BGH: Änderung des Parteivortrages

Der BGH (Beschl. v. 24.7.2018 – VI ZR 599/16 , MDR 2018, 1395) hat zum wiederholten Male entschieden, dass sich im geltenden Prozessrecht keine Grundlage dafür findet, einen Vortrag einer Partei nicht zu berücksichtigen, weil er widersprüchlich zu vorherigem Vortrag ist, wenn letzterer ausdrücklich aufgegeben wurde. Vielmehr darf die Partei  ihren Vortrag im Laufe des Prozesses grundsätzlich ändern, ergänzen oder berichtigen. Freilich kann all dies bei der Beweiswürdigung berücksichtigt werden.

Viele Prozessbeteiligte gehen mit der Wahrheit leider sehr großzügig um, wie im Prozessalltag beständig zu beobachten ist. Viel häufiger als eine bewusste Lüge findet sich eine etwas eigenwillige Darstellung der Wahrheit. Es werden z. B. offenkundig wichtige Details einfach weggelassen. Oder es wird ein Verwirrspiel mit Begriffen gespielt. Oder es wird durch die Wahl bestimmter Worte etwas assoziiert, was nicht direkt behauptet werden dürfte. Ein schönes Beispiel für eine angebliche wahre Aussage ist die bekannte Formulierung des früheren Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika: „I did not have sexual relations with that woman, Miss …“ So ist es (leider) in der Praxis.

Ein widersprüchliches Vorbringen darf als unbeachtlich behandelt werden, wobei natürlich vorher versucht werden muss, den Widerspruch aufzuklären. Anders ist es, wenn ausdrücklich ein bisheriges Vorbringen aufgegeben und durch ein neues, anderes Vorbringen ersetzt wird. Hier gibt es in der Tat keine prozessuale Möglichkeit, eine solche Änderung nicht zu berücksichtigen. Allerdings verliert man durch ein solches Vorgehen natürlich sehr viel an Glaubwürdigkeit. Wenn es knapp wird, kann ein Prozess aus diesem Grunde ohne weiteres verloren gehen. Dann rächt sich die eigenwillige Darstellung der Wahrheit sofort.

Wenn man also gezwungen ist, den Vortrag zu berichtigen, sollte man dies im eigenen Interesse nachvollziehbar erklären, und zwar ausführlich und richtig. Das berühmte „Informationsversehen“ oder der angeblich „versehentlich eingefügte Textbaustein“ alleine wird dafür in aller Regel nicht ausreichend sein. Eine einmal verlorene Glaubwürdigkeit wiederherzustellen, ist ein mühsames Unterfangen. Daran wird die Entscheidung des BGH nichts ändern. Diejenigen, die es mit der Wahrheit nicht so genau nehmen, sollten sich demzufolge nicht zu früh freuen.

 

Montagsblog: Neues vom BGH

Um eine Frage, die sich durchaus häufig stellen kann, geht es in dieser Woche

Keine steuerliche Beratungspflicht des Grundstücksmaklers
Urteil vom 12. Juli 2018 – I ZR 152/17

Mit den Beratungspflichten eines Grundstücksmaklers befasst sich der I. Zivilsenat.

Die Klägerin hatte Anfang 2004 für 170.000 Euro ein Grundstück mit acht vermieteten Wohnungen erworben. Im Juli 2013 verkaufte sie es auf Vermittlung des Beklagten, dem sie einen Makleralleinauftrag erteilt hatte, für 295.000 Euro. Weil zwischen Erwerb und Veräußerung weniger als zehn Jahre lagen, fielen gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 1 EStG Einkommensteuer, Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag in Höhe von insgesamt rund 48.000 Euro an. Die Klägerin warf dem Beklagten vor, sie nicht auf die steuerrechtliche Spekulationsfrist hingewiesen zu haben. Ihre auf Ersatz der angefallenen Steuern gerichtete Klage blieb in den beiden ersten Instanzen erfolglos.

