Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um die Wirkungen der nachträglichen Zahlung von rückständiger Miete.

Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung trotz Zahlung innerhalb der Schonfrist
BGH, Urteil vom 23. Oktober 2024 – VIII ZR 106/23

Der VIII. Zivilsenat bekräftigt seine Rechtsprechung zu § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB.

Die Beklagten sind seit November 1994 Mieter einer Wohnung der Klägerin. Sie zahlten die Miete für Oktober 2019, Januar 2020 und Mai 2021 nicht. Nach mehrfacher Zahlungserinnerung erklärte die Beklagte mit Schreiben vom 8.6.2021 die fristlose und hilfsweise die ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses wegen Zahlungsverzugs. Am 30.6.2021 glichen die Beklagten die Mietrückstände vollständig aus.

Das AG hat die Beklagten aufgrund der ordentlichen Kündigung antragsgemäß zur Räumung verurteilt. Das LG hat die Klage abgewiesen.

Der BGH verweist die Sache an eine andere Kammer des LG zurück.

Der BGH hat bereits mehrfach entschieden, dass die Regelung in § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB, wonach die Kündigung unwirksam wird, wenn die fällige Miete spätestens bis zum Ablauf von zwei Monaten nach Eintritt der Rechtshängigkeit des Räumungsanspruchs gezahlt wird, nur für eine fristlose Kündigung gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB gilt, nicht aber für eine ordentliche Kündigung wegen Verletzung vertraglicher Pflichten gemäß § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB.

Die abweichende Auffassung der für den Streitfall zuständigen Kammer des LG hat der BGH in zwei Urteilen aus dem Jahre 2021 und 2022 mit ausführlicher Begründung abgelehnt (BGH, U. v. 13.10.2021 – VIII ZR 91/20, Tz. 27 ff. – MDR 2022, 300; U. v. 5.10.2022 – VIII ZR 307/21, Tz. 12 ff – MDR 2023, 284).

Der BGH hält auch im Streitfall an seiner Auffassung fest. Aus seiner Sicht hat das LG keine neuen Gesichtspunkte aufgezeigt.

Die nunmehr zuständige Kammer wird zu prüfen haben, ob die Nichtzahlung der Miete eine nicht unerhebliche Verletzung vertraglicher Pflichten im Sinne von § 573 Abs. 2 Nr.1 BGB darstellt. Hierzu ist eine Gesamtwürdigung vorzunehmen, bei der insbesondere Dauer und Höhe des Zahlungsverzugs zu berücksichtigen sind.

Ferner wird das LG gegebenenfalls zu prüfen haben, ob die Berufung auf die ordentliche Kündigung aufgrund des kurzen Zeitraums zwischen dem Zugang der Kündigung und dem Ausgleich der Rückstände ausnahmsweise als treuwidrig im Sinne von § 242 BGB anzusehen ist.

Praxistipp: Nach § 573 Abs. 3 BGB müssen die Gründe für ein berechtigtes Interesse des Vermieters in dem Kündigungsschreiben angegeben werden. Andere Gründe werden nur berücksichtigt, soweit sie nachträglich entstanden sind. Letzteres ist auf Fälle beschränkt, in denen ein zunächst gegebener, möglicherweise aber später weggefallener Kündigungsgrund nachträglich durch einen anderen ersetzt oder ergänzt wird (BGH., U. v. 25.10.2023 – VIII ZR 147/22, Tz. 39 – MDR 2024, 95).

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Diese Woche geht es um die Kosten für Schönheitsreparaturen in einer Mietwohnung.

Individuell vereinbarte Quotenabgeltungsklausel
BGH, Beschluss vom 6. März 2024 – VIII ZR 79/22

Der VIII. Zivilsenat ergänzt seine Rechtsprechung zu Klauseln, die den Mieter für den Fall eines Auszugs vor Fälligkeit von Schönheitsreparaturen zur anteiligen Kostentragung verpflichten.

Die Beklagte hatte seit Mai 2015 eine Wohnung vermietet. Die Kläger traten im Oktober 2015 anstelle des vorherigen Mieters in den Mietvertrag ein. Damals vereinbarten die Parteien, dass die Kläger die vom Vormieter eingegangene Verpflichtung zur Zahlung anteiliger Kosten bei Auszug vor Fälligkeit von Schönheitsreparaturen übernehmen und dass es deshalb bei einer dem Vormieter gewährten Reduzierung der monatlichen Miete um 80 Euro verbleibt.

