Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um die Berechtigung an dem Guthaben auf einem Sparbuch, das Eltern für ihr Kind angelegt haben.

Berechtigung an einem Sparguthaben
Urteil vom 17. Juli 2019 – XII ZB 425/18

Mit den Rechtsverhältnissen zwischen Bank, Kind und Eltern befasst sich der XII. Zivilsenat.

Der Antragsgegner und seine damalige Ehefrau hatten im Jahr 1997 für ihr im Jahr zuvor geborenes Kind – die jetzige Antragstellerin – ein Sparkonto eingerichtet. In den Jahren 2010 und 2011 hob der Antragsgegner ohne Rücksprache mit seiner Ehefrau 17.300 Euro von dem Sparkonto ab. Im Jahr 2015 übergab er das Sparbuch, das ein Restguthaben von 242 Euro auswies, an die Antragstellerin, die bei dieser Gelegenheit erstmals von der Existenz des Sparkontos erfuhr. Das Begehren der Antragstellerin, den Antragsgegner zur Zahlung von 17.300 Euro zu verurteilen, hatte vor dem AG Erfolg. Das OLG wies den Antrag auf die Beschwerde des Antragsgegners hin ab.

Die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin führt zur Aufhebung der Beschwerdeentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das OLG.

Abweichend vom Beschwerdegericht misst der BGH der Frage, wer Besitzer des Sparbuchs war, für das Rechtsverhältnis mit der Bank keine Bedeutung zu. Er grenzt sich damit von früherer, überwiegend das Verhältnis zwischen Großeltern und Enkel betreffender Rechtsprechung ab und begründet dies damit, dass Eltern jedenfalls bis zum Grundschulalter schon aufgrund ihrer Obliegenheit zum Schutz des Kindesvermögens gehalten sind, den Besitz am Sparbuch auszuüben. Für das Verhältnis zur Bank sind in dieser Konstellation vor allem die mit dieser getroffenen Vereinbarungen über Kontoinhaberschaft und Verfügungsbefugnis von Bedeutung. Diese sprechen im Streitfall dafür, dass die Antragstellerin Inhaberin des Kontos war, weil die Vertragsbestimmungen die Eltern nur als Vertreter ausweisen und sogar ausdrücklich vorsahen, dass die Antragstellerin auch deren Zustimmung zu Verfügungen über das Konto berechtigt ist.

Auch wenn das Kind Kontoinhaber ist, können die Eltern im Innenverhältnis aber zur Verfügungen über das Guthaben berechtigt sein. Für eine solche Berechtigung kann der Umstand sprechen, dass die Eltern den Besitz an dem Sparbuch auch nach dem Erreichen des Grundschulalters behalten haben. Ob dieses Indiz im Streitfall ausreicht, muss das OLG in der von neuem eröffneten Beschwerdeinstanz tatrichterlich beurteilen.

Praxistipp: Wenn das Gericht zu dem Ergebnis gelangt, dass die Eltern im Innenverhältnis Berechtigte des Sparguthabens verblieben sind, kann dies steuerliche Konsequenzen haben – jedenfalls für Zeiträume, in denen Sparkonten noch nennenswerte Zinserträge generiert haben.

Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um eine mietrechtliche Frage.

Fälligkeit des Anspruchs auf Rückzahlung einer Mietkaution
Urteil vom 24. Juli 2019 – VIII ZR 141/17

Mit der Pflicht des Vermieters zur Rückzahlung einer Barkaution befasst sich der VIII. Zivilsenat.

Die Beklagten hatten seit Dezember 2005 vom Kläger eine Wohnung gemietet. Im Februar 2015 erklärten sie wegen verschiedener Mängel die außerordentliche Kündigung zum Monatsende. Der Kläger verlangte insgesamt rund 6.000 Euro wegen restlicher Miete und Nebenkosten, Mietausfall für die Zeit von März bis Mai 2015 und angefallener Renovierungskosten. Das AG verurteilte die Beklagten zur Zahlung von rund 5.000 Euro. Das LG reduzierte diesen Betrag um rund 1.700 Euro, unter anderem deshalb, weil die Beklagten in zweiter Instanz mit einem Anspruch auf Rückzahlung der zu Beginn des Mietverhältnisses gezahlten Barkaution aufgerechnet hatten.