Die Revision der Klägerin hat ebenfalls keinen Erfolg. Einen Makler können zwar Aufklärungs- und Beratungspflichten treffen. Zur Prüfung und Beratung im Hinblick auf steuerliche Fragen ist er aber nur verpflichtet, wenn er sich als Fachmann in solchen Fragen geriert, wenn aufgrund besonderer Umstände ein Beratungsbedarf des Auftraggebers erkennbar ist oder wenn er den Auftraggeber zu einem riskanten Vorgehen oder einem unvorteilhaften oder überstürzten Vertragsabschluss verleitet. Im Streitfall hatte der Beklagte zwar mit allgemein gehaltenen Anpreisungen für sich geworben, aber keine besondere steuerliche Sachkunde in Anspruch genommen. Mangels besonderer Anhaltspunkte war er nicht verpflichtet, anhand des Grundbuchs oder durch Nachfrage bei der Klägerin in Erfahrung zu bringen, wann diese das Anwesen erworben hat und ob die sonstigen Voraussetzungen des § 23 Abs. 1 Nr. 1 EStG vorgelegen haben. Der von ihm erteilte Hinweis, Interessenten könnten bei längerem Zuwarten abspringen, rechtfertigt nicht die Schlussfolgerung, er habe die Klägerin zu einem riskanten oder überstürzten Vertragsschluss verleitet.

Praxistipp: Um Umstände, aus denen sich eine Beratungspflicht ergeben kann, mit Aussicht auf Erfolg darlegen zu können, empfiehlt es sich, Werbeunterlagen und Angebotsschreiben des Maklers möglichst umfassend zusammenzutragen und zu sichten.

Montagsblog: Neues vom BGH

Um die Zulässigkeit einer negativen Feststellungsklage geht es in dieser Woche

Berühmung durch Erwiderung auf ursprünglich unzulässige negative Feststellungsklage
Urteil vom 2. Oktober 2018 – X ZR 62/16

Mit einem eher ungewöhnlichen Prozessverlauf befasst sich der X. Zivilsenat.

Während eines von der Beklagten eingeleiteten selbständigen Beweisverfahrens zur Aufklärung einer mutmaßlichen Patentverletzung erhob die Klägerin Hauptsacheklage mit dem Antrag festzustellen, dass der Beklagten gegen sie keine Ansprüche wegen Verletzung des Schutzrechts zustehen. Nach dem Abschluss des selbständigen Beweisverfahrens, dessen Ergebnisse der Beklagten eher ungünstig waren, sprach das LG die begehrte Feststellung aus. Das OLG wies die Klage hingegen als unzulässig ab.

Der BGH verweist die Sache an das OLG zurück. Er tritt der Vorinstanz zwar darin bei, dass die Einleitung eines selbständigen Beweisverfahrens in der Regel kein rechtliches Interesse des Gegners an einer negativen Feststellungsklage begründet. Abweichend von der Auffassung des OLG sieht er aber eine ein Feststellungsinteresse begründende Berühmung darin, dass die Beklagte sich nach Abschluss des selbständigen Beweisverfahrens gegenüber der negativen Feststellungsklage hilfsweise mit dem Argument verteidigt hat, ihr stünden ungeachtet der Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen Ansprüche wegen Patentverletzung mit gleichwertigen Mitteln zu. Die Beklagte hat damit einen Zustand der Rechtsunsicherheit geschaffen, an dessen Klärung die Klägerin ein berechtigtes Interesse hat.

Praxistipp: Geht es dem Gegner eines für den Antragsteller ungünstig verlaufenen selbständigen Beweisverfahrens nur um Ersatz der angefallenen Kosten, ist das Verfahren nach § 494a ZPO (Frist zur Klageerhebung) in der Regel ausreichend.

Montagsblog: Neues vom BGH

Eine in Rechtsprechung und Literatur umstrittene Frage zur Kostenfestsetzung beantwortet der IV. Zivilsenat.

Erstattung außergerichtlicher Kosten im Beschwerdeverfahren über die Ablehnung eines Sachverständigen
Beschluss vom 7. November 2018 – IV ZB 13/18

Der IV. Zivilsenat billigt dem Gegner einer erfolglosen Beschwerde im Verfahren über die Ablehnung eines Sachverständigen die Erstattung der entstandenen Anwaltskosten zu.