Das Mietverhältnis endete mit Ablauf des Monats Mai 2018. Die Beklagte behielt von der geleisteten Kaution einen Teilbetrag von rund 1.250 Euro wegen anteiliger Kosten für Schönheitsreparaturen ein. Das AG wies die auf Zahlung dieses Betrags gerichtete Klage ab. Das LG verurteilte die Beklagte antragsgemäß.

Der BGH verweist die Sache an das LG zurück.

Entgegen der Auffassung des LG ist für die Entscheidung des Streitfalls erheblich, ob die vertragliche Regelung über die anteilige Kostenpflicht eine Allgemeine Geschäftsbedingung oder eine Individualvereinbarung darstellt.

Als Allgemeine Geschäftsbedingung ist eine solche Klausel nach § 307 Abs. 1 BGB unwirksam, weil für den Mieter nicht absehbar ist, welche Kostenbelastung auf ihn zukommt (BGH, Urt. v. 18.3.2015 – VIII ZR 242/13, MDR 2015, 636).

Eine Individualvereinbarung dieses Inhalts ist hingegen wirksam.

  • 556 Abs. 4 BGB, wonach Vereinbarungen über Betriebskosten nicht zum Nachteil des Mieters von den Vorgaben in § 556 Abs. 1 BGB abweichen dürfen, steht solchen Regelungen entgegen der Auffassung des LG nicht entgegen. Kosten für Schönheitsreparaturen sind keine Betriebskosten. Sie betreffen vielmehr die Instandhaltung und Instandsetzung der Mietsache. Die diesbezügliche Pflicht obliegt zwar gemäß § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB dem Vermieter. Diese Regelung ist aber dispositiv.

Das LG wird deshalb zu prüfen haben, ob die für den Streitfall relevante Regelung individuell ausgehandelt worden ist. Hierfür genügt es nicht, dass die Kläger die Wahl zwischen der vereinbarten Klausel und einer um 80 Euro höheren Miete hatten. Vielmehr müssen sie die Möglichkeit gehabt haben, alternativ eigene Textvorschläge mit der effektiven Möglichkeit ihrer Durchsetzung einzubringen.

Praxistipp: Eine Pflicht zur Vornahme von Renovierungsarbeiten für den Fall, dass die Räume mehr als unerhebliche Gebrauchsspuren aufweisen, kann nach der neueren Rechtsprechung des BGH in AGB nicht wirksam vereinbart werden, wenn die Wohnung in nicht renoviertem Zustand übergeben worden ist (BGH, Urt. v. 18.3.2015 – VIII ZR 185/14, MDR 2015, 578).

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Diese Woche geht es um die Prüfungskompetenz des Berufungsgerichts in Bezug auf Tatsachen.

Überprüfung von Tatsachenfeststellungen in der Berufungsinstanz
BGH, Beschluss vom 8. August 2023 – VIII ZR 20/23

Der VIII. Zivilsenat bekräftigt die ständige Rechtsprechung zu § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.

Der Klägerin hatte ein aus zwei Gebäudeteilen bestehendes Wohnhaus mit einer Gesamtwohnfläche von 410 m² seit Ende 2018 an die Beklagten vermietet. Anfang 2021 verwehrten ihr die Beklagten eine Besichtigung des Objekts durch einen mit dem Verkauf des Objekts betrauten Makler. Im August 2021 kündigte die Klägerin wegen Eigenbedarfs für sich und ihre zwei erwachsenen Söhne mit deren Familien. Die Beklagten widersprachen der Kündigung.

Das AG verurteilte die Beklagten nach Vernehmung der beiden Söhne der Klägerin antragsgemäß zur Räumung und Herausgabe des Anwesens. Die Berufung der Beklagten blieb erfolglos.

Der BGH verweist die Sache auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten durch Beschluss gemäß § 544 Abs. 9 und § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO an eine andere Kammer des LG zurück.

