Montagsblog: Neues vom BGH

Mit einer nicht allzu häufig relevanten, aber durchaus bedeutsamen Frage des Verfahrensrechts befasst sich die Entscheidung aus dem „Ostermontags-Blog“. Frohe Ostern!

Beauftragung eines Richters in überbesetztem Spruchkörper
Beschluss vom 25. Januar 2018 – V ZB 191/17

Mit einer Detailfrage zur internen Geschäftsverteilung in einem überbesetzten Spruchkörper befasst sich der V. Zivilsenat in einer Zurückweisungshaftsache.

Der aus Marokko stammende Betroffene war beim Versuch der Einreise von Österreich nach Deutschland festgehalten worden Das AG ordnete Haft zur Sicherung der Zurückweisung an. Die Beschwerde blieb im Wesentlichen erfolglos.

Der BGH weist die Rechtsbeschwerde des (inzwischen nach Marokko zurückgewiesenen) Betroffenen zurück. Er sieht es nicht als verfahrensfehlerhaft an, dass die Anhörung des Betroffenen in der Beschwerdeinstanz durch einen beauftragten Richter vorgenommen wurde, der an der Beschwerdeentscheidung nicht mitgewirkt hat. Ein aus mehreren Richtern bestehender Spruchkörper darf zwar nur diejenigen Mitglieder gemäß § 375 ZPO (bei Vernehmung oder Anhörung einer Partei iVm § 451 ZPO, vgl. BGH, B. v. 21.1.2016 – X ZB 12/15 Rz. 9 – MDR 2016, 417) mit einer Beweisaufnahme beauftragen, die nach dem internen Geschäftsverteilungsplan zur Mitwirkung in dem betreffenden Verfahren vorgesehen sind. Maßgeblich dafür ist aber nicht der Zeitpunkt der abschließenden Entscheidung, sondern der Zeitpunkt der Beauftragung. Im Streitfall war der mit der Anhörung betraute Richter im maßgeblichen Zeitpunkt noch für das Verfahren zuständig.

Praxistipp: Wenn im Anschluss an eine nach diesen Grundsätzen unzulässige Beweisaufnahme eine mündliche Verhandlung stattfindet, sollte der Fehler ausdrücklich gerügt werden, um einen Rügeverlust nach § 295 ZPO zu vermeiden.

Montagsblog: Neues vom BGH

Um das Recht auf Zuziehung eines Dolmetschers und um die Zuständigkeitsverteilung zwischen Familien- und Zivilgericht geht es in den beiden aktuellen Entscheidungen.

Zuziehung eines Dolmetschers zur persönlichen Anhörung einer Partei
Beschluss vom 1. März 2018 – IX ZR 179/17

Mit dem Recht auf ein faires Verfahren befasst sich der IX. Zivilsenat.

Die Klägerin nahm die Beklagten auf Zahlung von rund 370.000 Euro aus Verwahrung und Darlehen in Anspruch. Die Klage blieb in den beiden ersten Instanzen erfolglos.

Der BGH verweist die Sache auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin an das OLG zurück. Das OLG hat den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör verletzt, weil es von der Vernehmung eines von ihr benannten Zeugen zu Unrecht abgesehen hat. Ergänzend weist der BGH darauf hin, dass das OLG in der neu eröffneten Berufungsinstanz von Amts wegen einen Dolmetscher hinzuziehen muss, wenn die – der deutschen Sprache nicht mächtige – Klägerin sich gemäß § 137 Abs. 4 ZPO persönlich zu den der Klageforderung zugrundeliegenden tatsächlichen Umständen äußern will. Dies ergibt sich zwar nicht aus Art. 103 Abs. 1 GG (vgl. BVerfGE 64, 135), wohl aber aus dem Recht auf ein faires Verfahren.

Praxistipp: Eine Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren kann ggf. mit einer Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 544 ZPO geltend gemacht werden, nicht aber mit einer Anhörungsrüge gemäß § 321a ZPO.

Rechtsmittel gegen die Entscheidung eines Zivilsenats in einer Familiensache
Beschluss vom 28. Februar 2018 – XII ZR 87/17

Dass die Zuständigkeit des „großen Familiengerichts“ immer wieder für Überraschungen sorgen kann, veranschaulicht eine Entscheidung des XII. Zivilsenats.

Die Klägerin verlangte vom Beklagten – ihrem getrennt lebenden Ehemann – die Freigabe eines hinterlegten Betrags von 100.000 Euro. Das Geld stammte aus einer der Klägerin zugefallenen Erbschaft, war aber kurz vor der Trennung der Parteien auf ein Konto des Beklagten überwiesen worden. Der Beklagte verweigerte die Freigabe unter anderem mit der Begründung, die Klägerin habe der Überweisung auf sein Konto zugestimmt, um gemeinsame Schulden zu begleichen und den Unterhalt des gemeinsamen Kindes zu sichern. Das LG verurteilte den Beklagten zur Freigabe des Betrags. Das OLG wies die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO durch Beschluss zurück.