In einer erbrechtlichen Auseinandersetzung hatte das LG die Einholung eines Gutachtens zur Frage der Geschäftsfähigkeit der Erblasserin bei Erteilung einer Vorsorgevollmacht angeordnet. Die Kläger lehnten den gerichtlichen Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Das LG wies das Gesuch zurück. Die Beschwerde der Kläger blieb erfolglos. Die anwaltlich vertretenen Beklagten, die im Beschwerdeverfahren keine Stellungnahme abgegeben hatten, beantragten die Festsetzung ihrer in der Beschwerdeinstanz entstandenen Anwaltskosten. Das LG setzte die Kosten antragsgemäß fest. Die dagegen eingelegte Beschwerde der Kläger hatte keinen Erfolg.

Die Rechtsbeschwerde der Kläger bleibt ebenfalls erfolglos. Der BGH nimmt Bezug auf eine frühere Entscheidung, wonnach die in einem Beschwerdeverfahren wegen der Ablehnung eines Richters entstehenden außergerichtlichen Kosten gemäß § 91 ZPO erstattungsfähig sind, und kommt zu dem Ergebnis, dass für die Ablehnung eines Sachverständigen dasselbe gilt. Der in Literatur und Instanzrechtsprechung zum Teil vertretenen Auffassung, ein solches Verfahren habe keinen kontradiktorischen Charakter, erteilt der BGH eine Absage. Zwar besteht kein gesetzlicher Anspruch auf die Bestellung eines bestimmten Sachverständigen. Dennoch berührt die Entscheidung über die Person des Sachverständigen beide am Rechtsstreit beteiligten Parteien. Im Beschwerdeverfahren entstandene Anwaltskosten gehören deshalb zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von § 91 Abs. 1 ZPO. Ob der Anwalt im Beschwerdeverfahren eine Stellungnahme gegenüber dem Gericht abgegeben hat, ist unerheblich. Es genügt, dass er mit der Tätigkeit im Beschwerdeverfahren beauftragt wurde. Von letzterem ist grundsätzlich auszugehen, wenn sich der Anwalt bereits als Prozessbevollmächtigter in der Hauptsache bestellt hat.

Praxistipp: Die Kosten einer erfolgreichen Beschwerde bilden einen Teil der Kosten der Hauptsache und sind von der Partei zu tragen, die im Rechtsstreit unterliegt.

OLG Brandenburg: Gehörsverletzung durch nur formelhaft begründete Nichtabhilfeentscheidung

Das OLG Brandenburg hat sich mit Beschl. v. 9.8.2018 – 13 WF 126/18, MDR 2018, 1272 mit der Aufhebung einer bewilligten Verfahrenskostenhilfe gemäß § 124 Abs. 1 Nr. 2 ZPO in einer Familiensache beschäftigt. Nach Ablauf der Frist für die sofortige Beschwerde gegen diesen Beschluss (§ 127 Abs. 2 S. 2 ZPO) gab der Antragsteller (endlich) die erforderliche Erklärung ab und legte den Vordruck nebst Anlagen vor. Das AG legte dies als sofortige Beschwerde gegen den Aufhebungsbeschluss aus. Gleichwohl half das AG der sofortigen Beschwerde nicht ab, sondern nahm „auf die weiterhin zutreffende Begründung der ursprünglichen Entscheidung“ Bezug und legte die Akte dem OLG vor. Das OLG hob diese Entscheidung jedoch auf und verwies die Sache an das AG zurück.

Da die sofortige Beschwerde offensichtlich verspätet war, wäre sie von dem OLG an sich zu verwerfen gewesen (§ 572 Abs. 2 ZPO). Es war jedenfalls deswegen ausgeschlossen, die ursprüngliche Entscheidung des AG in der Sache abzuändern.

