Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um das Verhältnis zwischen Prozesskostenhilfe und Ehegattenunterhalt.

Anspruch auf Prozesskostenvorschuss gegen den Ehegatten
Beschluss vom 27. August 2019 – VI ZB 8//18

Mit der Frage, wann eine persönliche Angelegenheit im Sinne von § 1360a Abs. 4 Satz 1 BGB vorliegt, befasst sich der VI. Zivilsenat.

Der Kläger nimmt den Beklagten wegen einer fehlgeschlagenen Kapitalanlage auf Schadensersatz in Anspruch. Das LG wies die Klage ab. Das OLG bewilligte dem Beklagten für die Berufungsinstanz antragsgemäß Prozesskostenhilfe, allerdings mit der Maßgabe, dass er monatliche Raten von 1.000 Euro zu zahlen hat.

Die Rechtsbeschwerde des Beklagten, der Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung begehrt, bleibt ohne Erfolg. Der BGH tritt dem OLG darin bei, dass der Beklagte gegen seine Ehefrau gemäß § 1360a Abs. 4 Satz 1 BGB einen Anspruch auf Prozesskostenvorschuss hat und diesen für die Finanzierung des Rechtsstreits einsetzen muss. Die dafür erforderliche Voraussetzung, dass der Rechtsstreit eine persönliche Angelegenheit des Beklagten betrifft, ist gegeben, obwohl die Klageforderung auf die berufliche Tätigkeit des Beklagten gestützt ist. Ausschlaggebend ist, dass der Kläger dem Beklagten auch strafrechtlich relevantes Fehlverhalten vorwirft. Dieser Vorwurf trifft den Beklagten in seiner persönlichen Sphäre. Die daraus resultierende Pflicht der Ehefrau zur Zahlung eines Vorschusses entfällt nicht deshalb, weil dem Beklagten ähnliche Klagen von Seiten anderer Anleger sowie ein Strafprozess drohen. Die anderen Verfahren könnten die (vom Beklagten grundsätzlich nicht in Abrede gestellte) Leistungsfähigkeit der Ehefrau allenfalls dann mindern, wenn sie dafür bereits Vorschusszahlungen erbringen würde.

Praxistipp: Für die Kosten der Verteidigung in einem Strafverfahren hat ein finanziell leistungsfähiger Ehegatte gemäß § 1360a Abs. 4 Satz 2 BGB ebenfalls einen Vorschuss zu leisten.

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Diese Woche geht es um die Verjährung von Amtshaftungsansprüchen gegen Notare.

Verjährung des notariellen Amtshaftungsanspruchs
Urteil vom 10. Oktober 2019 – III ZR 227/18

Mit der Frage, wann ein Laie die für den Verjährungsbeginn erforderliche Kenntnis von einer notariellen Pflichtverletzung hat, befasst sich der III. Zivilsenat.

Der Kläger hatte Ende 2006 eine Eigentumswohnung erworben. Im notariellen Vertrag, den der Beklagte als Notarvertreter beurkundet hat, ist vermerkt, der Käufer habe den Vertragsentwurf mehr als zwei Wochen zuvor erhalten und ausreichend Gelegenheit gehabt, ihn zu prüfen oder überprüfen zu lassen. Später betrieb der Kläger die Rückabwicklung der Verträge, weil er den Kaufpreis als überteuert ansah. Sein Versuch, die an dem Geschäft Beteiligten in Anspruch zu nehmen, schlug fehl, unter anderem wegen Insolvenz der als Schuldner in Frage kommenden Gesellschaften. Daraufhin nahm der Kläger Ende 2016 den Beklagten auf Schadensersatz in Anspruch, weil ihm der Vertragsentwurf entgegen § 17 Abs. 2a Satz 2 Nr. 2 BeurkG und abweichend von den Angaben im Vertrag erst kurz vor dem Beurkundungstermin zur Verfügung gestellt worden sei. Die Klage blieb in den ersten beiden Instanzen erfolglos.