Die Revision des Klägers bleibt ohne Erfolg. Der BGH tritt dem LG darin bei, dass der Anspruch auf Rückzahlung der Mietkaution im Zeitpunkt der Aufrechnung fällig war. Die Fälligkeit tritt ein, sobald der Vermieter über die Kaution eine Abrechnung erteilt hat. Dies kann auch konkludent erfolgen, etwa dadurch, dass der Vermieter Forderungen gegen den Mieter erhebt, ohne sich die Geltendmachung weiterer Forderungen vorzubehalten. Diese Voraussetzung war im Streitfall erfüllt, als die Klage zugestellt wurde. Von diesem Zeitpunkt an waren sowohl der Kläger als auch die Beklagten befugt, die Kaution bzw. den Anspruch auf deren Rückzahlung mit Forderungen des Klägers zu verrechnen.

Praxistipp: Die Geltendmachung eines auf die Kaution gestützten Zurückbehaltungsrechts ist in der Regel nicht zielführend. Im Streitfall hatten sich die Beklagten auf ein solches Recht berufen; das LG hat – vom BGH unbeanstandet – diese Erklärung als Aufrechnung ausgelegt.

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Diese Woche geht es um die Beachtlichkeit von tatsächlichem Hilfsvorbringen einer Partei.

Widerspruch zwischen dem tatsächlichen Haupt- und Hilfsvorbringen
Urteil vom 4. Juli 2019 – III ZR 202/18

Mit der Pflicht zu wahrheitsgemäßem Vorbringen befasst sich der III. Zivilsenat.

Der Kläger nahm den Beklagten wegen fehlerhafter Beratung im Zusammenhang mit der Beteiligung an einem Schiffsfonds in Anspruch. Er stützte sein Begehren in erster Linie darauf, er habe eine risikolose Anlage angestrebt; deshalb hätte er von der vom Beklagten empfohlenen Anlage abgesehen, wenn ihn dieser auf die bestehenden Risiken aufmerksam gemacht hätte. Hilfsweise machte er geltend, er hätte zwar eine risikobehaftete Anlage gezeichnet, nicht aber eine spekulative. Die Klage blieb in den beiden ersten Instanzen erfolglos.

Die Revision des Klägers bleibt ebenfalls ohne Erfolg. Der BGH billigt die tatrichterliche Würdigung des OLG, wonach der Kläger grob fahrlässig gehandelt hat, weil er eine vom Beklagten übergebene Beratungsdokumentation, in der die Risiken der Anlage in drucktechnisch hervorgehobener Weise aufgeführt waren, ungelesen unterschrieben hat. Auf dieser Grundlage hat das OLG zu Recht entschieden, dass die Verjährung bereits mit Zeichnung der Anlage begonnen hat und der Anspruch bei Klageerhebung deshalb verjährt war. Der BGH tritt dem OLG auch darin bei, dass das Hilfsvorbringen des Klägers unbeachtlich ist, weil das OLG sein Hauptvorbringen als wahr unterstellt hat. Zwar ist es nicht schlechthin unzulässig, hilfsweise Tatsachen vorzutragen, die in Widerspruch zum tatsächlichen Hauptvorbringen stehen. Prozessual beachtlich ist solches Vorbringen aber nur, wenn das Gericht den Hauptvortrag als nicht bewiesen oder widerlegt ansieht, nicht aber, wenn es ihn als bewiesen ansieht oder als wahr unterstellt und die Klage aus Rechtsgründen abweist. Einer Partei steht es nicht frei, dem Gericht mehrere miteinander unvereinbare Sachverhalte zu unterbreiten mit dem Ziel, mit einem davon auch rechtlich durchzudringen.

Praxistipp: Prozessual beachtlich ist ein vom ursprünglichen Vortrag abweichendes Vorbringen, wenn es nicht hilfsweise, sondern anstelle des bisherigen Hauptvorbringens erfolgt. Ob das Gericht dem neuen Vortrag Glauben schenkt, ist eine andere Frage.

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Diese Woche geht es um die sukzessive Geltendmachung von Teilforderungen in getrennten Prozessen.

Keine Aussetzung bei getrennter Geltendmachung von Teilforderungen
Beschluss vom 27. Juni 2019 – IX ZB 5/19

Mit dem Anwendungsbereich von § 148 ZPO befasst sich der IX. Zivilsenat.

