Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um den Umfang der Gefährdungshaftung eines Kraftfahrzeughalters.

Verkehrsunfall mit verzögerter Schadensfolge
Urteil vom 26. März 2019 – VI ZR 236/18

Mit Fragen des Kausal- und Zurechnungszusammenhangs im Anschluss an einen Verkehrsunfall befasst sich der VI. Zivilsenat.

Bei einem vom Unfallgegner allein verschuldeten Verkehrsunfall wurde das Fahrzeug des Geschädigten im Frontbereich schwer beschädigt. Der Geschädigte ließ das Fahrzeug in eine Reparaturwerkstatt verbringen. In der darauffolgenden Nacht gerieten die Werkstatt und eine anliegende Wohnung in Brand. Als Ursache stellte sich ein auf den Unfall zurückzuführender Kurzschluss im elektrischen System des Unfallfahrzeugs heraus. Der Brand hätte vermieden werden können, wenn der Werkstattinhaber die Batterie abgeklemmt hätte, was nach den einschlägigen Sicherheitsregeln dringend geboten gewesen wäre. Der Gebäudeversicherer des Werkstattinhabers und der Hausratversicherer der Wohnungsinhaberin nahmen die Haftpflichtversicherer der beiden Unfallbeteiligten auf Schadensersatz in Anspruch. Das LG erklärte die Ansprüche für dem Grunde nach gerechtfertigt, hinsichtlich des Gebäudeschadens unter Abzug einer Mitverschuldensquote von 40%. Das OLG wies die Klage auf die Berufung der Beklagten vollständig ab.

Der BGH verweist die Sache an das OLG zurück. Die eingetretenen Schäden an Gebäude und Hausrat sind durch den Betrieb beider am Unfall beteiligten Fahrzeuge verursacht worden. Entgegen der Auffassung des OLG ist der Zurechnungszusammenhang nicht durch das unsachgemäße Verhalten des Werkstattinhabers unterbrochen worden. Zwar kann es zu einer Unterbrechung kommen, wenn ein Dritter in den Kausalverlauf eingreift. Ein Sorgfaltspflichtverstoß des Dritten reicht hierfür aber auch dann nicht aus, wenn er auf grober Fahrlässigkeit beruht.

Praxistipp: Eine Unterbrechung des Kausalzusammenhangs wäre in der gegebenen Situation etwa dann in Betracht gekommen, wenn der Werkstattinhaber die Batterie zunächst ordnungsgemäß abgeklemmt und er selbst oder ein Dritter sie später wieder angeschlossen hätte.

Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um die Auswirkungen einer Verfahrenstrennung auf die Statthaftigkeit einer Berufung.

Wert des Beschwerdegegenstands nach Verfahrenstrennung
Beschluss vom 4. April 2019 – V ZB 108/18

Mit der Statthaftigkeit einer Berufung nach einer nach Auffassung des Rechtsmittelführers unzulässigen Verfahrenstrennung befasst sich der V. Zivilsenat.

Die klagende Wohnungseigentümergemeinschaft nahm den Beklagten auf Zahlung rückständigen Wohngelds in Höhe von 466,72 Euro in Anspruch. Der Beklagte machte mit zwei nacheinander erhobenen Widerklagen Gegenansprüche geltend. Das AG trennte die Verfahren über die Widerklagen jeweils ab und verurteilte den Beklagten entsprechend dem Klageantrag. Das LG verwarf die Berufung als unzulässig.

Die Rechtsbeschwerde des Beklagten bleibt erfolglos. Der BGH tritt dem LG darin bei, dass der für eine Berufung erforderliche Wert des Beschwerdegegenstands von 600 Euro (§ 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) nicht überschritten ist. Anders als das LG lässt er offen, ob das AG die Verfahren über die Widerklagen zu Recht abgetrennt hat. Nach der Rechtsprechung des BGH kann zwar der Wert des Beschwerdegegenstands aus mehreren Verfahren zu addieren sein, wenn die Vorinstanz diese zu Unrecht getrennt hat. Voraussetzung dafür ist aber, dass alle von der Trennung betroffenen Verfahren in die Rechtsmittelinstanz gelangt sind. Im Streitfall waren die Verfahren über die beiden Widerklagen noch beim AG anhängig. Deshalb ist die Berufung gegen die Entscheidung über die Klageforderung nicht statthaft.