Die Revision des Klägers bleibt ebenfalls ohne Erfolg. Der BGH tritt den Vorinstanzen darin bei, dass die geltend gemachten Ansprüche verjährt sind. Er knüpft an seine schon zu § 852 Abs. 1 BGB a.F. ergangene Rechtsprechung an, wonach die für den Verjährungsbeginn erforderliche Kenntnis vom Bestehen des Anspruchs bereits dann vorliegt, wenn dem Gläubiger Tatsachen bekannt oder infolge von grober Fahrlässigkeit unbekannt sind, die aus seiner Sicht auf eine Pflichtverletzung hinweisen. Abweichend von der Auffassung der Revision sieht der erkennende Senat insoweit keine Unterschiede zwischen der Rechtsprechung für Notar-, Anwalt- und Arzthaftungssachen. Im Streitfall ergaben sich für den Kläger hinreichende Anhaltspunkte für eine Pflichtverletzung des Beklagten schon aus dem Umstand, dass die im beurkundeten Vertrag enthaltenen Angaben zur Überlassung des Vertragsentwurfs nach seinem eigenen Vortrag objektiv unzutreffend waren und damit gegebenenfalls auch für einen Laien ohne weiteres erkennbar war, dass der Beklagte möglicherweise gegen rechtliche Vorgaben verstieß. Die Verjährung begann deshalb, sobald der Kläger zusätzlich Kenntnis davon erhielt, dass keine anderweitigen Ersatzmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Letzteres war spätestens im Jahr 2012 der Fall. Die im Jahr 2016 erhobene Klage konnte die Verjährung deshalb nicht mehr hemmen.

Praxistipp: Etwas anderes kann gelten, wenn der Notar den Geschädigten über den Inhalt oder Umfang der ihn treffenden Pflichten unzutreffend belehrt hat und für den Geschädigten nicht ohne weiteres ersichtlich ist, dass die Belehrung fehlerhaft ist.

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Diese Woche geht es um die Abgrenzung zwischen Mangelschäden und sonstigen Schäden beim Werkvertrag.

Schadensersatz nach Kündigung eines Reinigungsvertrags
Urteil vom 10. Oktober 2019 – VII ZR 1/19

Dass die vor der Schuldrechtsmodernisierung häufig umstrittene Abgrenzung zwischen Mangelschäden und sonstigen Schäden auch nach neuem Recht relevant sein kann, belegt eine Entscheidung des VII. Zivilsenats.

Das klagende Land Berlin hatte mit der Beklagten einen Vertrag über Reinigungsleistungen mit einer Laufzeit von zweieinhalb Jahren geschlossen. Nach rund fünf Monaten erklärte es die außerordentliche Kündigung des Vertrags wegen schwerwiegender und systematischer Reinigungsmängel. In der Folgezeit beauftragte es andere Unternehmen mit den betreffenden Leistungen. Nach Ablauf der ursprünglich vorgesehenen Vertragslaufzeit – rund drei Jahre nach der Kündigung – klagte es die entstandenen Mehrkosten in Höhe von rund 160.000 Euro ein. Die Klage blieb in den beiden ersten Instanzen erfolglos.

Der BGH verweist die Sache an das Kammergericht zurück. Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen sind die Klageansprüche nicht verjährt. § 634a Abs. 1 Nr. 1 BGB, der für Ansprüche auf Schadensersatz wegen eines Werkmangels eine Verjährungsfrist von zwei Jahren vorsieht, ist nicht anwendbar. Zwar ist der zwischen den Parteien geschlossene Reinigungsvertrag als Werkvertrag zu qualifizieren. Die geltend gemachten Mehraufwendungen beruhen aber nicht auf einem Mangel der von der Beklagten erbrachten Reinigungsleistungen, sondern darauf, dass die Beklagte die geschuldeten Leistungen im Zeitraum nach der Kündigung nicht mehr erbracht hat. Für diesbezügliche Schadensersatzansprüche gilt auch dann die allgemeine Verjährungsfrist von drei Jahren gemäß § 195 und § 199 BGB, wenn die Kündigung auf Mängel der zuvor erbrachten Reinigungsleistungen gestützt war.

Praxistipp: Wenn auch nur entfernte Zweifel bestehen, ob § 634a oder § 195 BGB maßgeblich ist, sollte die Klage sicherheitshalber innerhalb der kürzeren Frist erhoben werden – sofern dies noch möglich ist.

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Diese Woche geht es um ein Thema, das in Zeiten des Klimaschutzes an Bedeutung gewinnen könnte.