Das LG hat angenommen, die Beweiswürdigung durch das AG sei gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO bindend, weil ein unrichtiges Beweismaß, Verstöße gegen Denk- und Naturgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze, Widersprüche zwischen einer protokollierten Aussage und den Urteilsgründen sowie Mängel der Darstellung des Meinungsbildungsprozesses wie Lückenhaftigkeit oder Widersprüche nicht erkennbar seien.

Darin liegt eine Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG, weil das LG seine Prüfungskompetenz nicht im gebotenen Umfang wahrgenommen hat.

Die Prüfung in der Berufungsinstanz ist anders als die revisionsrechtliche Prüfung nicht auf eine reine Rechtskontrolle beschränkt. Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen können sich auch aus der Möglichkeit unterschiedlicher Wertung ergeben, insbesondere daraus, dass das Berufungsgericht das Ergebnis einer erstinstanzlichen Beweisaufnahme anders würdigt als das Gericht der Vorinstanz. Das Berufungsgericht ist deshalb zu einer erneuten Tatsachenfeststellung verpflichtet, wenn aus seiner Sicht eine gewisse – nicht notwendig überwiegende – Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass im Fall der Beweiserhebung die erstinstanzliche Feststellung keinen Bestand haben wird.

Im Streitfall hätte sich das LG danach zumindest mit der Frage befassen müssen, ob in der Berufungsbegründung geltend gemachte Widersprüche in den Angaben der Zeugen und der Klägerin zum zeitlichen Ablauf bezüglich der Aufgabe von ursprünglichen Verkaufsabsichten und dem Entschluss zur Eigennutzung die Wahrscheinlichkeit einer abweichenden Feststellung begründen. Diese Würdigung wird die nunmehr mit der Sache befasste Kammer nachzuholen haben.

Praxistipp: Der Berufungskläger muss in der Berufungsbegründung die Umstände, die aus seiner Sicht eine abweichende Feststellung gebieten, möglichst konkret benennen.

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Diese Woche geht es um die Mietpreisbremse für Wohnraum.

Vormiete als Maßstab für Mietpreisbremse
Urteil vom 19. August 2020 – VIII ZR 374/18

Mit der Auslegung von § 556e Abs. 1 BGB befasst sich der VIII. Zivilsenat.

Die Klägerin ist seit 1.5.2016 Mieterin einer Zweizimmerwohnung in Berlin. Die Wohnfläche beträgt 76 m², die monatliche Nettokaltmiete 950 Euro. Die Wohnung liegt in einem Gebiet mit angespanntem Wohnungsmarkt im Sinne von § 556d Abs. 1 und 2 BGB. Die Beklagte hatte die Wohnung von September 2011 bis September 2012 zum gleichen Betrag ebenfalls zu Wohnzwecken vermietet. Von Dezember 2012 bis April 2016 hatte sie die Wohnung für 900 Euro pro Monat zur gewerblichen Nutzung vermietet. Die Klägerin macht geltend, die vereinbarte Miete übersteige den zulässigen Höchstbetrag von 110 % der örtlichen Vergleichsmiete um 254,54 Euro, und begehrt die Rückzahlung überzahlter Miete für sechs Monate. Das AG hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt; das LG hat sie auf die Berufung der Beklagten abgewiesen.

Die Revision der Klägerin hat Erfolg und führt zur Zurückverweisung der Sache an das LG. Entgegen der Auffassung des LG ist die vereinbarte Miete nicht schon nach der Ausnahmeregelung in § 556e Abs. 1 Satz 1 BGB zulässig. Wie bereits das LG angenommen hat, kommt als vorheriger Mieter im Sinne dieser Vorschrift nur ein Mieter in Betracht, der die Räume ebenfalls zu Wohnzwecken gemietet hat. Im Streitfall darf deshalb die mit dem gewerblichen Mieter vereinbarte Miete nicht als Vergleichsmaßstab herangezogen werden. Entgegen der Auffassung des LG darf in dieser Situation nicht auf ein noch weiter zurückliegendes Mietverhältnis über Wohnraum zurückgegriffen werden. Vorheriger Mieter im Sinne der Vorschrift ist nur der zeitlich letzte Vormieter.