Der klagende Rechtsanwalt war von den Beklagten beauftragt worden, die Freigabe von zwei Grundschulden zu erwirken. Die Beklagten hatten einen Vorschuss von rund 7.000 Euro gezahlt. Nach Abschluss seiner Tätigkeit stellte der Kläger insgesamt rund 11.000 Euro in Rechnung. Die Beklagten klagten in einem ersten, mittlerweile in der Berufungsinstanz anhängigen Rechtsstreit auf Rückzahlung von rund 4.000 Euro, mit der Begründung, sie hätten mit dem Kläger ein Pauschalhonorar von rund 3.000 Euro vereinbart. Der Kläger trat diesem Begehren entgegen und erklärte die Aufrechnung mit einem Teil seiner Honorarforderung. Gut ein Jahr später klagte er in einem separaten Rechtsstreit den nach seiner Auffassung noch offenen Betrag von rund 4.000 Euro ein. Das AG setzte das Verfahren gemäß § 148 ZPO aus. Das LG wies die dagegen erhobene Beschwerde des Klägers zurück.

Die vom LG zugelassene Rechtsbeschwerde des Klägers hat schon deshalb Erfolg, weil das LG durch den Einzelrichter entschieden hat und dies nach der ständigen Rechtsprechung des BGH das Gebot des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) verletzt, wenn ein Grund für die Zulassung der Rechtsbeschwerde vorliegt. In seinen Hinweisen für das weitere Verfahren gibt der BGH zu verstehen, dass die Entscheidungen der Vorinstanzen auch inhaltlich unzutreffend sind. Eine Aussetzung nach § 148 ZPO kommt nur dann in Betracht, wenn die in dem anderen Rechtsstreit zu treffende Entscheidung für das auszusetzende Verfahren präjudiziell ist, also Rechtskraft-, Gestaltungs- oder Interventionswirkung entfaltet. Eine solche Wirkung kann zwar auch dann entstehen, wenn dieselbe Forderung im einen Verfahren eingeklagt und im anderen Verfahren zur Aufrechnung gestellt wurde. Im Streitfall betreffen die Aufrechnung im ersten Rechtsstreit und die Klage im vorliegenden Rechtsstreit aber unterschiedliche Teile der Honorarforderung. Die Rechtskraft der Entscheidungen ist auf den jeweils betroffenen Teil der Forderung beschränkt. Eine präjudizielle Wirkung kann deshalb nicht eintreten.

Praxistipp: Eine zeitliche Synchronisierung der beiden Prozesse können die Parteien in der gegebenen Konstellation allenfalls durch einen einvernehmlichen Antrag auf Anordnung des Ruhens des Verfahrens erreichen. Eine solche Anordnung führt aber gemäß § 204 Abs. 2 Satz 1 BGB dazu, dass die Verjährung nach sechs Monaten weiterzulaufen beginnt.

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Diese Woche geht es um einen nicht alltäglichen Fall der Kostenerstattung.

Anwaltsbestellung nach Klagerücknahme
Beschluss vom 23. Mai 2019 – V ZB 196/17

Mit der Reichweite des Anspruchs auf Kostenerstattung nach Klagerücknahme befasst sich der V. Zivilsenat.

Der Kläger hatte mit einer gegen die übrigen Wohnungseigentümer gerichteten Klage einen Beschluss der Eigentümerversammlung angegriffen. Vier Tage nach Zustellung der Klage an den Verwalter der Anlage bestellte sich ein Rechtsanwalt als Prozessbevollmächtigter der Beklagten. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Kläger gegenüber dem Gericht bereits die Rücknahme der Klage erklärt. Dieser Schriftsatz wurde dem Verwalter erst einen Tag später zugestellt. Der Rechtspfleger beim AG setzte die von den Beklagten geltend gemachten Anwaltskosten antragsgemäß fest. Die Beschwerde des Klägers blieb erfolglos.

Die Rechtsbeschwerde des Klägers hat ebenfalls keinen Erfolg. Der BGH stützt sich auf seine Rechtsprechung, wonach ein Rechtsmittelgegner die Kosten eines Anwalts erstattet verlangen kann, den er in nicht vorwerfbarer Unkenntnis von der bereits erfolgten Rücknahme des Rechtsmittels beauftragt hat. Für den Fall einer Klagerücknahme kann nichts anderes gelten. Im Streitfall war den Beklagten die Klagerücknahme nicht bekannt. Es waren auch keine Umstände ersichtlich, die auf eine entsprechende Erklärung des Klägers hindeuteten. Deshalb hat der Kläger die angefallenen Kosten zu erstatten.