Praxistipp: Ein Berufungskläger, der eine fehlerhafte Verfahrenstrennung rügen will, sollte beantragen, das erste Berufungsverfahren auszusetzen, bis auch die weiteren von der Teilung betroffenen Verfahren in die Berufungsinstanz gelangt sind.

Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um das Recht zum Widerruf eines an einem Messestand geschlossenen Kaufvertrags.

Konkretes Erscheinungsbild eines Messestands
Urteile vom 10. April 2019 –VIII ZR 244/16 und VIII ZR 82/17

Mit der Umsetzung der Vorgaben aus der EuGH-Entscheidung zur Grünen Woche befasst sich der VIII. Zivilsenat in zwei Urteilen.

In beiden Verfahren ging es darum, ob der Käufer einen auf einer Verbrauchermesse geschlossenen Kaufvertrag nach § 312g Abs. 1 BGB widerrufen konnte. Zu der hierfür relevanten Frage, ob der Messestand, an dem der Vertragsschluss stattfand, als beweglicher Gewerberaum im Sinne von § 312b Abs. 2 Satz 1 BGB und der Richtlinie 2011/83/EU anzusehen ist, hat der EuGH mit Urteil vom 7. August 2018 (C-485/17) die maßgeblichen Kriterien herausgestellt. Danach ist maßgeblich, ob der Käufer damit rechnen muss, dass ihm auf der Messe ein Kaufangebot unterbreitet wird. Relevant dafür sind sowohl der Gesamtcharakter der Messe als auch das konkrete Erscheinungsbild des jeweiligen Messestands. Nur in einem der beiden Verfahren vor dem BGH reichten die von den Vorinstanzen getroffenen Feststellungen für eine abschließende Entscheidung aus.

Im Verfahren VIII ZR 82/17, das die Messe Rosenheim betrifft, hatte das LG festgestellt, dass der Käufer sowohl aufgrund des Gesamtcharakters der Messe als auch aufgrund des konkreten Erscheinungsbilds des Messestands mit der Unterbreitung von Kaufangeboten rechnen musste. Der BGH sah diese Feststellungen als rechtsfehlerfrei an und verneinte deshalb mit der Vorinstanz ein Widerrufsrecht.

Im Verfahren VIII ZR 244/16, das die Grüne Woche in Berlin betrifft, hatte das LG hingegen nur Feststellungen zum Gesamtcharakter der Messe getroffen. Der BGH konnte auf dieser Grundlage nicht ausschließen, dass der konkrete Messestand so ausgestaltet war, dass der Käufer ihn als reinen Informationsstand ansehen durfte. Deshalb verwies er die Sache an das LG zurück.

Praxistipp: Die Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen des Widerrufsrechts liegen bei der Partei, die einen wirksamen Widerruf geltend macht.

Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um eine bislang ungeklärte Frage im Zusammenhang mit Wohnungseigentümergemeinschaften.

Prozesskostenhilfe für Wohnungseigentümergemeinschaften
Beschluss vom 21. März 2019 – V ZB 111/18

Mit einer in Literatur und Rechtsprechung bislang umstrittenen Frage befasst sich der V. Zivilsenat.

Die beklagte Wohnungseigentümergemeinschaft beantragte Prozesskostenhilfe für die Berufungsinstanz. Das LG wies den Antrag zurück, ließ aber die Rechtsbeschwerde zu.

Das Rechtsmittel der Beklagten bleibt ohne Erfolg. Der BGH bestätigt die von der Vorinstanz zugrunde gelegte Auffassung, dass eine Wohnungseigentümergemeinschaft nach § 116 Satz 1 Nr. 2 ZPO nur dann ein Recht auf Prozesskostenhilfe hat, wenn weder sie noch die ihr angehörenden Wohnungseigentümer in der Lage sind, die Kosten aufzubringen. Verfügt die Gemeinschaft nicht über die erforderlichen Mittel, muss sie die Finanzierungslücke durch eine Umlage auf die Eigentümer oder durch eine Kreditaufnahme schließen. Können einzelne Eigentümer den auf sie entfallenden Anteil der Kosten nicht erbringen, muss dies durch eine ergänzende Umlage bei den übrigen Eigentümern ausgeglichen werden. Hierbei ist unerheblich, ob die Kostentragung für die Eigentümer zumutbar ist.