Andererseits kann das Amtsgericht selbst in einer solchen Fallkonstellation der Beschwerde durchaus noch abhelfen, obwohl die sofortige Beschwerde unzulässig ist (§ 572 Abs. 1 S. 1 ZPO). Dies wird oftmals verkannt! Mit seiner lediglich formelhaften Begründung hatte das AG diese Entscheidungsmöglichkeit jedoch gar nicht erst gesehen, geschweige denn geprüft bzw. in Betracht gezogen. Das OLG sieht darin eine Verletzung des rechtlichen Gehörs, die zur Aufhebung des Nichtabhilfebeschlusses und Zurückverweisung der Sache nötigt! Das Amtsgericht hat mit seiner „Entscheidung“ das Nichtabhilfeverfahren vollständig des eigentlichen Sinnes beraubt, weil es keine Prüfung vorgenommen hat, obwohl ausführlich vorgetragen worden war und das Gesetz eine Prüfung verlangt.

Das AG hat damit die Gelegenheit, die ursprünglich ergangene Entscheidung jetzt in der Sache zu überprüfen, obwohl eine sofortige Beschwerde unzulässig wäre. Hier versteckt sich eine Möglichkeit, wie man eine aufhebende PKH-Entscheidung nach langer Zeit noch rückgängig machen kann!

Die vorstehenden Grundsätze gelten natürlich auch dann, wenn die sofortige Beschwerde zulässig ist. Auch dann muss das Gericht, dessen Entscheidung angefochten wird, tatsächlich prüfen, ob der Beschwerde abgeholfen werden kann. Ist neues Vorbringen erfolgt, darf nicht einfach auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen werden. Eine Nichtabhilfeentscheidung sollte daher grundsätzlich durch einen förmlichen Beschluss erfolgen, der den Parteien mitgeteilt wird und worin auf eventuelles neues Vorbringen eingegangen wird. Anderenfalls besteht die Gefahr, dass die Akte mit einer Aufhebungsentscheidung zurückkommt.

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Um ein immer wiederkehrendes und äußerst haftungsträchtiges Thema geht es in dieser Woche.

Zeitreserve bei Faxversand in letzter Minute
Beschluss vom 23. Oktober 2018 – III ZB 54/18

Mit den Anforderungen an den Versand von mehreren Schriftsätzen unmittelbar vor Fristablauf befasst sich der III. Zivilsenat.

Der Kläger begehrte von den Beklagten Schadensersatz im Zusammenhang mit einer Fondsbeteiligung. Das LG wies die Klage ab. Der Kläger legte fristgerecht Berufung ein. Die per Telefax übermittelte Berufungsbegründung ging wenige Minuten nach Ablauf der Frist beim OLG ein. In seinem Wiedereinsetzungsgesuch machte der Kläger geltend, sein Anwalt habe um 23:26 Uhr mit der Übertragung von drei jeweils vierzehn Seiten umfassenden Berufungsbegründungen begonnen. Der Faxanschluss des OLG sei aber bis 23:55 Uhr belegt gewesen. Deshalb hätten nur noch die Schriftsätze in den beiden Parallelsachen rechtzeitig übermittelt werden können, nicht aber der Schriftsatz des Klägers. Das OLG wies das Wiedereinsetzungsgesuch zurück und verwarf die Berufung als unzulässig.

Die Rechtsbeschwerde des Klägers bleibt ohne Erfolg. Der Anwalt des Klägers musste damit rechnen, dass der Telefaxanschluss des Gerichts kurz vor Mitternacht aufgrund von Sendeversuchen anderer Absender belegt sein könnte, und musste deshalb eine zusätzliche Zeitreserve einplanen. Diese beträgt bei einem einzelnen Schriftsatz in der Regel 20 Minuten. Sollen mehrere Schriftsätze übertragen werden, muss die Reserve angemessen erhöht werden, weil die Gefahr besteht, dass die Leitung nach jedem einzelnen Übermittlungsvorgang erneut durch Dritte belegt ist. Im Streitfall stand für die drei Schriftsätze insgesamt eine Zeitreserve von weniger als 30 Minuten zur Verfügung. Dies war nicht ausreichend.

Praxistipp: Bei Last-Minute-Einreichungen dürfte der Versand über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) mit deutlich geringeren Risiken verbunden sein als der Versand über das vermeintlich bewährte Telefax.

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Um eine allgemeine Frage, die bislang nicht höchstrichterlich entschieden war, geht es in dieser Woche.

