschriebene Original in eine PDF-Datei ein und sandte diese per E-Mail an das Gericht. Dort wurde sie erst einige Tage später ausgedruckt und zu den Akten genommen. Das OLG verwarf die Beschwerde als unzulässig.

Die Rechtsbeschwerde des Antragsgegners bleibt erfolglos. Der BGH tritt dem OLG darin bei, dass die Einreichung der PDF-Datei per E-Mail den in § 130a ZPO Abs. 3 normierten (gemäß § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG auch in Familiensachen maßgeblichen) Anforderungen an einen elektronischen Schriftsatz nicht genügt, weil die Datei keine qualifizierte elektronische Signatur enthielt und der Versand per E-Mail keinen sicheren Übertragungsweg im Sinne von § 130a Abs. 4 ZPO darstellt. Nach der Rechtsprechung des BGH ist ein auf diesem Weg eingereichter Schriftsatz zwar als schriftliches Dokument im Sinne von § 130 ZPO zu behandeln, wenn die PDF-Datei im Gericht ausgedruckt wird. Im Streitfall erfolgte der Ausdruck aber erst nach Ablauf der Begründungsfrist. Der für Telefax-Einreichungen geltende Grundsatz, dass der Schriftsatz bereits dann bei Gericht eingegangen ist, wenn ihn das Empfangsgerät des Gerichts gespeichert hat, ist auf die vorliegende Konstellation nicht übertragbar. Telefax-Sendungen werden vom Gesetz von vornherein wie schriftliche Dokumente behandelt. Eine per E-Mail übersandte PDF-Datei erlangt diese rechtliche Qualität hingegen erst im Moment des Ausdrucks.

Praxistipp: Eine fristgerechte Einreichung kann in solchen (und allen anderen) Situationen mit Hilfe des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs bewirkt werden.

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Diese Woche geht es um das Verhältnis zwischen Nutzungsersatz und Prozesszinsen.

Nutzungsersatz und Prozesszinsen
Urteil vom 12. April 2019 – V ZR 341/17

Mit dem Umfang der Haftung aus ungerechtfertigter Bereicherung befasst sich der V. Zivilsenat.

Der Kläger hatte von der Beklagten im Jahr 1999 eine Eigentumswohnung gekauft. Im Jahr 2007 focht er den Vertrag wegen arglistiger Täuschung an. In einem ersten Rechtsstreit wurde die Beklagte zur Rückzahlung des Kaufpreises in Höhe von rund 100.000 Euro zuzüglich 4 % Prozesszinsen verurteilt. Der Gesamtbetrag der Zinsen belief sich im Zeitpunkt der Zahlung auf rund 30.000 Euro. Im vorliegenden Rechtsstreit begehrte der Kläger zusätzlich Herausgabe der aus dem Kaufpreis gezogenen Nutzungen in Höhe von rund 47.000 Euro. Das LG sprach ihm lediglich rund 17.000 Euro zu, das OLG den gesamten Klagebetrag.

Der BGH stellt das erstinstanzliche Urteil wieder her. Er stützt sich auf seine Rechtsprechung, wonach ein Anspruch auf Herausgabe von Nutzungen aus einem rechtsgrundlos überlassenen Geldbetrag und ein Anspruch auf Zahlung von Prozesszinsen nicht kumulativ geltend gemacht werden können, weil beide Ansprüche auf den Ausgleich desselben Nachteils gerichtet sind. Entgegen der Auffassung des OLG gilt dieser Grundsatz auch dann, wenn der Bereicherungsschuldner der verschärften Haftung nach § 819 Abs. 1 BGB unterliegt.

Praxistipp: Um gegen alle prozessualen Unwägbarkeiten gewappnet zu sein, sollte der Kläger derartige Ansprüche in erster Linie auf § 818 Abs. 1 BGB und hilfsweise auf § 291 BGB stützen.

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Diese Woche geht es um den Umfang der Gefährdungshaftung eines Kraftfahrzeughalters.

Verkehrsunfall mit verzögerter Schadensfolge
Urteil vom 26. März 2019 – VI ZR 236/18

Mit Fragen des Kausal- und Zurechnungszusammenhangs im Anschluss an einen Verkehrsunfall befasst sich der VI. Zivilsenat.