Praxistipp: Um die Voraussetzungen darzulegen, muss sowohl für die Eigentümergemeinschaft als auch für jeden einzelnen Eigentümer eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorgelegt werden. Darüber hinaus muss dargelegt werden, weshalb die Aufnahme eines Kredits nicht in Betracht kommt.

Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um eine nicht selten auftretende Frage aus dem Mietrecht.

Rückgabe der Mietsache
Urteil vom 27. Februar 2019 – XII ZR 63/18

Mit der Frage, zu welchem Zeitpunkt die kurze Verjährungsfrist für Ansprüche wegen Verschlechterungen der Mietsache (§ 548 Abs. 1 ZPO) beginnt, befasst sich der XII. Zivilsenat.

Der Beklagte hatte ein Mietverhältnis über ein Bürogebäude zum 30. September 2012 gekündigt. Nach dem Mietvertrag hatte er beim Auszug die von ihm vorgenommenen Einbauten zu entfernen. Im Oktober räumte er das Objekt. Im November ließ er der Klägerin durch Anwaltschreiben mitteilen, er biete die sofortige Rückgabe der Räume an und schlage einen kurzfristigen Vor-Ort-Termin vor, um denkbare Interessenlagen abzustimmen, zum Beispiel im Hinblick auf die von ihm installierte Zentralschließanlage. Nach einer Besprechung im Dezember ließ er im Januar die von der Klägerin gewünschten Rückbauten vornehmen. Am 8. Februar 2013 gab er die Räume an die Klägerin zurück. Diese begehrt mit einer am 1. August 2013 zugestellten Klage Schadensersatz wegen Verschlechterung der Mietsache in Höhe von rund 100.000 Euro. Das LG sprach ihr rund 20.000 Euro zu. Das OLG wies die Klage insgesamt ab.

Der BGH verweist die Sache an das OLG zurück. Entgegen der Auffassung des OLG war die sechsmonatige Verjährungsfrist des § 548 Abs. 1 BGB bei Zustellung der Klage noch nicht abgelaufen. Der Beklagte hat die Sache erst am 8. Februar 2013 zurückerhalten. Der BGH lässt offen, ob die kurze Verjährungsfrist stets zu dem Zeitpunkt beginnt, zu dem der Vermieter die unmittelbare Sachherrschaft über die Mietsache dauerhaft wiedererlangt, oder ob es ausreicht, wenn der Vermieter mit der Rücknahme in Annahmeverzug gerät. Im Streitfall fehlt es bereits an einem für die Begründung von Annahmeverzug ausreichenden Angebot des Beklagten. Dieser hat im Anwaltschreiben vom November 2012 zwar die sofortige Rückgabe angeboten, zugleich aber erkennen lassen, dass er zunächst noch Gespräche über den Verbleib der Zentralschließanlage und anderer Einbauten führen will.

Praxistipp: Wenn nicht auszuschließen ist, dass der Vermieter mit der Rücknahme der Mietsache in Annahmeverzug war, sollte die Verjährungsfrist des § 548 Abs. 1 BGB aus Gründen anwaltlicher Vorsicht von dem Tag an berechnet werden, an dem der Annahmeverzug ggf. begonnen hat.

Montagsblog: Neues vom BGH

Im Montagsblog nach Ostern geht es um eine grundlegende Frage aus dem Kaufrecht.

Nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung der Kaufsache
Urteil vom 10. März 2019 – VIII ZR 213/18

Mit der Frage, welche Eigenschaften einer Kaufsache als vereinbart oder als vorausgesetzt anzusehen sind, befasst sich der VIII. Zivilsenat.

Die Klägerin hatte bei der Beklagten eine Maschine zum Verpacken von Vogelfutter in Plastikbeutel gekauft. Kurz nach Inbetriebnahme rügte sie, die Maschine arbeite zu langsam und erzeuge keine hinreichend stabilen Nähte. In einem selbständigen Beweisverfahren kam der gerichtliche Sachverständige zu einem der Klägerin im Wesentlichen günstigen Ergebnis. Ihre Klage auf Rückzahlung des Kaufpreises hatte in den ersten beiden Instanzen Erfolg.