Wärmedämmung und Überbau
Urteil vom 14. Juni 2019 – V ZR 144/18

Mit einer Vorschrift des hessischen Nachbarrechts, die es in ähnlicher Form auch in anderen Bundesländern gibt, befasst sich der V. Zivilsenat.

Die Parteien sind Eigentümer von Reihenhäusern, die versetzt aneinandergebaut sind. Der Kläger ließ sein Haus mit einer außenseitigen Fassadendämmung versehen und wollte in diese Maßnahme auch den frei liegenden Teil der Wand einbeziehen, die an der Grenze zum Grundstück des Beklagten liegt. Hierzu müssten unter anderem ein vom Beklagten an die Hauswand angepasster Holzunterstand für die Mülltonnen verlegt und der Dachanschluss am Haus des Beklagten angepasst werden. Der Beklagte lehnt diese Maßnahmen ab. Das AG verurteilte den Beklagten antragsgemäß, dem Kläger die Vornahme der Maßnahmen auf dessen Kosten zu erlauben. Das LG wies die Klage hingegen ab.

Die Revision des Klägers bleibt erfolglos.

Nach § 10a Abs. 1 des Hessischen Nachbarrechtsgesetzes müssen Eigentümer und Nutzungsberechtigte eines Grundstücks Bauteile einer Grenzwand, die auf ihr Grundstück übergreifen, dulden, wenn es sich um eine den aktuellen Vorschriften für bestehende Gebäude entsprechende Wärmedämmung handelt und diese auf andere Weise mit vertretbarem Aufwand nicht vorgenommen werden kann. Die Duldungspflicht ist aber auf den Überbau beschränkt und erstreckt sich nicht auf Änderungen am Eigentum des Verpflichteten. Im Streitfall besteht deshalb keine Duldungspflicht, weil die beabsichtigte Maßnahme mit Änderungen am Eigentum des Beklagten einherginge.

Der BGH stellt klar, dass die genannte Vorschrift nur für Grenzwände gilt, also für Wände, die die Grenze zum Nachbargrundstück nicht überschreiten. Bei einer gemeinsamen Grenzeinrichtung im Sinne von § 921 BGB richtet sich die Zulässigkeit eines Überbaus nach den Regeln der Gemeinschaft, insbesondere nach § 745 Abs. 2 BGB. Zu den danach in Betracht kommenden Verwaltungsmaßnahmen zählen jedoch nur Maßnahmen, die die gemeinsame Einrichtung betreffen, nicht aber Maßnahmen, die das alleinige Eigentum eines Beteiligten betreffen. Für den Streitfall führt dies zum gleichen Ergebnis wie im Fall einer Grenzwand.

Praxistipp: Auch wenn es im konkreten Fall nicht entscheidungserheblich war, sollte vor Klageerhebung sorgfältig geklärt werden, ob es um eine Grenzwand oder um eine gemeinsame Grenzeinrichtung geht.

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Diese Woche geht es um die Grenzen des Grundsatzes „Kauf bricht nicht Miete“.

Eintritt in das Mietverhältnis bei bloßem Mitbenutzungsrecht
Beschluss vom 4. September 2019 – XII ZR 52/18

Mit den Grenzen von § 566 Abs. 1 BGB befasst sich der XII. Zivilsenat.

Die Klägerin hatte von einer später insolvent gewordenen Gesellschaft Gewerberäume gemietet. Nach dem Mietvertrag war sie berechtigt, eine Zufahrt mitzubenutzen, die auf einem benachbarten, ebenfalls der damaligen Vermieterin gehörenden Grundstück liegt. Der Insolvenzverwalter veräußerte das Grundstück mit den vermieteten Räumen an die Beklagte zu 1 und das Grundstück mit der Zufahrt an die Beklagte zu 2. Die Beklagte zu 1 erklärte die vorzeitige Kündigung des Mietverhältnisses gemäß § 111 InsO. Die Klägerin hielt diese Kündigung mangels Mitwirkung der Beklagten zu 2 für unwirksam und beantragte die Feststellung, dass die Beklagten zum Ersatz aller daraus entstehenden Schäden verpflichtet sind. Das LG wies die Klage ab. Das OLG stellte fest, dass das Mietverhältnis bis zu dem im Vertrag vorgesehenen Endtermin weiterbestanden habe.