Bei einem vom Unfallgegner allein verschuldeten Verkehrsunfall wurde das Fahrzeug des Geschädigten im Frontbereich schwer beschädigt. Der Geschädigte ließ das Fahrzeug in eine Reparaturwerkstatt verbringen. In der darauffolgenden Nacht gerieten die Werkstatt und eine anliegende Wohnung in Brand. Als Ursache stellte sich ein auf den Unfall zurückzuführender Kurzschluss im elektrischen System des Unfallfahrzeugs heraus. Der Brand hätte vermieden werden können, wenn der Werkstattinhaber die Batterie abgeklemmt hätte, was nach den einschlägigen Sicherheitsregeln dringend geboten gewesen wäre. Der Gebäudeversicherer des Werkstattinhabers und der Hausratversicherer der Wohnungsinhaberin nahmen die Haftpflichtversicherer der beiden Unfallbeteiligten auf Schadensersatz in Anspruch. Das LG erklärte die Ansprüche für dem Grunde nach gerechtfertigt, hinsichtlich des Gebäudeschadens unter Abzug einer Mitverschuldensquote von 40%. Das OLG wies die Klage auf die Berufung der Beklagten vollständig ab.

Der BGH verweist die Sache an das OLG zurück. Die eingetretenen Schäden an Gebäude und Hausrat sind durch den Betrieb beider am Unfall beteiligten Fahrzeuge verursacht worden. Entgegen der Auffassung des OLG ist der Zurechnungszusammenhang nicht durch das unsachgemäße Verhalten des Werkstattinhabers unterbrochen worden. Zwar kann es zu einer Unterbrechung kommen, wenn ein Dritter in den Kausalverlauf eingreift. Ein Sorgfaltspflichtverstoß des Dritten reicht hierfür aber auch dann nicht aus, wenn er auf grober Fahrlässigkeit beruht.

Praxistipp: Eine Unterbrechung des Kausalzusammenhangs wäre in der gegebenen Situation etwa dann in Betracht gekommen, wenn der Werkstattinhaber die Batterie zunächst ordnungsgemäß abgeklemmt und er selbst oder ein Dritter sie später wieder angeschlossen hätte.

OLG Frankfurt: Spezialzuständigkeit der „Ärztekammer“ beim LG

Gemäß § 72a S. 1 Nr. 3. GVG werden bei den Landgerichten  für Streitigkeiten über Ansprüche aus Heilbehandlungen „Spezialkammern“gebildet. Eine entsprechende Regelung enthält die Geschäftsverteilung des LG D. Dort ging eine Klage gegen einen Tierarzt wegen angeblicher Falschbehandlung eines Hundes ein, die bei einer allgemeinen Zivilkammer eingetragen wurde. Der Vorsitzende vertrat die Auffassung, es handele sich um eine Streitigkeit für die Spezialkammer und verfügte entsprechend. Der Vorsitzende der Spezialkammer sah dies anders und legte die Akte dem Präsidium vor. Das Präsidium sah den Eingang als allgemeine Zivilsache. Der Vorsitzende der allgemeinen Zivilkammer erklärte sich daraufhin für unzuständig und legte die Sache dem OLG zur Bestimmung der Zuständigkeit vor.

Das OLG Frankfurt (Beschl. v. 23.4.2018 – 13 SV 6/18) lehnte die Bestimmung der Zuständigkeit allerdings ab. Zwar ist § 36 Nr. 6 ZPO auf diese Fallgestaltung grundsätzlich anwendbar. Die bloße Anhängigkeit eines Rechtsstreites reicht dafür aber noch nicht aus. Darüber hinaus fehlt es an einer rechtskräftigen Unzuständigkeitserklärung, da bisher die entsprechenden Verfügungen keiner Partei bekannt gemacht wurden.

Interessant sind jedoch die weiteren Ausführungen des OLG, die vorsorglich erfolgten: Danach betrifft § 72a S. 1 Nr. 3 GVG ausweislich der Gesetzesmaterialien lediglich Ansprüche aus Heilbehandlungen von Ärzten, Zahnärzten, Psychologen, Psychotherapeuten und Physiotherapeuten. Dies sind ausschließlich Berufsbilder der Humanmedizin. Veterinärmedizinische Behandlungsverträge werden auch von den §§ 630a ff. BGB nicht erfasst. Entscheidender Unterschied zwischen Veterinär- und Humanmedizin ist, dass in der ersteren das Selbstbestimmungsrecht des Patienten eine entscheidende Rolle spielt. Letztlich sind Human- und Veterinärmedizin damit nicht ohne weiteres vergleichbar. Eine erweiternde Auslegung oder gar analoge Anwendung der erwähnten Zuständigkeitsregel auf die Veterinärmedizin kommt damit nicht in Betracht.