Der BGH verwirft die Nichtzulassungsbeschwerde als unzulässig. Bei zutreffender Sachbehandlung wären nicht die Zivilgerichte zur Entscheidung berufen gewesen, sondern das Familiengericht und ein Familiensenat des OLG. Dies ergibt sich aus § 266 Abs. 1 Nr. 3 FamFG, wonach zu den (sonstigen) Familiensachen auch Verfahren gehören, die Ansprüche zwischen Ehegatten im Zusammenhang mit Trennung oder Scheidung betreffen. In einer Familiensache wäre eine Rechtsbeschwerde gegen die zweitinstanzliche Entscheidung gemäß § 70 FamFG nur zulässig gewesen, wenn das OLG sie zugelassen hätte. Nach dem auch für solche Konstellationen geltenden Meistbegünstigungsgrundsatz darf dem Rechtsmittelführer aus der Wahl einer unzutreffenden Verfahrensart zwar kein Nachteil entstehen. Andererseits dürfen die Möglichkeiten zur Einlegung eines Rechtsmittels dadurch aber auch nicht erweitert werden. Folglich ist die an sich gemäß § 522 Abs. 3 und § 544 ZPO statthafte Nichtzulassungsbeschwerde im Streitfall nicht zulässig.

Praxistipp: Wenn ein Ehegatte im Zusammenhang mit Trennung oder Scheidung den anderen Ehegatten oder dessen Eltern in Anspruch nimmt, ist stets sorgfältig zu prüfen, ob die Voraussetzungen des § 266 Abs. 1 Nr. 3 FamFG vorliegen. In Zweifelsfällen sollte bereits in erster Instanz eine Entscheidung gemäß § 17a GVG herbeigeführt werden.

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Um die Erstattungsfähigkeit von Rechtsanwaltskosten nach § 91 ZPO geht es in dieser Woche.

Erstattungsfähigkeit von Rechtsanwaltskosten
Beschluss vom 24. Januar 2018 – VII ZB 60/17

Der VII. Zivilsenat befasst sich mit der Erstattungsfähigkeit von Anwaltskosten, die auf einer Vergütungsvereinbarung und einer Haftpflichtversicherung für Vermögensschäden beruhen.

Die Beklagten begehrten nach Abweisung der Klage im Kostenfestsetzungsverfahren unter anderem Ersatz von Anwaltskosten, die entstanden waren, weil ihr Prozessbevollmächtigter ihnen zusätzlich zu den im Gesetz vorgesehenen Gebühren vereinbarungsgemäß eine an die Haftpflichtversicherung gezahlte Prämie in Rechnung gestellt hatte. Diese Prämie war angefallen, weil der Anwalt die Deckungssumme seiner Versicherung von 2 Millionen auf den dem Streitwert des Verfahrens entsprechenden Betrag von 3,5 Millionen Euro hatte anpassen lassen. Das Begehren blieb in den beiden ersten Instanzen erfolglos.

Der BGH weist die Rechtsbeschwerde der Beklagten zurück. Er zeigt anhand der Gesetzgebungsgeschichte auf, dass zu den nach § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO zu erstattenden gesetzlichen Gebühren und Auslagen nur die im Gesetz vorgesehenen Regelsätze gehören, nicht aber ein aufgrund einer Honorarvereinbarung geschuldeter höherer Betrag. Ein Anspruch auf Erstattung der Versicherungsprämie kann deshalb nicht auf den Umstand gestützt werden, dass sich die Beklagten gegenüber ihrem Anwalt vertraglich zur Tragung dieser Kosten verpflichtet haben. Nach dem Gesetz (Nr. 7007 RVG-VV) kann der Anwalt zusätzlich zu den Gebühren Ersatz von Auslagen für eine Haftpflichtversicherung verlangen, soweit die Prämie auf Haftungsbeträge von mehr als 30 Millionen Euro entfällt. Daraus ist zu folgern, dass kein gesetzlicher Anspruch auf Auslagenersatz besteht, soweit die Prämie auf geringere Haftungsbeträge entfällt.

Praxistipp: Eine Vergütungsvereinbarung, in der sich ein Anwalt die Erstattung von Prämien für die Erhöhung der Deckungssumme auf einen 30 Millionen Euro nicht übersteigenden Betrag zusagen lässt, muss nach § 3a Abs. 1 Satz 3 RVG den Hinweis enthalten, dass die gegnerische Partei, ein Verfahrensbeteiligter oder die Staatskasse im Falle der Kostenerstattung diesen Betrag regelmäßig nicht erstatten muss.

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Mit dem Beginn von Rechtsmittelfristen und mit der Nutzungsausfallentschädigung für Motorräder befassen sich die beiden Entscheidungen aus dieser Woche.