Der BGH stellt das erstinstanzliche Urteil in vollem Umfang wieder her. Entgegen der Auffassung des OLG war die allein von der Beklagten zu 1 erklärte Kündigung wirksam, weil die Beklagte zu 2 nicht gemäß § 566 Abs. 1 BGB in den Mietvertrag eingetreten ist. Für einen Eintritt nach dieser Vorschrift ist erforderlich, dass ein Grundstück veräußert wird, das als Mietsache Gegenstand eines Mietvertrags ist und dem Mieter vor der Veräußerung überlassen wurde. An beiden Voraussetzungen fehlt es in Bezug auf Grundstücke oder Räume, an denen dem Mieter lediglich ein Recht zur Mitbenutzung eingeräumt worden ist.

Praxistipp: Ein Notwegrecht darf gemäß § 917 BGB nur der Eigentümer des vermieteten Grundstücks geltend machen, nicht der Mieter. Ist das Verlangen erfolgreich, darf sich gemäß § 986 Abs. 1 BGB auch der Mieter auf das Notwegrecht berufen.

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Diese Woche geht es um den Umfang der gerichtlichen Überprüfung in der Berufungsinstanz.

Tatrichterliche Würdigung in der Berufungsinstanz
Beschluss vom 4. September 2019 – VII ZR 69/17

Mit dem Maßstab für die Überprüfung erstinstanzlicher Tatsachenfeststellungen durch das Berufungsgericht befasst sich der VII. Zivilsenat.

Die Klägerin nahm die Beklagte auf Ersatz von Wasserschäden in Anspruch, die sie auf einen fehlerhaft verlegten Kühlwasserschlauch zurückführte. Das LG wies die Klage nach Einholung eines Gutachtens und mündlicher Anhörung des Sachverständigen ab. Das OLG wies die Berufung durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurück.

Der BGH verweist die Sache durch Beschluss gemäß § 544 Abs. 7 ZPO an das OLG zurück. Dieses hat den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt, weil es die tatrichterliche Würdigung des LG nur auf Rechtsfehler überprüft hat. Nach § 529 Abs. 1 ZPO muss ein Berufungsgericht prüfen, ob konkrete Umstände vorliegen, die Zweifel an der Vollständigkeit oder Richtigkeit der erstinstanzlich getroffenen Tatsachenfeststellungen bestehen. Diese Prüfung darf sich nicht auf die Frage beschränken, ob dem erstinstanzlichen Gericht Rechtsfehler unterlaufen sind. Das Berufungsgericht muss sich vielmehr auch mit tatsächlichen Umständen befassen, die der Berufungskläger aufgezeigt hat. Eine erneute Beweiserhebung ist schon dann geboten, wenn diese Umstände eine gewisse – nicht notwendig überwiegende – Wahrscheinlichkeit dafür begründen, dass die erstinstanzliche Feststellung danach keinen Bestand haben wird.

Praxistipp: Eine auf die Verletzung von § 529 Abs. 1 ZPO (iVm Art. 103 Abs. 1 GG) gestützte Nichtzulassungsbeschwerde hat vor allem dann Aussicht auf Erfolg, wenn sich das Berufungsgericht mit der Erwägung begnügt hat, die erstinstanzliche Entscheidung sei frei von Rechtsfehlern.

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Diese Woche geht es um die Erfolgsaussichten eines Mahnverfahrens.

Prozesskostenhilfe für Mahnverfahren
Beschluss vom 21. August 2019 – VII ZB 48/16

Mit der Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Mahnverfahren hinreichende Erfolgsaussicht im Sinne von § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO bietet, befasst sich der VII. Zivilsenat.

Der Antragsteller beantragte als Insolvenzverwalter Prozesskostenhilfe für einen Mahnbescheid wegen einer Forderung aus einem von der Insolvenzschuldnerin geschlossenen Werkvertrag. Das AG wies den Antrag mangels Erfolgsaussicht zurück. Die sofortige Beschwerde des Antragstellers blieb erfolglos.