Praxistipp: Um unnötige Kosten zu vermeiden, sollte der Anwalt des Klägers in solchen Situationen die Gegenseite auf möglichst schnellem Weg (Telefax, E-Mail, Telefon) direkt von der Klagerücknahme unterrichten.

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Diese Woche geht es um die Pflicht des Gerichts, Vortrag in einem nachgelassenen Schriftsatz zu berücksichtigen.

Schriftliche Ausführungen zum Ergebnis der Beweisaufnahme
Beschluss vom 21. Mai 2019 – VI ZR 54/18

Mit den Wirkungen eines gewährten Schriftsatzrechts befasst sich der VI. Zivilsenat.

Die Kläger nahmen die Beklagten wegen fehlerhafter ärztlicher Behandlung ihres verstorbenen Vaters in Anspruch. Sie machten unter anderem geltend, die Beklagten hätten ihren Vater bereits bei einer kurz nach Beginn der Behandlung durchgeführten Untersuchung am 8. Oktober 2009 auf mögliche Infektion der Beine hinweisen und insoweit weitere Untersuchungen veranlassen müssen. Das LG wies die Klage ab. Das OLG vernahm eine Praxisangestellte der Beklagten zu deren Beobachtungen bei den vorgenommenen Untersuchungen. Die Zeugin gab an, sie könne sich an die Daten der einzelnen Untersuchungen und den Zustand des Patienten nicht mehr genau erinnern. Das OLG gab den Parteien nach Abschluss der Beweisaufnahme Gelegenheit, zu deren Ergebnis schriftlich Stellung zu nehmen. In einem fristgerecht eingereichten Schriftsatz wiesen die Kläger auf ein bereits vorgelegtes Gedächtnisprotokoll hin, in dem die Zeugin festgehalten hatte, dass sich bereits am 8. Oktober 2009 Symptome einer Infektion zeigten. Das OLG ging diesem Einwand nicht nach und wies die Berufung der Kläger zurück.

Der BGH verweist die Sache an das OLG zurück. Das OLG war verpflichtet, die fristgerechte Stellungnahme der Kläger zu berücksichtigen und die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen, wenn diese entscheidungserheblichen Vortrag enthielt, der Anlass zu weiterer Sachaufklärung gab. Hierbei ist unerheblich, ob das OLG überhaupt verpflichtet gewesen wäre, ein Schriftsatzrecht zu gewähren. Wenn das Gericht ein solches Recht einräumt, muss es fristgerecht eingereichtes Vorbringen berücksichtigen, soweit es vom Gegenstand des eingeräumten Rechts gedeckt ist. Im Streitfall hätte das OLG das Gedächtnisprotokoll in seine Beweiswürdigung einbeziehen müssen. Dies hätte möglicherweise zu einer erneuten Vernehmung der Zeugin unter Vorhalt des Protokolls geführt.

Praxistipp: Um Klarheit über die weitere Vorgehensweise zu gewinnen, sollten die Parteien in der Regel ein Recht zur schriftlichen Stellungnahme zum Ergebnis der Beweisaufnahme beantragen. Wenn dieser Antrag abgelehnt wird, bleiben sie dennoch zu einer nachträglichen Stellungnahme berechtigt, soweit eine sofortige Stellungnahme in der mündlichen Verhandlung nicht möglich oder nicht zumutbar war.

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Diese Woche geht es um Ansprüche nach dem Abbruch einer eBay-Auktion.

Schnäppchenjäger oder Abbruchjäger?
Urteil vom 22. Mai 2019 – VIII ZR 182/17

Mit Schadensersatzansprüchen des Bieters nach einer vom Verkäufer abgebrochenen eBay-Auktion befasst sich der VIII. Zivilsenat.

Der Beklagte hatte im Frühjahr 2012 bei eBay einen Pirelli-Radsatz für einen Audi A6 mit einem Startpreis von 1 Euro zum Verkauf angeboten, die Auktion aber vorzeitig beendet. Zu diesem Zeitpunkt war der Kläger mit einem Gebot von 201 Euro der Höchstbietende. Der Beklagte lehnte die Lieferung ab. Der Kläger bezifferte den Wert der angebotenen Ware mit 1.701 Euro und verlangte Schadensersatz in Höhe von 1.500 Euro. Die Klage hatte in den beiden ersten Instanzen Erfolg.