Der BGH verweist die Sache an das OLG zurück. Die von den Vorinstanzen getroffenen Feststellungen tragen nicht die Annahme eines Mangels. Eine Beschaffenheitsvereinbarung im Sinne von § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB darf nach dem seit 2002 geltenden Kaufrecht nur noch in eindeutigen Fällen bejaht werden. Dass die Klägerin in einer dem Vertragsschluss vorangegangenen E-Mail eine Taktzahl von zwanzig Beuteln pro Minute gefordert und die Beklagte in der Auftragsbestätigung sogar eine Taktzahl von bis zu vierzig Beuteln pro Minute angegeben hat, reicht nicht aus, um eine bestimmte Taktzahl als vereinbart anzusehen. An der Eignung für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung im Sinne von § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BGB fehlt es nur dann, wenn der vom Käufer angestrebte und für den Verkäufer erkennbare Einsatzzweck bestimmte Eigenschaften zwingend erfordert und die Kaufsache diese nicht aufweist. Aus den Feststellungen der Vorinstanzen ergibt sich nicht, dass für den im Streitfall vorausgesetzten Einsatzzweck – das Verpacken von Vogelfutter in Plastikbeutel – eine Taktzahl von zwanzig Beuteln pro Minute zwingend erforderlich oder zumindest üblich ist. Ob die Maschine deshalb an einem Mangel leidet, weil sie keine hinreichend stabilen Nähte erstellen kann, hat das OLG offengelassen. Nach der Zurückverweisung wird es sich mit beiden Aspekten nochmals zu befassen haben.

Praxistipp: Für den Fall, dass eine Beschaffenheitsvereinbarung im Sinne von § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht bewiesen werden kann, sollte möglichst umfassend dargelegt und unter Beweis gestellt werden, welche Eigenschaften für die nach dem Vertrag vorausgesetzte oder die übliche Verwendung der Kaufsache objektiv erforderlich sind.

Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um die Klage eines Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung gegen die Zulassung einer bei ihr versicherten Person als Rechtsanwältin.

Zulassung als Syndikusanwältin während der Elternzeit
Urteil vom 18. März 2019 – AnwZ (Brfg) 6/18

Mit der Frage, ob ein befristetes Ruhen des Beschäftigungsverhältnisses der Zulassung als Syndikusanwältin entgegensteht, befasst sich der Anwaltssenat.

Die Beigeladene ist als politische Sekretärin bei einer Gewerkschaft tätig. Im März 2016 beantragte sie die Zulassung als Syndikusrechtsanwältin. Die beklagte Rechtsanwaltskammer erteilte die Zulassung im Oktober 2016. Zu diesem Zeitpunkt nahm die Beigeladene Elternzeit nach § 15 BEEG. Die Klägerin, die als Trägerin der gesetzlichen Rentenversicherung für die Beigeladene zuständig ist, focht den Zulassungsbescheid mit Widerspruch und Klage an. Der Anwaltsgerichtshof wies die Klage ab. Dagegen wandte sich die Klägerin mit der Berufung zum BGH.

Das Rechtsmittel bleibt erfolglos. Der BGH bestätigt zwar eine vor kurzem ergangene Entscheidung, wonach der Träger der gesetzlichen Rentenversicherung befugt ist, die Zulassung als Syndikusanwalt anzufechten, weil er gemäß § 46a Abs. 2 Satz 4 BRAO an die damit verbundene Befreiung von der Rentenversicherungspflicht gebunden ist. Mit der Vorinstanz kommt der BGH aber zu dem Ergebnis, dass die Inanspruchnahme von Elternzeit der Zulassung nicht entgegensteht. Die Zulassung als Syndikusanwalt setzt zwar voraus, dass der Antragsteller die betreffende Tätigkeit tatsächlich ausübt. Ein vorübergehendes Ruhen des Beschäftigungsverhältnisses infolge von Elternzeit ist aber ebenso unschädlich wie eine vorübergehende Unterbrechung wegen Urlaubs oder Krankheit.