Bindung des Rechtsnachfolgers an einen nach Rechtsübergang geschlossenen Vergleich
Urteil vom 14. September 2018 – V ZR 267/17

Mit den Wirkungen eines vom früheren Rechtsinhaber geschlossenen Prozessvergleichs befasst sich der V. Zivilsenat.

Der Beklagte hatte in einem Vorprozess seinen Nachbarn wegen der Blendwirkung einer Photovoltaikanlage in Anspruch genommen. Der Rechtsstreit endete mit einem Vergleich, in dem sich der Nachbar verpflichtete, bestimmte Teile der Anlage zu entfernen. Nachdem der Beklagte die Vollstreckung eingeleitet hatte, erhob die Ehefrau des Nachbarn Vollstreckungsgegenklage. Sie legte (erstmals) offen, dass ihr Ehemann das Eigentum an dem betroffenen Grundstück schon während des Vorprozesses im Wege der Schenkung auf sie übertragen hatte, und machte geltend, sie sei an den von ihrem Ehemann nach der Übereignung geschlossenen Vergleich nicht gebunden. Die Vollstreckungsgegenklage blieb in den beiden ersten Instanzen erfolglos.

Der BGH bestätigt die Entscheidung der Vorinstanzen. Er verweist auf frühere Rechtsprechung, wonach eine Rechtsnachfolge nach Rechtshängigkeit in entsprechender Anwendung von § 265 ZPO auch dann keinen Einfluss auf den Rechtsstreit hat, wenn ein Grundstückseigentümer, der nach § 906 und § 1004 BGB wegen Einwirkungen auf ein Nachbargrundstück in Anspruch genommen wird, das Eigentum nach Rechtshängigkeit auf einen Dritten überträgt. Aus § 265 ZPO ergibt sich nach Auffassung des Senats, dass der Rechtsnachfolger auch an einen vom früheren Rechtsinhaber geschlossenen Vergleich gebunden ist, soweit dieser eine Rechtsfolge vorsieht, die auch das Ergebnis eines Urteils in dem anhängigen Rechtsstreit sein könnte. Eine in der Literatur (auch vom Montagsblogger) vertretene Gegenauffassung, wonach § 265 ZPO keine materiell-rechtlichen Wirkungen entfalten kann, lehnt er ab, weil ein Prozessvergleich eine Einheit bilde und das Gesetz dem Veräußerer eine umfassende gesetzliche Prozessstandschaft einräume. Den in § 325 Abs. 1 ZPO vorgesehenen Vorbehalt zugunsten eines gutgläubigen Erwerbers hält der Senat nicht für einschlägig, weil dieser nur einen (doppelt gutgläubigen) Erwerb von einem Nichtberechtigten betreffe.

Praxistipp: Um unliebsame Überraschungen zu vermeiden, sollte sich der Erwerber eines Grundstücks vergewissern, dass keine das Anwesen betreffenden Rechtsstreitigkeiten anhängig sind. Im Falle einer unrichtigen Auskunft ist er allerdings auch dann nicht vor einem Rechtsverlust geschützt; immerhin stehen ihm aber Ersatzansprüche gegen den Veräußerer zu.

Neue Senate für den BGH in Karlsruhe und Leipzig

Der Haushaltsausschuss des Bundestages soll nach übereinstimmenden Presseberichten am 08.11.2018 der Einrichtung zweier neuer Senate für den BGH zugestimmt haben. Ein Zivilsenat soll nach Karlsruhe kommen und ein Strafsenat nach Leipzig. Auch wenn diese Maßnahme in der Politik übereinstimmend begrüßt wird, ist Kritik insofern laut geworden, als mit der Gleichzeitigkeit der Bildung eines neuen Strafsenats in Leipzig die Rutschklausel umgangen werde. Die Rutschklausel sieht vor, dass für jeden neuen Zivilsenat in Karlsruhe ein dort schon bestehender Strafsenat nach Leipzig verlegt wird.

Montagsblog: Neues vom BGH

Um Hinweispflichten beim Verkauf einer Sozialwohnung geht es in dieser Woche.