Die Revision des Beklagten bleibt erfolglos. Zwischen den Parteien ist ein wirksamer Kaufvertrag zustande gekommen. Nach den AGB von eBay bleibt ein Gebot gültig, wenn der Verkäufer die Auktion ohne berechtigten Grund abbricht. Im Streitfall hat das Berufungsgericht der Behauptung des Beklagten, die Ware sei gestohlen worden, keinen Glauben geschenkt. Der BGH hält diese tatrichterliche Würdigung für rechtsfehlerfrei. Er tritt dem LG auch darin bei, dass der Klageforderung nicht der Einwand des Rechtsmissbrauchs entgegensteht. Eine Betätigung als „Schnäppchenjäger“, d.h. das gezielte Bieten auf Waren zu einem weit unter dem Marktwert liegenden Preis, ist für sich genommen nicht missbilligenswert. Der Verkäufer hat es in der Hand, einen Vertragsschluss zu einem ihm nicht genehmen Preis durch Festsetzung eines entsprechend hohen Startgebots zu vermeiden. Als rechtsmissbräuchlich wäre es allerdings anzusehen, wenn sich der Kläger als „Abbruchjäger“ betätigt, also auf einen Abbruch der Auktion abgezielt hätte, um Schadensersatzansprüche geltend machen zu können. Die diesbezügliche Behauptung des Beklagten sah das Berufungsgericht indes ebenfalls als nicht bewiesen an. Der BGH sieht auch diese Würdigung als rechtsfehlerfrei an.

Praxistipp: Für die Einordnung eines Bieters als „Abbruchjäger“ kann vor allem der Umstand sprechen, dass er nach erfolgreichen Geboten die Ware nicht abgenommen hat, obwohl der Verkäufer zur Lieferung bereit war.

Neue Gesetzgebungsvorschläge zum Zivilprozessrecht

Das BMJV hat einen Referentenentwurf zur dauerhaften Regelung der Wertgrenze für die Nichtzulassungsbeschwerde in Zivilsachen vorgelegt. Ergänzend ist darin unter anderem vorgesehen, den Katalog von Materien, für die jedes LG und jedes OLG eine spezialisierte Kammer bzw. einen spezialisierten Senat einrichten muss, deutlich zu erweitern. An dieser Regelung könnten sich künftig langwierige Kompetenzkonflikte entzünden, die dem angestrebten Ziel der Effizienzsteigerung zuwiderlaufen. Deshalb bleibt zu hoffen, dass der Gesetzgeber flankierende Maßnahmen vorsieht, um diese Gefahr zu minimieren.

Seit der ZPO-Reform im Jahr 2002 ist eine Revision in Zivilsachen nur noch statthaft, wenn das Berufungsgericht oder – auf Nichtzulassungsbeschwerde der unterlegenen Partei – der Bundesgerichtshof das Rechtsmittel zulässt. Eine Nichtzulassungsbeschwerde ist nach § 26 Nr. 8 Satz 1 EGZPO nur zulässig, wenn der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer die Grenze von 20.000 Euro übersteigt. Diese Regelung war ursprünglich nur für einen Übergangszeitraum vorgesehen. Ihr Geltungszeitraum wurde aber mehrfach verlängert, zuletzt bis 31.12.2019.

Der Referentenentwurf sieht nunmehr vor, die Wertgrenze dauerhaft in die ZPO zu übernehmen, als neuen Absatz 2 der für die Zulässigkeit der Nichtzulassungsbeschwerde maßgeblichen Regelung in § 544 ZPO. Der BGH hat sich immer wieder für diese Lösung eingesetzt, um eine anderenfalls drohende Überlastung zu vermeiden.

Ergänzend sieht der Entwurf flankierende Maßnahmen vor, denen das Ziel gemeinsam ist, die Effizienz im Zivilprozess weiter zu steigern. Dazu gehört eine Erweiterung der in § 72a und § 119a GVG vorgesehenen Kataloge von Rechtsmaterien, für die jedes LG und jedes OLG zwingend eine Spezialkammer bzw. einen Spezialsenat einzurichten hat. Die vier bereits bestehenden Tatbestände (Bank- und Finanzgeschäfte, Bau-, Architekten- und Ingenieurverträge, Heilbehandlungen, Versicherungsverträge) sollen um vier weitere Tatbestände (Kommunikations- und Informationstechnologie, Veröffentlichungen in Presse, Funk, Fernsehen und Internet, Erbrecht, insolvenzbezogene Streitigkeiten) ergänzt werden. Insbesondere der Tatbestand der Kommunikations- und Informationstechnologie dürfte eine ungeahnte Vielzahl von Streitigkeiten erfassen.