Praxistipp: Die Berufung gegen eine Entscheidung des Anwaltsgerichtshofs bedarf gemäß § 112e BRAO der Zulassung. Diese kann der Anwaltsgerichtshof oder – wenn der Berufungskläger dies innerhalb eines Monats nach Zustellung des erstinstanzlichen Urteils beantragt – der BGH aussprechen.

Montagsblog: Neues vom BGH

Pünktlich zum Beginn der Wachstumsperiode hat der BGH einen Nachbarstreit entschieden.

Anspruch auf Zurückschneiden herüberragender Äste
Urteil vom 22. Februar 2019 – V ZR 136/18

Mit der Prozessführungsbefugnis auf Seiten des Beklagten und der Verjährung befasst sich der V. Zivilsenat in einem Nachbarstreit.

Der Kläger nahm den Beklagten auf Zurückschneiden von in sein Grundstück hineinragenden Ästen einer Fichte in Anspruch. Die Grundstücke der Parteien stoßen rechtwinklig aufeinander. Der Baum, um den es geht, steht teilweise auf dem Grundstück des Beklagten und teilweise auf dem Grundstück eines weiteren Nachbarn. Die Klage blieb in den beiden ersten Instanzen erfolglos.

Die Revision des Klägers hat ebenfalls keinen Erfolg. Mit dem LG sieht der BGH die Klage allerdings als zulässig an. Die Eigentümer der beiden Grundstücke, auf denen der Baum steht, sind nicht notwendige Streitgenossen im Sinne von § 62 Fall 1 ZPO. Nach § 923 BGB ist jeder Nachbar alleiniger Eigentümer des jeweils auf seinem Grundstück stehenden Teils des Baums. Deshalb darf der Kläger jeden von ihnen gesondert auf Beseitigung derjenigen Störungen in Anspruch nehmen, die von dem im Eigentum des jeweiligen Beklagten stehenden Teil des Baums ausgehen. Ob die herüberragenden Äste die Benutzung des klägerischen Grundstücks beeinträchtigen und ob der Kläger eine solche Beeinträchtigung nach § 1004 Abs. 2 BGB unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit hinnehmen muss, lässt der BGH offen. Er tritt dem LG darin bei, dass der geltend gemachte Anspruch jedenfalls nach § 195 und § 199 BGB verjährt ist. Ein Beseitigungsanspruch unterliegt – anders als Ansprüche auf Unterlassung einer Dauerhandlung – grundsätzlich der Verjährung. Die Sonderregelung in § 26 Abs. 3 des baden-württembergischen Nachbarrechtsgesetzes, wonach Ansprüche auf Beseitigung herüberragender Zweige nicht verjähren, betrifft nur Ansprüche aus diesem Gesetz, nicht aber einen Anspruch, der sich aus § 1004 Abs. 1 BGB ergibt. Eine landesrechtliche Regelung, die die Verjährung eines solchen Anspruchs erleichtern, erschweren oder ausschließen würde, wäre wegen fehlender Gesetzgebungskompetenz des Landes unwirksam.

Praxistipp: Der Kläger sollte stets klarstellen, ob er seinen Anspruch auf das BGB, die landesrechtlichen Vorschriften über das Nachbarrecht oder beide Regelungen stützen will. Hierzu gehört der Vortrag eines die jeweilige Regelung ausfüllenden Lebenssachverhalts.

Montagsblog: Neues vom BGH

Um die Bestimmung des Streitgegenstands und die Wirkungen einer unzulässigen Urteilsergänzung geht es in dieser Woche.

Schadensersatz wegen Planungsmängeln
Urteil vom 21. Februar 2019 – VII ZR 105/18

Mit einem gründlich misslungenen Versuch, ein Versehen durch ein „Ergänzungsurteil“ zu korrigieren, befasst sich der VII. Zivilsenat.