Zustellung einer beglaubigten Abschrift reicht aus
Urteil vom 15. Februar 2018 – V ZR 76/17

Der V. Zivilsenat bekräftigt, dass eine Rechtsmittelfrist seit der am 1.7.2014 in Kraft getretenen Änderung von § 317 ZPO mit der Zustellung einer beglaubigten Abschrift der Entscheidung beginnt.

Die Klägerin machte Schadensersatzansprüche aus einem Kaufvertrag über eine Eigentumswohnung geltend. Die Klage hatte in erster Instanz Erfolg. Das OLG wies sie ab. Ausweislich des Empfangsbekenntnisses wurde dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin eine beglaubigte Abschrift des Berufungsurteils zugestellt. Knapp vier Wochen später wurde ihm auf Antrag eine Ausfertigung erteilt. Innerhalb eines Monats nach Erhalt der Ausfertigung, aber nahezu zwei Monate nach Zustellung der beglaubigten Abschrift legte die Klägerin Nichtzulassungsbeschwerde ein.

Der BGH verwirft das Rechtsmittel als unzulässig. Nach der früheren Rechtsprechung begann eine Rechtsmittelfrist zwar grundsätzlich erst mit Zustellung einer Ausfertigung zu laufen. Nach der seit 1.7.2014 geltenden Fassung von § 317 Abs. 2 Satz 1 ZPO werden Ausfertigungen aber nur noch auf Antrag erteilt. Deshalb beginnt eine Rechtsmittelfrist nunmehr bereits mit Zustellung einer beglaubigten Abschrift (ebenso bereits BGH, B. v. 27.1.2016 – XII ZB 684/14, MDR 2016, 667). Mit ihrem Einwand, ihr sei abweichend vom Empfangsbekenntnis nur eine nicht beglaubigte Abschrift zugestellt worden, dringt die Klägerin nicht durch – unter anderem deshalb, weil sie entgegen einer Aufforderung des BGH das zugestellte Dokument nicht im Original, sondern nur als schlecht lesbare Kopie vorgelegt hatte.

Praxistipp: Vor der Erteilung eines Empfangsbekenntnisses sollte sorgfältig geprüft werden, ob die zugestellte Abschrift den erforderlichen Beglaubigungsvermerk enthält.

Nutzungsausfallentschädigung für ein Motorrad
Urteil vom 23. Januar 2018 – VI ZR 57/17

Der VI. Zivilsenat bejaht einen Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung auch für Motorräder.

Das Motorrad des Klägers war bei einem Verkehrsunfall beschädigt worden. Der von der Haftpflichtversicherung des Beklagten beauftragte Sachverständige erstattete sein Gutachten erst sechs Wochen später. Die Klage auf Nutzungsausfallentschädigung für diesen Zeitraum blieb in den beiden ersten Instanzen erfolglos.

Der BGH verweist die Sache an das LG zurück. Er bekräftigt seine Rechtsprechung, wonach der Verlust der Nutzungsmöglichkeit eines Kraftfahrzeugs als wirtschaftlicher Schaden zu werten sein kann, und entscheidet, dass dies auch für Motorräder gilt. Wie bei Pkw ist dafür grundsätzlich Voraussetzung, dass der Geschädigte über kein anderes Fahrzeug verfügt. Dass ein Motorrad nicht bei jeder Witterung benutzt wird, ist allenfalls für die Schadenshöhe von Bedeutung. Das LG wird deshalb nach Zurückverweisung zu prüfen haben, an welchen Tagen das Wetter eine Nutzung zuließ.

Praxistipp: Um den Einwand des Mitverschuldens auszuschließen, sollte der Geschädigte frühzeitig darauf hinweisen, dass er über kein weiteres Fahrzeug verfügt.

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Eine eher singuläre prozessuale Situation und eine allgemeine Frage des Bereicherungsrechts behandeln die beiden Entscheidungen aus dieser Woche.

Eine zu Unrecht zugelassene, aber dennoch erfolgreiche Rechtsbeschwerde
Urteil vom 7. Februar 2018 – VII ZB 28/17

Das Spannungsverhältnis zwischen der dem BGH zugewiesenen Aufgabe und dem Aspekt der Einzelfallgerechtigkeit verdeutlicht eine Entscheidung des VII. Zivilsenats.

Die Klägerin hatte Vergütung für die Schaltung einer Werbeanzeige im Internet begehrt. Nach übereinstimmender Erledigungserklärung legte das AG die Kosten gemäß § 91a ZPO der Klägerin auf. Die Beschwerde dagegen blieb erfolglos.

Der BGH hebt die Kosten des Rechtsstreits gegeneinander auf. Er stellt zunächst klar, dass das LG die Rechtsbeschwerde nicht hätte zulassen dürfen, weil ein Verfahren nach § 91a ZPO nicht dazu dient, grundsätzliche Fragen des materiellen Rechts zu klären. Da die Zulassung für den BGH bindend ist, hatte er die angefochtene Kostenentscheidung dennoch zu überprüfen. Dies führte zur Kostenaufhebung, weil die Entscheidung des Rechtsstreits von einer Rechtsfrage abhing, die nicht einfach zu beantworten war und deshalb im Verfahren nach § 91a ZPO nicht zu beantworten ist.