Der BGH verweist die Sache an das LG zurück. Abweichend von den Vorinstanzen führt der Umstand, dass der Gegner angekündigt hat, gegen einen Mahnbescheid gegebenenfalls Widerspruch einzulegen, weder dazu, dass es an hinreichender Erfolgsaussicht im Sinne von § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO fehlt, noch dazu, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung als mutwillig anzusehen ist. Zu den legitimen Zielen eines Mahnverfahrens rechnet der BGH nicht nur den (nur ohne Widerspruch möglichen) Erlass eines Vollstreckungsbescheids, sondern auch die schnelle Hemmung der Verjährung. Hierfür genügt es, wenn der beabsichtigte Mahnantrag den formellen Voraussetzungen der §§ 688 bis 691 ZPO entspricht. Der III. und der X. Zivilsenat hatten in einigen früheren Entscheidungen einen Prozesskostenhilfeantrag unter anderem deshalb als mutwillig angesehen, weil der Gegner bereits Widerspruch angekündigt hatte. Sie hatten diese Entscheidungen aber zusätzlich auf die Erwägung gestützt, eine besonnene Partei werde das mit der beabsichtigten Rechtsverfolgung verbundene finanzielle Risiko aufgrund der besonderen Umstände des jeweiligen Einzelfalles nicht auf sich nehmen. Auf Anfrage des VII. Zivilsenats haben sie mitgeteilt, dass der vorliegende Beschluss zu ihren Entscheidungen nicht in Widerspruch steht. Nach Zurückverweisung wird das LG noch die Voraussetzungen des § 116 ZPO prüfen müssen.

Praxistipp: Sofern der beabsichtigten Rechtsverfolgung in der Sache nicht mit Händen greifbare Einwände entgegenstehen, eröffnet ein Antrag auf Prozesskostenhilfe für ein Mahnverfahren einen schnellen und unkomplizierten Weg zur Hemmung der Verjährung. Nach Übergang in das streitige Verfahren bedarf es allerdings eines erneuten Prozesskostenhilfegesuchs, bei dem auch die Erfolgsaussichten in der Sache zu prüfen sind.

Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung nach einem nicht rechtzeitig eingegangenen Antrag auf Fristverlängerung.

Begründung eines Antrags auf Fristverlängerung
Beschluss vom 20. August 2019 – X ZB 13/18

Mit den Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand befasst sich der X. Zivilsenat.

Der in erster Instanz unterlegene Kläger hatte rechtzeitig Berufung eingelegt. Sechs Tage vor Ablauf der Begründungsfrist übersandte sein Prozessbevollmächtigter per Post einen Schriftsatz, in dem er „vorsorglich“ Fristverlängerung beantragte. Der Schriftsatz ging erst einen Tag nach Ablauf der Frist beim Gericht ein. Das LG wies den Eintrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurück und verwarf die Berufung als unzulässig.

Die Rechtsbeschwerde des Klägers bleibt im Ergebnis ohne Erfolg.

Abweichend vom LG sieht es der BGH allerdings nicht als schuldhaft an, dass der Prozessbevollmächtigte den Schriftsatz nur per Post und nicht auch per Telefax versendet hat. Der Prozessbevollmächtigte durfte darauf vertrauen, dass die Post den Schriftsatz rechtzeitig zum Gericht befördern wird. Er war deshalb nicht gehalten, ihn zusätzlich auf anderem Wege zu versenden oder sich telefonisch über den rechtzeitigen Eingang bei Gericht zu erkundigen.

Die Rechtsbeschwerde bleibt dennoch erfolglos, weil der Prozessbevollmächtigte nicht damit rechnen durfte, dass das LG die Frist bei rechtzeitigem Antrag verlängern würde. Ein Anwalt darf zwar grundsätzlich darauf vertrauen, dass das Gericht einem ersten Antrag auf Fristverlängerung stattgibt. Dies gilt aber nur, wenn in dem Antrag erhebliche Gründe dargetan werden, die eine Verlängerung rechtfertigen. Hieran fehlte es im Streitfall. Mit der Angabe, die Fristverlängerung erfolge vorsorglich, wird ein erheblicher Grund nicht aufgezeigt.

Praxistipp: Zur Darlegung eines erheblichen Grunds für eine erstmalige Fristverlängerung reicht ein pauschaler Hinweis auf Arbeitsüberlastung aus.