Die Klägerin hatte den beklagten Ingenieur mit Planungsleistungen für eine Tiefgarage beauftragt. Nach Fertigstellung des Gebäudes erwies sich die Bodenplatte als undicht. Die Klägerin warf dem Beklagten einen Planungsfehler vor und verlangte von ihm Ersatz der voraussichtlich anfallenden Kosten für den Austausch der Bodenplatte in Höhe von 532.000 Euro. Das LG verurteilte den Beklagten antragsgemäß. In den Entscheidungsgründen führte es aus, die Klägerin könne aufgrund des festgestellten Planungsmangels einen Vorschuss auf die erforderlichen Aufwendungen zur Beseitigung des Mangels verlangen. Dagegen wandten sich der Beklagte mit der Berufung und die Klägerin mit der Anschlussberufung. Auf Antrag der Klägerin erließ das LG später ein „Ergänzungsurteil“, in dem es ausführte, der zugesprochene Betrag stehe der Klägerin als Schadensersatz zu. Die Beklagte legte gegen diese Entscheidung kein Rechtsmittel ein. Das OLG wies die Berufung als unbegründet zurück und verwarf die Anschlussberufung als unzulässig. Zur Begründung führte es aus, aufgrund des nicht angefochtenen Ergänzungsurteils stehe bindend fest, dass die Klageforderung in vollem Umfang begründet sei.

Der BGH verweist die Sache an das OLG zurück. Entgegen der Auffassung des OLG entfaltet das Ergänzungsurteil des LG keine Bindungswirkung, weil es ohne verfahrensrechtliche Grundlage ergangen ist. Für eine Urteilsergänzung nach § 321 ZPO war kein Raum, weil das LG bereits in seinem ursprünglichen Urteil vollständig über den Streitgegenstand entschieden hat. Die Klage betrifft einen Anspruch auf Schadensersatz, weil sie auf einen Planungsmangel gestützt ist und der Kläger nicht die Beseitigung dieses Mangels, sondern den Ersatz eines aus diesem resultierenden Folgeschadens begehrt. Das ursprüngliche Urteil des LG betrifft diesen Lebenssachverhalt, auch wenn es das Begehren rechtlich unzutreffend als Vorschussanspruch qualifiziert hat. Mit dieser Einordnung hat das LG dem Klagebegehren zwar nicht vollständig entsprochen, weil die Klägerin über erhaltene Vorschüsse später abrechnen muss. Auch insoweit ist das ursprüngliche Urteil aber nicht unvollständig, sondern inhaltlich unzutreffend. Das OLG wird sich deshalb nach Zurückverweisung mit der Begründetheit des Klagebegehrens zu befassen haben.

Praxistipp: Nach der neuen Rechtsprechung des BGH ist der Übergang von einer „echten“ Vorschussklage zu einer auf denselben Mangel gestützten Klage auf Schadensersatz gemäß § 264 Nr. 3 ZPO ebenfalls nicht als Klageänderung anzusehen (BGH, Urt. v. 22.2.2018 – VII ZR 46/17, Tz. 53 – BGHZ 218, 1 = MDR 2018, 465).

Montagsblog: Neues vom BGH

Um zwei allgemeine prozessrechtliche Fragen geht es in dieser Woche.

Drittwiderklage gegen den Zedenten
Urteil vom 11. Oktober 2018 – I ZR 114/17

Mit einer nicht alltäglichen Reaktion auf ein verbreitetes prozesstaktisches Mittel befasst sich der I. Zivilsenat.

Der Kläger hatte auf Vermittlung des beklagten Versicherungsmaklers eine Hausratversicherung für eine von ihm und seiner Ehefrau genutzte Wohnung abgeschlossen. Einige Monate später wurden bei einem Einbruch in die Wohnung Wertsachen und Bargeld aus einem Tresor entwendet. Die Versicherung erstattete dem Kläger aufgrund einer in den Versicherungsbedingungen enthaltenen „Tresorklausel“ insgesamt nur 21.000 Euro. Der Kläger warf dem Beklagten unzureichende Beratung vor und klagte aus eigenem und aus abgetretenem Recht auf Erstattung des restlichen Schadens, den er mit rund 168.000 Euro bezifferte. Der Beklagte trat der Klage entgegen und beantragte im Wege der Drittwiderklage die Feststellung, dass auch der Ehefrau keine Ansprüche zustehen. Klage und Widerklage hatten in erster Instanz teilweise Erfolg. Das Berufungsgericht verurteilte den Beklagten unter Abweisung der weitergehenden Klage zur Zahlung von rund 114.000 Euro. Die Widerklage wies es als unbegründet ab, weil der Ehefrau aufgrund der wirksamen Abtretung an den Kläger keine Ansprüche mehr zustünden.