Praxistipp: Mietminderungen sowie solche Mieterhöhungen, die mit dem vorherigen Mieter innerhalb des letzten Jahres vor Beendigung des Mietverhältnisses vereinbart worden sind, bleiben gemäß § 556e Abs. 1 Satz 2 BGB bei der Ermittlung der Vormiete unberücksichtigt.

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Diese Woche geht es um die Kündigung eines Wohnungsmietvertrags wegen Eigenbedarfs.

Familienangehörige trotz Scheidung
Urteil vom 2. September 2020 – VIII ZR 35/19

Mit der Kündigungsbeschränkung nach § 577a Abs. 1a BGB befasst sich der VIII. Zivilsenat.

Die Beklagten sind seit 2001 Mieter eines Einfamilienhauses. Im Jahr 2015 veräußerte der Vermieter das Grundstück an seinen Sohn und dessen Ehefrau, die damals bereits seit zwei Jahren getrennt lebten. Die Ehe wurde im Jahr 2016 geschieden. Im Jahr 2017 kündigten die Kläger den Mietvertrag wegen Eigenbedarfs. Sie begründeten dies damit, die Klägerin wolle das Haus mit den beiden aus der Ehe stammenden Kindern und ihrem neuen Lebensgefährten beziehen. Die Räumungsklage hatte in den beiden ersten Instanzen Erfolg.

Die Revision der Beklagten bleibt ohne Erfolg. Der vom LG rechtsfehlerfrei bejahte Eigenbedarf der Klägerin bildet einen hinreichenden Grund für die Kündigung. Dass die Klägerin nur Miteigentümerin ist und in der Person des Klägers kein Eigenbedarf besteht, ist unschädlich. Entgegen der Auffassung der Beklagten steht die Regelung in § 577a Abs. 1a Satz 1 BGB, die eine Eigenbedarfskündigung nach Veräußerung des Wohnraums an mehrere Erwerber für die Dauer von drei Jahren ausschließt, der Kündigung im Streitfall nicht entgegen. Zugunsten der Kläger greift die in § 577a Abs. 1a Satz 2 BGB vorgesehene Ausnahme zugunsten von Erwerbern, die derselben Familie angehören. Als Familienangehörige im Sinne dieser Vorschrift sieht der BGH denselben Personenkreis an, für den der Vermieter gemäß § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB Eigenbedarf geltend machen darf. Hierzu zählt der BGH in Anlehnung an die Regelungen über das Zeugnisverweigerungsrecht (§ 383 Abs. 1 Nr. 2 ZPO, § 52 Abs. 1 Nr. 2 StPO) Ehegatten auch dann, wenn sie getrennt leben oder geschieden sind.

Praxistipp: Solange unklar ist, ob die Sperrfrist greift, sollte nach Ablauf der Frist vorsorglich eine erneute Kündigung ausgesprochen werden.

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Diese Woche geht es um eine mietrechtliche Frage.

Fälligkeit des Anspruchs auf Rückzahlung einer Mietkaution
Urteil vom 24. Juli 2019 – VIII ZR 141/17

Mit der Pflicht des Vermieters zur Rückzahlung einer Barkaution befasst sich der VIII. Zivilsenat.

Die Beklagten hatten seit Dezember 2005 vom Kläger eine Wohnung gemietet. Im Februar 2015 erklärten sie wegen verschiedener Mängel die außerordentliche Kündigung zum Monatsende. Der Kläger verlangte insgesamt rund 6.000 Euro wegen restlicher Miete und Nebenkosten, Mietausfall für die Zeit von März bis Mai 2015 und angefallener Renovierungskosten. Das AG verurteilte die Beklagten zur Zahlung von rund 5.000 Euro. Das LG reduzierte diesen Betrag um rund 1.700 Euro, unter anderem deshalb, weil die Beklagten in zweiter Instanz mit einem Anspruch auf Rückzahlung der zu Beginn des Mietverhältnisses gezahlten Barkaution aufgerechnet hatten.