Praxistipp: Anders als in der dem Streitfall zugrunde liegenden Konstellation ist die Zulassung der Rechtsbeschwerde nicht bindend, wenn dieses Rechtsmittel gegen die angefochtene Entscheidung von vornherein nicht in Betracht kommt.

Bereicherungsausgleich nach Direktzahlung eines Jobcenters an einen Vermieter
Urteil vom 31. Januar 2018 – VIII ZR 39/17

Mit einem Fall des Bereicherungsausgleichs in Dreiecksverhältnissen befasst sich der VIII. Zivilsenat.

Die Beklagten hatten ein Einfamilienhaus vermietet. Das klagende Jobcenter hatte die Miete für den leistungsberechtigten Mieter direkt an die Beklagten überwiesen. Im Juli 2014 reichten die Mieter beim Kläger einen Mietvertrag über eine andere Wohnung ein. Einen Tag später überwies der Kläger die Miete für August an die Beklagten. Diese verweigerten die Rückzahlung unter Berufung auf Gegenforderungen gegen den Mieter. Das AG wies die Klage ab. Das LG verurteilte die Beklagten antragsgemäß.

Der BGH weist die Revision der Beklagten zurück. Er beginnt seine Erwägungen mit dem klassischen Satz, dass sich beim Bereicherungsausgleich in Dreiecksverhältnissen jede schematische Betrachtung verbietet, wendet dann aber die in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze an. Danach ist die Zahlung als Leistung des Mieters an die Beklagten anzusehen, weil nur der Miter in einer Leistungsbeziehung zu diesen stand. Dem Kläger steht dennoch ein Bereicherungsanspruch unmittelbar gegen die Beklagten zu, weil der Mieter seine Anweisung, die Leistungen direkt an die Beklagten zu zahlen, durch Vorlage des neuen Mietvertrags konkludent widerrufen hat und weil den Beklagten bekannt war, dass ihnen für August kein Anspruch auf Miete mehr zustand.

Praxistipp: Der BGH hat ausdrücklich klargestellt, dass eine andere Beurteilung geboten sein kann, wenn der alte Mietvertrag fortbesteht und der Vermieter auch sonst keine Anhaltspunkte dafür hat, dass es sich um eine Zuvielzahlung handelt.

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Die Kausalität eines Werkmangels für einen Wasserschaden und die Rechte an einer gemeinsamen Grenzanlage stehen im Mittelpunkt der in dieser Woche veröffentlichten Entscheidungen.

Kausalität eines Werkmangels für einen Wasserschaden
Urteil vom 25. Januar 2018 – VII ZR 74/15

Mit den Voraussetzungen eines Gewährleistungsanspruchs befasst sich der VII. Zivilsenat.

Die auf Mallorca wohnhafte Klägerin hatte die Beklagte mit Sanitärarbeiten in einem Haus in Deutschland beauftragt. Drei Monate nach Ausführung der Arbeiten stellte ein Zeuge fest, dass der Fußboden in einer Wohnung vollständig unter Wasser stand. Die Klage auf Ersatz der Kosten zur Behebung der Schäden blieb in den ersten beiden Instanzen erfolglos.

Der BGH verweist die Sache an einen anderen Senat des OLG zurück. Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen ist der Zurechnungszusammenhang zwischen der – mangels abweichender tatrichterlicher Feststellungen zu unterstellenden – mangelhaften Abdichtung einer Gastherme und den eingetretenen Schäden nicht wegen der langen Abwesenheit der Klägerin aufgehoben. Die Klägerin war auch nicht gehalten, den Zustand der Wohnung mehrmals wöchentlich kontrollieren zu lassen. Selbst wenn gelegentliche Kontrollen geboten gewesen wären, käme eine Anspruchsminderung nach § 254 BGB nur dann in Betracht, wenn der Schaden dadurch ganz oder teilweise hätte vermieden werden können. Zudem kann sich die Beklagte auf ein Mitverschulden ohnehin nicht berufen, wenn ihr die Klägerin, wie von dieser vorgetragen, aufgegeben hat, die Wasserzufuhr abzustellen.

Praxistipp: Die Entscheidung zeigt, dass eine Nichtzulassungsbeschwerde gegen einen Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO durchaus Erfolg haben kann.

Maschendraht oder Holzgeflecht?
Urteil vom 20. Oktober 2017 – V ZR 42/17

Als Klassiker des Nachbarrechts könnte sich die Entscheidung des V. Zivilsenats erweisen.

Die benachbarten Grundstücke der beiden Parteien sind durch einen rund 1,0 Meter hohen Maschendrahtzaun voneinander getrennt. Die Mieter der Beklagten stellten unmittelbar dahinter einen rund 1,8 Meter hohen Holzflechtzaun auf. Das AG verurteilte die Beklagten antragsgemäß zur Beseitigung des neuen Zauns. Das LG wies die Klage ab.