Montagsblog: Neues vom BGH

Im 150. Montagsblog geht es (wie schon häufiger) um die erforderlichen Maßnahmen zur Wahrung einer Frist.

Allgemeine Vorkehrungen für den Fall der Verhinderung
Beschluss vom 31. Juli 2019 – XII ZB 36/19

Mit elementaren Anforderungen an die Kanzleiorganisation befasst sich der XII. Zivilsenat.

In einer Familiensache war der Antragsteller in erster Instanz unterlegen. Seine Beschwerdebegründung ging fristgerecht beim OLG ein, ließ aber nicht erkennen, von wem die darin angebrachte Unterschrift stammt. Der Antragsteller beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und trug vor, seine Verfahrensbevollmächtigte sei verhindert gewesen und habe deshalb eine Rechtsanwaltsfachangestellte damit betraut, mit Hilfe des Anwaltsvereins einen Vertreter zu finden. Die Angestellte habe die Räume des Anwaltsvereins aufgesucht und den Schriftsatz dort von einem zufällig anwesenden, ihr nicht näher bekannten Anwalt unterschreiben lassen. Das OLG wies den Wiedereinsetzungsantrag des Antragstellers zurück und verwarf die Beschwerde als unzulässig.

Die Rechtsbeschwerde des Antragstellers bleibt ohne Erfolg. Der BGH tritt dem OLG darin bei, dass die Beschwerdebegründung nicht formgerecht ist, weil sie nicht erkennen lässt, von wem sie unterschrieben ist. Er billigt auch die Einschätzung des OLG, dass die Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers diesen Formmangel verschuldet hat, weil sie nicht selbst festgelegt hat, wer sie vertreten soll.

Praxistipp: Der eher kuriose Fall zeigt einmal mehr, dass unter einer Unterschrift stets in Druckschrift vermerkt werden solle, von wem sie stammt.

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Diese Woche geht es um die entsprechende Anwendung von § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB.

Explosion eines Blindgängers aus dem Zweiten Weltkrieg
Urteil vom 5. Juli 2019 – V ZR 96/18

Mit den Grenzen des nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruchs entsprechend § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB befasst sich der V. Zivilsenat.

Der Beklagte zu 1 betreibt auf einem im Miteigentum der Beklagten zu 2 stehenden Grundstück ein Recyclingunternehmen für Bauschutt. Im Jahr 2014 explodierte auf dem Grundstück eine aus dem Zweiten Weltkrieg stammende Bombe, die in einem Betonteil enthalten war, das zu Recyclingzwecken zerkleinert werden sollte. Dadurch kam es auf mehreren benachbarten Grundstücken zu Schäden, die die Klägerin als Gebäudeversicherin reguliert hat. Die Klage auf Ersatz der Schäden blieb in den beiden ersten Instanzen erfolglos.

Die Revision der Klägerin hat ebenfalls keinen Erfolg. Der BGH tritt dem OLG darin bei, dass die Beklagten nicht nach § 823 oder § 831 BGB zum Schadensersatz verpflichtet sind, weil die Bombe bei einer Sichtprüfung nicht erkennbar war und keine konkreten Anhaltspunkte dafür vorhanden waren, dass der zu verarbeitende Bauschutt Blindgänger enthalten könnte. Eine verschuldensunabhängige Haftung entsprechend § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB lehnt der BGH im Ergebnis ebenfalls ab. Entgegen der Auffassung des OLG fehlt es zwar nicht an dem erforderlichen Grundstücksbezug. Weitere Haftungsvoraussetzung ist aber ein hinreichender Zusammenhang zwischen der beeinträchtigenden Handlung und dem Risiko, das sich verwirklicht hat. Daran fehlt es im Streitfall, weil es sich um ein ungewöhnliches und fernliegendes Risiko gehandelt hat.

Praxistipp: Wenn nicht sicher ist, ob sich ein Verschulden des Beklagten belegen lässt, sollte die Klage in einschlägigen Fällen von vornherein hilfsweise auf eine entsprechende Anwendung von § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB gestützt werden. Eine spätere Geltendmachung dieses Haftungsgrundes stellt eine Klageänderung dar.