Die Revision des Klägers bleibt ohne Erfolg. Der BGH tritt dem LG darin bei, dass der Anspruch auf Rückzahlung der Mietkaution im Zeitpunkt der Aufrechnung fällig war. Die Fälligkeit tritt ein, sobald der Vermieter über die Kaution eine Abrechnung erteilt hat. Dies kann auch konkludent erfolgen, etwa dadurch, dass der Vermieter Forderungen gegen den Mieter erhebt, ohne sich die Geltendmachung weiterer Forderungen vorzubehalten. Diese Voraussetzung war im Streitfall erfüllt, als die Klage zugestellt wurde. Von diesem Zeitpunkt an waren sowohl der Kläger als auch die Beklagten befugt, die Kaution bzw. den Anspruch auf deren Rückzahlung mit Forderungen des Klägers zu verrechnen.

Praxistipp: Die Geltendmachung eines auf die Kaution gestützten Zurückbehaltungsrechts ist in der Regel nicht zielführend. Im Streitfall hatten sich die Beklagten auf ein solches Recht berufen; das LG hat – vom BGH unbeanstandet – diese Erklärung als Aufrechnung ausgelegt.

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Mit der rechtlichen Möglichkeit einer dauerhaften Vermietung befasst sich der VIII. Zivilsenat.

Wohnungsmietvertrag mit dauerhaften Ausschluss des Rechts zur ordentlichen Kündigung
Urteil vom 8. Mai 2018 – VIII ZR 200/17

Der VIII Zivilsenat lässt einen dauerhaften Ausschluss des Rechts zur ordentlichen Kündigung eines Wohnungsmietvertrags grundsätzlich zu.

Die Rechtsvorgänger des Klägers hatten an die Beklagten eine Wohnung in einem Zweifamilienhaus vermietet. In dem Mietvertragsformular hatten die Vertragsparteien eine Klausel angekreuzt, wonach beide Parteien nicht berechtigt sind, das Vertragsverhältnis ordnungsgemäß zu kündigen. Die im Formulartext enthaltene Passage, wonach dies nur für die ersten vier Jahre gilt, hatten sie durchgestrichen. Zwei Jahre später erwarb der Kläger das Anwesen. Er kündigte den Mietvertrag wegen Eigenbedarfs. Seine Räumungsklage blieb in erster Instanz erfolglos. Das LG verurteilte die Beklagten zur Räumung.

Die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten führt zur Zurückverweisung der Sache an das LG. Dieses hat Vortrag der Beklagten übergangen, aus dem sich ergibt, dass die Vereinbarung über den Ausschluss des Kündigungsrechts individuell vereinbart wurde. Die Entscheidung des LG, das in der Klausel eine unwirksame Allgemeine Geschäftsbedingung gesehen hat, kann deshalb keinen Bestand haben. In einer Individualabrede kann das Recht zur ordentlichen Kündigung eines Wohnungsmietvertrags grundsätzlich dauerhaft ausgeschlossen werden. Eine Grenze bildet lediglich § 138 BGB. Nicht abschließend entschieden hat der BGH die Frage, ob entsprechend § 544 BGB nach Ablauf von dreißig Jahren eine außerordentliche Kündigung zulässig ist.

Praxistipp: Wenn die Wirksamkeit einer Vereinbarung davon abhängt, ob sie als Individualvereinbarung oder als Allgemeine Geschäftsbedingung einzustufen ist, sollte die begünstigte Partei die Umstände, die für eine Individualvereinbarung sprechen, möglichst umfassend vortragen und unter Beweis stellen.

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Um die Abgrenzung zwischen Miteigentums- und Mietrecht geht es in dieser Woche.

Überlassung von gemeinschaftlichen Räumen an einen Miteigentümer
Urteil vom 25. April 2018 – VIII ZR 176/17

Der VIII. Zivilsenat befasst sich mit der rechtlichen Einordnung eines Vertrags, mit dem einem Miteigentümer gegen Entgelt die alleinige Nutzung einer Wohnung auf dem gemeinschaftlichen Grundstück gestattet wird.