Der BGH stellt das erstinstanzliche Urteil wieder her. Nach § 921 BGB spricht eine Vermutung dafür, dass der Maschendrahtzaun, der teils auf dem einen, teils auf dem anderen Grundstück verläuft, von beiden Nachbarn einvernehmlich errichtet wurde. Ob es sich um eine gesetzliche Vermutung im Sinne von § 292 ZPO oder um eine tatsächliche Vermutung handelt, lässt der BGH offen, weil im Streitfall auch die (potentiell weniger strengen) Voraussetzungen für die Erschütterung einer tatsächlichen Vermutung nicht erfüllt sind. Gemäß § 922 Satz 3 BGB ist ein Nachbar nicht berechtigt, eine gemeinsame Grenzanlage ohne Zustimmung des anderen zu beseitigen zu ändern. Dies gilt auch für Änderungen des Erscheinungsbilds. Der Holzflechtzaun muss deshalb entfernt werden.

Praxistipp: Wenn der Mieter die neue Grenzanlage eigenmächtig errichtet hat und der Vermieter an deren Beibehaltung nicht interessiert ist, genügt es, dem Mieter nach Klageerhebung den Streit zu verkünden.

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Die Ersatzfähigkeit eines Rückstufungsschadens und das Verhältnis zwischen einem selbständigen Beweisverfahren und dem nachfolgenden Rechtsstreit bilden das Thema von zwei aktuellen Entscheidungen

Ersatzfähigkeit eines Rückstufungsschadens in der Kaskoversicherung
Urteil vom 19. Dezember 2017 –VI ZR 577/16

Eine grundsätzliche Frage, die bei vielen Verkehrsunfällen auftreten kann, behandelt der VI. Zivilsenat.

Die Klägerin nahm den Beklagten nach einem Verkehrsunfall auf Schadensersatz in Anspruch. Der Haftpflichtversicherer des Beklagten ersetzte den geltend gemachten Sachschaden zu drei Viertel. Den Ersatz des Schadens, den die Klägerin erlitten hat, weil sie wegen des restlichen Betrags ihre Kaskoversicherung in Anspruch genommen hatte und deshalb höhere Beiträge zahlen musste, lehnte die Versicherung ab. Die Klage auf Feststellung, dass der Beklagte auch diesen Rückstufungsschaden zu ersetzen hat, blieb in den beiden ersten Instanzen erfolglos.

Der BGH verweist die Sache an das LG zurück. Er hält an seiner Rechtsprechung fest, wonach ein Rückstufungsschaden auch dann (anteilig) ersatzfähig ist, wenn der Geschädigte für den Schaden mitverantwortlich ist. Die Rückstufung und die daraus resultierende Beitragserhöhung treten zwar unabhängig davon ein, in welchem Umfang die Kaskoversicherung in Anspruch genommen wird. Dennoch ist die schädigende Handlung für diesen Vermögensschaden mitursächlich, weshalb der Schaden nach dem allgemeinen Maßstab des § 254 BGB zu verteilen ist. Dies gilt auch dann, wenn der Geschädigte die Kaskoversicherung erst in Anspruch nimmt, nachdem der Schädiger den auf ihn entfallenden Teil des Sachschadens bereits ersetzt hat.

Praxistipp: Anwaltskosten, die dem Geschädigten entstanden sind, um den Kaskoversicherer zur Erstattung des auf ihn selbst entfallenden Schadensanteils zu veranlassen, hat der Schädiger generell nicht zu tragen.

Fortgeltung von Anträgen aus dem selbständigen Beweisverfahren
Beschluss vom 14.11.2017 – VIII ZR 101/17

Mit dem Verhältnis zwischen einem selbständigen Beweisverfahren und einem nachfolgenden Rechtsstreit befasst sich der VIII. Zivilsenat.

Der spätere Beklagte hatte gegen den Kläger ein selbständiges Beweisverfahren wegen Mängeln an einer Mietwohnung eingeleitet. Der Sachverständige kam zu dem Ergebnis, dass keine bauseitigen Mängel vorlägen. Einen Antrag auf Anhörung des Sachverständigen wies das AG mit der Begründung zurück, das selbständige Beweisverfahren sei beendet, weil mittlerweile Klage in der Hauptsache erhoben worden sei. In diesem Rechtsstreit begehrte der Kläger in erster Linie Räumung der Wohnung und Zahlung rückständiger Miete. Der Beklagte griff das Gutachten aus dem selbständigen Beweisverfahren unter Bezugnahme auf ein von ihm eingeholtes Privatgutachten an. In der mündlichen Verhandlung vor dem AG beantragte er ergänzend, den im selbständigen Beweisverfahren bestellten Sachverständigen mündlich anzuhören. Das AG wies diesen Antrag als verspätet zurück. Die Berufung des Beklagten blieb erfolglos.