Sozialbindung einer Wohnung als anzeigepflichtiger Rechtsmangel
Urteil vom 14. September 2018 – V ZR 165/17

Mit den Pflichten des Verkäufers einer mit öffentlichen Mitteln geförderten Wohnung befasst sich der V. Zivilsenat.

Der Kläger hatte von der Beklagten eine Eigentumswohnung gekauft. Der Kaufvertrag enthielt einen umfassenden Haftungsausschluss für Sachmängel. Im Rechtsstreit verlangte der Kläger die Rückabwicklung des Kaufvertrags, weil ihn die Beklagte nicht darüber aufgeklärt habe, dass es sich um öffentlich geförderten Wohnraum handle und Mieter einen Berechtigungsschein benötigten. Die Klage blieb in den beiden ersten Instanzen erfolglos.

Der BGH verweist die Sache an das OLG zurück. Er verweist auf seine ständige Rechtsprechung, wonach die Sozialbindung einer mit öffentlichen Mitteln geförderten Wohnung einen Rechtsmangel darstellt, und stellt klar, dass die Schuldrechtsmodernisierung hieran nichts geändert hat. Ob der im Kaufvertrag vereinbarte Haftungsausschluss für Sachmängel auch den im Streitfall vorliegenden Rechtsmangel umfasst, lässt der BGH mangels einschlägiger tatrichterlicher Feststellungen offen. Nach § 444 BGB kann sich die Beklagte auf den Haftungsausschluss jedenfalls nicht berufen, wenn sie die Sozialbindung arglistig verschwiegen hat. Entgegen der Auffassung des OLG ist in diesem Zusammenhang unerheblich, ob der Käufer den Kaufvertrag auch bei ordnungsgemäßer Aufklärung geschlossen hätte.

Praxistipp: Die Durchsetzung vertraglicher Ansprüche unter Berufung auf die Unwirksamkeit eines Gewährleistungsausschlusses gemäß § 444 BGB unterliegt weniger strengen Voraussetzungen als die Anfechtung des Vertrags gemäß § 123 BGB. Deshalb sollten auch im Falle einer Anfechtung zumindest hilfsweise die vertraglichen Rechtsbehelfe geltend gemacht werden.

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Um die formellen Voraussetzungen eines Beitritts als Streithelfer geht es in dieser Woche.

Beitritt als Streithelfer und Berufungskläger
Beschluss vom 13. September 2018 – I ZB 100/17

Mit den Anforderungen an die Darlegung eines eigenen Interesses des Streithelfers befasst sich der I. Zivilsenat.

Die klagende Haftpflichtversicherung begehrte von der beklagten Transportunternehmerin Schadensersatz, weil diese vereinbarungswidrig nicht die gesamte Fracht an den vorgesehenen Empfänger geliefert habe. Das LG wies die Klage ab. Dagegen legte ausschließlich die in erster Instanz nicht am Rechtsstreit beteiligte Empfängerin der Fracht Berufung ein; zugleich erklärte sie ihren zum Rechtsstreit als Streithelferin der Klägerin. Das OLG verwarf die Berufung als unzulässig, weil die Berufungsklägerin nicht dargelegt habe, welches Interesse sie am Ausgang des Rechtsstreits habe.

Der BGH verweist die Sache an das OLG zurück. Zu den formellen Voraussetzungen für einen wirksamen Beitritt als Streithelfer gehört zwar gemäß § 70 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 ZPO die bestimmte Angabe des Interesses, das der Beitretende am Ausgang des Rechtsstreits hat. Nähere Ausführungen dazu sind aber entbehrlich, wenn sich ein hinreichendes Interesse bereits aus den Feststellungen des angefochtenen Urteils ergibt. Diese Voraussetzung ist im Streitfall erfüllt. Als vorgesehene Empfängerin des Frachtguts ist die Berufungsklägerin ebenfalls Gläubigerin eventueller Ersatzansprüche gegen die Beklagte.

Praxistipp: Um unnötige Diskussionen zu vermeiden, ist es dennoch zweckmäßig, in dem Schriftsatz, mit dem der Beitritt erklärt wird, das Interesse des Beitretenden kurz darzulegen.