Die klagenden Eheleute bewohnten auf der Grundlage eines im Jahr 2009 geschlossenen Mietvertrags eine Wohnung in einem Mehrfamilienhaus, das der Klägerin und einigen ihrer Verwandten gemeinschaftlich gehörte. Zum Abschluss des Vertrags verwendeten die Beteiligten ein Formular für einen Wohnungs-Einheitsmietvertrag. Auf Vermieterseite unterschrieben alle Miteigentümer, auf Mieterseite die beiden Kläger. Nach dem Tod eines Miteigentümers erwarb die Beklagte vom Insolvenzverwalter einen Miteigentumsanteil an dem Grundstück. Sie vertrat die Auffassung, der Mietvertrag sei ihr gegenüber nicht bindend. Die Kläger begehrten daraufhin die Feststellung, dass das Mietverhältnis bis auf weiteres fortbesteht und insbesondere nicht durch den Erwerb des Miteigentumsanteils durch die Beklagte beendet worden ist. Die Klage blieb in den ersten beiden Instanzen erfolglos.

Der BGH spricht die begehrte Feststellung aus. Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen steht einem wirksamen Abschluss des Vertrags nicht entgegen, dass die Klägerin diesen sowohl als Mieterin als auch als Vermieterin abgeschlossen hat. Etwas anderes gälte nur dann, wenn auf beiden Seiten vollständige Personenidentität bestände. Der danach wirksam geschlossene Vertrag ist rechtlich nicht als bloße Regelung des Gemeinschaftsverhältnisses gemäß § 745 BGB zu bewerten, sondern – jedenfalls auch – als Wohnungsmietverhältnis. Eine solche Einordnung liegt regelmäßig nahe, wenn einem einzelnen Miteigentümer eine Wohnung gegen Entgelt zur alleinigen Nutzung überlassen wird. Für diese Auslegung spricht im Streitfall zudem, dass der Umfang der eingeräumten Nutzung weit über den Miteigentumsanteil der Klägerin hinausgeht und dass die ursprünglichen Vertragsparteien ein Formular für einen Mietvertrag verwendet haben. Die Einordnung als Mietvertrag führt dazu, dass die Kläger unter dem Kündigungsschutz des Wohnraummietrechts stehen und dass ein neuer Miteigentümer, der Anteile an dem Grundstück erwirbt, gemäß § 566 Abs. 1 BGB an den Mietvertrag gebunden ist. Eine bloße Regelung des Gemeinschaftsverhältnisses im Sinne von § 745 BGB ist für einen neuen Miteigentümer gemäß § 1010 BGB hingegen nur bindend, wenn sie im Grundbuch eingetragen ist. Diese Einschränkung gilt im Falle eines Mietvertrags weder für § 566 Abs. 1 BGB noch für andere Vorschriften des Mietrechts.

Praxistipp: An eine Vertragsdauer von mehr als einem Jahr ist der Erwerber nur dann gebunden, wenn der Mietvertrag den Formerfordernissen des § 550 BGB genügt. Ein nicht wirksam befristeter Wohnraummietvertrag kann allerdings nur nach Maßgabe von § 573 BGB gekündigt werden.

Montagsblog: Neues vom BGH

In Anlehnung an die sog. Montagspost beim BGH berichtet der Montagsblog regelmäßig über ausgewählte aktuelle Entscheidungen.

Zurechnung von sittenwidrigem Handeln und Vorsatz
Urteil vom 28. Juni 2016 – VI ZR 536/15

Mit grundlegenden Fragen der Haftungszurechnung nach § 31 BGB befasst sich der VI. Zivilsenat.

Die beklagte Aktiengesellschaft war Mitherausgeberin eines Prospekts für einen geschlossenen Immobilienfonds. Die Kläger, die einen Fondsanteil erwarben, begehrten die Rückabwicklung ihrer Beteiligung, unter anderem mit der Begründung, im Prospekt sei ein bestehender Altlastenverdacht nicht erwähnt worden. Das LG wies die Klage ab. Das OLG verurteilte die Beklagte antragsgemäß. Es bejahte einen Ersatzanspruch der Kläger aus § 826 BGB, weil die unterlassene Aufklärung über den Altlastenverdacht verwerflich sei und die Beklagte jedenfalls das bei ihren Sachbearbeitern vorhandene Wissen gegen sich gelten lassen müsse.