Der Rechtsstreit ist daher als allgemeine Zivilsache zu behandeln und zu entscheiden. Tierärzte sind keine Mediziner im Sinne des § 72 S. 1 Nr. 3. GVG.

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Diese Woche geht es um die Auswirkungen einer Verfahrenstrennung auf die Statthaftigkeit einer Berufung.

Wert des Beschwerdegegenstands nach Verfahrenstrennung
Beschluss vom 4. April 2019 – V ZB 108/18

Mit der Statthaftigkeit einer Berufung nach einer nach Auffassung des Rechtsmittelführers unzulässigen Verfahrenstrennung befasst sich der V. Zivilsenat.

Die klagende Wohnungseigentümergemeinschaft nahm den Beklagten auf Zahlung rückständigen Wohngelds in Höhe von 466,72 Euro in Anspruch. Der Beklagte machte mit zwei nacheinander erhobenen Widerklagen Gegenansprüche geltend. Das AG trennte die Verfahren über die Widerklagen jeweils ab und verurteilte den Beklagten entsprechend dem Klageantrag. Das LG verwarf die Berufung als unzulässig.

Die Rechtsbeschwerde des Beklagten bleibt erfolglos. Der BGH tritt dem LG darin bei, dass der für eine Berufung erforderliche Wert des Beschwerdegegenstands von 600 Euro (§ 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) nicht überschritten ist. Anders als das LG lässt er offen, ob das AG die Verfahren über die Widerklagen zu Recht abgetrennt hat. Nach der Rechtsprechung des BGH kann zwar der Wert des Beschwerdegegenstands aus mehreren Verfahren zu addieren sein, wenn die Vorinstanz diese zu Unrecht getrennt hat. Voraussetzung dafür ist aber, dass alle von der Trennung betroffenen Verfahren in die Rechtsmittelinstanz gelangt sind. Im Streitfall waren die Verfahren über die beiden Widerklagen noch beim AG anhängig. Deshalb ist die Berufung gegen die Entscheidung über die Klageforderung nicht statthaft.

Praxistipp: Ein Berufungskläger, der eine fehlerhafte Verfahrenstrennung rügen will, sollte beantragen, das erste Berufungsverfahren auszusetzen, bis auch die weiteren von der Teilung betroffenen Verfahren in die Berufungsinstanz gelangt sind.

BFH: Auch Abmahnungen im Urheberrecht umsatzsteuerpflichtig

Es kam, wie es kommen musste: Nachdem der Bundesfinanzhof schon viel Kritik für die Ansicht erntete, dass Abmahnungen im Wettbewerbsrecht eine umsatzsteuerbare Leistung des Abmahnenden gegenüber dem Abgemahnten sind, hat er diese Rechtsprechung auch für Abmahnungen im Urheberrecht bestätigt. Kernaussage:

„Die Klägerin hat nach den Grundsätzen der vorliegenden Rechtsprechung mit den Abmahnungen den Rechtsverletzern einen Weg gewiesen, sie als Gläubigerin eines Unterlassungsanspruchs ohne Inanspruchnahme der Gerichte klaglos zu stellen, und ihnen hiermit einen konkreten Vorteil verschafft, der zu einem Verbrauch i.S. des gemeinsamen Mehrwertsteuerrechts führt.“

Dass diese Ansicht nunmehr auch auf Abmahnungen in Bezug auf andere absolute Rechte, insbesondere im Marken- Patent- und Designrecht übertragbar ist, dürfte nun auch nicht mehr zweifelhaft sein:

„Zwar handelt es sich beim verletzten Urheberrecht um ein absolutes und individuelles Recht, bei dem –aufgrund der konkreten Rechtsverletzung– die Ermittlung des Verletzers, der nicht immer der Anschlussinhaber ist, aufwändiger sein mag. Allerdings unterscheiden sich Abmahnschreiben bei einem Wettbewerbsverstoß und bei einer Urheberrechtsverletzung in ihrem wesentlichen Inhalt nicht. Die Abmahnung dient in beiden Fällen insofern den gleichen Zwecken, als mit der Aufforderung zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung die Möglichkeit eröffnet wird, einen Prozess zu vermeiden, und der Kostenerstattungsanspruch auf einer (spezialgesetzlich kodifizierten) Geschäftsführung ohne Auftrag gründet (Landgericht Düsseldorf, Beschluss vom 23. Oktober 2017 2a O 135/17, juris, Rz 5; Friedrich-Vache in Reiß/Kraeusel/Langer, UStG § 1 Rz 163.2; Omsels, juris PraxisReport Wettbewerbsrecht 6/2017 Anm. 1; Pörksen, juris PraxisReport IT-Recht 13/2017 Anm. 5; a.A. Streit/Rust, DStR 2018, 1321, 1322; Pull/Streit, Mehrwertsteuerrecht 2018, 108, 114).“

Diese Ansicht zieht einen ganzen Rattenschwanz von Probleme und Fallstricken für Abmahnende nach sich. Außerdem dürfte nun wieder in Verjährungshinsicht ein Blick in alte Akten lohnen. Abmahnende dürften nun nachträglich einen Anspruch auf Zahlung des Umsatzsteueranteils haben, soweit nicht die 10-jährige Frist des § 199 Abs. 3 Nr. 1 BGB abgelaufen ist.

 

BFH, Urt. v. 13.02.2019, XI R 1/17

OLG Brandenburg: Einwände im Kostenfestsetzungsverfahren

Gegen den Antragsteller war in einer Familiensache ein rechtskräftig gewordener Versäumnisbeschluss ergangen. Alsdann wurden gegen ihn aufgrund der in dem Beschluss enthaltenen Kostenentscheidung Kosten festgesetzt. Dagegen wendete sich der Antragsgegner mit der Beschwerde, der das AG nicht abhalf. Er machte geltend, die Kostenentscheidung sei falsch, die Entscheidung inhaltlich zu hinterfragen und er könne ohnehin keine Kosten bezahlen.

Das OLG Brandenburg (Beschl. v. 4.1.2019 – 13 WF 1/19) weist ihn unzweideutig darauf hin, dass diese Einwände im Kostenfestsetzungsverfahren alle nicht relevant sind. Im Kostenfestsetzungsverfahren kann die Kostengrundentscheidung nicht mehr in Frage gestellt werden. Auch kann gegen die Entscheidung, die die Kostengrundentscheidung enthält, nicht mehr vorgegangen werden, wenn diese rechtskräftig ist. Und schließlich ist auch die mangelnde finanzielle Leistungsfähigkeit kein Gesichtspunkt, der im Rahmen des Kostenfestsetzungsverfahrens berücksichtigt werden könnte.

Selbst weitergehende materiell-rechtliche Einwände können im Kostenfestsetzungsverfahren nicht berücksichtigt werden, mit einer wichtigen Ausnahme: Sie sind unstreitig. Dies wird freilich nur selten der Fall sein, vorliegend ist dafür nichts ersichtlich. Das Kostenfestsetzungsverfahren muss von derartigen Einwänden entlastet werden. Gibt es einmal tatsächlich solche Einwände, so bleibt der betroffenen Partei die Möglichkeit, eine Vollstreckungsgegenklage gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss zu erheben.

Die amtlichen Leitsätze der Entscheidung lauten wie folgt: Das Kostenfestsetzungsverfahren hat nur den Zweck, auf der Grundlage eines zur Zwangsvollstreckung geeigneten Titels die Kostengrundentscheidung der Höhe nach zu beziffern, und hierzu hat der Rechtspfleger lediglich die Entstehung, Notwendigkeit und Zugehörigkeit der geltend gemachten Kosten zum Verfahren zu prüfen. Die Kostengrundentscheidung ist über die gegebenenfalls zulässige und gebotene Auslegung hinaus im Festsetzungsverfahren unkorrigierbar bindend. Entsprechend seiner Zwecksetzung sind im Kostenfestsetzungsverfahren auch materiell-rechtliche Einwendungen gegen den Erstattungsanspruch grundsätzlich nicht zu berücksichtigen, es sei denn, sie sind zwischen den Parteien unstreitig.

Manchmal schadet es nicht, auch einmal Basiswissen in Leitsätze zu gießen, um an die Grundsätze zu erinnern, die im Laufe der Jahre durchaus einmal vergessen werden können. Dies getreu der alten Devise: Manche halten das für gängige Praxis, was sie 30 Jahre lang falsch gemacht haben.