Die Nichtzulassungsbeschwerde des Beklagten hat Erfolg und führt zur Zurückverweisung der Sache an das LG. Das AG durfte den Antrag auf Anhörung des Sachverständigen nicht als verspätet zurückweisen, weil der Beklagte ihn bereits im selbständigen Beweisverfahren gestellt hatte. Dieser Antrag war auch im nachfolgenden Rechtsstreit zu beachten, ohne dass es einer Wiederholung bedurfte. Darin, dass sich der Beklagte zunächst auf ein anderes Gutachten bezog, lag auch kein konkludenter Verzicht auf die Anhörung des gerichtlichen Sachverständigen.

Praxistipp: Wenn das Gericht im selbständigen Beweisverfahren dem Beklagten eine Erklärungsfrist nach § 411 Abs. 4 Satz 2 ZPO gesetzt hat, kann ein nach Ablauf dieser Frist gestellter Antrag auf Anhörung des Sachverständigen nach Maßgabe von § 296 ZPO als verspätet zurückgewiesen werden.

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Drei kurz hintereinander ergangene Entscheidungen befassen sich mit der Akteneinsicht zum Zwecke der Berufungsbegründung

Akteneinsicht und Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist
Beschluss vom 16. Januar 2018 –VIII ZB 61/17

Der VIII. Zivilsenat entscheidet, dass die Frist zur Begründung der Berufung ohne Zustimmung des Gegners auch dann nicht um mehr als einen Monat verlängert werden darf, wenn der Berufungskläger noch keine Gelegenheit zur Akteneinsicht hatte.

Die Klägerin machte Ansprüche auf Zahlung von Miete geltend. Das AG wies die Klage ab. In der Berufungsschrift bat der erstmals für die zweite Instanz bestellte Prozessbevollmächtigte um Übersendung der Akten und um Verlängerung der Begründungsfrist bis zum Ablauf von einem Monat nach Einsichtnahme. Die Akteneinsicht wurde bewilligt, der Antrag auf Fristverlängerung blieb unbeantwortet. Kurz vor Ablauf der bis 19.06.2017 laufenden, nicht verlängerten Frist erinnerte der Prozessbevollmächtigte an sein Verlängerungsgesuch und beantragte hilfsweise die Verlängerung „um einen weiteren Monat bis zum 19.06.2017“. Das LG ließ auch diesen Antrag zunächst unbeantwortet. Die Berufungsbegründung ging Mitte August 2017 ein – einen Monat nach Überlassung der Akten. Das LG verwarf die Berufung als unzulässig.

Die Rechtsbeschwerde der Klägerin bleibt ohne Erfolg. Der BGH sieht in dem Umstand, dass das LG die Anträge auf Fristverlängerung nicht beschieden hat, keinen Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin durfte zwar erwarten, dass die Begründungsfrist auf seine Anträge hin bis 19.07.2017 verlängert wird. Mit einer weiteren Fristverlängerung ohne Zustimmung des Gegners durfte er aber nicht rechnen. Anders als im Revisionsverfahren (§ 551 Abs. 2 Satz 6 ZPO) ist im Berufungsverfahren (§ 520 Abs. 2 ZPO) eine Verlängerung der Begründungsfrist um mehr als einen Monat ohne Zustimmung des Gegners auch dann nicht möglich, wenn dem Berufungskläger die Gerichtsakten nicht zur Verfügung gestellt wurde. Einen Antrag auf Wiedereinsetzung hat die Klägerin nicht gestellt. Sie hat innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist auch nicht vorgetragen, weshalb ihr Prozessbevollmächtigter an einer früheren Erstellung und Einreichung der Berufungsbegründung gehindert war.

Praxistipp: Um die mit einem Antrag auf Wiedereinsetzung verbundenen Unwägbarkeiten nach Möglichkeit zu vermeiden, sollte stets versucht werden, die Einwilligung des Gegners zu einer weiteren Verlängerung der Begründungsfrist einzuholen.

Antrag auf Wiedereinsetzung wegen verzögerter Überlassung der Akten
Beschluss vom 11. Januar 2018 –III ZB 81/17

Dass der Weg über einen Antrag auf Wiedereinsetzung grundsätzlich gangbar ist, belegt eine Entscheidung des III. Zivilsenats.

Die in erster Instanz unterlegene Klägerin beantragte in der Berufungsschrift die Übersendung der Akten und die Verlängerung der Begründungsfrist um einen Monat. Die Frist wurde antragsgemäß verlängert. Die Akten konnten auch innerhalb der verlängerten Frist nicht zur Verfügung gestellt werden. Einem darauf gestützten Antrag auf nochmalige Verlängerung traten die Beklagten entgegen. Die Klägerin reichte hierauf „vorsorglich“ eine Berufungsbegründung ein und beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Nach Gewährung der Akteneinsicht ergänzte sie die Begründung und beantragte erneut Wiedereinsetzung. Das Berufungsgericht versagte die Wiedereinsetzung und verwarf die Berufung als unzulässig.