Wenn die Regelungen wie geplant in Kraft treten, könnte sich eine Entwicklung verstärken, die schon unter dem bestehenden Recht eingesetzt hat und dem Ziel der Effizienzsteigerung zuwiderläuft: Angesichts der abstrakten Formulierungen, mit denen die Zuständigkeit der Spezialspruchkörper umschrieben ist, entsteht nicht selten Streit darüber, ob ein Rechtsstreit vor einen Spezialspruchkörper gehört oder ob es bei der Zuständigkeit einer allgemeinen Zivilkammer bzw. eines allgemeinen Zivilsenats verbleibt. Anders als bei Konflikten über die im Geschäftsverteilungsplan festgelegten Zuständigkeiten sehen viele Obergerichte in solchen Fällen eine Gerichtsstandbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO als zulässig an (vgl. etwa KG, B. v. 14.03.2019 – 2 AR 6/19, MDR 2019, 634). Paradoxerweise können solche gerichtsinternen Konflikte sogar schwieriger zu beurteilen sein als Kompetenzkonflikte zwischen unterschiedlichen Gerichten, denn eine Bindungswirkung, wie sie § 281 ZPO für die Verweisung an ein anderes Gericht oder § 102 GVG für das Verhältnis zwischen Zivilkammer und Kammer für Handelssachen anordnen, ist in § 72a und § 119a GVG nicht ausdrücklich vorgesehen. Selbst die ergänzenden Regelungen über die Zuständigkeit durch rügeloses Verhandeln zur Hauptsache (§ 39 ZPO) und über die beschränkte Nachprüfung der erstinstanzlichen Zuständigkeit in den höheren Instanzen (§ 513 Abs. 2 und § 545 Abs. 2 ZPO) sind zumindest ihrem Wortlaut nach in solchen Fällen nicht anwendbar.

Angesichts dessen erscheint es wünschenswert, dass der Gesetzgeber gerichtsinterne Zuständigkeitskonflikte künftig (mindestens) denselben Schranken unterwirft, die für gerichtsübergreifende Konflikte gelten. Ansonsten ist nicht auszuschließen, dass sich in Zukunft viele Prozesse hauptsächlich um die Frage drehen, welche Kammer bzw. welcher Senat über die Klage zu entscheiden hat.

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Diese Woche geht es um die Folgen eines erstinstanzlichen Verfahrensfehlers.

Keine Zurückverweisung trotz verfahrensfehlerhafter Entscheidung über Ablehnungsgesuch
Urteil vom 14. Mai 2019 – VI ZR 393/18

Mit der Reichweite von § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO befasst sich der VI. Zivilsenat.

Die klagende Bundesrepublik Deutschland begehrte von den Beklagten Ersatz der Kosten für die Reinigung eines Regenrückhaltebeckens. Zu der Verunreinigung war es infolge eines Verkehrsunfalls gekommen, für dessen Folgen die Beklagten dem Grunde nach voll einzustehen haben. Der vom LG beauftragte Sachverständige sah die Kosten als nicht notwendig an, weil die Arbeiten ohne Mehrkosten im Rahmen der nächsten turnusgemäßen Reinigung hätten ausgeführt werden können. Die Klägerin lehnte den Sachverständigen vor der mündlichen Verhandlung wegen Befangenheit ab. Das LG entschied über dieses Gesuch erst in seinem Urteil, mit dem es die Klage abwies. Die Berufung der Klägerin blieb erfolglos.