Die nur hinsichtlich der Drittwiderklage zugelassene Revision des Beklagten hat Erfolg. Der BGH spricht antragsgemäß die Feststellung aus, dass der Ehefrau über den dem Kläger zugesprochenen Betrag hinaus keine weitergehenden Ansprüche aus dem der Klage zugrunde liegenden Sachverhalt zustehen. Mit dem OLG hält der BGH eine Drittwiderklage gegen den Zedenten einer eingeklagten Forderung für zulässig, weil eine dem Kläger negative Entscheidung nur dann zu Lasten des Zedenten Rechtskraftwirkung entfaltet, wenn die Abtretung wirksam war und nicht wirksam angefochten wird, und der Beklagte in der Regel nicht zuverlässig beurteilen kann, ob diese Voraussetzungen vorliegen. Abweichend vom OLG ist ein solcher Widerklageantrag in der Regel dahin auszulegen, dass es nur um den Bestand der Forderung im Zeitpunkt der Abtretung geht. Die Entscheidung über die Drittwiderklage hat deshalb inhaltlich der Entscheidung über die Klage zu folgen. Die Drittwiderklage ist nur insoweit abzuweisen, als die Klage Erfolg hat. Soweit die Klage abgewiesen wird, ist hingegen die mit der Drittwiderklage begehrte Feststellung auszusprechen. Die Wirksamkeit der Abtretung ist hierbei grundsätzlich nur dann zu prüfen, wenn diese Frage auch für die Entscheidung über die Klage klärungsbedürftig ist. Letzteres war hier nicht der Fall, weil die Beklagte die Wirksamkeit der Abtretung nicht bestritten hat.

Praxistipp: Mit der vom BGH zugelassenen Drittwiderklage gegen den Zedenten kann der Beklagte den vom Kläger mit einer Abtretung häufig angestrebten Vorteil, nämlich die Möglichkeit, den Zedenten als Zeugen zu benennen, in praktisch allen Konstellationen zunichtemachen.

Erledigung nach Klage beim unzuständigen Gericht
Beschluss vom 28. Februar 2019 – II ZR 16/18

Der III. Zivilsenat strebt eine Änderung der Rechtsprechung an.

Die Klägerin hatte die beklagte Stadt vor dem AG auf Schadensersatz in Höhe von rund 1.100 Euro wegen Beschädigung eines Fahrzeugs bei Mäharbeiten in Anspruch genommen. Nach Zahlung des Klagebetrags durch die Haftpflichtversicherung hatte sie den Rechtsstreit einseitig für erledigt erklärt. Das AG verwies den Rechtsstreit an das LG, weil dieses für Amtshaftungsansprüche ausschließlich zuständig ist. Das LG wies den einseitigen Erledigungsantrag als unbegründet ab, weil die Klage im Zeitpunkt der Erledigung mangels Zuständigkeit des AG unzulässig gewesen sei. Das OLG stellte hingegen antragsgemäß die Erledigung des Rechtsstreits fest.

Der III. Zivilsenat des BGH will die Revision der Beklagten zurückweisen. Er sieht sich daran durch eine Entscheidung des XII. Zivilsenats gehindert, der vor nicht allzu langer Zeit (Beschluss vom 21. Juni 2017 – XII ZB 231/17, Tz. 11 – MDR 2017, 1441) die gleiche Auffassung vertreten hat wie das LG im Streitfall. Der III. Zivilsenat hält demgegenüber die Auffassung des OLG für zutreffend, weil die Unzuständigkeit des AG im Zeitpunkt der Erledigung durch einen Verweisungsantrag behoben werden konnte und deshalb nicht zur Abweisung der Klage geführt hätte. Deshalb hat er beim XII. Zivilsenat angefragt, ob dieser an seiner Auffassung festhält.

Praxistipp: Sollte der XII. Zivilsenat bei seiner Auffassung bleiben, wäre der Große Zivilsenat des BGH zur Entscheidung der Rechtsfrage berufen.