Der BGH hebt die angefochtene Entscheidung auf und gewährt der Klägerin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin war nicht gehalten, vor Gewährung der beantragten Akteneinsicht eine Berufungsbegründung einzureichen. Die Überlassung der Akten ist erforderlich, um eine Prüfung auf Verfahrensfehler durchzuführen und um die Vollständigkeit der eigenen Unterlagen zu überprüfen. Der Berufungskläger darf diese Möglichkeit nutzen. Wenn ihm die Akten trotz eines rechtzeitig gestellten Antrags nicht zur Verfügung gestellt werden, braucht er auch keine vorläufige Berufungsbegründung zu fertigen. Ihm ist auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Berufungsbegründung nach Überlassung der Akten innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist einreicht und zugleich die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Dies gilt auch dann, wenn er innerhalb der Frist vorsorglich eine vorläufige Berufungsbegründung eingereicht hat.

Praxistipp: Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und die Berufungsbegründung müssen gemäß § 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO innerhalb eines Monats nach Überlassung der Akten eingereicht werden.

Verspäteter Antrag auf Überlassung der Akten
Beschluss vom 12. Dezember 2017 –VI ZB 24/17

Dass ein Antrag auf Wiedereinsetzung nur dann Aussicht auf Erfolg hat, wenn der Anwalt von Beginn an große Sorgfalt walten lässt, zeigt eine Entscheidung des VI. Zivilsenats.

Die Klägerin nahm den Beklagten wegen fehlerhafter ärztlicher Behandlung in Anspruch. Das LG wies die Klage ab. Am letzten Tag der antragsgemäß um einen Monat verlängerten Frist zur Berufungsbegründung beantragte die Klägerin die nochmalige Verlängerung um einen Monat und die Gewährung von Akteneinsicht, um einem von ihr beauftragten Privatgutachter eine wissenschaftlich fundierte Beurteilung zu ermöglichen. Die Fristverlängerung wurde nicht gewährt. Drei Tage nach Überlassung der Akten – und zugleich einen Monat nach Ablauf der auf den ersten Antrag hin verlängerten Frist – reichte die Klägerin die Berufungsbegründung ein. Zugleich beantragte sie Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Das OLG wies diesen Antrag zurück und verwarf die Berufung als unzulässig.

Die Rechtsbeschwerde der Klägerin bleibt ohne Erfolg. Zwar ist ein Berufungskläger als an der fristgerechten Einreichung der Berufungsbegründung gehindert anzusehen, wenn ihm die Prozessakten innerhalb der Frist nicht oder nicht vollständig zur Verfügung stehen. Dies setzt aber voraus, dass er rechtzeitig die Gewährung von Akteneinsicht beantragt hat. Ein am letzten Tag der nicht mehr ohne Zustimmung des Gegners verlängerbaren Begründungsfrist gestellter Einsichtsantrag reicht hierfür nicht aus.

Praxistipp: Um die Möglichkeit der Wiedereinsetzung zu wahren, sollte stets schon in der Berufungsschrift um Überlassung der Akten und um Verlängerung der Begründungsfrist um einen Monat gebeten werden.

 

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Sorgfaltspflichten beim Versand fristgebundener Schriftsätze per Telefax
Beschluss vom 6. Dezember 2017 – XII ZB 335/17

Der XII. Zivilsenat zeigt auf, wie anspruchsvoll die Anforderungen an den Versand fristgebundener Schriftsätze und an ein Wiedereinsetzungsgesuch sind.

Die Beklagte war in erster Instanz zur Rückzahlung eines Darlehens in Höhe von 122.000 Euro an ihren früheren Lebensgefährten verurteilt worden. Ihre per Telefax eingereichte Berufungsbegründung ging ausweislich des Empfangsgeräts wenige Minuten nach Fristablauf bei Gericht ein. In ihrem Wiedereinsetzungsgesuch machte die Prozessbevollmächtigte der Beklagten geltend, sie habe am letzten Tag der Frist aufgrund eines unvorhersehbaren epileptischen Anfalls ihrer Tochter erst um 22:15 Uhr in ihre Kanzlei zurückkehren und die Berufungsbegründung deshalb erst um 23:44 Uhr fertigstellen können. Den Versand des Telefax habe sie bereits um 23:52 Uhr eingeleitet. Das OLG wies den Antrag auf Wiedereinsetzung zurück und verwarf die Berufung als unzulässig.

Die Rechtsbeschwerde der Beklagten bleibt ohne Erfolg. Ebenso wie das OLG sieht der BGH das vorgetragene Verhalten der Rechtsanwältin als schuldhaft an. Bei einem Telefaxversand kurz vor Fristablauf muss eine Zeitreserve für den Fall eingeplant werden, dass die Übertragungsleitung durch andere Teilnehmer belegt ist. Bei einem Schriftsatz von sieben Seiten ist ein Versandbeginn deshalb um 23:52 Uhr zu spät. Der unvorhergesehene Anfall der Tochter führt nicht zu einer abweichenden Beurteilung, weil der Schriftsatz dennoch bereits um 23:44 Uhr fertig war und die Rechtsanwältin nicht vorgetragen hat, warum sie nicht bereits zu diesem Zeitpunkt die Übermittlung eingeleitet hat.