Die Revision der Klägerin führt zur Zurückverweisung der Sache an das OLG. Der BGH tritt dem OLG allerdings darin bei, dass die Sache nicht an die erste Instanz zurückzuverweisen ist. Die Verfahrensweise des LG war zwar fehlerhaft, weil es über das Ablehnungsgesuch – ebenso wie über ein Ablehnungsgesuch gegen einen Richter – durch gesonderten Beschluss hätte entscheiden müssen und sein Urteil erst nach Rechtskraft dieses Beschlusses hätte erlassen dürfen. Entgegen einer in Rechtsprechung und Literatur zum Teil vertretenen Auffassung sind die Folgen eines solchen Verfahrensfehlers aber nach § 538 ZPO zu beurteilen. Eine Zurückverweisung ist danach jedenfalls dann ausgeschlossen, wenn das Berufungsgericht das Ablehnungsgesuch ebenfalls als unbegründet ansieht. Selbst wenn es die Ablehnung für begründet hält, darf das Berufungsgericht die Sache nur in Ausnahmefällen zurückverweisen, etwa wenn eine umfangreiche Beweisaufnahme notwendig ist, deren Durchführung in der Berufungsinstanz zu noch größeren Nachteilen führen würde als eine Zurückverweisung. Im Streitfall hatte das OLG die Ablehnung des Sachverständigen als unbegründet angesehen. Der Bundesgerichtshof hat diese Entscheidung gebilligt. Dennoch hat er die Sache an das OLG zurückverwiesen, weil dieses von einer Beweisaufnahme über den durch ein Privatgutachten unterlegten Vortrag der Klägerin abgesehen hat, wonach ein Zuwarten bis zur nächsten turnusmäßigen Reinigung zur Freisetzung wassergefährdender Stoffe geführt hätte.

Praxistipp: Das Gericht ist stets zu einer weiteren Sachaufklärung verpflichtet, wenn zwei Sachverständige zu einander widersprechenden fachlichen Beurteilungen gelangen. Dies gilt auch bei einem Widerspruch zwischen einem gerichtlichen Sachverständigen und einem Privatgutachter.

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Diese Woche geht es um die Bedeutung von Angaben in einem Maklerexposé im Zusammenhang mit der Haftung für Sachmängel.

Beschaffenheitsangaben in Maklerexposé
Urteil vom 25. Januar 2019 – V ZR 38/18

Mit dem Verhältnis zwischen den Sätzen 1 und 3 von § 441 Abs. 1 BGB befasst sich der V. Zivilsenat.

Die Klägerin hatte von der Beklagten ein Grundstück mit Wohnhaus gekauft. Im Verkaufsexposé des Maklers war angegeben, auf dem hinteren Teil des Grundstücks dürften zwei bis drei Pferdeboxen errichtet werden. Im notariellen Kaufvertrag schlossen die Parteien die Gewährleistung für Mängel aus. Ferner vereinbarten sie, dass die Zulässigkeit einer weiteren Bebauung oder bestimmten Verwendung nicht zur vereinbarten Beschaffenheit des Grundbesitzes gehört. Nach Übergabe stellte sich heraus, dass die Errichtung von Pferdeboxen auf dem Grundstück baurechtlich weder genehmigt noch genehmigungsfähig war und dass die Beklagte dies bei Vertragsschluss wusste. Das LG gab der auf Rückzahlung des Kaufpreises gerichteten Klage im Wesentlichen statt. Das OLG wies die Berufung als unbegründet zurück.

Die Revision der Beklagten bleibt ebenfalls erfolglos. Der BGH sieht die Ausführungen in dem Verkaufsexposé als öffentliche Äußerungen in der Werbung im Sinne von § 434 Abs. 1 Satz 3 BGB an. Die Möglichkeit, Pferdeboxen zu errichten, gehört deshalb zu der vertraglich geschuldeten üblichen Beschaffenheit im Sinne von § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB. Mit der im Kaufvertrag enthaltenen Klausel, wonach die Zulässigkeit einer weiteren Bebauung oder bestimmten Verwendung nicht zur vereinbarten Beschaffenheit gehört, wurde die unzutreffende Aussage im Exposé nicht korrigiert. Dieser Klausel ist lediglich zu entnehmen, dass die Bebaubarkeit nicht zur vereinbarten Beschaffenheit im Sinne von § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB gehört. Mangels einer Vereinbarung ist aber die übliche Beschaffenheit maßgeblich. Das Grundstück weist deshalb einen Mangel auf. Der vereinbarte Haftungsausschluss ist gemäß § 444 BGB unwirksam, weil die Beklagte arglistig gehandelt hat.

Praxistipp: Für die Prüfung, ob eine gekauftes Grundstück mangelhaft ist, sollten neben dem Kaufvertrag stets die vor Vertragsschluss erfolgten Äußerungen in Verkaufsexposés, Zeitungsanzeigen und ähnlichem herangezogen werden.