Der BGH verweist die Sache an das OLG zurück. Mit dem OLG ist er der Auffassung, dass der Prospekt ohne einen Hinweis auf die Altlastenproblematik fehlerhaft war. Zur Feststellung der Sittenwidrigkeit bedarf es aber zusätzlicher Umstände, etwa einer bewussten Täuschung. Dabei ist grundsätzlich nur der Kenntnisstand von Personen maßgeblich, für deren Verhalten die Beklagte gemäß § 31 BGB einzustehen hat, also von Vorständen und sonstigen verfassungsmäßig berufenen Vertretern. Ob darüber hinaus die für den rechtsgeschäftlichen Verkehr entwickelten Grundsätze über die Wissenszurechnung herangezogen werden können, lässt der BGH offen. Nicht zulässig ist jedenfalls eine „mosaikartige“ Zusammenstellung des Wissens von mehreren Mitarbeitern. Entsprechendes gilt für den gemäß § 826 BGB erforderlichen Vorsatz.

Praxistipp: Wenn ungewiss ist, ob der erforderliche Kenntnisstand für die gesetzlichen Vertreter nachgewiesen werden kann, sollte besonderes Augenmerk auf die Frage gelegt werden, wer als verfassungsmäßiger Vertreter der Gesellschaft in Betracht kommt.

Wahrunterstellung einer Behauptung
Beschluss vom 23. August 2016 – VIII ZR 178/15

Mit den Voraussetzungen für die Nichtberücksichtigung eines Beweisantrags befasst sich der VIII. Zivilsenat.

Die Beklagten hatten vom Kläger eine Vierzimmerwohnung gemietet. Ende 2012 kündigte der Kläger den Mietvertrag mit der Begründung, sei Sohn wolle die Wohnung zusammen mit einem langjährigen Freund nutzen. Die Beklagten traten der Kündigung entgegen und machten in der Berufungsinstanz unter anderem geltend, die Geltendmachung von Eigenbedarf sei nicht glaubhaft, weil der Kläger nach den Angaben seines erstinstanzlich als Zeuge vernommenen Sohnes ein halbes Jahr vor der Kündigung eine frei gewordene Wohnung im gleichen Haus anderweit vermietet habe, obwohl der Sohn des Klägers den Entschluss, einen eigenen Hausstand zu gründen, schon geraume Zeit zuvor gefasst und dies mit dem Kläger auch besprochen habe. Zum Beweis benannten die Beklagten den Freund des Sohnes. Das LG wies die Berufung der Beklagten gegen das erstinstanzliche Räumungsurteil ohne weitere Beweisaufnahme zurück. Zur Begründung führte es unter anderem an, aus den glaubhaften Angaben des Sohnes ergebe sich, dass ein fester Entschluss zur Gründung eines eigenen Hausstands erst kurz vor der Kündigung gefasst worden sei; aus der Behauptung, der Sohn habe sich mit seinem Freund schon längere Zeit zuvor über etwaige Auszugsabsichten unterhalten, könnten keine abweichenden Schlussfolgerungen gezogen werden.

Der BGH verweist die Sache – die schon zum zweiten Mal in die Revisionsinstanz gelangt war – erneut an eine andere Kammer des LG zurück. Er bewertet das Absehen von einer Vernehmung des in zweiter Instanz benannten Zeugen als Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG. Zwar kann eine Beweisaufnahme unterbleiben, wenn die unter Beweis gestellte Tatsachenbehauptung unerheblich ist. Hierbei ist die Behauptung aber mit dem Inhalt heranzuziehen, wie die Partei sie aufgestellt hat. Im Streitfall bezieht sich der Beweisantrag nicht nur auf die Behauptung, der Sohn des Klägers habe gegenüber dessen Freund schon geraume Zeit vor der Kündigung Auszugsabsichten geäußert, sondern auch darauf, dass damals bereits ein fester Entschluss gefasst worden sei. Wenn die zuletzt genannte Behauptung zutrifft, schließt dies eine Kündigung wegen Eigenbedarfs gegenüber den Beklagten zwar nicht per se aus. Der Zeitpunkt, zu dem der Eigenbedarf entstanden ist, kann aber für Frage von Bedeutung sein, ob der Nutzungswunsch ernsthaft ist.

Praxistipp: Bei umfangreichem und komplexem Tatsachenvortrag sollte stets unmissverständlich klargestellt werden, worauf sich ein Beweisangebot im Einzelnen bezieht.