Praxistipp: Die Entscheidung belegt erneut, dass der Versand eines Schriftsatzes per Telefax in letzter Minute ein Vabanque-Spiel ist.

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Um die Voraussetzungen eines Vertrags mit Schutzwirkung für Dritte und um die Zurückweisung einer Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO geht es in dieser Woche.

Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte bei mehreren Schadensverursachern
Urteil vom 7. Dezember 2017 – VII ZR 204/14

Der VII. Zivilsenat befasst sich mit der subjektiven Reichweite der Haftung aus einem Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte.

Der klagende Unfallversicherer begehrte aus übergegangenem Recht zweier bei ihr versicherter Arbeitnehmer den Ersatz von Schäden aus einem Arbeitsunfall. Die Beklagte zu 3 hatte die Arbeitgeberin der Geschädigten mit Abbrucharbeiten auf einem früher zum Betrieb einer Brauerei genutzten Gelände beauftragt. Des Weiteren hatte sie den Beklagten zu 1 damit betraut, die betroffenen Gebäude auf eventuelle Gefahrenquellen zu untersuchen. Während der Abbrucharbeiten wurden die Geschädigten durch den Austritt von Ammoniak aus einer Kälteanlage verletzt. Im Gutachten des Beklagten zu 1 war diese Gefahrenquelle nicht ausgewiesen, weil der Beklagte zu 1 nur die Außenanlagen besichtigt hatte. Die gegen die Beklagten zu 1 und 3 gerichtete Klage hatte in den beiden ersten Instanzen überwiegend Erfolg.

Die allein vom Beklagten zu 1 eingelegte Revision führt zur Zurückverweisung der Sache an das OLG. Abweichend von den Vorinstanzen verneint der BGH eine Schutzwirkung des Vertrags zwischen der Beklagten zu 3 und dem Beklagten zu 1 zugunsten der geschädigten Arbeitnehmer. Diese sind im Verhältnis zum Beklagten zu 1 nicht schutzbedürftig, weil schon der Vertrag zwischen der Beklagten zu 3 und ihrer Arbeitgeberin Schutzwirkungen zu ihren Gunsten entfaltet und die Beklagte zu 3 für pflichtwidriges Handeln des Beklagten zu 1 nach § 278 BGB haftet. Das Berufungsgericht muss nach Zurückverweisung der Sache prüfen, ob gegen den Beklagten zu 1 deliktische Ansprüche bestehen.

Praxistipp: Auch wenn im Ergebnis nur einer von zwei Beklagten vertraglich haftet, sollte die Klage vorsorglich gegenüber beiden (auch) auf vertragliche Ansprüche gestützt werden, solange nicht feststeht, ob die Voraussetzungen des § 278 BGB erfüllt sind.

Zurückweisung der Berufung durch Beschluss ohne Berufungserwiderung
Urteil vom 21. November 2017 – XI ZR 106/16

Eine allgemeine prozessuale Frage beantwortet der XI. Zivilsenat.

Die Kläger nahmen die Beklagte nach Widerruf eines Darlehensvertrags auf Erstattung einer Vorfälligkeitsentschädigung in Anspruch. Die Klage blieb in erster Instanz erfolglos. Das OLG wies die Berufung der Kläger nach vorherigem Hinweis durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurück. Eine Berufungserwiderung lag zu diesem Zeitpunkt nicht vor.

Der BGH verweist die Sache hinsichtlich des überwiegenden Teils der Klageforderung an das OLG zurück, weil dieses die Widerrufsbelehrung zu Unrecht als ausreichend angesehen hatte. Die von den Klägern ergänzend erhobene Rüge, die Berufungsentscheidung sei insgesamt aufzuheben, weil eine Zurückweisung nach § 522 Abs. 2 ZPO erst nach Vorliegen einer Berufungserwiderung zulässig sei, sieht der BGH hingegen als unbegründet an. Er stützt dies auf den Wortlaut der Vorschrift, die den Eingang einer Berufungserwiderung oder die ergebnislose Setzung einer Erwiderungsfrist nicht vorsieht, und den Umstand, dass sich aus der Gesetzgebungsgeschichte keine abweichenden Anhaltspunkte ergeben.

Praxistipp: Die volle Verfahrensgebühr für einen Antrag auf Zurückweisung der Berufung ist nur dann nach § 91 ZPO erstattungsfähig, wenn der Berufungskläger sein Rechtsmittel begründet und die Begründung dem Gegner zugestellt ist. Vom Zeitpunkt der Zustellung an steht dem Gegner auch dann ein Erstattungsanspruch zu, wenn er seinen Antrag auf Zurückweisung schon zuvor gestellt hat.